Einladung zur Volksbefragung: Deutsch sein, was ist das? Für Sie ganz persönlich?

Was macht für Sie ganz praktisch Ihr Deutsch-sein aus? Zu dieser lockeren Volksbefragung im oft viel zu tierisch ernsten öffentlichen Schlagabtausch laden wir Sie herzlich ein.

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Über das Deutsch-sein lässt sich endlos theoretisieren. Doch theoretisch wollen wir es von Ihnen gar nicht wissen. Sondern was macht für Sie ganz praktisch Deutsch-sein aus? Wohin sollen sich denn Migranten integrieren? Ist es nur die Sprache und die Gesetze der Mülltrennung? Was sind deutsche Werte, was macht die Leitkultur dieses Landes aus? Die Forderung nach Integration ist schnell hingesagt, und schwer realisiert. Was ist Ihr Deutschlandbild?

Dazu bitten wir um Ihren Beitrag, um Ihr Hier und Jetzt mitten in Deutschland, warum nicht auch um die Erzählung Ihrer Großmutter, um Fotos, die für Sie typisch Deutsches darstellen. Was immer Ihnen dazu in den Sinn kommt. Das ist kein Aufsatz-Wettbewerb, sondern die Bitte um Spontanes, so ernst und so witzig, wie Sie wollen. Zu dieser Lockerungsübung von Volksbefragung im oft viel zu tierisch ernsten öffentlichen Schlagabtausch laden wir Sie herzlich ein.

Wenn Sie wollen,bleiben Sie anonym, bitte nur Alter, Geschlecht und Herkunftsgegend. Schicken Sie Ihre Beiträge einfach an:

Kontakt@rolandtichy.de

Wenn Sie uns Ihre Adresse hinterlassen, werden wir einige Kleinigkeiten unter den Einsendungen verlosen.

Möglichst viele Beiträge wollen wir veröffentlichen, zwischendurch und am Ende der lockeren Umfrage fassen wir zusammen. Wir schauen, welcher Trend sichtbar geworden ist. Mit der Einsendung erklären Sie sich damit einverstanden.

Fünf erste Beispiele, an deren Form Sie sich nicht halten müssen, folgen hier:

49, männlich aus Bremen

Es geht doch tatsächlich um die DNA und das halte ich ehrlich gesagt für die einzige Chance, „Deutschsein“ auch tatsächlich so zu beschreiben, dass eine Identität erkennbar wird/bleibt.

So sind wir, so wollen wir sein, das sind unsere Regeln. Wie auf dem Fußballplatz, da geht das ja auch und wird von jedem akzeptiert. Sogar weltweit. Nur hier heißt der Schiedsrichter eben Staat und bei Aggro gibt’s die rote Karte – runter vom Spielfeld 😉
Perfekter Ansatz eigentlich. Titel: Spielfeld in den Umrissen Deutschlands, How to play „Germany“

24, weiblich, aus Passau

Mülltrennung • Ordnung • Ruhe • Präzision • Sauberkeit im öffentlichen Raum • Currywurst • Bildzeitung • Hundekot auflesen • Fahrradhelme • Radfahren • Grillen • Gerechtigkeit • Skepsis • Sparsamkeit • Großzügigkeit • Ehrenamt • ECHTE Kinderliebe

51, männlich aus Braunschweig

Deutsch sein ist heute zunächst einmal ein schönes Gefühl. In jüngeren Jahren war einem da bisweilen mulmig, besonders im Ausland. Die Nazi-Zeit hatte eben ein schweres Gewicht. In Skandinavien geht mir das heute manchmal noch so: Auch wenn der Gegenüber wahrscheinlich etwas deutsch sprechen kann, bleibt man lieber beim unverbindlichen Englisch.

Also was ist das, deutsch sein?  Vielleicht ist es hilfreich, auch mal zurückzuschauen, wo das eigentlich alles herkommt.

Meine Großeltern waren Deutsche. Und ich entdecke bei meinen Kinder täglich Dinge wieder, die ich ihnen nicht beigebracht haben kann, die ich aber z.B. von meinem Opa kenne. Das ist dann immer mal ein überraschendes Fenster ins Gestern, freilich ohne das mich das sentimentaler machen würde, als andere Deutsche, die ich kenne.

Und ich bin ja aufgewachsen mit diesen ganzen Erfahrungen der Kriegskindereltern, diese vielen geradezu heilig verehrten Sonntagsbraten, diese unausrottbare Wir-haben-den-Russen-und-sogar-den-Tschechen-überlebt-Stimmung an Weihnachten, weswegen die Geschenke für die Kinder immer besonders große waren und die Bratenteller besonders woll waren, damit sie das nicht zu sehr spüren.

Ich erinnere mich gut an diese immer kleiner werdenden Töpfchen im Kühlschrank mit den Resten, die nicht verderben durften und der Marienkäfergummibandplastikhäubchen darüber. Das alles zusammen hat ja etwas  angelegt. Vielleicht ist das Lebensmittellager in meinem Keller darauf zu rückzuführen ebenso, wie dieses zwanghafte Vorgarten gestalten, auch wenn meiner absichtlich immer ganz anders gerät, als der meines Nachbarn, so möchte er doch gefallen.

