Die Correctiv-Story: Ein Schauerroman, kein Journalismus

Das Traurige ist, dass wie in dunklen Zeiten Deutschlands Hunderttausende auf eine nicht einmal geschickt initiierte Kampagne hereinfallen. Von Bernd Steinbrink

IMAGO / Jürgen Ritter
Das Gästehaus am Lehnitzsee / Landhaus Adlon

Als er auf dem Bahnhof in Bremen ankam, so berichtete mir ein Freund vor einiger Zeit, gelangte er in eine dichtgedrängte Menge mit einem Meer von gelben und grünen Fahnen. Es herrschte eine angespannte Stimmung und es war kurz davor, dass sich die Menschen gegenseitig an den Kragen gingen. Ein kleiner Haufen von Polizisten stand dabei, der wohl kaum zu einem wirkungsvollen Eingreifen in der Lage gewesen wäre. Nein, wer vermutet, hier hätten sich Sympathisanten der FDP und der Grünen in die Haare gekriegt, liegt falsch.

Es waren Fans von Borussia Dortmund und Werder Bremen, die da vor einem Bundesligaspiel im Clinch lagen. Es war eine aufgeheizte Stimmung, skandierte gegenseitige Schmährufe hallten durch die Bahnhofshalle; ein Funke, und das Ganze hätte zu einer Schlägerei mit anschließender Massenpanik führen können. Die Rettung kam aus der kleinen Gruppe der Polizei, von einer Polizistin, die rhythmisch klatschte und dazu skandierte:
 Schei… Bayern, Schei… Bayern, Schei… Bayern usw. Schlagartig veränderte sich die Lage. Die Fans beider Lager, grün wie gelb, stimmten ein, skandierten ebenfalls die Schmähung der Bayern und zogen friedlich zusammen Richtung Weserstadion ab.

Die kluge Polizistin hatte verstanden: Um gegenseitige Konflikte zu neutralisieren, ist es nützlich, ein Feindbild zu schaffen, das außerhalb der Konfliktparteien liegt. Dazu musste sie nicht eigens die Arbeiten zur Massenpsychologie studieren, es half ihr die eigene Erfahrung.

„Gemeinsam gegen rechts“
Demonstration in München: Linkes Wohlfühl-Event gegen rechts
Doch warum ist die Geschichte so aktuell? Nun, da lagen in den letzten Wochen unsere Landwirte, die Lkw-Fahrer, Handwerker, Gastronomen und viele andere Berufsgruppen mit einer breiten Zustimmung aus der Bevölkerung im Clinch mit der Ampel-Koalition. Da kam es recht, dass eine unter anderem von der Ampel geförderte angeblich journalistische Organisation die Rolle der Polizistin einnahm – wenn auch nicht so klug, sondern eher denunziatorisch und verleumderisch. Zusammen mit den Sendern der öffentlich-rechtlichen Anstalten, diversen regierungsnahen Medien und anderen Vereinen wurde eine Kampagne losgetreten, die auf Stasi-ähnlichen Überwachungen eines privaten Treffens anlässlich einer Buchpublikation basierte, an dem rechte und rechtsextreme Personen teilnahmen – und schon hatte man ein wirkungsmächtiges Feindbild gefunden: die AfD und die Rechten.

Die Recherche, wie sie Correctiv im Internet romanhaft schildert, erinnert nicht an journalistisches Vorgehen, sondern an englische Schauerromane der Romantik. So schildert etwa Charles Robert Maturin in seinem Roman Melmoth der Wanderer, einen Menschen, der ganz faustisch seine Seele vermacht, um an Wissen zu gelangen – ungefähr so wie Correctiv seine journalistische Seele vermachte, um an Wissen über die rechte Szene zu kommen –, obwohl es einfacher gewesen wäre, den Klappentext des bei dem Treffen vorgestellten Sellner-Buchs im Internet zu lesen. Nur eben nicht so spektakulär.

