Kramp-Karrenbauer-Vorschlag: Schutz-/Sicherheitszone in Nordsyrien

In der NATO ist man sauer - und die Bundeswehr hat das sowieso nicht „im Kreuz“.

John MacDougall/AFP/Getty Images

Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut. Das gilt für so ziemlich alle Bereiche des Lebens: für Politik, Landwirtschaft, Ernährung, Erziehung usw. Das gilt wohl auch für den jüngsten Vorschlag der CDU-Vorsitzenden und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK); sie hatte soeben laut darüber nachgedacht, man solle doch in Nordsyrien eine internationale „Sicherheitszone“ errichten.

„Sicherheitszone“ – das ist ja eigentlich das, was Erdogan möchte, aber eben nicht unter internationaler bzw. UN-Beteiligung, sondern seit dem Einmarsch türkischer Truppen am 9. Oktober in Syrien ausschließlich mit Hilfe seiner türkischen Armee. Erdogan wollte eine 30 Kilometer breite und mehrere hundert Kilometer lange Zone errichten. Dort sollen nach der Vertreibung der Kurden-Miliz YPG syrische Flüchtlinge angesiedelt werden.

So hat es sich AKK nicht vorgestellt, selbst wenn sie den Begriff „Sicherheitszone“ verwendet. Was aber meint AKK? Sie meint wohl eine von UN-Friedenstruppen bewachte „Schutzzone“, wie es sie etwa während der 1990er-Jahre auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens gab.

Durcheinander bei Kramp-Karrenbauer

„Sicherheitszone“ oder „Schutzzone“? Kramp-Karrenbauer verwendete mal diesen, mal jenen Begriff. Semantisch ist sie ohnehin nicht ganz gut drauf. Sonst hätte sie der Türkei nicht auch noch eine „Annexion“ Nordsyriens vorgeworfen.

Nun, als Zielsetzung nannte AKK in mehreren Interviews folgende: „Mein Vorschlag ist, dass wir eine international kontrollierte Sicherheitszone unter Einbeziehung der Türkei und unter Einbeziehung von Russland einrichten.“ Zugleich will AKK erstens, dass damit der Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) wieder aufgenommen werden könne, und zweitens dass der zivile Aufbau beginnen könne und Flüchtlinge zu einer freiwilligen Rückkehr motiviert würden.

Alles recht und schön! Wenn man eine solche Idee aber dilettantisch einfädelt, wird sie umgehend zum Flop. Das jüngste NATO-Treffen hat es wieder bestätigt. Dort erntete AKK außer ein paar netten diplomatischen Worten allenfalls Kopfschütteln. Denn das macht man nicht: Via Medien in Sachen Syrien zwei Tage vor einem NATO-Treffen etwas Weitreichendes in die Welt setzen, ohne die NATO-Partner zu informieren. Dort weiß man mit dem AKK-Vorschlag nichts anzufangen. Siehe hier.

Ansonsten steckt der Teufel hier nicht nur im Detail, sondern im Grundsätzlichen. Vor allem hat AKK – angeblich (?) mit Rückendeckung Merkels (siehe) – mehr Fragen aufgeworfen als konkrete Vorschläge unterbreitet. Zum Beispiel:

