Die Meinungsfreiheit steigt ab – die staatliche Meinungskontrolle steigt auf

Der „Freiheitsindex“ von Allensbach und Media Tenor zeigt den tiefsten Stand seit 70 Jahren: Nur eine Minderheit glaubt noch, frei reden zu können. Das liegt an staatlichen Maßnahmen, die das Liberalitätsklima gezielt verschlechtern. Nur eine Partei profitiert davon.

IMAGO

Nur noch 40 Prozent der Bürger geben in der gemeinsamen Untersuchung von Allensbach-Institut und Media Tenor an, sie könnten ihre politische Meinung frei äußern. Das markiert den tiefsten Stand des Freiheitsindexes seit dem Jahr 1953. Von den sechziger Jahren bis ins vergangene Jahrzehnt hatten noch regelmäßig mehr als zwei Drittel der Befragten die Ansicht vertreten, man könnte in Deutschland seine Meinung frei äußern.

Die Studienautoren weisen darauf hin, dass ihr Befund ein informelles Meinungsklima misst:
„Man kann annehmen“, heißt es in der Untersuchung, „dass die allermeisten Menschen, die darüber klagen, man könne seine Meinung nicht frei äußern, durchaus wissen, dass es kein Gesetz gibt, das ihnen die Meinungsäußerung verbietet. Darum gehen in diesem Zusammenhang auch Verweise auf die im Grundgesetz festgeschriebene Meinungsfreiheit am Befund vorbei. Stattdessen bezieht sich die Klage auf die Sanktionen im sozialen Umfeld, die drohen, wenn man gegen die Regeln der ‚Political Correctness‘ verstößt.

Außergesetzlicher Druck 

Und hier liegt der zentrale Punkt der Freiheitserosion: Den außergesetzlichen Druck auf öffentliche Meinungsäußerungen übt der Staat mittlerweile durchaus formal aus – durch ein großes Netz von „Meldestellen“, die ausdrücklich Meinungsäußerungen „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ sammeln und auswerten sollen. Mit diesen steuergeldbetriebenen Anschwärz-Portalen machen die Regierungsparteien deutlich, welche Meinungen sie für erwünscht beziehungsweise schädlich halten. In einem der „Berliner Register“ etwa fand die Biologin Marie-Luise Vollbrecht wegen „Transfeindlichkeit“ Eingang, weil sie in einem wissenschaftlichen Vortrag festgestellt hatte, dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt. Die Humboldtuniversität erklärte zudem öffentlich, Vollbrecht habe mit ihrem Vortrag gegen die „Werte“ der Universität verstoßen – ohne zu erklären, gegen welche. Zwar verbot ein Gericht der Universität diese Herabsetzung. Aber Methoden wie diese zeigen Wirkung.

Meinungsfreiheit per Gesetz einschränken

Darüber hinaus gibt es aber erste Versuche, die Meinungsfreiheit auch per Gesetz einzuschränken, etwa, wenn das „Selbstbestimmungsgesetz“ unter Strafe stellt, einen biologischen Mann in Frauenkleidern als Mann zu bezeichnen. Die größere Wirkung geht allerdings von der unbestimmten Drohung aus, etwa von der Formulierung des Verfassungsschutzes von der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“. Was genau der Geheimdienst damit meint, bleibt bewusst schwammig. Der Eindruck soll ganz gezielt erweckt werden, Kritik an der Regierung und deren Werturteilen zum Thema Klimawandel, Islam, Migration und Transgender könne zu negativen Konsequenzen für den Kritiker führen. Bekanntlich bauen Landesregierungen wie die schwarz-grüne Allianz in NRW und der Bund – etwa in Gestalt der Meldestelle zu „antifeministischen Vorfällen“ – dieses Einschüchterungsinstrument stetig aus, der Dauerklage über angeblichen Geldmangel zum Trotz.