Denn in Potsdam trifft sich, so entsteht nach der literarischen Schilderung (ästhetisch durchaus mit Relotius-Niveau), ein rechter eingeschworener Familienclan in der Ruine des „Schlosses von Otranto“ – ach nein, ich vergaß, es war eine Hotelvilla in Potsdam, ganz in der Nähe der Villa, in dem die Nationalsozialisten 1942 die Wannseekonferenz abhielten, auf der es um die Vernichtung und Deportation der Juden ging. Und das wurde von Correctiv und in zahlreichen Medien gleich benutzt, um entsprechende Assoziationen zu erzeugen.

„Gemeinsam gegen rechts“
Demokraten mit echten Extremisten zusammen auf der Straße
Ebenfalls leider ein billiger Propagandatrick: Konnotationen zu generieren. Nach der schaurig-schönen gruseligen Einleitung des Rechercheberichtes wird von Correctiv dann über die „geheime“ Konferenz und den „Geheimplan gegen Deutschland“ berichtet. Allerdings so geheim war dieses private Treffen gar nicht, aber man brauchte offenbar eine Rechtfertigung für das wahrhaft geheimdienstähnliche Vorgehen bei der Recherche.

Und so richtig geheim klingt immer gut, in der Yellow Press, im Kolportageroman oder bei Correctiv. Da wurden mit Kameras Fotos durch Fenster der Villa geschossen, zum Teil offenbar von Booten auf dem nahegelegenen See aus, anscheinend wurden auch Richtmikrofone benutzt, um etwas von den vermeintlich aufrührerischen Gesprächen aufzuschnappen; kurzum: Zur Recherche wurden Stasi-ähnliche Methoden eingesetzt, die sich nur dadurch rechtfertigen lassen, dass man einer ganz, ganz schlimmen Sache auf der Spur war. Nur war man das wirklich?

Von Deportationen und widerrechtlichen Zwangsabschiebungen war bei dem Treffen offenbar gar keine Rede, diese Wörter sind allem Anschein nach gar nicht gefallen, denn sie finden sich nicht einmal in dem Bericht von Correctiv. Wohl aber erfanden sie zahlreiche Medien, unter anderem die ÖRR-Funker, hinzu. Ohne diese Buzzwörter war dann der Bericht allem Anschein nach nicht spektakulär genug. Wie viele Beschwerden sind eigentlich beim Presserat und den diversen Medienräten eingegangen? Denn mit journalistischer Sorgfaltspflicht hat diese Vorgehensweise doch wohl kaum etwas zu tun. Oder sind diese Medienorgane gar selbst gegen die künstlich erzeugte „scary world“ Medienrealität vorgegangen? Anscheinend nicht, aber das wäre eigentlich doch wohl ihre Pflicht.

Für den Inhalt des Correctiv-Berichts wäre ein solch Stasi-ähnliches Vorgehen nicht nötig gewesen. Man hätte, wie erwähnt, den Waschzettel des Sellner-Buches wiedergeben und kritisieren können, wahrscheinlich hätte der Verlag auch ein Vorab-Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt und bei einem Interview mit dem Herrn wären vermutlich belastendere Aussagen zu Tage getreten. Eine gründliche Kritik hätte sich anschließen können. Bessere Bilder von den Teilnehmern des Treffens und nicht so pixelige hätte man vermutlich vor dem Check-in beim Hotel oder bei Bildagenturen bekommen – nur es wäre nicht so spektakulär und abenteuerlich romantisch gewesen, das alles wäre auch nicht schön darstellbar gewesen und hätte nicht so mobilisiert. Übrigens: Die Schauerromantik richtete sich damals gegen die Rationalität der Aufklärung.

Kampf für Fördergelder
Treibt die Angst vor versiegenden Fördergeldern die Linken auf die Straße?
Sicherlich ist es begrüßenswert, wenn Abertausende für Demokratie auf die Straße gehen. Allerdings sollte das einen rationalen Grund haben und nicht auf einer Propagandageschichte beruhen, unterstützt von der Regierung und ihr nahestehenden Organisationen und Medien, und zu einer „Demokratiehysterie“ führen – ein schreckliches Oxymoron, aber hier wohl angemessen. Es liegt mir völlig fern, die Regierung mit dem NS- oder dem SED-Regime zu vergleichen. Nur fürchte ich, dass, wenn wir wirklich einmal ein totalitäres Regime bekommen sollten, sich die Massen in ähnlicher Weise aktivieren ließen. Ich hoffe, aufrichtige Demokraten werden das verhindern.

