Vom richtigen und falschen Gebrauch von Religion, Spreu & Weizen

Das Wichtige vom Regionalen trennen: so lautet bekanntlich der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ob manche das verwechseln mit das Wichtige von Religion zu trennen?

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Kreativität in der Presse bedeutet nach einem hetzerischen Ausspruch von Adlai E. Stevenson II, die Spreu vom Weizen zu trennen, und dann die Spreu zu drucken. Aber auch bei der Spreu kommt es noch einmal auf das Wording und die richtige Drehung an. Eine Herausforderung in den Medien lautet bekanntlich, Hans-Georg Maaßen irgendwie in einen Rahmen – englisch: frame – zu bringen. Dieser Aufgabe entledigte sich die „Stuttgarter Zeitung“ mit der ihr eigenen Eleganz: „Maaßen fängt bei AfD-Kanzlei an“, überschrieb sie einen Beitrag, der berichtet, dass Maaßen jetzt in der Kanzlei des Kölner Medienanwalts Ralf Höcker arbeitet.

Bei Höckers Kanzlei handelt es sich natürlich nicht um eine Kanzlei, die irgendwie mit der AfD zusammenhängt, weder direkt noch indirekt. Richtig ist, dass Höcker Heidi Klum, Prinz Alexander von Schaumburg-Lippe (gegen den Rapper Kollegah), eine ganze Reihe nichtprominenter und unpolitischer Klienten und eben auch AfD-Politiker vertritt. Wer auf den Artikel von der AfD-Kanzlei klickte, dem öffnete sich ein Artikel mit einer neuen Überschrift: „Maaßen fängt bei Medien-Kanzlei an“. Später änderte die Zeitung auch die Headline in der Vorschau.

Für eine hilfreiche Assoziation reichte die Übung allemal.

Das Wichtige vom Regionalen trennen: so lautet bekanntlich der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die tagesschau informierte mit einer sogenannten Social-Media-Kachel darüber, dass ein Mitarbeiter aus dem Hauptprogramm des ZDF jetzt Mitglied einer Kleinpartei im Kreisverband Köthen (Sachsen-Anhalt) ist.

Warum auch nicht? Dass ein bärtiger Antikomiker SPD-Vorsitzender war, ist schließlich auch schon eine Weile her.

Bei der Berichterstattung über das tödliche Attentat eines bei der Pariser Polizei beschäftigten Islamisten auf fünf seiner Kollegen kam die Berichterstattung eher langsam in Gang, vor allem, was den schnell aufgeflogenen Versuch des Innenministers Christophe Castaner angeht, der behauptet hatte, der Täter sei im Vorfeld völlig unauffällig gewesen.

Noch Ende der Woche sprach tagesschau.de auf ihrer Website von einem „mutmaßlichen Terroranschlag“. Vorsicht ist hier die erste Journalistenpflicht. Und erklären die zweite.

„Islamisten sind keine Muslime“, berichtet MDR aktuell. Denn: „Islamisten nutzen den Islam nicht aus religiösen Gründen.“

Eine Religion aus religiösen Gründen nutzen – wer immer den Mitteldeutschen Rundfunk zur Informationsgewinnung nutzt, bekommt solche Perlen gratis nachgeworfen. Bleibt die Frage, welcher Religion Gott ist groß-Rufer mit Keramikmesser nun angehören. Quäker oder Hussiten werden es wohl nicht sein. Bisher ist auch niemand auf die Idee gekommen zu erklären, IRA-Mitglieder wären keine richtigen Katholiken, gewalttätige Sikhs keine Sikhs, und Kreuzfahrer hätten nicht mit dem Christentum zu tun gehabt. Eine gewisse Exklusivität wohnt der Erklärung der Sendeanstalt also inne.

Aus welchen Zwecken und Gründen Jan Böhmermann die SPD nutzt, und ob die überhaupt noch zu etwas zu gebrauchen ist, das wollen wir wirklich nicht wissen. Also gibt es demnächst zu diesem Thema garantiert das nächste Dutzend ARD-Kacheln.

In Berlin versuchte kurz nach dem Anschlag in Berlin ein aus Syrien stammender Mann, mit mehreren Messern bewaffnet und unter Allahu-Akbar-Rufen in die Synagoge an der Oranienburger Straße einzudringen. Sicherheitskräfte konnten ihn mit Tränengas stoppen. Der Vorfall stand hier und da in Zeitungen,

schaffte es aber nicht über die Relevanzschwelle von Tagesschau und heute-Nachrichten.

Was möglicherweise auch daran liegt, dass er nach kurzer Aufnahme seiner Personalien wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Berlin liegt kein Haftgrund vor. Er sei, so die Behörde, ein noch völlig unbeschriebenes Blatt.

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