Denunziation als politisches Druckmittel

Neben der Darstellung, als ob ein gewalttätiger Staatstreich von "rechts" kurz bevorstehe, nennen die ZEIT-ONLINE-Autoren explizit die Namen aller Teilnehmer einer Protestaktion, deren sie namhaft werden konnten.

© AFP/Getty Images
US Senator Joseph McCarthy holds a picture showing Clement Richard Attlee, British statesman and Prime minister (1945-1951) making a communist salute during the Spanish civil war. John Parnell Thomas and MacCarthy instigated an anti-commnist witchhunt campaign in the early 1950's, a period known as McCarthyism.

Am 19. Mai versucht die „identitäre Bewegung“ vor dem Bundesministerium für Justiz eine Demonstration gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz von Heiko Maas. Alexander Wallasch hat auf TE schon auf die Hysterie schürenden Artikel in den Leitmedien verwiesen. Hatte man Die ZEIT (wo blieb die Wirkung der di-Lorenzo-Selbstkritik?) und las man die WELT oder andere Medien, musste man den Eindruck bekommen, gerade einem Staatsstreich von Neonazis entronnen zu sein.

Ein gutes Bild kann sich aber jeder selbst machen, wenn er das Video von der Aktion sieht. Waren, wie von vielen Medien nahegelegt, gewalttätige Horden kurz davor die Demokratie lahmzulegen? Zwar hatte der Fahrer des Transporters der Identitären bei der Anfahrt fast einen Verkehrsunfall verursacht und wird deshalb gesucht, das heißt aber nicht, wie von ZON und Welt-Online nahegelegt, dass eine Horde Schwerverbrecher im Anmarsch waren.

Die Protestler hatten ihre Aktion durch das Tragen von NVA-Uniformen und die deutlich erkennbaren „DDR“-Fahnen klar als Satire erkennbar gemacht. Es ging ihnen offensichtlich um den Protest gegen das Maas´sche Internet-Kontroll-Gesetz (NetzDG), die Autoren von Leitmedien wollten Anderes interpretieren.

In den 60er Jahren nannte man solche Aktionen Sit-ins. Die Protest-Akteure waren damals wie heute junge Leute. Damals wie heute wird von der Qualitätspresse in gleicher Weise darüber berichtet.

ZON (Zeit Online) geht nun einen wesentlichen Schritt weiter

Neben der Darstellung, als ob ein gewalttätiger Staatstreich von „rechts“ kurz bevorstehe, nennen die ZON-Autoren explizit die Namen aller Teilnehmer der Protestaktion, deren sie namhaft werden konnten. Statt einer Anzeige und dem dann folgenden rechtsstaatlichen Verfahren ist Denunziation angesagt. Ein medialer Pranger im Dienste des „Guten“.

Was sagen diese Zeit-Kollegen dazu – „Interpretieren Sie wohlwollend“? Wie verträgt sich das mit der Selbstkritik des Chefredakteurs von der nötigen „Deutungsdemut„? Wie mit dieser Zeit-Aktion?: „Wann haben Sie das letzte Mal ausführlich mit jemandem gesprochen, der ganz andere politische Ansichten hatte?“

Was folgt als nächstes? Die Veröffentlichung der Adresse? Des Arbeitsplatzes? Eine Aufforderung an die Antifa, das Recht in die eigene Hand zu nehmen? Ach, das ist gar nicht mehr nötig …?

Denunziation als Mittel zur sozialen Ausgrenzung

Denunziation ist immer auch eine indirekte Aufforderung zur sozialen Ausgrenzung. Unausgesprochen werden in dem Artikel Sanktionen gegen die Betroffenen erwartet. Insofern ist Denunziation ein Mittel der sozialen Kontrolle, um ungewollte Opposition zu unterdrücken.

Wenn das aber bei ZON inzwischen so üblich sein sollte, kann man dann schon auf Namenspräsentation der „Antifa“-Teilnehmer bei der nächsten 1. Mai-Demo gespannt sein. Da geht es dann wirklich um Gewalt gegen Polizisten und nicht um gewaltfreie Demonstrationen.

Der Unterschied zwischen „Identitären“ und „Antifa“ ist: Die „Identitären“ protestieren mit offenem Gesicht und bisher gewaltfrei, die „Antifa“ vermummt und sehr oft gewalttätig. Das Gewaltlose stört die „Störungsmelder“ auf ZON, das Gewalttätige weniger, sonst würde sie darüber berichten.

Was ist nun das Problem der Denunziation?

Der Denunziant meint, das Gute zu tun. In seiner Gesinnungsethik geht es ihm nur darum, dass sich seine Ideologie durchsetzt, dazu greift er auch zur Denunziation. Das ist das Problem der beiden ZON-Autoren. Aber die Werte der Demokratie und des Rechtsstaates gelten für alle, auch für Vertreter anderer Meinungen und Ideologien.