  • Warum hat AKK sich nicht vorher innerhalb der Koalition abgesprochen? Dass die SPD und vor allem deren Außenminister Heiko Maas jetzt schier narzisstisch gekränkt sind, war zu erwarten. Dass der Maas-Vorgänger Sigmar Gabriel den AKK-Vorschlag begrüßt, ist ebenfalls interpretationsfähig.
  • Glaubt AKK wirklich, dass sie angesichts des deutschen Sonderwegs „Parlamentsarmee“ damit im Bundestag durchkommt? Nahezu am gleichen Tag, an dem der Bundestag die Überwachungsflüge deutscher Luftwaffen-Tornados ab dem 31. März 2020 für beendet erklärt!
  • Warum hat man nicht wenigstens den engsten NATO-Verbündeten Frankreich eingebunden? Warum ist AKK nicht wenigstens zusammen mit ihrer französischen Ressortkollegin Florence Parly vor die Presse gegangen?
  • Warum kam der Vorschlag – offenbar bewusst spektakulär – mitten in das Treffen Putin/Erdogan in Sotschi hinein? Beide haben ja immerhin einen unbefristeten Waffenstillstand vereinbart. Was wiederum AKK nicht ausreicht, Putin und Erdogan aber keine schlaflosen Nächte bereiten wird.
  • Ist AKK und Merkel klar, dass ohne Putin rein gar nichts geht? Ist beiden klar, dass eine Zustimmung Putins bzw. der Verzicht Putins auf ein Veto im UN-Sicherheitsrat auf eine Stärkung des syrischen Machthabers Baschar Hafiz al-Assad hinausläuft?
  • Ist AKK klar, dass sich Erdogan den Rückzug seiner Truppen zugunsten eines UN-Einsatzes teuer erkaufen lässt? Sein Druckmittel ist ja eine mögliche Aufkündigung des Flüchtlingspakt vom März 2016, mit dem 6 Milliarden Euro EU-Gelder in die Türkei fließen.
  • Ist AKK klar, dass es Erdogan nicht um Humanitäres, sondern um eine Niederlage der ihm verhassten Kurden geht?
  • Meint AKK, man könne die USA, die gerade eben erst ihre Truppen aus dem Gebiet abgezogen haben, für eine Schutztruppe gewinnen? Jedenfalls hat der US-Verteidigungsminister Marc Esper den AKK-Vorstoß schon mal nonchalant beiseitegelegt, als er erklärte: „Ich habe den deutschen Vorschlag nicht gelesen oder ihn nicht im Detail studiert.“ Gleichzeitig betonte er, dass sich die USA nicht an Aktionen mit Bündnistruppen beteiligen würden. Allenfalls Panzer zum Schutz der ostsyrischen Ölfelder – so Salto-Mortale-Trump mittlerweile – wolle man schicken.
Die Bundeswehr hat das „nicht im Kreuz“

Lassen wir die Frage, was AKK zu dieser Initiative (innen- und imagepolitisch) motiviert haben könnte und wie sie sich die Umsetzung vorstellt. Sollte sie als Verteidigungsministerin Muskeln zeigen wollen, so wäre sie gut beraten gewesen, sich erst einmal die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr anzuschauen. Denn eine Idee zu verbreiten und dann zu anderen zu sagen: „Das militärisch Robuste macht ihr mal“ – das haut nicht mehr hin. Der CDU-Außenpolitiker Kiesewetter liegt wohl nicht ganz falsch, wenn er meint, für ein solches Syrien-Mandat brauche man insgesamt 30.000 bis 40.000 Soldaten, davon – so Kiesewetter – vermutlich bis zu 12.000 Bundeswehrsoldaten, die etwa im Quartalsturnus zu je 3.000 Soldaten durchwechseln würden. Nein, da hätte AKK mal das Buch der beiden TE-Autoren Josef Kraus und Richard Drexl lesen sollen: „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“.

Mit der Zahl 3.000 ist AKKs Idee schon ad absurdum geführt. Denn die Bundeswehr pfeift mit ihren aktuellen Auslandseinsätzen bereits aus dem letzten Loch. Derzeit sind schließlich 3.187 Soldaten der Bundeswehr unmittelbar bei Auslandseinsätzen eingesetzt. Damit ist Ende der Fahnenstange erreicht, denn allein für diese Einsätze muss die Bundeswehr Material und Personal aus dem gesamten Bundesgebiet zusammenklauben.

Siehe nachfolgende Tabelle (Stand: 14. Oktober 2019):

Stärke der deutschen Einsatzkontingente
Einsatz Einsatzgebiet Stärke      
Resolute Support Afghanistan 1.164
KFOR Kosovo 74
UNMISS Südsudan 15
UNAMID Sudan 3
UNIFIL Libanon 119
EUTM Mali Mali 160
MINUSMA Mali 893
Atalanta Horn von Afrika 72
Sea Guardian Mittelmeer 190
Anti-IS-Einsatz/Fähigkeitsaufbau Irak Syrien/Irak 445

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Kommentare ( 43 )

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Karl Heinz Muttersohn
4 Jahre her

Man sollte bei den Regierungspolitikern immer davon ausgehen, dass es eine kompetente Person niemals ins Kabinett schaffen kann. Merkel kann nur überleben, wenn sie sich mit Ministern umgibt, die sie kompetent aussehen lassen.

taliscas
4 Jahre her

Avanti Dilettanti…

spindoctor
4 Jahre her

Ich schlage vor:

Eine „internationale Sicherheitszone“ für die Hamburger Universität.

Bevor man/frau sich Gedanken über solche anderswo macht.