Ein Minderheitsmilieu bestimmt das Meinungsklima des ganzen Landes

Die Meinungsfreiheit steigt also ab, weil die staatliche Meinungslenkung aufsteigt.
Das zeigt sich in der Untersuchung von Allensbach und Media Tenor besonders klar bei dem Blick darauf, wer sich eingeschränkt fühlt: Während die Gesamtbevölkerung mehrheitlich das Gefühl hat, die Meinung nicht frei äußern zu können, und sich dieser Befund auch für die Anhänger der verschiedenen Parteien fortsetzt, sticht die Gefolgschaft einer einzigen Partei heraus: Nur 19 Prozent der Grünen-Anhänger finden, man sollte bei der Meinungsäußerung besser vorsichtig sein – während 75 Prozent von ihnen sagen, sie könnten ihre Meinung frei heraussagen. Das trifft auch zu: die gewissermaßen zertifizierten Ansichten zu Klimawandel, Migration, Islam, Geschlechterfrage und anderen Themenfeldern entsprechen weitgehend dem grünen Parteiprogramm. Und nebenbei auch der transportierten Ideologie von ARD und ZDF. Ein Minderheitsmilieu bestimmt also das Meinungsklima des ganzen Landes.

Wie sehr sich dieses Meinungsklima gewandelt hat, zeigt sich in den Antworten auf ganz bestimmte gesellschaftspolitische Fragen. Die Studienteilnehmer wurden gebeten, anzugeben, welche davon Themen seien, bei denen man sich leicht „den Mund verbrennen“ könne. Dass es riskant sei, offen seine Meinung über Muslime beziehungsweise den Islam zu sagen, meinten 1996 15 Prozent der Befragten, 2021 waren es 59 Prozent. Dass Vaterlandsliebe und Patriotismus bedenklich seien, glaubten 1996 16 Prozent, 2021 38 Prozent.

Äußerungen von Politikern oder TV-Kommentatoren, die etwa den Islam als problematisch bezeichnen, oder sich deutlich zum Patriotismus bekennen, kommen kaum noch vor – was wiederum die Illusion nährt, diese Meinungen gäbe es nur an den Rändern der Gesellschaft. In Wirklichkeit sind sie mehrheitsfähig. Es fehlt nur ihre öffentliche Artikulation.


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Kommentare ( 40 )

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GefanzerterAloholiker
7 Monate her

Neben Meinungsäußerung ist eben die Kampagne neuer Inhalte, wie dem der Militarisierung der EU der Boden bereitet worden. Für die Angelsachsen ist das Beispiel der Ukraine projiziert auf ganze Europa ein Lebenstraum.
Und hier ziehen die Parteien „endlich“mit. Das ist die Kernaufgabe der Kommunisten und Grünen in Deutschland und Europa. Deren Propaganda gilt als Meinung in Europa.

Haba Orwell
7 Monate her

> Nur eine Minderheit glaubt noch, frei reden zu können. Das liegt an staatlichen Maßnahmen, die das Liberalitätsklima gezielt verschlechtern.

In ein Arbeitslager wird man noch nicht geschickt; man muss nur den braven Untertanen in sich abschalten und sagen, was man denkt.

Michael M.
7 Monate her

Meinungsfreiheit und Putin, sorry aber irgendwann wird’s dann doch lächerlich.

Haba Orwell
7 Monate her
Antworten an  Michael M.

Zur Meinungsfreiheit gehört, dass man Medien verschiedener Länder Punkt für Punkt vergleichen darf. Wieso eigentlich wird der Empfang mancher russischen im Westen erschwert, ähnlich den westlichen Medien im Ostblock?

Micky Maus
7 Monate her

Jetzt tritt ein, was bewußte und massive Hetze gegenüber Zweiflern an der Richtigkeit dieser Politik, und von dieser geistig unterbelichteten Ampel unter größten Ansstrengungen forciert wurde, die Menschen zu bevormunden. Jetzt geht dieser Schuß für die Hampel-Ampel nach hinten los und immer weniger Menschen trauen dieser Chaotensekte noch etwas zu. Bald wird sich zeigen wie verhasst diese Ganoven in der Regierung abgestraft werden, nachdem sie erneut gezeigt haben, wie egal denen die Menschen und Deutschland sind.