Und das Problem eines ehemals renommierten Nachrichtenportals von großer Reichweite ist, dass es inzwischen nicht mehr davor zurückschreckt, Denunziation zu veröffentlichen, um ihr nicht genehme oppositionelle Proteste anzuschwärzen. Sie praktiziert also genau das, was sie ihren Gegnern vorwirft.

Das erinnert an dunkle Zeiten.

Aufforderungen zum Denunziantentum am Arbeitsplatz von Verdi tun ein Übriges, um ein politisch verklemmtes Klima zu schaffen. Wer hätte gedacht, dass die Hoffmann von Fallersleben zugeschriebenen Worte nach den Niederungen des 19. und des 20. Jahrhunderts auch im 21. Jahrhundert noch eine Rolle spielen:

Der größte Lump im ganzen Land,
das ist und bleibt der Denunziant.

Ging es im 20. Jahrhundert darum, erst die Kommunisten und dann die Antikommunisten aufzuspüren, sollen nun die „Rassisten“ aufgespürt und ausgegrenzt werden. Natürlich sieht Verdi und Andere im Dienst einer „guten Sache“, aber das hat noch jede Ideologie getan. Der Feind steht immer da, wo sich die herrschende Leitkultur in Frage gestellt fühlt.

Beim Kampf gegen rechts erinnert einiges an die McCarthy-Ära in den USA. Viel Ähnliches passiert, nur eben mit umgekehrten Vorzeichen. Wurde damals in den USA auf alles Jagd gemacht, was „links“ war, ist heute der Kampf gegen „rechts“ das Motto der Zeit. Hysterische Ängste in der Bevölkerung werden geschürt, um Andersdenkende auszugrenzen und mundtot zu machen. („Wehret den Anfängen!“) Und wie damals, sind auch heute im Dienste „des Guten“ fast alle Mittel recht.

Was bewirkt das Mobbing durch die herrschenden Elite?

Wer sich als Normalo oder „rechts“ Denkender von p. c. Intellektuellen in die Ecke getrieben fühlt, der greift in der von ihm gefühlten Ohnmacht im Internet manchmal leider auch in die unterste Schublade („links“ nicht weniger häufig). Natürlich sind gepöbelte Morddrohungen jenseits der Meinungsfreiheit. Aber das ist eine Sache des Staatsanwalts und nicht der Selbstjustiz.

Bei vielen Menschen ist heute die Angst vor Denunziation und die Einschüchterung groß. Das schürt Hass. Der Anpassungsdruck geht so weit, dass sich viele selbst bei anonymen Umfragen mitunter nicht getrauen, sich zu unerwünschten Parteien wie einst den Grünen, dann der PDS und derzeit der AfD zu bekennen.

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Kommentare ( 93 )

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Hellerberger
6 Jahre her

Ich denke, es wird in einem Forum politisch interessierter und (derzeit) in Opposition zu den Herrschenden stehender Menschen generell unterschätzt, daß und wie unpolitisch die meisten Menschen wirklich sind. Ich kritisiere das nicht, sondern halte es für ein Grundrecht, unpolitisch, kleinbürgerlich und konsumorientiert zu sein. Diese Masse an Unpolitischen ist keineswegs homogen und reicht tief ins linke wie rechte Lager hinein. Auch ich gehöre dazu, selbst wenn ich hier jeden zweiten Tag einen Kommentar einstelle. Auch ich bin ein perfektes Rädchen im Getrieberad des linksliberalen Merkelstaates, gehöre ich doch zu denen, die tatsächlich den Heizer spielen im Maschinenraum und nicht… Mehr

gmccar
6 Jahre her

Diese Katholikenorganisation ist interessanterweise einer der größten Arbeitgeber des Landes; lebt „gemeinnützig“ von Steuergeld und den Leistungen freiwilliger Gutmenschen und ist jederzeit in der Lage, beliebige gescheiterte Politiker in Lohn und Brot, natürlich ebenfalls auf Kosten des Steuerzahlers , zu bringen.
„Eckaad,die Russen kommen“ wär langsam mal nötig.

Philipp Richardt
6 Jahre her

Auch der Blockwart handelte seinerzeit politisch korrekt.

Werner
6 Jahre her

Bei manchen Artikeln der Staats- und staatsnahen Medien zünden sich auf dem Grab des Herrn mit dem Gehfehler die Kerzen von ganz allein an. Bei besonderen Ergüssen gibt es am Grab von Erich M., der uns alle liebte, ein riesiges Feuerwerk – auch wenn kein Sylvester ist. Das müsste man auch in den Redaktionsstuben von ZO deutlich gehört haben. Erich M., wenn du das heute noch Erleben könntest – dein Traum wird jetzt endlich Wahr.

