Bundeswehr: Dilemma um den Ersatz für den „Tiger“-Kampfhelikopter

Entscheidet sich der Verteidigungsminister für die Airbus-Lösung, bleibt das Geld in Deutschland bzw. in der EU. Es wäre dies eine Stärkung der deutschen und der europäischen Rüstungsindustrie. Nimmt er das US-Bell-Angebot an, dann hat die Bundeswehr ein solides Fluggerät; aber die Milliarden gehen vor allem in die USA.

IMAGO / Björn Trotzki
Kampfhubschrauber Tiger der Bundeswehr im Tiefflug auf dem Truppenübungsplatz Bergen, 17.10.2022

Die Bundeswehr verfügt auf dem Papier über 51 Stück des deutsch-französischen Kampfhubschraubers „Tiger“ – ausgeliefert zwischen 2013 und 2018 zum Einzelpreis von je rund 35 bis 40 Millionen Euro. Von diesem „Tiger“ heißt es, dass er ab 2025 nur noch über „temporäre Fähigkeitseinschränkungen“ verfüge, und die „Tiger“-Flotte ab 2027 reduziert werden solle. Ab 2029 seien diese Kampfhubschrauber der Bundeswehr nicht mehr für die Landes- und Bündnisverteidigung einsetzbar, so heißt es. Der „Tiger“ ist also jetzt schon museumsreif.

Wie wir auf TE berichtet haben, soll die Bundeswehr als „Brückenlösung“ nun 84 Stück des Airbus-Hubschraubers H145M anschaffen. Das ist ein Hubschrauber, wie er etwa vom ADAC als Rettungshubschrauber genutzt wird. Kostenpunkt: rund 3,05 Milliarden Euro, also Stückpreis rund 36 Millionen. Zunächst soll lediglich ein Rahmenvertrag für 62 Hubschrauber aufgesetzt werden; 57 davon sollen an das Heer, fünf an die Luftwaffe gehen, heißt es in einem Papier, über das „businessinsider“ berichtete. Zwei Drittel der Anschaffung sollen aus dem 100-Milliarden-„Sondervermögen“ (vulgo: Sonderschulden) finanziert werden, der Rest aus dem herkömmlichen Verteidigungshaushalt.

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Man muss kein hochkarätiger Rüstungsexperte sein, um Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses geplanten Kaufs bzw. der geplanten Umrüstung eines Zivilhelikopters zu einem Kampfhelikopter zu haben. Kurz: Das wird wohl nicht funktionieren. Denn der Zivilhubschrauber muss bewaffnet, gepanzert und wegen des gestiegenen Gewichts wohl mit einem stärkeren Motor und mit einem größeren Tank ausgestattet werden. All das lässt jetzt (wieder einmal) Pfusch erwarten. Selbst in höheren Rängen im Bendlerblock wird von einem „maximal schlechten Kompromiss“ gesprochen.

Apropos Umrüstung/Nachrüstung: Die Bundeswehr müsste sich eigentlich daran erinnern können, wie das mit dem „Starfighter“ F-104 war. Dieser einstrahlige Jet, der damals mehrere Geschwindigkeits- und Steig-Weltrekorde innehatte, war von der US-Firma Lockheed als Schönwetterjäger konzipiert gewesen. Die Bundesrepublik kaufte ab Ende der 1950er Jahre bis 1984 insgesamt 916 Stück davon. 259 sind abgestürzt, dabei kamen 116 Piloten ums Leben, was der F-104 den makabren Spitznamen „Witwenmacher“ einbrachte. Maßgeblicher Grund für die vielen Abstürze waren die Umrüstung der F-104 auf mitteleuropäische Verhältnisse und seine Überfrachtung zugleich nicht nur als Abfangjäger, sondern auch als Aufklärer und Jagdbomber.

Pistorius’ Dilemma

Die clevere US-Rüstungsindustrie hat das aktuelle Hubschrauber-Dilemma der Bundeswehr nun für sich entdeckt. Die US-Firma „Bell Aircraft“, die den fast schon legendären Hubschrauber Bell UH 1D (Soldatenjargon ob seines Motor- und Rotorengeräusches: „Teppichklopfer“) ab 1956 in 14.000 Exemplaren gebaut hatte, wendet sich nun an Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und bittet um einen „fairen Wettbewerb“. Angeblich hat das US-Unternehmen erst aus den Medien vom geplanten Deal zwischen der Bundesrepublik und Airbus erfahren.

„Bell Aircraft“ verlangt nun nach einem Treffen mit Pistorius. Dort wolle man den „Bell 429“ für Ausbildungszwecke und den Kampfhubschrauber „Viper“ für militärische Zwecke präsentieren. Laut „Bell“-Aussage würden beide Modelle die „wirtschaftlichste Lösung für Deutschland“ darstellen. Bell erklärte sich außerdem bereit, „für beide Programme Partnerschaftsstrategien mit deutschen Unternehmen zu entwickeln, die einen erheblichen lokalen Mehrwert“ hätten.

