Belästigungsvorwürfe sollten Stefan Gelbhaars Karriere bei den Grünen vernichten. An vorderster Stelle: der RBB. Der muss nun zugeben, dass die Hauptzeugin frei erfunden war – womöglich von einer grünen Bezirkspolitikerin. Hat sich der RBB in eine parteiinterne Diffamierungskampagne einspannen lassen?

Der Schlagzeilengott ist dieser Tage gnädig. Ein doppelter Gau, einen Monat vor der Bundestagswahl: für die Grünen und für die öffentlich-rechtlichen Medien. Und dann auch noch: mitten in Berlin.
Vor wenigen Wochen berichteten mehrere Medien mit Berufung auf den RBB über eine Belästigungsaffäre um den grünen Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar. Gelbhaar ist eines der bekanntesten Gesichter der grünen Verkehrspolitik. Gelbhaar fiel nicht nur wegen seiner autofeindlichen Vorstöße auf. Er forderte im März 2024 regelmäßige Fahrtests für Senioren. Der Grüne ist Mitglied im DB-Aufsichtsrat.
Gleich mehrere Frauen sollen von Gelbhaar belästigt worden sein. An die grüne Ombudsstelle habe es gleich mehrere Hinweise gegeben. Ein Opfer namens Anne K. steht im Mittelpunkt, sie gilt als Hauptzeugin. Trotz der vielen Vorwürfe gegen Gelbhaar gab es jedoch nie eine Anzeige bei der Polizei.
Gelbhaar wehrte sich: Es handele sich um Falschbehauptungen. Politisch brach ihm die Berichterstattung jedoch das Genick. Seine Kandidatur für ein Direktmandat verlor der Bundestagsabgeordnete gegen Julia Schneider. In ihrer Bewerbungsrede spielte sie auf die Vorwürfe gegen Gelbhaar an.
Zweifel an der Darstellung wuchsen, als der Tagesspiegel am Mittwoch von den Unterlagen erfuhr, die im Verfahren Gelbhaars gegen den RBB ins Spiel gebracht wurden. Eine „Anne K.“ existierte nicht, jedenfalls nicht unter der angegebenen Adresse, die sie dem RBB mitgeteilt hatte.
Ab dem Moment drehte sich der Spieß um. Gelbhaar war nun kein Belästiger mehr, sondern offenbar das Opfer einer Diffamierungskampagne. Der RBB hatte die Identitäten der angeblichen Opfer, an vorderster Stelle Anne K., nicht hinreichend untersucht. Der öffentlich-rechtliche Sender räumte bald ein: Anne K. existierte womöglich gar nicht. Dann ein Schritt weiter: Eine grüne Bezirkspolitikerin habe sich als „Anne K.“ ausgegeben.
Nun ist es nicht mehr Gelbhaar, sondern der RBB, der sich verteidigen muss. Der Sender hat sämtliche Beiträge zu dem Thema entfernt. Der „wesentliche Vorwurf“ gegen Gelbhaar sei nun wohl „nichtig“, andere Vorwürfe hätten eine deutlich „geringere Fallhöhe“. Das alles kommt anderthalb Wochen heraus, nachdem Gelbhaar demontiert, sein Mandat anderweitig vergeben wurde. Ein medialer wie politischer Skandal.
Der RBB erklärt sich in einer Sendung, indem ein RBB-Moderator einen RBB-Landesreporter befragt: „Haben wir da was falsch gemacht?“ Es folgt ein langer Eiertanz der Rechtfertigungen, der auf die Antwort hinausläuft: Nein. Ausschlaggebend waren die eidesstattlichen Versicherungen, bei denen die RBB-Journalisten davon ausgingen, dass sie die Aussagen wasserdicht machten. Das sagt allerdings nicht nur etwas über den RBB aus. Sondern auch über die harten Bandagen, mit denen von grüner Seite aus gekämpft wird. Auch auf linker Seite gilt das Bonmot des CDU-Kanzlers Konrad Adenauer: Feind, Erzfeind, Parteifreund.
Man kann konstatieren: Der RBB hat sich als Plattform für eine parteiinterne grüne Schmutzkampagne missbrauchen lassen. So ganz hat er jedoch sein Stockholm-Syndrom nicht überwunden, indem er die eigene Nabelschau vor die Wahrheit setzt, dass innerhalb des grünen Apparats eine gefährliche Portion strafrechtlich relevanter Rücksichtslosigkeit steckt. Der RBB hat mittlerweile die Frau, die Anne K. erfunden hat, wegen Betrugsverdacht angezeigt. Die Berichterstattung fasst die Grünen jedoch weiterhin mit Samthandschuhen an.
