Sinneswandel der Grünen: Frieden schaffen durch schwere Waffen

Der grüne Anton Hofreiter sprach sich kürzlich für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine aus. Unüberlegte, unbedachte, unkoordinierte inflatorische Forderungen nach „schweren Waffen“ durch Amateure der Sicherheitspolitik und Ignoranten militärischer Operationen setzen die Sicherheit Deutschlands aufs Spiel.

IMAGO / Mike Schmidt

Seit den 80er Jahren haben sich die Grünen mit dem Mythos moralischer Unfehlbarkeit umgeben. Diesen leiteten sie aus ihrem hehren Status als die Abrüstungspartei schlechthin ab. Der Slogan war stets „Frieden schaffen ohne Waffen“. Im Laufe der realpolitischen Ernüchterung, die mit der Beteiligung an der Macht in vielen Länderregierungen und schließlich an zwei Bundesregierungen einherging, einigte man sich dann auf den Diskurs: „Mit dem Militär kann man kein politisches Problem lösen.“ Den unterschiedlichen Strömungen der Grünen war eins gemeinsam: Ihr moralischer Duktus und ihre Verachtung für alles Militärische, ja sogar für Soldatentum schlechthin.

Seit dem Angriffskrieg von Putins Russland gegen die Ukraine haben sich die Grünen bemüht, einen radikalen Sinneswandel einzuleiten und gleichzeitig weiterhin für sich zu beanspruchen, die moralische Vorhut der Parteien zu sein. Bereits bei Anne Will reklamierte das grüne Altgewächs Marieluise Beck, mittlerweile firmierend unter „Liberale Postmoderne“, verheiratet mit dem ehemaligen Mitglied des Kommunistischen Bundes Westdeutschland Ralf Fücks, die sofortige Lieferung von Panzern durch das deutsche Rüstungsunternehmen Rheinmetall an die Ukraine. Sie sei schließlich in Kiew gewesen und habe den Bedarf an Waffen vollumfänglich erkannt.

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Anton Hofreiter, der promovierte Biologe und Vertreter des linken Flügels der Grünen, ging sogar noch weiter. Er warf dem Kanzler Zaudern vor und sprach sich am 16. April 2022 für die Lieferung schwerer Waffen, also auch von Panzern, an die Ukraine aus. Putin führe gegen die Ukraine einen Zerstörungskrieg und daher sei die Lieferung schweren Geräts nicht nur erlaubt, sondern auch unerlässlich. Dass ihm die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann, hierin folgte, markiert ebenfalls einen Wendepunkt in der traditionellen militärischen Zurückhaltung der FDP.

Zweifelsohne führt Russland gegen die Ukraine einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, auf den sich die ukrainische Armee – aufgrund der guten Vorbereitung durch amerikanische Berater sowie durch öffentlich nicht angekündigte Waffenlieferungen der USA – seit geraumer Zeit vorbereitet hat. Die Verluste an Menschen und Material auf russischer Seite sind unerwartet und treffen das Selbstbewusstsein von Putins Streitkräften erheblich.

Der Stolz der Ukraine, nunmehr mit einer Neptun-Rakete das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte getroffen und schließlich versenkt zu haben, belegt die Effizienz der ukrainischen Kriegsführung und die Verwundbarkeit der russischen Streitkräfte. Der Schlag gegen den Kreuzer Moskwa, also die Vernichtung einer sehr geschützten Plattform, durch ein Land, das sich mit Russland im Krieg befindet und keine Marine mehr hat, belegt die ungebrochene Widerstandsfähigkeit der Ukraine.

Bestimmte Anrainerländer, so besonders die Balten und Polen einschließlich der Tschechischen Republik, haben Waffen von unterschiedlicher Qualität an die Ukraine geliefert. Der EU-Kommissar für Außenpolitik Borrell veranlasste die Regierungschefs sogar zu Waffenlieferungen im Werte von ca. 1,5 Milliarden Euro an die Ukraine.

Bundesjustizminister Buschmann verkündet derweil, dass Waffenlieferungen an die Ukraine das Liefer-Land nicht zur Kriegspartei werden lassen. Die Richtigkeit dieser Auffassung hängt im Wesentlichen davon ab, ob und bis wann die russischen Machthaber diese massiven Einmischungen in einen ukrainisch-russischen Konflikt dulden werden. Weder die Äußerungen von Herrn Buschmann noch die Panzer-Euphorie von Herrn Hofreiter und Frau Strack-Zimmermann werden den Konflikt zwischen Ukraine und Russland entscheidend beeinflussen.

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Die Lieferung von Panzerwaffen an die Regierung Selenskyj, um es ihm – wie er verlangt – zu ermöglichen, die besetzten Gebiete zurückzuerobern, könnte die Bereitschaft zum Frieden, zumindest aber zum Waffenstillstand, erheblich einschränken. Selenskyj hat die Rolle seines Lebens gefunden: Er hat den Krieg auf die Bühne gebracht und spielt auf dieser Bühne eine globale Rolle. Nur einmal hat sein Schauspielertalent versagt, als er in Israel bei der Ansprache an die Knesset die Vorgänge in der Ukraine mit der Shoah verglich.

Nota bene: Weder an der Völkerrechtswidrigkeit des Angriffskriegs noch an der Scheußlichkeit der Kriegsverbrechen und Grausamkeiten, die – so ist zu fürchten – auf beiden Seiten begangen worden sind, soll etwas herumgedeutelt werden. Damit der Konflikt aber zumindest in absehbarer Zeit in einen Waffenstillstand mündet und das grässliche Opfern von Menschen im zivilen wie im soldatischen Bereich ein Ende findet, darf niemand Öl ins Feuer gießen. Putin kann weder die Ukraine in toto erobern noch das ukrainische Volk vernichten. Insofern liegen die Ausführungen der Grünen und insbesondere des Herrn Dr. Hofreiter neben der Realität.

Indes kann die Lieferung von „Angriffswaffen“ nicht nur die Ukraine dazu motivieren, einen Rückeroberungskrieg auf Dauer zu führen, sondern die Atommacht Russland dazu verführen, den Einsatz taktischer Atomwaffen zu erwägen. Wohlgemerkt, Angst ist immer ein schlechter Ratgeber, aber die unüberlegte, unbedachte, unkoordinierte inflatorische Forderung nach „schweren Waffen“ für die Ukraine durch Amateure der Sicherheitspolitik und Ignoranten militärischer Operationen wie Strack-Zimmermann und Hofreiter setzen die Sicherheit Deutschlands aufs Spiel. Und Kanzler Scholz macht am Ende doch mit.

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