Eine wenig herausfordernde Herausforderung für unsere Regierenden

Die Regierenden wollen in dieser Krise wieder mal nur unser Bestes – und es sieht so aus, als bekämen sie es auch, nämlich fünferlei.

Insights/UIG via Getty Images

In dieser Krise muss ein Ruck durch die deutsche Politik gegangen sein. Soviel gefasste Ruhe, stoische Pflichterfüllung und aufrichtiges Engagement hat man selten gesehen. Corona ist mutiert von „das ist weit weg” über „vielleicht zieht es vorbei” hin zu „wir hamms ja geahnt”. Glücklicherweise hat die Pandemie – entgegen vielfacher Überzeichnungen – nicht im Ansatz so dramatische Auswirkungen wie die Weltkriege des letzten Jahrhunderts, schon gar nicht kann sie mit den eingängigen Pandemie- und Weltuntergangsszenarien aus den grossen Filmstudios mithalten, in denen die, die einer Erkrankung entgehen konnten, nicht selten auch noch von zähnefletschenden Infizierten gejagt werden.

Die Regierenden wollen wieder mal nur unser Bestes – und es sieht so aus, als bekämen sie es auch.

Verständnis

Bis auf einige Wenige, das zeigen alle Umfragen, hat es nun jeder verstanden: Ruhe bewahren, Abstand halten, Regeln befolgen, dann passiert den Liebsten und auch den weniger geschätzten Mitmenschen nichts, wiederholte Verweise auf die Zustände in den sattsam bekannten Nachbarländern erübrigen sich. Geldbußen bewährte Verbote tun ein Übriges, um die letzten Widerborstigen zu „überzeugen“. Kein Zweifel, die Lage ist ernst. Kein Lokalsender ohne ein aufmunterndes „Wir schaffen das“, vom Norden bis zum Süden bleiben alle zu Hause, so ziemlich jeder möchte Vorbild sein, die Radiosendungen sind voller Wortmeldungen von Mühldorf bis Neukölln, wie stolz man aufeinander sein könne, mit wieviel Eifer man die Anordnungen zum Wohle aller befolge und auch andere nun dazu anhalte, es gleichzutun. Soziale Distanz, erkämpft mit den Mitteln eines zu anderen Zeiten geächteten und verhöhnten, angeblich typisch spiessigen Anpassungsdrucks. Heute fühlt man sich dadurch erfrischend motiviert, reiht sich in das Katz-und-Maus-Spiel mit dem Virus ein, will nicht im Abseits stehen (oder dahin gestellt werden). Es läuft für das Corona-Kabinett.

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Schon meldet man Entspannungen in den Infektionsstatistiken . Aber der Druck muss aufrechterhalten werden. In bester “Guter Polizist /böser Polizist”-Manier paradiert man böse Visionen eines Flächenbrandes neben der schönen Perspektive, sich bald wieder unbekümmert und schrankenfrei bewegen zu können. Ein bisserl mehr Schulöffnung, ein paar Quadratmeter mehr Verkaufsfläche – aber bitte nicht unter 1,5 Meter Abstand, und nur mit ordentlich gewaschenen Händen.

Vertrauen

Zugegeben: Anfangs war die Verwirrung groß. Niemand konnte sich vorstellen, wie das deutsche System sich dieser Bedrohung würde erwehren können, das chinesische Vorbild jedenfalls fand niemand nachahmenswert. Kann das gut ausgehen? Und so kam, was kommen musste, der verängstigte Konsument hortete schnell dass, was ihm in schwierigen Zeiten auf kleinstem Raume am wichtigsten deuchte: haltbare Lebensmittel und Hygieneartikel. Auf der nach oben offenen Toilettenpapier-Skala erreichte eine gewisse Hysterie ihren Höhepunkt und führte zu den Szenen, die in den eingangs erwähnten Filmen als böse Vorboten die kommenden Massaker einläuten. Jedoch: Es blieb bei punktuell leeren Regalen, die Selbstversorger, Doomsday-Propheten und Prepper, die sich schon heimlich gefreut hatten, nun endlich Recht behalten zu haben, wurden enttäuscht. Die Lieferketten haben trotz großer Herausforderungen gehalten und die Wunder der modernen Lebensmittel-Technologie haben dem Ansturm getrotzt und den Leuten ein eindrucksvolles und bleibendes Exempel ihrer Leistungsfähigkeit gegeben. Dem potentiell nächsten – im Bereich des Möglichen liegenden – Shutdown, werden viele Hamsterer darum wohl auch etwas gelassener entgegensehen können. So geht Vertrauensbildung.