Nun habe ich auch absolut nichts am Hut mit der AfD, mit Herrn Höcke oder irgendwelchen Organisationen der extremen Rechten, ganz im Gegenteil, davon distanziere ich mich ausdrücklich. Ich wehre mich allerdings dagegen, dass eine derart billige Propaganda-Kampagne gestartet wird, um die desaströse Politik der Ampel zu verdecken und die berechtigten Proteste unserer Landwirte, Speditionsunternehmen, Handwerker etc. – kurz: der vielen Fleißigen in diesem Lande – in den Hintergrund treten zu lassen – womöglich wird der Protest der Hunderttausende dann gar als Zustimmung zur Politik der Ampel interpretiert.

Das Traurige dabei: dass wie in dunklen Zeiten Deutschlands eben Hunderttausende auf eine nicht einmal geschickt initiierte Kampagne hereinfallen, beruhend auf einem Ereignis, das sich vor Wochen ereignete und nun zum richtigen Zeitpunkt hervorgeholt wird. Und dazu demonstriert man noch mit dem guten Bewusstsein, etwas gegen die „Nazis“ zu tun. Nur – das hätten besser die Großeltern tun sollen. Wie sagte doch einmal der kluge Publizist Hendryk M. Broder? Je weiter wir von der NS-Zeit entfernt sind, desto heftiger und tapferer wird der Protest gegen „Nazis“.

All das erinnert mich an ein kleines Museum im Nebenraum einer Kapuziner-Kirche am Anfang der Via Veneto in Rom. Dort sollen ausgestellte Skelette und Knochen ehemaliger Mönche an die Vergänglichkeit des Menschen erinnern. Vor einigen Skeletten hängt ein Schild mit der Mahnung: „Wer ihr seid, das sind wir gewesen, wer wir sind, das werdet ihr sein.“ Angesichts der Propaganda und der Massenhysterie tauchen bei mir schreckliche Gedanken an eine dunkle Vergangenheit auf.

Übrigens: In den nächsten Wochen sollen die Demonstrationen weitergehen. Zur Erinnerung: auch die meiner Ansicht nach berechtigten Proteste unserer Bauern und Spediteure – das hätte man doch fast glatt vergessen. Cui bono, wem nützt das?

Bernd Steinbrink ist Medienwissenschaftler, Journalist und Buchautor.

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Kommentare ( 30 )

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Kassandra
10 Monate her

Herr Steinbrinck – ich bin mir sicher, dass Sie wissen, dass solche Polizisten, die Sie im Eingangsabsatz beschreiben, im „nudging“ solcher Massen ausgebildet sind.
Oder glauben Sie, dass die Frau (weshalb kein Mann?) einfach so aus dem Nichts mit dem Klatschen in die Hände und dem Skandieren einer Ersatzparole in solche brisanter Situation beginnen würde?

Michael Theren
10 Monate her

„an dem rechte und rechtsextreme Personen“ – was bitte ist z.B. an Herrn Sellner „rechtsextrem“ ? Es ist schade, daß man immer wieder das Framing der Gegenseite übernimmt…in meinen Augen hat man dadurch bereits verloren…

Last edited 10 Monate her by Michael Theren
Leander
10 Monate her

Es ist ein Naturgesetz, dass sich die Blöden immer wieder selbst entblöden. Eine Politclique von Losern läuft auf der letzten Rille. Da greift man zu den widerlichsten Mitteln.

Auch der Finanzminister hat einfach nur noch „Mittel“ zur Finanzierung des Ampelblödsinns, wie er gestern stotternd und verlegen einem Journalisten erklärte. Ich schmeiß mich weg.

