„Aufkommensneutral“ werde die Reform der Grundsteuer sein, das hatte Ex-Kanzler Olaf Scholz (SPD) versprochen. Tatsächlich bereichern sich jetzt viele Gemeinden an der Umstellung – besonders in NRW und Niedersachsen.
picture-alliance | Christian Ohde / CHROMORANGE
Versprechen von deutschen Bundeskanzlern sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Auf der nach unten offenen Glaubwürdigkeitsskala rutschen sie nicht erst seit Friedrich Merz buchstäblich ins Bodenlose. Jetzt erweist sich auch eine Zusage von Olaf Scholz als, nun ja, von der Realität nicht gedeckt.
Mit der Reform der Grundsteuer zum Jahresanfang würden sich die Städte und Gemeinden nicht bereichern, hatte der inzwischen abgewählte sozialdemokratische Kurzzeit-Regierungschef zugesagt. Für einige Immobilieneigentümer könne zwar – abhängig von der Wohnlage – eine höhere Grundsteuer anfallen als bisher, doch dafür würden viele andere künftig weniger zahlen müssen. Im Schnitt solle die Belastung der Bürger nicht steigen.
Tut sie aber eben doch, das zeigen neue Erhebungen.
Besonders Nordrhein-Westfalen bittet zur Kasse
Im schwarz-grünen Bundesland von CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst werden im laufenden Jahr zwei von drei Kommunen durch die Grundsteuerreform höhere Einnahmen erzielen als 2024.
Im bevölkerungsreichsten Bundesland werden nach einer offiziellen Prognose der Landesregierung 265 der insgesamt 396 Kommunen durch die Grundsteuer mehr einnehmen als bisher. Besonders viel Geld fließt in:
- Monheim (9,7 Millionen Euro)
- Moers (6,2 Millionen Euro)
- Wuppertal (6,0 Millionen Euro)
- Herford (5,5 Millionen Euro)
- Castrop-Rauxel (4,7 Millionen Euro).
Auch in den meisten Großstädten dürfen sich die Kämmerer laut amtlicher Prognose über mehr Geld freuen:
- Köln (3,2 Millionen Euro)
- Bonn (2,6 Millionen Euro)
- Münster und Oberhausen (jeweils 2,1 Millionen Euro)
- Düsseldorf (1,4 Millionen Euro)
- Krefeld (1,3 Millionen Euro).
Auch Mieter betroffen
Im Jahr 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht die zur Berechnung der Grundsteuer herangezogenen Einheitswerte für veraltet und verfassungswidrig erklärt. Deshalb wurde 2019 mit der Grundsteuerreform ein neues Bundesmodell geschaffen. Abweichend dazu durften die Bundesländer auch eigene neue Berechnungsmodelle einführen. NRW wählte das Bundesmodell.
Insgesamt werden die Städte und Gemeinden in NRW nach der Reform zwar weniger Grundsteuer einnehmen: Im Jahr 2024 waren es noch 4,21 Milliarden Euro, nach der Prognose werden es im laufenden Jahr 26,5 Millionen Euro weniger sein. Das liegt aber daran, dass es in den 131 Kommunen, in denen es für die Bürger billiger wird, gleich sehr viel billiger wird – zum Beispiel in Mülheim an der Ruhr, Aachen, Leverkusen, Bergisch Gladbach und Schwerte.
In 265 NRW-Kommunen muss man aber mehr blechen, sodass es für die meisten Menschen eben doch teurer wird – anders als versprochen. Von „aufkommensneutral“ kann da höchstens abstrakt statistisch die Rede sein. Das nutzt den Betroffenen genau gar nichts.
Niedersachsen schlägt ebenfalls zu
Das SPD-geführte Küstenland verwendet nicht die Bundesberechnung, sondern das sogenannte „Flächen-Lage-Modell“. Im Ergebnis müssen dort in jeder dritten Gemeinde die Menschen mehr Grundsteuer zahlen als bisher.
Von den insgesamt 940 Kommunen rufen 298 bei der sogenannten „Grundsteuer B“ einen Hebesatz auf, der mindestens fünf Prozentpunkte über dem Wert liegt, bei dem die neuen Grundsteuereinnahmen tatsächlich aufkommensneutral wären. Das ergibt eine gemeinsame Erhebung des Bunds der Steuerzahler (BdSt) sowie der Immobilienverbände vdw und VWE.
In Prinzhöfte verlangt die Gemeinde einen Hebesatz von 310 Prozentpunkten, das sind 127,9 Prozent mehr als für die Aufkommensneutralität nötig. Auch Beckeln und Kirchseelte sowie Amt Neuhaus greifen sich über 100 Prozent mehr als nötig. Weitere zehn Kommunen weichen um mindestens 50 Prozent nach oben ab, dazu 55 Städte und Gemeinde um mehr als 20 Prozent. Und 118 Kommunen liegen um mehr als zehn Prozent über dem, was benötigt wird, um künftig genauso viel Grundsteuer einzunehmen wie bisher.
„Das Versprechen der Aufkommensneutralität hätten im Gesetz verbindlich aufgenommen werden müssen“, sagt Susanne Schmidt, Direktorin beim Immobilienverband vdw.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im nordrhein-westfälischen Landtag, Ralf Witzel, ruft die Städte und Gemeinden in seinem Bundesland dazu auf, die Mehreinnahmen durch die Grundsteuer an die Bürger zurückzugeben: „Wir erwarten die strikte Einhaltung der versprochenen Aufkommensneutralität. (…) Nach der Kommunalwahl müssen die Mehrbelastungen von den neuen Stadträten zurückgenommen werden.“
Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, dürfte ungefähr genauso hoch sein wie die Wahrscheinlichkeit, dass ein zeitgenössischer deutscher Bundeskanzler ein Versprechen hält.



