Faesers voreiliger Vorstoß: Jurist hält Gutachten für ein AfD-Verbot für unbrauchbar

Nancy Faeser (SPD) hat in Sachen AfD-Verbot womöglich ein Eigentor geschossen. Der Jurist Joachim Wagner analysiert: Das Gutachten des Verfassungsschutzes über die AfD sei verwässert und enthalte zu viele harmlose und unbedenkliche Äußerungen, um von „rechtsextremistischer Prägung“ der Partei zu sprechen.

picture alliance / PIC ONE | Christian Ender

Die Veröffentlichung des auf 1.108 Seiten aufgeblasenen AfD-„Gutachtens“ samt Höherstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ wurde von Noch-Innenministerin Faeser (SPD) holterdiepolter für den 2. Mai 2025 angeordnet – gezielt wenige Tage vor dem Regierungswechsel und ohne die notwendige Sichtung des „Gutachtens“ durch die zuständige Fachabteilung des Bundesministeriums des Innern (BMI). Nach Recherchen von „LTO“ (s.u.) hatte die BMI-Fachabteilung gegen die Bekanntgabe der AfD-Hochstufung zu diesem Zeitpunkt votiert, weil sie das „Gutachten“ wegen Zeitmangels nicht überprüfen konnte.

Nun hat sich der vormalige ARD-Promi-Journalist, promovierte Jurist und erfolgreiche Buchautor Joachim Wagner* den Vorgang dezidiert vorgenommen, und zwar am 27. August 2025 mit einer ausführlichen Analyse auf der Plattform „LTO“ (= Legal Tribune Online). Wagners Ergebnis: Was Faeser hier inszeniert hat, könnte die von ihr verfolgte Absicht eines Verbots der AfD konterkarieren. Dass LTO diese eigentlich vernichtende Analyse Wagners veröffentlicht, überrascht, zumal LTO nicht gerade als AfD-affin gilt.

Wagners Kernaussage: Das Gutachten ist „verwässert“

Wagner zitiert einleitend hohe BMI-Beamte, die Faesers „Coup“ als Teil ihrer „Mission“ im Kampf „gegen Rechts“ und eine „Provokation ihres Nachfolgers“ Dobrindt bezeichnen. Ein hochrangiger Verfassungsschützer aus einem Bundesland vermutet, dass Faeser sich mit der unvorbereiteten PR-Initiative ein „Denkmal setzen wollte“.

Wagners vernichtende Kernaussage dann: Faesers Solonummer könnte rechtlich folgenschwer sein. Weil das Gutachten nicht den üblichen Filterungsprozess durchlaufen habe und nun nur in „verwässerter Form in den Gerichtsakten“ vorliege.

Wagner hat gleichwohl in Erfahrung gebracht: Die BMI-Fachabteilung überprüft derzeit nachträglich das BfV-Gutachten, das werde aber nur noch beschränkte rechtliche Wirkung haben. Denn das unbearbeitete AfD-Gutachten ist inzwischen Gegenstand der Gerichtsakten beim VG Köln. Und so ginge das „Gutachten“ auch nach Karlsruhe. Nicht möglich sei zum Beispiel eine Korrektur durch das Streichen von harmlosen Aussagen. Denn, so Wagner, genau dort liegt das Problem: Das Gutachten ist eher zu lang als zu kurz und enthält eher zu viele unbedenkliche Zitate.

Der frühere Verfassungsrichter Peter Müller, den Wagner zitiert, schreibt Ende Juni 2025 mit Blick auf das „Gutachten“ von „Masse statt Klasse“. Müller wörtlich: „Viele der aufgeführten Zitate sind zum Nachweis der Verfassungsfeindlichkeit ungeeignet.“ Wagner sodann: Die gegen Demokratie und Rechtsstaat gerichteten AfD-Aussagen reichten nicht, um eine hiergegen gerichtete Ausrichtung als „für die Gesamtpartei prägend“ anzusehen.