Christian Gerst
6 Jahre her

Das Internet ist schon eine feine Sache. Ich beutze immer folgenden Link, wenn von Linken das Totschlagargument kommt „die Quelle ist unseriös und rechte Hetze.“ „Du meinst solche rechte Hetze?“

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46174775.html

Da kommt mir noch eine Idee. Bei dem Artikel mit Photoshop „Spiegel“ durch z.B. „P.I. News“ ersetzen und 1964 durch 2016. Sofort würde gegenüber der Nazidetektor angehen. Anschließend den Original-Artikel posten. Die Leute sind so einfach vorzuführen.

fein_geist
6 Jahre her

Es macht heute nun einmal einen großen Unterschied, ob man für den Erhalt Deutschlands und seiner Demokratie protestiert, oder ob man, gepampert mit Steuergeld aus dem Familienministerium, mit kommunistischen Fahnen durch die Straßen zieht, Deutschland verrecke brüllt und auf Polisisten eindrescht. Erstere werden wie bei NSDAP und SED denunziert und zweitere von dem peinlichen kleinen Schatten eines Justizministersamtes mit Mineralwasser versorgt. Es wird Zeit das die Deutschen dieses Ministerium über Wahlen wieder seinem eigentlichen Zweck zuführen.

Jedediah
6 Jahre her

Ich frage mich, wieso man mit diesen Enten ernsthaft noch einen „Dialog“ machen will. Die Enten haben längst bewiesen, dass sie nichts anderes als Enten sind, immer sein werden. Gestern täuschen, heute täuschen, morgen täuschen. Das ist ihre Natur.

Bernhard Freiling
6 Jahre her
Antworten an  Jedediah

Tut mir ja selber leid, aber so, wie mein Kommentar hier eingestellt wurde, macht er keinen Sinn. Die wichtige Aussage, die ich möglicherweise (im als ……bezeichneten Absatz) zu drastisch formuliert hatte, fehlt. 🙂 Ich versuch’s nochmal. Kann es sein, daß auch eine demokratisch gewählte Regierung eine „Staatsstreich ähnliche“ Wendung vollführen kann? Nämlich dadurch, daß sie sich mit Programmen zur Wahl stellt um nach der Wahl, unter Berufung auf „Sachzwänge“, das gänzliche Gegenteil davon zu tun? Was, wenn sie hierbei unisono von den Leitmedien unterstützt wird? Was, wenn eine Minderheit von vielleicht 10 oder 15% der Wähler meint, genau dies im… Mehr

Jedediah
6 Jahre her

Mit „Zeit“ und dergleichen „Systemmedien“ habe ich abgeschlossen. Die gehören zum vergehenden Deutschland, das ist „Mediensterben in seiner schönsten Form“. Mit jedem Jahr werden die Bio-Naivdeutschen, die von solchen Organen ferngesteuert werden, weniger, automatisch. Prima wäre, wenn in einem zukünftigen neuen Deutschland, so es denn so etwas noch geben kann, man sich dieser unsäglichen „Journalisten“ erinnert. Die Ede von Schnitzlers unserer Zeit können dort keinen Platz an der Macht und der Meinung haben.

ZeGerman
6 Jahre her

Allmählich kommt es mir so vor, als würde sich die Denunziation herzulande nicht nur zum politischen Druckmittel, sondern zum staatlich geförderten/geforderten Breitensport.
Wenn ich mir z. B. diese Artikel bei tagesschau.de (aka Staatsfunk) ansehe
– Kitas sollen Impfmuffel melden (11:52)
– Her mit der Impfpflicht! (16:34)
nebst den Kommentaren dazu.
Ich bekomme ein ganz schlechtes Gefühl, wenn ich so etwas lese. Und das war schon vorher nicht gut.
Der Faschismus des neuen Jahrtausend kommt zu allem Übel mit einer ekelerregenden Flapsigkeit daher…. „Impfmuffel“, es ist zum Kotzen.

Randall Flagg
6 Jahre her

Mir fällt da eine Analogie ein/auf und zwar zu Videospielen. Eine Zeit lang nahm man, wenn man keine Lust hatte zu erklären, warum der Gegner böse war, immer Nazis. Das leuchtete jedem sofort ein und bedurfte keiner weiteren Erklärung. So sparte man sich die teure und aufwendige Story. Ähnlich lief es hier ab. Man entmenschlichte den vermeintlichen Gegner und betitelte ihn als Nazi. Wer konnte schon etwas dagegen haben, sich gegen Nazis zu engagieren? Als das erreicht war und der Begriff gefestigt, fing man an jedem unter diesem Begriff zu labeln, den man denunzieren wollte. Dies hier sind nun die… Mehr