Bei Lanz: Die Geschichte mit der Mailbox

Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter und der Grünen-Vorsitzende Felix Banaszak kommen sich näher. Der eine ist für die Wehrpflicht und die Atombombe, der andere genießt ein letztes Mal die Macht über die Union.

Screenprint: ZDF / Markus Lanz

Markus Lanz begrüßt um Mitternacht ein frisch verliebtes Pärchen, so scheint es: den CDU-Politiker Roderich Kiesewetter und den Grünen-Vorsitzenden Felix Banaszak. Gleich zu Beginn schwärmt Banaszak von Kiesewetter: „Es ist gut, dass es Menschen wie Roderich Kiesewetter in der CDU gibt.“ Der Matchmaker Markus Lanz stimmt freudig zu: „Sag’ ich doch, ich spür’ da was zwischen Ihnen beiden.“ Und tatsächlich werden im Laufe des Gesprächs die gemeinsamen Interessen immer deutlicher. Da wäre schon der glückliche Zufall, dass Kiesewetter die Wirtschaftspolitik der Grünen beschönigt und Banaszak damit weitere Munition gegen den „Etikettenschwindel“ der Union sammelt.

So harmonisch wie zwischen diesen beiden Vertretern von CDU und Grünen ist es aber in der Realität nicht. Möchtegern-Kanzler „whatever it takes“ bangt nämlich um die Gunst der im Wahlkampf so verhassten Grünen. Markus Söder hatte erst vor zwei Tagen in der ARD-Sendung von Caren Miosga zugegeben, dass es „für beide Seiten besser ist“, wenn Merz die Verhandlungen mit den Grünen ohne ihn führe. Die CSU hat sich ihre Wünsche in den Koalitionsverhandlungen schon erfüllen lassen und ist so schnell wie möglich nach München zurückgekehrt.

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Als die Journalistin Kerstin Münstermann erwähnt, dass Merz nun allein bei den Grünen um Geld betteln müsse, lächelt Banaszak so süffisant, dass Lanz sogar seinen Kameramann auffordert, sein Gesicht „in Großaufnahme einzufangen“. Trotz des ersichtlichen Genusses, noch ein wenig Macht in den Fingern zu halten, sollte den Grünen nicht zum Lachen sein. Hat die Union ihnen doch innerhalb weniger Tage den ersten Platz für desaströse Politik gestohlen.

Tiefe Einblicke von Kiesewetter zeigen, wie es dazu kommen konnte. Vor den Wahlen sprach Merz noch davon, „grundsätzlich“ der Meinung zu sein, an der Schuldenbremse nicht zu rütteln. „Das kleine Wörtchen grundsätzlich.“ Kiesewetter lacht und gibt zu, dass dieses Wörtchen „Flexibilität“ bietet. Und auch er zieht wieder das Argument „die Lage hat sich dramatisch geändert“ aus dem Ärmel. „Ja, nicht wirklich“, sagt Lanz dazu nur und erinnert Kiesewetter an seine Aussage im April 2024. Kiesewetter appellierte damals, die Schuldenbremse auszusetzen, denn der Ukraine-Krieg ließe sich nur „mit Schulden gewinnen“. Merz hätte dies als „isolierte Einzelmeinung“ abgestempelt, was Lanz ganz fassungslos macht. Kiesewetter gibt sich gelassen und freut sich nur über die Zeit mit seinen Enkeln – Enkel, die vielleicht für die Politik ihres Opas bezahlen dürfen.

Lanz stellt ihm also die „Jokerfrage“: „Warum hat man es nicht gesagt?“ Die magere Erklärung für den Wahlbetrug: „Aus einerseits Sorge in den Wahlen im Osten. […] Und man hat gedacht, dass wir als Hüter der Schuldenbremse nicht den Eindruck vermitteln wollen, mehr Geld in die Hand zu nehmen.“ Aber es kommt noch dicker. Der Stern berichtet, dass bereits im letzten Herbst „in der Union offenbar in sehr kleinen Arbeitsgruppen und in kleinen Kreisen genau darüber geredet“ wurde. Lanz ist entrüstet und erinnert daran, wie viel Kritik Habeck bekommen hatte und „jetzt machen wir Habeck-Politik“. Wahrscheinlich hätte sich nicht einmal Habeck getraut, so viel Habeck-Politik zu machen.

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Kiesewetter versteckt seine Kritik an Merz kein bisschen – im Gegenteil. Er lobt die Grünen für ihre Bemühungen, in die Bundeswehr zu investieren, auch wenn sich zu dem damaligen Zeitpunkt Merz noch standhaft gegen eine Reform der Schuldenbremse ausgab. Außerdem fordert er die Union auf, „netter zu den Grünen zu sein“. Der geschmeichelte Banaszak hebt nach dem Lob etwas ab und prahlt: „Aber natürlich, dass wir gerade die sowohl haushaltspolitisch vernünftigeren sind als auch in vieler anderer Sicht, glaube ich, das ist offensichtlich.“ Und auch wenn es keiner erwartet hätte – da hat er tatsächlich recht.