Johny
7 Monate her

Ein wesentlicher Bestandteil von Demokratie ist, dass ein politischer Machtwechsel unblutig erfolgen kann. In der ehemaligen DDR war das 1989 wohl der Fall, es wurde letztendlich nicht geschossen. Ob das wohl in der heutigen BRD auch so wäre?

Querdenker73
7 Monate her

Auch all die hier veröffentlichten Kommentare sind nur Sinnbild für die Feigheit des sogenannten Souveräns! Reden, reden, reden..! Sorry, wer glaubt noch an Meinungsumfragen oder das ganzer Gekeife um die AfD? Jetzt wird genüsslich in die Öffentlichkeit kolportiert, dass auch die Vorsitzende der AfD ihre Dissertation geschönt hätte – anonym versteht sich! Wer das wohl einsteuert? Zu Beginn des Wahljahres 2024? Jeder nicht total bekloppte erkennt doch bei den Bundestagsdebatten sofort, dass die letzten Reste von Intelligenz im hohen Hause rechts außen sitzen! Nicht mal im Präsidium findet man sie – auch nicht auf der Regierungsbank! Dieses ganze System ist… Mehr

Werner Brunner
7 Monate her

Was muss denn alles noch passieren ?
Es ist an der Zeit !
Sozusagen allerhöchste Zeit für einen Change !
Einem totalem Change !
Eventuell könnte ein RESET auch die “ Kuh “ vom
Eise bringen !

Haba Orwell
7 Monate her
Antworten an  Werner Brunner

Der Westen fällt gerade komplett auf die Schnauze: Finanziell, wirtschaftlich, militärisch. Das muss mit Änderungen resultieren – wenn man offener darüber reden dürfte. Da sind manchmal einige US-Zeitungen weiter als welche in Buntschland.

Manfred_Hbg
7 Monate her

Zitat 1: „Mit diesen steuergeldbetriebenen Anschwärz-Portalen“ > Ausgehend von meinen kindheitlichen Erinnerungen von „Petze, Petze ging in Laden….“, nenne ich diese Portale der Demokratie & Redefreiheit: Petz-Portale! – – – – – – – Zitat 2: „Die größere Wirkung geht allerdings von der unbestimmten Drohung aus, etwa von der Formulierung des Verfassungsschutzes von der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“. Was genau der Geheimdienst damit meint, bleibt bewusst schwammig. Der Eindruck soll ganz gezielt erweckt werden, Kritik an der Regierung und deren Werturteilen zum Thema Klimawandel, Islam, Migration und Transgender könne zu negativen Konsequenzen für den Kritiker führen.“ > Der Haldenwangerische Verfassungsschutzes… Mehr

mediainfo
7 Monate her

„Die Meinungsfreiheit steigt ab – die staatliche Meinungskontrolle steigt auf“ Beispiel: Verschiedene Medien haben ja Kommentarbereiche wie diesen. Bisher hat man einheitlich zumindest immer so getan, als sei man der Meinungsfreiheit verpflichtet, und würde nur Kommentare löschen bzw. nicht veröffentlichen, die einer Netiquette nicht entsprechen, deren Regeln man nachlesen kann. Das stimmte natürlich nie: Man hat die Netiquette, mal dreist, mal weniger dreist, seit langem als Feigenblatt hergenommen auch für das Löschen von Meinungsäußerungen, die man einfach aus irgendwelchen Gründen nicht veröffentlichen wollte. Neulich lese ich jedoch in einem Kommentarbereich einen Disclaimer, dass man sich auch nachträgliche Löschungen von Beiträgen… Mehr

Last edited 7 Monate her by mediainfo
Okko tom Brok
7 Monate her

„Jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Er muss dann aber auch mit den Konsequenzen leben!“ (Idi Amin)