Der RBB-Gelbhaar-Komplex ist daher eine Gratwanderung. Den Schwerpunkt kann man unterschiedlich gewichten: Handelt es sich hier um Medienversagen? Oder steht der grüne Machtkampf im Vordergrund? Beide Fragen sind wichtig. Dass die öffentlich-rechtlichen Medien seit Jahren nicht die Ansprüche erfüllen, die sie als „Qualitätsmedien“ verlangen, und dass sie ihre „Fakten“ eben nicht „checken“, während sie sich andernorts mit Realitätsbestimmungsprogrammen dazu aufschwingen, über andere Meinungen zu urteilen, ist mittlerweile eine überstrapazierte Binsenweisheit.
Der tausendste Aufguss prinzipieller Medienschelte sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, was diesen Fall eigentlich interessant macht. Die Grünen werden im grünenkritischen Lager als monolithischer Block wahrgenommen. Das stimmt nicht. Auch dort gibt es Untergruppen, wenn auch die traditionellen Verortungen wie „Fundis“ und „Realos“ heute keine Bedeutung mehr haben. Wie in jeder Partei gibt es nicht nur ideologische Orientierungspunkte, sondern auch personelle. Und der Messiaskult um Robert Habeck ist allein deswegen schon einigen Parteifreunden nicht geheuer, weil er die eigene Karriere behindert.
Die Verhandlungen zur Ampelkoalition im Herbst 2021 kennt einen großen Verlierer. Er heißt Anton Hofreiter. Erstens, weil Hofreiters Lieblingsprojekt, nämlich das Tempolimit, nicht durchkam – übrigens eine Forderung, die bei den Jamaika-Verhandlungen 2017 entscheidend für ihr Scheitern war. Zweitens, und viel wichtiger: Hofreiter bekam nicht das ersehnte Verkehrsministerium. Die Quotenregelung tat ihr Übriges, sodass der grüne Mann leer ausging.
Hofreiter gilt parteiintern als Frontmann der Linken. Habeck hat ihn und diejenigen, die man früher als „Fundis“ bezeichnete, gedemütigt. Es mag aus konservativer Perspektive grotesk erscheinen, wenn sich die linke grüne Jugend abspaltet, weil die Grünen „zu rechts“ geworden seien, parteiintern drückt es jedoch eine anhaltende Spaltung aus, die sich immer weiter vertieft. Dass Habeck nach außen den Mittler spielt, sich intern aber zur absoluten Führungsfigur stilisiert, ist auch ein Versuch, die internen Rivalen zu entmachten.
Hier kommt Stefan Gelbhaar ins Spiel. Die Verkehrsrundschau schreibt im Januar 2022: „Wären Hofreiter oder Özdemir Verkehrsminister geworden, wäre Stefan Gelbhaar heute Staatssekretär.“ Mit diesem Vorspann beginnt ein Interview mit Gelbhaar, was unterstreicht, dass der Bundestagsabgeordnete genau dieser Ansicht war. Gelbhaar stand als Aushängeschild der Berliner Grünen und ihrer rigiden Verkehrspolitik in den Startlöchern für etwas Größeres. Das trifft 2021 wie 2025 zu. Die Belästigungsgeschichte spielte sich in Berlin mit Berliner Akteuren ab; Gelbhaars Ambitionen und Vernetzungen gehen jedoch weit über einen Bezirk hinaus.
Ohne Bundestagsmandat sind die Aussichten für Gelbhaar noch magerer, in eine aussichtsreiche Position zu kommen. Der Aufbau einer parteiinternen Anti-Habeck-Allianz ist schwieriger geworden. Die Diffamierungskampagne hat dabei noch einen weiteren, prominenten Nutznießer. Gelbhaar verzichtete auf eine Kampfkandidatur um Listenplatz 2. Dort steht jetzt Andreas Audretsch. Er ist Habecks Wahlkampfmanager.
Die Gelbhaar-Geschichte handelt deswegen nicht nur von Medienversagen und der immerwährenden Möglichkeit, gefährliche Rivalen mit Belästigungsvorwürfen kaltzustellen. Sie ist auch ein Fragment in der Genese des neuen Bündnis Robert Habeck. Ob direkt oder indirekt, bleibt Spekulation. Für manche Rückschlüsse braucht man mehr als anonyme Stichwortgeber per Telefon.
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Was hier fehlt: mit sexuellen Vorwürfen wird heute systematisch Politik gemacht – das ist keine private Abgelegenheit.