Respekt

Bis auf wenige Totalausfälle hat sich die Politikerriege recht passabel geschlagen, sogar Kanzlerin Merkel hat – spät aber doch – ihre Rolle in dem Schauspiel übernommen und man schiebt sich, mit den Länderkollegen, den Forschern und dem Gesundheitsminister, zwar wenig spektakulär, aber doch in ruhigem Rhythmus die Bälle zu. Fast jeder hätte dieser Groko noch vor 6 Wochen attestiert, sich aufrecht stehend im Knock-Out zu befinden. Die Krise hat sich, nicht nur für sie, als Riechfläschchen erwiesen: Wer davon eine Nase voll nimmt und seine Karten richtig ausspielt, kann kaum verlieren. Ewig Misstrauische wittern schon hinter der unglaublich abgeklärten Rhetorik der Politik, hinter dem täglich wie geschmiert abgespulten Reigen der Berichte, Statistiken und Schulmeistereien ein perfides und abgekartetes System.

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Solche Verdächtigungen kann man getrost ins Reich der Phantasie verweisen: Man hat lediglich von A wie Altmeier bis Z wie Ziemiak begriffen, dass diese Krise zwar für viele Bürger eine extreme Härte bedeuten mag, für den Staat und seine Repräsentanten jedoch zu einer der absehbar am wenigsten herausforderden Herausforderungen der letzten 100 Jahre und damit im Erfolgsfall zu einer sprudelnden Quelle neuer Sympathien werden könnte. Wie es Matthias Nikolaidis schon Ende Februar bei TE schrieb: Eine ganz “normale Pandemie” eben. Respekt gebührt den Politikern schon dafür, diese Erkenntnis wie ein gutes Blatt nun von oben herab und ruhig auszuspielen. Und der ihnen zu Gebote stehende Apparat funktioniert (anders als in schlimmer betroffenen Staaten) bestens – die nach den Jahren in spätrömischer Saturiertheit etwas eingerosteten Mechanismen der Verwaltung haben in der Corona-Krise zu einer gewissen Geschmeidigkeit gefunden und werfen nun mühlos das tägliche Pensum an Mundschutztrageverordnungen, Platzverweisen und neuen Öffnungszeiten aus, sind also, zumindest demnach zu urteilen, was die Presse so berichtet, der Lage gewachsen. Der Bürger, dem unter normalen Umständen wenig an solcherlei Produktivität gelegen sein mag, bemerkt es in der Krise mit einer gewissen Anerkennung.

Mitgefühl

Albert Camus, dessen Roma „La Peste” aus dem Jahre 1947 sich derzeit (wen wundert es) wieder einer sprunghaft gestiegenen Beliebtheit erfreut, (wie der Guardian berichtet, war das Buch bei Amazon GB Ende März zeitweise vergriffen) hat es so zusammengefasst : „In Zeiten der Plage überwiegen bei den Menschen die bewundernswerten Wesenszüge die Verachtenswerten.”

Virtuos spielt man derzeit auf der Klaviatur des Mitleidens, in dem ehrlichen Bemühen, genau die guten Wesenszüge hervortreten zu lassen, unter deren Einfluss weitere ggf. nötige hygienische Massnahmen ohne allzu grosse Reibungen umzusetzen wären. Die offene Zuschaustellung der Verwundbarkeit der Anderen soll bei Allen das Bewusstsein für die eigene schärfen und damit empfindlich für die Anliegen der Epidemiologen machen. Ein für weniger empfängliche Geister schwer zu ertragendes Harmonie-Nudging, mit dem sich das Krisenkabinett gefährlich dem Pandemie-Kitsch nähert. Ein Sirenkonzert des Mitgefühls, gegen dessen einschläfernden Singsang man sich kaum wehren kann. Ganz wie die bettlägerige Erbtante, die der ständigen Besuche des Neffen überdrüssig wird, ist man hin- und hergerissen zwischen Unwillen und wohliger Schläfrigkeit. Bei vielen Bürgern beginnt sich schon der Widerspruchsgeist zu melden. Die langen Reihen der Mitfühlenden, die ständigen Schwüre, wie sehr man sich um den Bürger sorge, wie unsäglich dramatisch und kritisch die Lage sei, nutzen sich ab wie Schuhsohlen.

