Das Bundesverfassungsgericht watscht Faeser und Haldenwang ab

Machtkritik und damit Staatskritik sind erlaubt. Mit diesem Urteil stärkt das Bundesverfassungsgericht nicht nur den Wert der Meinungsfreiheit. Es ist eine heftige Niederlage für jene, die von Grenzen der Meinungsfreiheit sprechen, oder Delegitimierungen des Staates als Tatbestand einführen.

IMAGO / Metodi Popow
„Kritik an der Regierung ist erlaubt“ – so titelt die FAZ zum Urteil in der Reichelt-Causa. Schlagzeile wie diese, so haben schon User auf X festgestellt, sagen viel über den Zustand Deutschlands aus. Das genaue Gegenteil haben in den letzten Jahren nicht nur Politiker, sondern ausgerechnet auch viele Medien postuliert, die darauf hofften, unliebsamen Meinungen einen Riegel vorzuschieben und in den Augen der Regierung als Klassenprimus dazustehen. Ob nun aus ideologischen Gründen oder auf Subventionen für die Krisenbranche schielend, mag jeder für sich entscheiden.

Das Berliner Kammergericht hatte eine einstweilige Verfügung erlassen. Der frühere Chefredakteur der Bild-Zeitung sollte nicht mehr die Entwicklungshilfe der Bundesregierung für Afghanistan kritisieren dürfen. Julian Reichelt hatte deswegen beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingelegt – und Recht bekommen. Das ist in erster Linie ein Sieg für ihn und die Nachrichtenplattform NIUS. Doch die öffentliche Reaktion zeigt, dass diese Geschichte eine tiefere Ebene hat, bei der es mit der bloßen Formulierung eines Sieges der Meinungsfreiheit nicht getan ist.

Denn die Begründung, die schon bald in zahlreichen Ecken des Netzes kursierte, hat es in sich. Sie ist in ihrer prinzipiellen Natur mit einem früheren Urteil aus Karlsruhe vergleichbar, das bis heute als Ausweis eines Gerichts gilt, das früher einmal die größte Wertschätzung in der Bundesrepublik genoss. Man kann sie auf diese kurze Formel bringen: Das Gut der Meinungsfreiheit ist in Deutschland so stark geschützt, weil es aus dem „besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist.“ Dazu noch ein Zitat: „Dem Staat kommt kein grundrechtlich fundierter Ehrenschutz zu.“

Das Bundesverfassungsgericht schwingt den Hammer in Karlsruhe. Aber der Adressat ist damit nicht nur das Kammergericht in Berlin. Denn gerade ein solcher „Ehrenschutz“ des Staates wird von Nancy Faeser, Thomas Haldenwang und auch Lisa Paus seit jüngster Zeit als Argument herangezogen. Haldenwang hatte erst kürzlich in einem Zeitungsartikel der FAZ die Grenzen der Meinungsfreiheit betont. Meinungen könnten auch „unbeschadet ihrer Legalität (…) verfassungsschutzrechtlich von Belang sein“.

Das Bundesverfassungsgericht zeigt dagegen in seiner Erklärung, dass Haldenwang selbst mit so einer Aussage näher im Spektrum eines Verfassungsfeindes zu verorten wäre als die von ihm beschriebenen Subjekte. In seinen „wesentlichen Erwägungen“ schreibt das Gericht unter Punkt 1:

Der Staat hat grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten. Zwar dürfen grundsätzlich auch staatliche Einrichtungen vor verbalen Angriffen geschützt werden, da sie ohne ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz ihre Funktion nicht zu erfüllen vermögen. Ihr Schutz darf indessen nicht dazu führen, staatliche Einrichtungen gegen öffentliche Kritik – unter Umständen auch in scharfer Form – abzuschirmen, die von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit in besonderer Weise gewährleistet werden soll, und der zudem das Recht des Staates gegenübersteht, fehlerhafte Sachdarstellungen oder diskriminierende Werturteile klar und unmissverständlich zurückzuweisen. Das Gewicht des für die freiheitlich-demokratische Ordnung schlechthin konstituierenden Grundrechts der Meinungsfreiheit ist dann besonders hoch zu veranschlagen, da es gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet.

Wie erwähnt, macht das Bundesverfassungsgericht damit einen Punkt geltend, den es schon in einem Urteil aus dem Jahr 2011 anführte. Das Gericht stellte darin fest, dass Meinungen generell durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt sind, „ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie sich als wahr oder unwahr erweisen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational sind, oder ob sie als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werden. Sie verlieren diesen Schutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäußert werden. Der Meinungsäußernde ist insbesondere auch nicht gehalten, die der Verfassung zugrunde liegenden Wertsetzungen zu teilen, da das Grundgesetz zwar auf die Werteloyalität baut, diese aber nicht erzwingt.“ Die Grenzen von Artikel 5 – dem Garant der Meinungsfreiheit – zogen die Richter ausdrücklich deshalb so weit, weil er ihrer Ansicht nach besonders die „Machtkritik“ schützt.

„Machtkritik“ eignet sich damit bereits jetzt zum neuen Unwort des Jahres. Denn Demokratiefördergesetze und „Delegitimierungen des Staates“ fallen wie ein Souflé in sich zusammen, wenn der Bürger selbst mit „wertlosen“ oder „unwahren“ Meinungen Kritik am Staat äußern darf. Die Tatbestände, mit dem das Bundesinnenministerium und der Verfassungsschutz argumentieren, sind im Grunde bedeutungslos. Die Idee, dass auch qualitativ oder ideologisch unangenehme Meinungen aus dem Verkehr zu ziehen seien, mag die Innenministerin und den Verfassungsschutzchef beflügeln. Dass sie dabei selbst gegen die Verfassung verstoßen, haben zwar viele geahnt und gesagt. Nun hat man es jedoch auch noch einmal schriftlich zur Hand. Jetzt müsste man nur noch den nächsten Schritt gehen: nämlich, dass Machtkritik nicht nur erlaubt ist, sondern für den Bestand eines demokratischen Systems sogar unabdingbar.