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Da gibt’s nichts zu meckern. Die Leute wählen sich ihre Henker selber. Prognose AfD in NRW Kommunalwahlen nur 15%. Also geniesst es.
Wer pinnt denn diesen ewigen Schmarrn a la „wie gewählt“ auch noch an?
Unter welcher Partei würden die Kommunen denn die Grundsteuer nicht ausnutzen?
So ist es. Die Wahl-Schafe laufen selbständig und völlig vollautomatisch zum eigenen Metzger. Aber ich darf Sie trösten, bei uns in Österreich ist es genauso, auch unser Land rast gerade mit Vollgas ungebremst in den Abgrund. Ich schau mich bereits seit geraumer Zeit um eine Bleibe in Ungarn um…….
Düsseldorf mal wieder dabei: Kein Geld, die Schlaglochpisten in der Stadt zu sanieren, aber großzügig das Geld der Steuer- und Sozialkasseneinzahler verschleudern. Meine Güte, was hat sich die Struktur in Düsseldorf durch diesen Wahnsinn bereits verändert.
Gibt es dazu eine Gesamtübersicht über alle Bundesländer? Gibt es auffällige Unterschiede zwischen alten und neuen Ländern, zwischen dem eher linken Norden und dem eher konservativen Süden, gibt es Korrelationen zum BIP des Landes und dem Länderfinanzausgleich etc pp.
Interessant wäre auch die Verteilung von Erhöung/Erniedriegung. Ist das gleichmäßig verteilt zwischen Grundstücken/Häusern in kommunalem Besitz (incl kommunaler GmbH) und privaten Grundstücken/Häusern?
Der Staat presst seine Bürger gnadenlos aus, und immer noch reichen die gewaltigen Rekord-Steuereinnahmen nebst den ungeheuren Rekord-Schulden hinten und vorne nicht.
Die Suche unserer furchtbaren Regierung nach der Erschließung neuer Steuerquellen geht unvermindert weiter.
Den Gemeinden bleibt nichts anderes über, als die Grund- bzw. Gewerbesteuer weiter zu erhöhen. Bund und Land verteilen großzügig Vergünstigungen, stellen aber nicht die finanziellen Mittel dafür bereit. Die Gemeinden müssen letztendlich zahlen. Dazu gehören auch z.B. die Kosten der Migrations- bzw. Asylindustrie.
Den Gemeinden bleibt nur, Grund/Gewerbesteuer rauf oder auf Pump finanzieren. Man schaue nur, wie viele Gemeinden allein in NRW in der Haushaltssicherung bzw. am Rand dazu sind. Das Wasser steht bis zur UNterlippe und Bund und Land wollen es nicht erkennen.
„In Prinzhöfte verlangt die Gemeinde einen Hebesatz von 310 Prozentpunkten“
Der Hebesatz wird nicht in Prozentpunkten ausgewiesen.
Eine Liste mit den Städten veröffentlichen und wegziehen wer`s kann. Die höheren Kosten werden auf die Mieter umgelegt, die Städte werden sich wundern, wenn ihre Bewohner wegziehen, nur so kommt ein Umdenken.
Ich leg das gerade auf meine Mieter um.
Die Erhöhung macht hier bei einer 100 m² Wohnung unter 10 Euro im Monat. Deshalb zieht keiner um, da muss sich keine Stadt wundern.
Macht keine 120 Euro im Jahr, nur das ist die falsche Einstellung, auch Vermieter können druck ausüben. Jede Erhöhung die kommt, wird nach unten durchgereicht, es ist an der Zeit, das zu beenden.
Der mitgeteilte Fakt ist überhaupt keine Einstellung.
Ich habe natürlich auf dem Weg zur neuen Grundsteuer den grundsätzlichen Einspruch eingelegt, sachlich kann man bei dem Bodenwertmodell wenig machen.
Warum solle ich nicht durchreichen und selbst zahlen?
Kann ich nur bestätigen. Meine GS hat sich um den Faktor 14 erhöht. Einsprüche bei der Gemeinde und Klage beim Verwaltungsgericht blieben bisher erfolglos. Und ich bin kein SPD Wähler und trotzdem der Dumme.
Faktor 14 glaub ich ohne Details nicht.
„Im Schnitt solle die Belastung der Bürger nicht steigen.“ Für mein Haus (Nähe Bodensee) zahle ich derzeit fast das 3-fache (274%) der vorherigen Grundsteuer. Für das Haus meiner Mutter erhöhte sich die Grundsteuer um den Faktor 1,6 (162%). Für unsere Nachbar gilt überall ähnliches. Natürlich wurde diese Reform betrieben, um die Häuslesbesitzer zu schröpfen. Die Vorgabe „Sie werden nichts mehr besitzen und sich dabei glücklich fühlen“ gilt, mit Freuden durchgesetzt von SPD und den Grünen, die die Gelder sogleich verschleudern … ähhh, sorry, ich meine natürlich „gut anlegen“. Die gestiegene Grundsteuer wird übrigens an die Mieter weiter gegeben. Mit schönen… Mehr
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