Arbeitskraft

Ganze Branchen und Belegschaften sitzen zu Hause und drehen Däumchen, hängen allabendlich an den Lippen der Auguren und Entscheider, ob es nicht demnächst wieder was zu tun gäbe. Lange Warteschlangen vor den Baumärkten, selten waren die Fenster im Frühling so früh schon so blank geputzt. Wer sich partout beschäftigen möchte, dem kann geholfen werden: Brettspiele und der Unterricht zu Hause erleben eine Renaissance, Handarbeiten und Heimchen am Herd sind wieder in Mode, Nähnadeln für die alte Singer-Nähmaschine werden schon knapp. Selbst Computer-Zeitschriften bieten schon Schnittmuster für selbstgenähte Atemschutzmasken an. (hier bei Chip.de)

Wählerstimmen

Wie ein Elefant im Raum steht die Frage vielen Akteuren klar und deutlich ins Gesicht geschrieben: Wird man mir meinen Einsatz hier je vergessen können? Hat der Wähler mir nun vergangene Lapsus verziehen und meine wahren Qualitäten erkannt?

Albert Camus mit einer wenig schmeichelhaften Meinung (aus dem “Parisien”): „Man kann feststellen, dass Regierungen kein Gewissen haben. Manchmal verfolgen sie eine politische Strategie, aber nicht mehr.”

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Kommentare ( 28 )

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28 Comments
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Sagen was ist
3 Jahre her

Wie Camus schon sagte: „Regierungen haben kein Gewissen“.

Wozu auch?

Den Psychopathen mit ihren Parteiclans gibt das GG fast
absolute Narrenfreiheit.

Die absolute bleibt allerdings den Familienclans vorbehalten.

Riffelblech
3 Jahre her

Bis jetzt war es den Deutschen vergönnt gewesen ,fassungslos zuzusehen ,wenn ein ferner Staat sich politisch und wirtschaftlich zerlegt. Wenn Maduro seinen Staat in seinen sozialistischen Träumen gegen die Wand fährt . „ Oh schau mal ,wie blöd ….“ Wie kann man nur ?,USW! Und plötzlich ,es braucht einen Grippevirus von fraglicher Herkunft ,und wir befinden uns in der gleichen Situation . Wieder sind es pseudosozialistische Politische Spinnereien ,die keinem Ziel ,noch nicht mal eine Richtung haben ,die UNSER Land kaputt gehen lassen . Da werden Horden von Gesinnungsjournalisten aufgeboten um genügend Panik zu schüren ,da werden plötzlich alle zu… Mehr

Aegnor
3 Jahre her

Für die Union ist Corona sicherlich, um mal Erdogans Worte zu gebrauchen, ein Geschenk Allahs. Nichts was sie sich selber ausdenken konnten, hätte ihnen diesen unverdienten Popularitätsschub einbringen können. Sogar ihr totales Versagen am Anfang der Krise ist auf einmal vergeben/vergessen. Und sollte sich rausstellen, dass die Maßnahmen völlig überzogen und schädlich waren, sprich sie auch hier versagt haben, können sie wahrheitsgemäß antworten, dass die Bevölkerung es ja so gewollt hat. Die einzige „Hoffnung“ bleibt, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen wurde. Die wirtschaftlichen Auswirkungen besonders für den Geldbeutel des Mittelstandes werden enorm sein. Und da hilft dann… Mehr

Aegnor
3 Jahre her
Antworten an  Aegnor

PS: Ich habe auch den Verdacht, dass sich unsere Regierung von Apokalyptikern wie Drosten & Co nur zu gern blenden lässt. Zum Einen aus Inkompetenz. Vor allem aber, weil ihr die Situation so überragend zupass kommt. Da muss noch nicht mal Absicht im Spiel sein. Man glaubt unterbewusst das, was man gerne glauben möchte. Müsste man aber hinterher doch zugeben, dass all die harten Maßnahmen, mit denen man sich jetzt so schön als Macher gerieren und in Popularität schwelgen kann, umsonst waren und man am wirtschaftlichen Kollaps gar mit schuld ist, wird der Volkszorn ganz schnell überkochen. Also kann und… Mehr

Besserwisser
3 Jahre her

Welcher „Wagemut der Männer“. Wenn es welche gäbe, dann würden sie nicht um Erlaubnis bitten.