Wagner nennt Beispiele von Verwässerung und erinnert an das „Compact“-Urteil

In einer Wahlkampfrede 2024 erklärte AfD-Mann Björn Höcke die „Migration“ zur „Mutter aller Krisen“. Dieser Satz sei nicht weit entfernt von Horst Seehofers (CSU) Diktum von der „Migration als Mutter aller Probleme“. Auch folgende AfD-Aussage hält Wagner nicht für belastbar: „Schon 801.459 Asylanträge (in Europa) in diesem Jahr. Deutschland muss zur Festung werden“, hatte der AfD-Bundesvorstand gefordert. Wagner dazu: „Angesichts des von Brüssel unterstützen Baus von Zäunen an EU-Außengrenzen und von der Kommission geduldeten Einführung von einem Dutzend innereuropäischen Grenzkontrollen wird auch der EU-Asylpolitik im Sommer 2025 von Medien und NGOs vorgeworfen, eine ‚Festung Europa‘ zu bauen.“

Wagner erinnert an das „Compact“-Urteil. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte Ende Juni 2025 das von Nancy Faeser inszenierte Verbot des „Compact“-Magazins aufgehoben. Die Aufhebung des Verbots geschah, obwohl das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) das Magazin 2021 als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft hatte. Das BVerwG hatte dann geurteilt: Ein solches Medienverbot auf Grundlage des Vereinsrechts sei möglich, wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips aber nur „gerechtfertigt, wenn sich verfassungsfeindliche Aktivtäten (…) als prägend erweisen“. Diese Voraussetzung sei beim Compact-Magazin nicht erfüllt, weil sich eine „Vielzahl“ der vom BfV gesammelten „migrationspolitischen bzw. migrationsfeindlichen Äußerungen“ auch als „überspitzte, aber (…) im Lichte“ der Meinungsfreiheit noch „als zulässige Kritik an der Migrationspolitik deuten“ lassen. Diese Messlatte werde, so Wagner, das Verwaltungsgericht (VG) Köln in den anhängigen Verfahren zur AfD-Einstufung berücksichtigen müssen. Außerdem würde diese Messlatte möglicherweise auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem etwaigen AfD-Verbotsverfahren anlegen.

Wagners Fazit: Vor dem VG Köln sowie vor dem BVerfG könnten die Prozesschancen der AfD steigen, weil die vom BfV vorgelegte Belegsammlung durch die unterlassene Überarbeitung des AfD-Gutachtens neben verfassungsfeindlichen zu viele harmlose und unbedenkliche Äußerungen enthält, sodass von einer rechtsextremistischen Prägung der Partei nicht mehr die Rede sein kann.

Folge: Faeser hätte mit ihrem monomanischen Kampf gegen Rechts durch die übereilte Veröffentlichung der AfD-Hochstufung einen Bärendienst erwiesen. Oder in der Sprache des Fußballs: Dann hätte Faeser ein spielentscheidendes Eigentor geschossen.

* Joachim Wagner (*1942), promovierter Jurist, war von 1979 bis 2008 führender, damals eher linksgestrickter Redakteur im NDR und im ARD-Hauptstadtstudio. Er ist Autor mehrerer kritischer Bücher, zum Beispiel „Stresstest AfD. Wehrhafte Demokratie und Rechtsextremismus“ (2025) und „Die Macht der Moschee: Scheitert die Integration am Islam?“ (2018)


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Kommentare ( 77 )

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Klaus Kabel
3 Monate her

Die SED Bande hat jetzt eine neue Idee, die AfD zu verhindern: Entzug des Wahlrechts. Und die willige Justitz dürfte da gerne mitspielen.

Siggi
3 Monate her
Antworten an  Klaus Kabel

Und geschickt über die Verwaltungsgerichte. Ich persönlich halte das schon rechtlich für zumindest bedenklich.

a.bayer
3 Monate her
Antworten an  Siggi

Überall dort, wo AfD und CDU einen Mehrheit bilden, könnte man bei den Kommunalwahlen den Sozi- Bürgermeistern den Garaus machen. Und sagen Sie bitte nicht, der Unioner sei doch genauso schlimm wie der Sozi. Darum geht es nicht, sondern darum, die Sozis auf der kommunalen Ebene weitgehend zu erledigen(die werden sich eh wundern). Wie man in den Wald hineinruft…Und immer eines nach dem anderen.

Last edited 3 Monate her by a.bayer
Rob Roy
3 Monate her
Antworten an  a.bayer

Ich weiß nicht so recht. Es gibt einfach immer noch zu viele Wähler, die glauben, die CDU könnte sich noch irgendwie reformieren oder zur Vernunft finden.
Niemand in der Partei ist gegen Merkel aufgestanden und niemand steht gegen Merz auf, der die Ampelpolitik nahtlos fortsetzt.
Ohne drastischen Personalwechsel an der Spitze von Bundes- und Landesverbänden wird die CDU weiterhin den Erfüllungsgehilfen linker Parteien geben.

siebenlauter
3 Monate her
Antworten an  Siggi

Bei der Einführung dieser Sondergerichte im 19. Jahrhundert waren Liberale zurecht skeptisch und kritisierten dies deutlich.