Stephan K.
10 Monate her

Was auf den Straßen demonstriert sind Lenins nützliche Idioten, „Mitarbeiter“ von NGO´s, Antifa-Schläger, überflüssige Beschäftigte von überflüssigen Behörden, die demonstrieren aber nicht gegen Rechts, sondern für ihr leistungsloses Grundeinkommen. 15 Millionen Menschen in der Freien Wirtschaft müssen diese Ballastexistenzen mit durchschleppen, die sind gerade selber auf der Straße, und davon sollen diese inszenierten Demos ablenken.

Andreas Bitz
10 Monate her

Wie gegen diese Schmierenkomödie vorgehen? Die AfD ruft zu den Demonstrationen auf „gegen Linksextremismus, Rechtsextremismus, Islamismus“ und lädt Herrn Sellner ein, seinen wohl harmlosen Vortrag aus der Adlon-Villa öffentlich vorzutragen und zur Diskussion zu stellen.

horrex
10 Monate her

Was sie in der „täglichen mail“ und an dieser Stelle – ganz zu recht – anprangern, dass in KoaVertrag etwas von Abschiebungen steht, Scholz und Faeser und Andere davon schwadronieren, aber das Gegenteil fast regelmässig getan wird, nenne ich „B e l i e b i g k e i t“.  (Dito die – nur so genannte – Argumentation das angeblich Geheimtreffen oder die initiierten Demos anti … betreffend.)  Diese „Beliebigkeit“ von Aussage/Tun/Absicht ist – um es in einem Bild zu sagen – „der berühmte Pudding der sich ums Verrecken nicht an die Wand nageln lässt“.  Sie ist absolut „nagelresistent“! … Mehr

H.H.
10 Monate her

Schade dass Erich Honnecker dies nicht mehr miterleben konnte. Er wäre sicherlich, gleich neben Olaf Scholz in der vordersten Reihe mitmarschiert, gegen rechts, gegen die AfD.

Inana
10 Monate her

Das Ganze ist erschreckend, nur es ist aber auch eben nicht ganz neu. Es erinnert – wie hier schon jemand geschrieben hat an die „Hetzjagden in Chemnitz“. Auch der „rassistische Mord“ in Hanau gehört möglicherweise in die Kategorie, denn der Täter war mit hoher Wahrscheinlichkeit psychotisch und nicht politisch motiviert. Und die Sache funktioniert, mehr kann man leider dazu im Grunde nicht sagen. Es gibt dieses auf dieses Klientel in Deutschland, das so durchdrungen vom „Kampf gegen Rechts“ ist, dass es sich hier auch schlicht instrumentalisieren lässt. Ich finde das inzwischen auch ein bisschen unheimlich. „2015“ war die Stimmung auch… Mehr

Kassandra
10 Monate her
Antworten an  Inana

Sachlich fundiert kann man die alle an die Wand argumentieren.
Nur fruchtet das nichts.
Sie wissen nicht, was sie tun – und sie informieren sich auch nicht.
Denn sie glauben streng.
Und das so gut wie nicht angreifbar. Aber natürlich fatal für uns alle.

Haeretiker
10 Monate her

„Es liegt mir völlig fern, die Regierung mit dem NS- oder dem SED-Regime zu vergleichen.“
Warum? Würde ein Vergleich für die Regierung ungünstig ausfallen?
Bedenke: wir wissen mehr als die Generationen vor uns.

Last edited 10 Monate her by Haeretiker
Karl Schmidt
10 Monate her

Und ich distanziere mich von Leuten, die sich von Menschen distanzieren, die ihren demokratischen Rechten (und Pflichten) nachgehen. Ich finde so ein Verhalten unerhört. Eine Distanzierung von der extremen Linken findet sich in dem Text – das soll nicht unerwähnt bleiben – übrigens nicht.

Der blaue Klaus
10 Monate her
Antworten an  Karl Schmidt

Die Linksextremen sind doch die Guten. Die machen doch nichts, außer, man hat eine andere Meinung, dann keinen sie weder gut noch böse, dann schlagen sie gnadenlos zu. Dem Himmel sei Dank, oder sollte ich lieber schreiben, den ideologischen Idioten sei Dank, dass „wir“ eine so intolerante Schlägertruppen haben -auch das sollte nicht unerwähnt bleiben ;-)))