Gerro Medicus
3 Jahre her

Spätestens seit Einführung der neuen Rechtschreibung wird das Wort „Männer“ heute so geschrieben: „MEMMEN“. Schreiben nach Gehör eben! Der neue „Mann“ ist eine Parodie auf ein Waschweib, er quatscht statt zu denken, er nöhlt, statt zu handeln, er hält sogar Kinder für besser geeignet, diesen Staat zu führen, als sich selber. Und er reiht sich klaglos ein in die übrigen 67 Geschlechter, deren Erfindung eine hirnkranke Frau ist, die ihren Krankheitszustand zu einer gesellschaftlichen Blaupause hochstilisieren will. Nach ihrer Vorstellung können „Männer“ ja sogar menstruieren. Ich würde da eher eine Blasenentzündung diagnostizieren. Alles in allem haben die 68er da jedoch… Mehr

Dr. Michael Kubina
3 Jahre her

Mir ist nicht ganz klar, was der Autor mir damit nun sagen will, ausser dass er weit über dem allen steht? Etwas wohlfeil, dieser leichte Zynismus ohne klare Ansage, was die Politik nun aus Sicht des Autors grundsätzlich falsch gemacht hat und wie es in seiner (rückschauenden) Sicht grundsätzlich „richtig“ gewesen wäre.

AlNamrood
3 Jahre her

Man kann die Situation durchaus positiv bewerten aber es wird so nicht bleiben. Ja, Corona hat die Politik aufgeschreckt aber sobald die Krise überwunden ist wird sich wieder der deutsche Dauerzustand aus Filz, sinnloser Bürokratie und antideutschen Maßnahmen einstellen.

chino15
3 Jahre her
Antworten an  AlNamrood

Dieser Dauerzustand aus Filz, Bürokratie und Deutschen-Feindlichkeit macht auch in der Krise keine Pause. Der Filz besteht derzeit hauptsächlich zwischen Politik ihren treuen Expertologen und Medien-Fuzzis, sinnlose Bürokratie spricht aus so ziemlich jeder Corona-Maßnahme (während man die sinnvollen Dinge wie ausreichende Versorgung mit Schutzausrüstung und Schutz von Risikogruppen weiterhin nicht auf die Reihe bekommt) und die Deutschen-Feindlichkeit erkennt man an der sehr unterschiedlichen Durchsetzung der Corona-Auflagen. Dazu kommen jetzt fast täglich neue Forderungen, die Zumutungen der letzten Wochen dauerhaft aufrecht zu erhalten (z.B. Einschränkung der Reisefreiheit).

CIVIS
3 Jahre her

Man kann den 5-Punkte-Katalog unseres (…des Bürgers) Besten, womit die Politik dann gerne arbeitet, noch wesentlich erweitern, z.B. um – unsere unendliche EINFÄLTIGKEIT and DUMMHEIT Parteien und Politikern gegenüber – unsere absolute STAATSHÖRIGKEIT allen staatlichen Organen gegenüber – unsere sklavischen GLÄUBIGKEIT den Mainstreammedien gegenüber, wie z.B den ö.r. Fernseh- u. Runddfunkanstalten, den Zeitungsverlagen etc. – unsere, auch aus früheren Zeiten, schon bekannte Manier, alles und jeden MIST mit Genuss AUFSAUGEN zu müssen, um danach lauthals loszujubeln. All das macht es „Regierenden“ in Deutschland gerade in Krisenzeiten auf fantastische Art und Weise unwahrscheinlich leicht zu „regieren“, ohne auch nur irgendeine geringste… Mehr

Franz O
3 Jahre her

Ich hoffe die meisten Kommentatoren lesen sich den Text bis zum Ende durch. Die Ironie leuchtet jedenfalls erst am Ende durch und ist wirklich sehr feinkörnig.

Beim Lob auf M, welche seit Jahren überhaupt nichts tut außer Sonntagsreden für Zehnjährige halten und sich die Politik von wechselweise Nichtregierungsorganisationen, Lobbyistenvereinen, Medien und Linksextremisten diktieren zu lassen, hatte ich schon die Zähne gefletscht.

Tilo
3 Jahre her

>>Wortmeldungen von Mühldorf bis Neukölln, wie stolz man aufeinander sein könne, mit wieviel Eifer man die Anordnungen zum Wohle aller befolge und auch andere nun dazu anhalte, es gleichzutun<<

Es gibt jedoch gewisse Ausnahmen (die natürlich so dargestellt werden, als handele es sich um unvermeidliche Naturereignisse). Rhetorische Frage: Wer bezahlt das?

https://www.bz-berlin.de/berlin/neukoelln/hunderte-trauergaeste-erwartet-berliner-polizei-mit-grossaufgebot-bei-clan-beerdigung