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Kommentare ( 70 )

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AndreasH
7 Stunden her

Der eigentliche Skandal ist es, dass solche Selbstverständlichkeiten wie die Zulässigkeit beissender Kritik an der Regierung vom BVerfG festgestellt werden müssen. Wir gehen mit großen Schritten in Richtung Obrigkeitsstaat.

DELO
12 Tage her

Haldenwang ist für die CDU eigentlich nicht mehr tragbar, jedoch interessiert das dort niemand bzw. wird wohlwollend geduldet. Will also die CDU im Fall der Kanzleramtsübernahme diese demokratiefeindliche Politik weiter betreiben?

StefanB
12 Tage her

Eine vormals bekannte, inzwischen von ihrer Partei auf einen Frühstücksdirektorenposten entsorgte SPD-Politikerin sprach ein für solche Fälle (= die Linksextremistin und ihr CDU-Vasall) tatsächlich passenden „Bonmot“ aus: „Voll auf die Fresse“. Bedenklich finde ich diesen Satz in der Entscheidung: „Zwar dürfen grundsätzlich auch staatliche Einrichtungen vor verbalen Angriffen geschützt werden, da sie ohne ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz ihre Funktion nicht zu erfüllen vermögen.“ Das Mindestmap an gesellschaftlicher Akzeptanz muss sich eben auch eine staatliche Einrichtung erarbeiten. Sonst besteht der konkrete Verdacht, dass sie nicht benötigt wird. Gibt es diese Akzeptanz in der Breite der Gesellschaft, schaden ihr auch verbale… Mehr

DerGrinser
12 Tage her

Naja, Frau Faeser und ihr Mecki haben eine Schlacht verloren aber nicht den Krieg. Die hinter ihnen agierenden, finsteren Mächte werden die Richter in Karlsruhe solange austauschen lassen, bis dass gewünschte Urteil zustande kommt. Braucht halt Zeit damit’s nicht auffällt.

GR
12 Tage her

Jetzt ist es amtlich. Das Verfassungsgericht zuckt noch. Man muß sich wehren. Einspruch gegen Strafbefehle und dann vor Gericht gehen. War es der 1. oder 2. Senat? Gar der Murksel-Zögling?

IJ
12 Tage her

Abgewatscht? Na ja, dann werden die Vorstösse zur Frühpensionierung und Neubesetzung des Verfassungsgerichts sicherlich nicht mehr lange auf sich warten lassen. In den sicherlich gut gepflegten Akten der Sicherheitsbehörden über die Verfassungsrichter wird sich schon was finden lassen, zur Not bei deren Familienangehörigen. So leicht geben sich „Schwert und Schild der Partei“ nicht geschlagen.

Sonny
12 Tage her

Was ist ein solches Urteil noch wert, wenn es keinerlei Auswirkungen auf die Existenz und die Handlungen dieser Verfassungsfeinde hat?
In einem real existierenden, freien Staat wären haldenwang und faeser längst zum Rücktritt gezwungen worden. In der Realität aber machen die weiter, als wär nix gewesen und diese Hampelmänner von Bundestagsabgeordneten der Altparteien stimmen jeder Verwerfung zu, die ihnen vor die Füße geworfen wird.
Wenn es nach meinem Gerechtigkeitsgefühl ginge, müßten die Beiden (neben vielen anderen) längst in Untersuchungshaft sitzen wegen Delegitimierung des deutschen Rechtsstaates.

Aljoschu
12 Tage her

Der Rechtsstaat muckst noch! Dh er ist noch da! Noch nicht zertrampelt, gleichgeschaltet und mit Schranzen besetzt! Es besteht also Hoffnung! Und dieses Urteil der demokratischen Vernunft hat noch nicht mal weh getan! So einfach kann es sein, den Zugriff auf die bürgerlichen Freiheitsrechte abzuwehren. Es stimmt: Faeser und Haldenwang sind nur zwei verlotterte Gesslerhüte auf einer Bohnenstange.

hoho
12 Tage her

Interessant dass man dafür ein Urteil des Verfassungsgerichts braucht. Wird das auch reichen? Wird Reichelt jetzt mit anderen Maßnahmen bekämpft? Vlt eine Beweissicherung um 6Uhr morgens und ein Paar Anfragen an die Banken bei denen Herr Reichelt und seine Firma Konten haben?

murphy
12 Tage her
Antworten an  hoho

Das ist auch insofern bemerkenswert, als absolut jeder Richter bei seiner Ernennung den Richtereid auf das GG nach §38 DRiG ablegen muss. Folgen jetzt Maßnahmen gegen die vorlaufenden Instanzen?

MfS-HN-182366
12 Tage her

In einem „normalen Land“ könnte sich der Bürger über solche Entscheidungen freuen, aber ich zweifle an, dass Deutschland noch ein normaler Staat ist. Viele hier im Forum atmen auf und glauben jetzt wieder an das Funktionieren des Bundesverfassungsgerichtes – ich nicht!
Völker, hört die Signale! Auf zum Letzten Gefecht … die … ! Ja, einige Völker hören noch, nur in Deutschland herrscht die Stille eines Friedhofes, eventuell unterbrochen durch das Quaken eines Frosches im roten Gewand.