Boris Pistorius als „shooting star“?
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Da sitzt Pistorius nun schön zwischen den Stühlen. Einerseits scheint er sich gegen den Rat der eigenen Experten schon fest für die Airbus-Lösung entschieden zu haben. Auf diese Weise bliebe das Geld (es geht um bis zu 3 Milliarden) in Deutschland bzw. zumindest in der EU. Es wäre dies eine Stärkung der deutschen und der europäischen Rüstungsindustrie. Andererseits sind am US-Bell-Angebot die Erfahrung dieses Unternehmens und die (angebliche?) Bereitschaft, deutsche Firmen einzubeziehen, verlockend. Es bleibt freilich im Fall, dass „Bell“ doch den Zuschlag bekäme, die Vermutung, dass der größte Nutzer des Geschäfts die US-Rüstungsindustrie wäre. Damit würden aktuelle Hochrechnungen, dass wohl die Hälfte des 100-Milliarden-„Sondervermögens“ der US-Rüstungsindustrie zugutekommt, bestätigt. Siehe allein den Kauf des Tarnkappenbombers F-35A von Lockheed (mit 35 Stück für einen Gesamtpreis inkl. Ersatzteilen und Wartung von 10 Milliarden) und des schweren Transporthubschraubers Chinook CH-47F bei Boeing (mit 60 Stück und einem Gesamtvolumen von 8 Milliarden).

Alles in allem: Es bleibt für Pistorius ein Dilemma, wie auch immer er sich entscheidet. Entscheidet er sich für den US-Hubschrauber von Bell, dann hat die Bundeswehr ein solides Fluggerät; aber die Milliarden gehen vor allem in die USA. Entscheidet er sich für den Airbus-Helikopter, bleibt das Geld in Deutschland bzw. in der EU, aber es könnte daraus ein „Starfighter“-Drama 2.0 werden.

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Kommentare ( 44 )

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TschuessDeutschland
9 Monate her

Leonardo in Italien hat einen top-modernen Kampfhubschrauber im Angebot. Aber darum geht es nicht. Es geht um Politik. Entweder den Moloch Airbus pampern oder Tribut an den Hegemon zahlen. Wahrscheinlich am Ende beides. Die 100 Millliarden sind sicher schon zwischen Boeing, Bell, McDonnell Douglas und General Electric verteilt.

H. Priess
9 Monate her

Ist es nicht schließlich egal wer was liefert? Das wird sich erst richtig in 8-10 Jahren bemerkbar machen dann gibt es vielleicht die Nato noch aber die EU? Die unverbrüchliche Freundschaft zwischen uns und Frankreich hat schon arge Risse und an dieser veranstalteten Arbeitsteilung ist schon die Rüstungsindustrie der WM gescheitert. Alle Teile von verschiedenen Zulieferern geht immer zu Lasten der Effektivität. Was mich eigentlich wundert, wir haben Schiffe die nicht mehr schiffen, wir haben Tauchboote die nicht mehr tauchen, wir haben Hubschrauber die nicht mehr schrauben aber für die Ukras haben wir Waffen enmasse? Ganz egal wie die Hubschrauberproblematik… Mehr

Bernhardino
9 Monate her

Ich glaube, das europäische Entwicklungen jeglicher Art immer an den diversen Unterschieden in den Wünschen der beteiligten Länder scheitern werden. Es wird nicht eine Version entwickelt, sondern eine eierlegende Wollmilchsau.
Deshalb wird auch die Entwicklung eines „gemeinsamen“ Panzers seitens der BRD und Frankreich in die Hose gehen.
Nix anderes als die multikulturelle Gesellschaft, die ebenfalls aus sich selbst heraus zum Scheitern verurteilt ist.
Airbus ist die Ausnahme. Allerdings ist das kein deutsch-französisches Gemeinschaftsunternehmen mehr, sondern eine durch und durch französische Firma.