Der ÖRR wirft also mit Dreck. Die Grünen intrigieren und denunzieren. Die DB stellt einen Fanatiker und Anti-Auto-Extremisten als Vorstand ein (ich weiß von der politischen Vetternwirtschaft bei der DB). Das alles ist doch die Muttermilch, das Mana, mit dem Gelbhaar großgezogen wurde. Es hat ihn auch niemand gezwungen bei den Grünen Mitglied zu werden und Parteikarriere zu machen. Als Kommunist hätte er auch wissen müssen, das die Revolution irgend wann auch ihre Kinder frisst.
…Als Kommunist hätte er auch wissen müssen…
Dann gehen Sie davon aus, dass Kommunisten etwas wissen?
Ich glaube, dass das für solche Personen zu viel der Ehre wäre 😉
„Folge der Spur des Geldes“ stimmt fast immer, wenn man derartige Vorfälle besichtigt. „Folge der Spur der zu verteilenden Posten“ genau so. Also Macht, Einfluss und damit wieder auch, siehe oben.
Der örr muss dies und muss das, alles Quatsch. Derr örr muss nur das was die Bevölkerung Ihm noch zugesteht. Solange das Volk nicht Willens ist Ihm den Geldhahn abzudrehen, muss er gar nichts und alles wird, bis vielleicht auf ein paar kosmetische Veränderungen, bleiben wie es ist. Also ohne einen brachiale Eingriff des Souveräns wird sic h nichts verändern, wie in vielen anderen Dingen auch nicht.
Ein Grüner mehr, dem politischer Einfluss entzogen ist, mir soll‘s recht sein.
Bundestagsabgeordneter und zusätzlich Mitglied im Aufsichtsrat der Bahn, ist nicht nur ein Interessenkonflikt, sondern auch ein Höchstmaß an Korruption. Bei so einem Doppelverdiener möchte man doch mal die Steuererklärung sehen und etwas mehr über die Wochenarbeitszeit erfahren.
Die GrünLinken (dazu zählen natürlich auch CDU und CSU) Parteiführer arbeiten erfolgreich mit dem ÖRR zusammen. Hat man schon bei Correctiv gesehen.
Grüne lügen, um sich politisch durchzusetzen. Sie begehen Straftaten, um politische Konkurrenten zu schädigen. Der Zwangsfunk ergreift Partei, was er als Haltung bezeichnet, und hinterfragt keine Behauptung, die von Linken aufgestellt werden, wenn sie in den linken Kosmos passen: Der sexistische alte weiße Mann kann dann auch ein Grüner sein, denn es zeigt ja nur, wie rein und unschuldig die Sekte grundsätzlich ist. Alles bewegt sich in den bekannten falschen Bahnen eines dysfunktionalen und sogar gesellschaftsschädigenden Systems. Die Auseinandersetzung in der Sekte um den Platz am Futtertrog ist politisch für andere unerheblich. Es ist die Art der Auseinandersetzung, die Kampfmittel… Mehr
Allein die Schlagzeile und der Skandal zählen. Dazu kommen Personen, denen man eine Therpie empfehlen würde. Das psychische Elend in der Politik ist kaum noch erträglich und verantwortbar.
Na und? Vielleicht war dieses Mal an den Vorwürfen nichts dran, aber das heißt noch lange nicht, dass der Kerl nicht irgendwann in der Vergangenheit einen lüsternen Blick auf eine Frau geworfen hat. Und wenn nicht, dann könnte er es ja irgendwann in der Zukunft tun. Unschuldig ist er also nicht, schließlich ist er ein Mann. Außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass er eines Tages eine Frau schlagen könnte, denn noch hat er sich die Hände nicht weggeböllert. Er ist also auf jeden Fall gefährlich und ein potentieller Vergewaltiger und Frauenschläger. Abgesehen davon finde ich es immer gut, wenn ein Grüner/Linker… Mehr
Wie wahr wie wahr. Im Übrigen ist das in allen Parteien das gleiche Elend, hier ist mal was rausgekommen. Im Kern müsste man das System der Parteindemokratie hinterfragen, es hat sich einfach überlebt.
Das ist erst der Anfang. Dank der von allen Altparteien forcierten „Meldestellen“ wird es in Zukunft immer mehr Denunzierungen und Diffamierungsgeschichten geben.
Hätte der (grüne) „Tagesspiegel“ nicht nachrecheriert…..Und die Masse an Meldungen bei der Ombudsstelle der Grünen stammen von dieser nicht-existenten Anne K. Nur mal am Rande: Schon wieder eine Frau. Man lese mal diesen Fall des Horst Arnold durch!