Ohanse
3 Monate her

War in der Ampel eigentlich überhaupt irgendjemand für seinen Job geeignet?

Ombudsmann Wohlgemut
3 Monate her
Antworten an  Ohanse

Verbessert hat sich mit der „Schwampel“ auch nichts, manchmal ein Scheinkontra von bestimmten Kandidaten, um den Anschein zu wahren, aber direkt im Anschluss heimlich die nächste linke Agenda durchsetzen.

LunaMystic
3 Monate her
Antworten an  Ohanse

Dass Faeser sich ohne Panzerlimousine und 24/7/365 Bo
dyguards unter die Leute traut, versetzt mich ins Staunen.
Mutig.

Last edited 3 Monate her by LunaMystic
ceterum censeo
3 Monate her
Antworten an  LunaMystic

Gnadenlose Selbstüberschätzung! Wie in ihrer ganzen Ministerzeit (Leben?).

Last edited 3 Monate her by ceterum censeo
Uwe Jacobs
3 Monate her
Antworten an  Ohanse

Es kommt darauf an, welche Eignungskriterien Sie zugrunde legen.
Von mir wäre noch nicht ein einziger dieser „Fachleute“ eingestellt worden.

Alf
3 Monate her
Antworten an  Ohanse

Welcher Politiker einer Regierung eignet sich überhaupt für seinen Job?
Warum wird dieses untaugliche „Gutachten“ nicht kassiert?
Ein solches „Gutachten“ ist einer Demokratie nicht würdig.
Es gibt wichtigere Fragen:
Welche Eignung besitzt ein Politiker, der seine Wahlversprechen nicht hält?
Und kann es in einer Demokratie sein, daß ein abgewählter Bundestag ein Sondervermögen – Schulden – in Höhe von 1 Billion Euro beschließt?
usw.
Es besteht noch Hoffnung, daß die Koalition der Wahlverlierer zerbricht, zusammen mit einer EU, die eigene Bürger in die Unfreiheit führen will.
Ich danke J.D. Vance und J.Milei.

Viva la libertad, carajo!

Delegro
3 Monate her
Antworten an  Alf

Und nicht zu vergessen, sollten wir auch bei Politiker die Haftungsfrage einführen. Es kann und darf nicht sein, dass diese Gestalten (Scheuer -Maut-, Habeck -Northvolt-, Spahn -Masendeals-, von der Leyen -Beraterverträge- etc.pp) Milliarden an Steuergeldern auf nimmer wiedersehen versenken und dafür null zu Rechenschaft gezogen werden können. Grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz würde erst schon mal reichen. Da wären viele dieser Gestalten pleite und dürften ihr Leben lang zurückzahlen.

Michael W.
3 Monate her
Antworten an  Alf

Norbert Blüm war als Arbeitsminister geeignet. Er wusste nicht nur, was „arbeiten“ ist, er hat auch lange selbst gearbeitet. Er hat Werkzeugmacher gelernt und arbeitete einige Jahre lang bei Opel am Fließband. Dann war er mal in der Türkei und hat dort als Schmied gearbeitet. Inkl. Ausbildung waren es wohl an die 8 Jahre.
Erst danach machte er Abi und studierte.

Don Didi
3 Monate her
Antworten an  Ohanse

Das hängt davon ab, welche Aufgabenstellung man zu Grunde legt.
Als Minister und Entscheidungsträger für den jeweiligen Fachbereich ganz sicher nicht.
Als leicht führbarer Erfüllungsgehilfe für die, die tatsächlich die Entscheidungen treffen, war das Personal hervorragend geeignet, unwissend, leicht zu führen, abhängig, telegen (manche).
Unter diesen Umständen muß ich den Ampelmitgliedern hervorragende Eignung für den auszufüllenden Job bescheinigen.