DELO
4 Jahre her

Wenn man die zahllosen Artikel und Kommentare zu diesem Thema liest, muß am zwangsläufig zu der Erkenntnis kommen, AKK ist auf dem politischem Parkett der Oberdepp, dem alles misslingt und der nur dümmliche Reden in die Welt setzt. Dem ist nur nicht so. AKK ist zwar tatsächlich die politische Ungeschicktheit in Person, aber eben nicht dumm. Ihr Vorschlag war das einzige Anzeichen aus Europa, in dieser Region überhaupt einen eigenen Beitrag leisten zu wollen. Natürlich hätte das vom Überflieger Macron kommen müssen, sollte es ernst genommen werden oder von dem stocksteifen Stoltenberg, der zur Mobilisierung aufruft, wenn der Krieg bereits… Mehr

Gruenauerin
4 Jahre her
Antworten an  DELO

Eben deshalb ist sie dumm, weil sie für ihr Amt nicht geeignet ist, für keine Regierungsposition. Wenn sie nicht dumm wäre, wüsste sie, was sich diplomatisch schickt und was nicht. Und wenn sie nicht dumm wäre, hätte Merkel sie gar nicht in die beiden Ämter gehievt.

Alf
4 Jahre her

Für die Bundeswehr, die seit Jahren oftmals mit defekter Technik Schlagzeilen macht, war der Donnerstag ein guter Tag: Airbus übergab nach sechsjähriger Vorbereitung den ersten der neuen Marinehubschrauber „Sea Lion“ an das deutsche Militär. Bis 2022 sollen 17 weitere Helikopter in dem Airbus-Werk im schwäbischen Donauwörth gebaut und ausgeliefert werden. https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/militaer-verteidigung/id_86679406/genau-nach-zeitplan-bundeswehr-erhaelt-neuen-marinehubschrauber.html Also 18 Helikopter und die Helikopter des ADAC. Deutschland meldet sich zurück. Zusammen mit dem Hubschrauberträger der Marine (Bauzeit 8 Jahre, Kosten unbekannt) und dem Pannenpanzer Puma kann die BW einen wertvollen Beitrag zur Sicherung Syriens leisten. AKK hat den vollen Überblick und maßt sich an, die Weltbühne zu… Mehr

Hannibal ante portas
4 Jahre her
Antworten an  Alf

Ihr wichtigster Hinweis: „…Die Kriegsparteien in Syrien haben mehr deutsche Waffen im Portfolio als die deutsche Bundeswehr im eigenen Land…“

Schwabenwilli
4 Jahre her

Wie dumm ist Frau Kramp-Karrenbauer eigentlich? Spätestens seit ihrem naiven Flugzeugträger Vorschlag Informatik natürlich unterstützt hat, hahaha. Muss sie wissen ja das muss sie dass diese Kampagne ein Schuss in den Ofen wird mein Gott wie naiv kann man eigentlich noch sein?

CIVIS
4 Jahre her

Die Frage in der Anmoderation: „Gut gemeint oder nur dilettantisch?“

Meine Antwort: „Eigentlich nur DUMM, …unwahrscheinlich DUMM !!! „

Sharkeen
4 Jahre her

Was sagen denn AKK‘s Generäle dazu? Üblicherweise sind diese Leute ziemlich versiert bezüglich GeoPolitik und -strategie (da eigentlich ihr Job). Sind Eh-da Kosten, somit ist deren Beratung „gratis“.

Ivan de Grisogono
4 Jahre her

AKK ist eine von Merkels Grazien, besser gesagt Trojaner, die jede erforderliche Handlung ad absurdum führt. Im Interesse Deutschlands, Europas und NATOs wäre erstens eine schlagfertige und gut vorbereitete Bundeswehr wieder auf die Beine zu stellen. Solange dieser Schritt nicht erfolgt sind politische Parolen zu durchsichtig um ernst genommen zu werden. Wie wäre es über Wehrpflicht nachzudenken ? Merken die Grazien nicht, dass ohne Militärmacht, mit modernen Waffen und vorbereite Einsatztruppen, sie von niemanden respektiert werden? Geopolitik braucht Macher und keine „Damen-Kaffeekränzchen“ ! UN und Gesinnungs-Apologeten sind zahnlose Tiger nur.

Michael Sander
4 Jahre her

Der Vollständigkeit halber sollte man auch mal erwähnen, dass die USA eine solche Schutzzone unter Beteiligung der Europäer noch Anfang des Jahres intensiv beworben hatten, damit jedoch abgeblitzt sind (wegen Trump Derangement Syndrom).
Nun, wo diese abgezogen sind, kommt AKK plötzlich aus dem Quark.
Zu spät.