R.J.
9 Monate her

Danke, Herr Kraus. Man sollte m.E. den Mut haben, einmal einen Schritt zurückzutreten und verschiedene mögliche Ziele zu vergleichen, und das unternehme ich hier etwas provokativ.   Zunächst das Ziel, dass die BW ernsthaft kampffähig werde. Dazu schaue man sich ihre materielle Verfassung und verbreitete Mentalität an. Es ist ein riesiger Beschäftigungsapparat, den man durch Einpumpen zusätzlicher Versorgungsposten in die Verwaltung noch einmal aufgebläht hat, und es gibt massivste Defizite in allen Bereichen. Das ändert sich durch 100 Mia. Sonderschulden nicht, auch deshalb nicht, weil es an unverdächtiger militärischer Tradition und entsprechendem unverdächtigem Stolz fehlt. Schauen Sie sich reale Einsatzfilme… Mehr

Mausi
9 Monate her

Also entweder Geld in die EU für Pfusch oder Geld in die USA für Qualität. Für mich wäre das keine schwere Entscheidung. Denn es heißt zu Recht: Wir sind zu arm für Pfusch.
Bekommt TE eigentlich keine Zuschriften zum Zustand der Kasernen? Keine Zuschriften zum Zustand der Bundeswehr aus dem Blickwinkel von Soldaten?
Denn anscheinend ist das Fundament der Bundeswehr so verrottet, dass der Hubschrauber keinen Unterschied mehr macht. Unter diesem Gesichtspunkt kann die Bundeswehr auch Pfusch kaufen. Bzw. es ist zielführend, wenn sie sich für Airbus entscheidet.

DeppvomDienst
9 Monate her

51 Exemplare stelle man sich vor verteilt auf die Fläche der BRD ! Entweder man beschafft auch eine sinnvolle Anzahl im hohen dreistelligen Bereich, oder man lässt das Ganze, wie auch andere Projekte, besser gleich sein. Wenn dann noch zivile Beamte, meistens wohl – innen, versuchen aus einem Kampfhubschrauber einen Multi- Tasker zu machen, der nötigenfalls noch den Rasen vor der Kaserne mäht, ist das übliche deutsche Beschaffungselend wieder perfekt. Am besten macht man sich einfach mal ehrlich, entsorgt den ganzen Müll in der Ukraine und stampft die BW endlich ein, da sie ohnehin niemals die Befähigung zur wirksamen Landesverteidigung… Mehr

Faun
9 Monate her

Die Probleme, welche in dem Gastbeitrag beschrieben werden, bzw auch diejenigen hier in den Kommentaren, zeigen nur ein unvollständiges Bild. Aus der Historie betrachtet sind beim Kampfhubschrauber Tiger sicher jede Menge Fehler gemacht worden. Hier einen alleinigen Schuldigen  herauszufiltern funktioniert aber leider nicht. Die Firma Eurocopter, später Airbus hat davor nie einen reinrassigen Kampfhubschrauber entwickelt. Auch wurden neue Wege hinsichtlich Zellenstruktur und Material angewendet. Ursprünglich waren 3 Modelle geplant: UHT deutsch(Mastvisier, Bewaffnung wie heute vorhanden)  , HAC franz.  (reine Panzerabwehr, mit Mastvisier) und  HAP (Unterstützunghubschrauber , 30mm MK und nur ungelenkte Raketen). Die HAC Variante wurde wegen Kosteneinsparungen gekippt und es… Mehr

Petereberl
9 Monate her

Diese Analyse hat längst stattgefunden den, in D wie in F. Die Probleme der deutschen Version sind so gravierend, dass keine Abhilfe möglich ist, will man ein Minimum an Einsatzbereitschaft erreichen. Zum gleichen Schluss kam Australien mit seiner Tiger-Version. F schafft es trotz eines immensen Aufwandes nicht, mehr als 40% der Exemplare einsatzfähig zu halten. Bei der Bundeswehr sind es rund 10%. Insofern ist es sinnvoll, sich von einem Fass ohne Boden zu trennen.

Nero
9 Monate her

Die Bell Cobra hatte ihren Erstflug 1965 und hier soll der 25 Jahre jüngere Tiger ausgemustert werden?

Petereberl
9 Monate her
Antworten an  Nero

Man sollte schon sinnerfassend lesen können. Die beiden genannten Modelle unterscheiden sich etwa wie ein Golf 1und der aktuelle Golf. Und der AH 1 Viper funktioniert, der Tiger hingegen nicht.

Piet Pender
9 Monate her

Ich kann mich nur anschließen bei all dem Gesagten! Hinzu kommt das in kostengetriebenen Unternehmen gar nichts läuft ohne eine Auftragsnummer! D.h es ist egal was der Vogel macht nach der Garantiezeit. Jeder Unternehmer wäre bemüht sich die Frage zu stellen” was muss ich tun , das der Vogel fliegt?” Fehlanzeige ! Da kommen Uschi , Annegret ,Annemarie daher und posieren im Hubschrauber aber von allem Null Ahnung! “ aber Nachhaltigkeit “ ! Selbst für eine Nachrüstung musst du ein paar Jahre rechnen, da diese Leute erst aufgebaut werden müssen. Auch ist es tödlich sich auf amerikanische Modelle zu verlassen.… Mehr