libelle
3 Monate her

Wenn das Gutachten für eine Anklage nicht brauchbar ist, so stellt es doch aber die Erkenntnis einer vorsätzlicher Falschanzeige durch politische Instrumentalisierung von Verfassung und VS dar. Wenn für die Klage gegen die AfD nur ein Angriff auf die Menschenwürde übrig bliebe, dann haben die offen antidemokratischen Instrumentalisierer ganz schlechte Karten, denn Kants Formulierung ist unzweideutig und lautet: Die Menschenwürde IST UNANTASTBAR. Was ist an „IST Unantastbar“ nicht zu verstehen? Damit ist unausweichlich jede Anklage auf der Grundlage einer behaupteten Verletzung der Menschenwürde von vornherein zum Scheitern verurteilt. Niemand und Nichts – so hat es Kant unwiderleglich für alle Zeiten… Mehr

Sani58
3 Monate her

… braucht gar nicht verboten werden. Es werden einfach die Kandidaten geschasst. Geht ganz einfach und schnell.
Lässt sich auf alle Ebenen übertragen und wird immer bei unserer parteiischen Judikative Erfolg haben.
Das war’s wohl mit der AfD.

AlNamrood
3 Monate her

Es war ein Testballon. Der nächste Versuch kommt sicher.

Waehler 21
3 Monate her

Frau Faeser. Diese Frau wollte auch alle abschieben die den gleichen Nachnamen haben.
„ Innenministerium will Angehörige von Clans kollektiv abschieben“ Sippenhaft!
Beweislastumkehr. Despotie!
Kündigung eines Präsidenten einer Behörde, weil er einem Herrn Böhmermann aufgefallen ist.

Was soll an diesem Gutachten rechtlich in Ordnung sein?

Last edited 3 Monate her by Waehler 21
Klaus Uhltzscht
3 Monate her

Wir brauchen den Juristen Peter Müller nicht. Er windet sich herum, die AfD darf vielleicht doch sagen „die Massenmigration ist die Mutter aller Krisen“, weil Seehofer das auch gesagt hat. FALSCH! Lassen Sie sich nicht verwirren! Er impliziert damit, daß daran etwas Böses sein könnte, und ausnahmsweise, weil Seehofer das nun mal auch gesagt hat, dürfe es die AfD auch. Doch man darf das sagen. Ob das inhaltlich stimmt oder nicht. Nur eine kommunistische Diktatur mit Unterdrückung der Opposition könnte dies verbieten. Es läßt sich auch kein Bezug zur Nazizeit konstruieren, denn es gibt keine überlieferten Wortbeiträge oder Gesänge von… Mehr

Angela Honecker
3 Monate her

Von Joachim Wagner sollte man unbedingt auch dessen Buch „Richter ohne Gesetz“ (über die islamische Paralleljustiz in Deutschland), das schon aus dem Jahre 2012 stammt, lesen.Das liest sich wie ein einziges Zitat von AfD-Mitgliedern aus Fähsers sogenanntem „Bericht“.

Last edited 3 Monate her by Angela Honecker
AlexR
3 Monate her

Es ist immer noch nicht nachvollziehbar, warum bei Fässer keine Klagen erhoben werden. Die Begründung „Immunität“ ist nahezu lächerlich. Den hier wurde eindeutig gegen die Interessen Deutschlands gearbeitet. Wenn der Amtseid eines Ministers oder Bundeskanzlers, wie Herr Thierse mal erklärte, ein reiner Formalismus ohne jegliche Konsequenz ist, dann ist er überflüssig. Denn eigentlich müsste die ganze Ampelregierung zur Rechenschaft gezogen werden. Wie auch eine Merkel!

Will Hunting
3 Monate her

Faeser haut Björn im Sandkasten mit der Schüppe auf den Kopf. Dann sagt sie, der Björn muss weg, der war meiner Schüppe im Weg. Herrlich.

HGV
3 Monate her

Dieser Vorstoß war eine gezielte Attacke auf jedwede Regierung, die der Ampel hätte folgen können. Das Gutachten ist heute, wie man in Ludwigshafen erkennen kann, Referenzpunkt für Gerichte, AfD Kandidaten zu verhindern.

Britsch
3 Monate her

Es ist dioch heutzutage egal was ein Jurist meint,
wenn man nur die richtigen >Richter hat, die sich nicht an offiziell geltende Gesetze halten.
Deshalb ja auch der Versuch unbedingt gewisse Personen in das immer noch so genannte Bundesverfassungsgericht zu bekommen.
Unrechtsstaat bereits allerorten