Ich erinnere mich an staksig-unbeholfene Umarmungen ebenso wie an unüberbrückbare Distanzen, an Abende mit Vater im Sinfoniekonzert, an das bedrohliche Klavier (Unterricht mit dieser strengen alten Frau aus Weißrussland) im Wohnzimmer, Opas russische Lieder ab 1,0 Promille aus der Kriegsgefangenschaft.

Dieses Netz aus Erinnerungen und eigenem Erleben hat ja unendlich viele feine Maschen, manches fällt durch, kommt hinzu, anderes bleibt über Generationen hängen. Wer weiß, vielleicht war das „herzallerliebst“ als Ausdruck großer Freude meiner Großmutter schon das ihrer Großmutter, die morgendliche „Weisheit“ vor dem Frühstück vorgelesen von der Rückseite des Zettelchens vom Abreißkalender, die karierten steifen Küchentücher, der Schleifstein für die Messer im Schuppen – Es ist doch ein unendliches Kaleidoskop inkl. der Geschichten des Opas am Morgen im Bett von seiner Chinafahrt als Schiffskoch zwischen den beiden Kriegen, von der Kaffeeplantage in Südwest.

Deutsch sein erklären, das ist wohl so, als müsse man mit dem einzelnen Fisch in der Hand das Phänomen dieser artspezifischen großen Schwarmbewegungen im Ozean erklären. Und natürlich gibt es auch eine wie auch immer gewichtete genetische Disposition, wer vier Kinder hat, kommt um diese Erkenntnis nicht herum – aber das ist aus gutem Grunde tabu, also müssen wir den Geschmack des Kuchens anhand der Beschaffenheit und Herkunft des Weizenskorns und jeder weiteren einzelnen Zutat erklären. Aber noch wichtiger: Wir müssen Neubürgern die Chance geben, zu verstehen, wie Deutschland codiert ist – wie die DNA aufgebaut ist. Nur dann können wir synchron schwimmen lernen.

52, aus Bayern, Mann

Es ist schön – Österreich im Hintergrund. Und trotzdem.

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46, männlich aus Hamburg

Sicherheitsbedürfnis • Versicherungsmentalität • Risikominimierung • Demokratie • Pressefreiheit • Freie Wahlen • grundsätzlich christliche Werte (auf dem untersten Level – also nicht zwingende dieser ganze Glaubens-/ Religionsernst) • Meinungsfreiheit • Religionsfreiheit • Gleichstellung der Geschlechter (jedenfalls auf dem Weg dahin – bzw. keine mehrheitlich geduldete Unterdrückung der Frau) • Norm – dazu gehört aber auch Spießigkeit (Schrebergarten-Mentalität) • Grundgesetz – Alles ist geregelt – was nicht geregelt ist wird noch geregelt • Daher nachvollziehbare juristische Entscheidungen – Keine bestechliche Beliebigkeitsjustiz • Struktur • Plan • Pünktlichkeit • Schlange mit hinten anstellen / parallel dazu aber auch die Ellenbogen–Wühltisch Mentalität • Technikverliebtheit • Intellektuelle Stärke (Dichter/Denker/Forschung u. Wissenschaft) • Kultur (abendländisch, traditionell) • Humanitär (in maßen– solange es nicht zu weh tut) • Regulierungsverliebtheit • Formularismus • unkorrupte Staatsdiener (im groben jedenfalls , und verglichen mit anderen – eher südländischen – Gesellschaften) • Keine Subkulturen – der Staat hat die Macht • Teambildungsanspruch im Sinne von Europa • offen • historisch sicher (im Umgang mit 3. Reich etc.)

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SERIE INTEGRATION - FAKTEN ZUR EINWANDERUNG 1
Volk? Wir sind das … ja was eigentlich? - Eine logische Schlussvolkerung
Der deutsche Soziologe Armin Nassehi berichtet in der Süddeutschen von einem Briefwechsel mit Götz Kubitschek als Bio-Deutschem über die Frage, was denn Deutsch-sein bedeute:

„Ich war erstaunt darüber, dass das Eigene, das Deutsche, der Boden, von dem her argumentiert wird, in dem Briefwechsel letztlich nur vor-empirisch, transzendental gewissermaßen, vorausgesetzt wird, als Anker für alle Widersprüche, als verliere die moderne Welt mit ihren vielen Formen und Widersprüchen ihren Schrecken, wenn unsere Gesellschaft nur ethnisch und kulturell homogen wäre.“

Auf die Nassehi-logische Folgerung daraus wartet man den ganzen Artikel lang vergeblich: Die moderne Welt mit ihren vielen Formen und Widersprüchen verliert ihren Schrecken, wenn unsere Gesellschaft ethnisch und kulturell NICHT homogen ist.

Statt dessen mogelte sich Nassehi um seine Antwort herum: „Wir, wir Deutsche, müssen uns darauf einstellen und weniger fragen, wer wir sind, sondern wie wir als eine zukünftige Einwanderungsgesellschaft operieren wollen. Je selbstbewusster wir damit umgehen, desto weniger werden wir jene ‚Identität‘ verlieren, die uns die Vorkämpfer des Identitären nicht einmal erklären können.“

Was „jene Identität“ ausmacht, die wir nicht verlieren, wenn wir richtig operieren, sagt uns Nassehi indes auch nicht.

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Kommentare ( 23 )

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