Banaszak teilt weiter gegen die CDU aus: „Und ehrlicherweise, das ist doch Mathematik. Da hätte man doch drauf kommen können, dass man auch nach einer Bundestagswahl mindestens diese Grünen braucht.“ Sein gekränktes Ego wechselt zu triefender Arroganz: „Ich habe heute in der Zeitung irgendwo gelesen, vielleicht hätte er mal mit Angela Merkel sprechen müssen, die in der Lage war, die Dinge vom Ende her zu denken.“ Neben ihm zieht Münstermann die Augenbrauen zusammen und fängt Banaszak wieder ein: „Also bei aller Wertschätzung ihrer neuen staatspolitischen Verantwortung. Aber Sie sind Vertreter einer Partei, die es drei Jahre nicht geschafft hat, vom Ende mitzudenken in einer Regierung.“

Nach all den Kränkungen der Grünen sind diese nicht gewillt, dem Sondierungspapier zuzustimmen. Banaszak bestätigt das. Wegen des Druck von Union und SPD, dass die Grünen „wegen Putin doch am Ende ‚Ja‘ sagen“ müssten, halte er es für möglich, dass seine Partei dem Finanzpaket ein „Nein“ gibt. Kiesewetter ist dagegen immer noch optimistisch und setzt auf eine Einigung für den Klimaschutz. Vorausgesetzt, die Mailbox wird abgehört. Denn als Merz Britta Haßelmann, die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion erreichen wollte, wurde er an die Voicemail weitergeleitet.

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Haßelmann war im Wald unterwegs, „dort, wo man Grüne am Wochenende vermutet“, spottet Lanz. Nicht nur Lanz spottet über diese Geschichte. Haßelmann teilte ebenfalls äußerst spöttisch aus gegen den Versuch von Merz, das Wort Klima in die Grundgesetzänderung hineinzuschieben.

Der Abend verdeutlicht, dass die Grünen und die CDU gar nicht so weit voneinander entfernt liegen. Merz ist bereit, sich für die Kanzlerschaft zu versklaven, während die Grünen verzweifelt versuchen, sich aus ihrer Misere zu befreien. Inmitten dieses Spiels treffen sie sich auf dem politischen Schachbrett. Dabei scheinen sich Balanszak und Kiesewetter einig zu sein, dass in die Bundeswehr investiert werden muss. Kiesewetter ist für die Wiedereinführung der Wehrpflicht – auch für Frauen.

Ob junge Menschen wirklich wieder für eine Wehrpflicht offen sind, beantwortet Kiesewetter gelassen mit „Ja“. Die Euphorie über die Investition in die Bundeswehr geht noch weiter. Kiesewetter betont, dass Europa die Atombomben brauche, um die nukleare Erpressbarkeit zu verhindern. „Was kostet das?“, fragt Lanz. „Viel teurer wäre es, wenn wir russisch erpressbar wären oder wenn die Ukraine zerfällt. Das ist nicht bezahlbar. Da sind die 500 Milliarden Euro ein Nasenwässerle, wie man das im Schwäbischen sagt.“

So schnell verwandelt sich die CDU vom armen Bauern zur reichen Dame. Ohne Strategie ist Deutschland auf jeden Fall bald schachmatt.

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Kommentare ( 68 )

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68 Comments
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Manfred_Hbg
3 Tage her

Gleich zu Beginn schwärmt Banaszak von Kiesewetter: „Es ist gut, dass es Menschen wie Roderich Kiesewetter in der CDU gibt.“ Der Matchmaker Markus Lanz stimmt freudig zu: „Sag’ ich doch, ich spür’ da was zwischen Ihnen beiden.“

> Wozu mir nur noch einfällt: “ Gleich und Gleich gesellt sich“, „Jeder Deckel findet seinen Topf“ oder „Auch Dumm und Dumm findet sich“.

Man kann nur hoffen das Kiesewetter (CDU und Banaszak (Grüne) nie einen wirklich wichtigen Ministerposten bekommen werden….. .

Joerg Gerhard
3 Tage her

Ein Mensch, der Einkommensteuer zahlen muss, ist nicht frei.
Ein Mensch, der einer Wehrpflicht unterliegt, schon gar nicht.
Unsere Vorfahren haben deshalb beides die meiste Zeit nicht mit sich machen lassen (muessen).
Denkt mal drüber nach.

Alois Fischer
2 Tage her
Antworten an  Joerg Gerhard

Ein Mensch, der keine Einkommenssteuer zahlen will ist ein kläglicher Egoist.
Ein Mensch, der sich seiner Wehrpflicht entzieht ist ein plumper Schmarotzer.
Denkt jeden Tag darüber nach, was das bedeutet.

DDRforever
2 Tage her
Antworten an  Alois Fischer

Ich kämpfe, mit Sicherheit besser als Sie, für meine Familie und Freunde. Ihr Land ist mir egal!

Jenny
3 Tage her

Dass Merz so unreflektiert auf die Mailbox der Grünen redet, beweist auch seine mangelnde Impulskontrolle. Wie ein kleines Kind, das sofort seine Bedürfnisse befriedigt haben will. Oder ein Drogensüchtiger, der Entzugserscheinungen bekommt, wenn er nicht sofort an seinen Stoff kommt. Es hätte doch vollkommen ausgereicht, wenn er am Telefon um einen Termin gebeten hätte.
Undenkbar, dass wir mit diesem politischen Personal etwas gegen beharrliche Strategen wie Lawrow oder Putin ausrichten können. Die lachen sich doch schlapp!

Ulla K.
3 Tage her

Ich wünschte mir vom Roderich K., dass er bei seinem nächsten ÖRpayTV Auftritt zumindest den Knitterfreien (vulgo Stahlhelm) trägt. Kleider machen Leute, DAS zumindest wäre das angemessene Outfit für ALLE Bellizisten. Zu Felix K. fällt einem nix mehr ein. Grün ist Mimikry – um im Jargon zu bleiben.

Reimund Gretz
3 Tage her

Vorgetäuschte #Eilbedürftigkeit um Schulden zu machen für die #Bundeswehr, #Kriegstüchtigkeit und #Ukraine!
Die #USA mehr an #Frieden interessiert als #Europa.
Sollte man nicht wieder abrüsten, anstelle wettrüsten?

Aegnor
3 Tage her

Ich bin mal gespannt wie lange es dauert, bis die Vermögenssteuer kommt. Mit der Schuldenorgie ist die ja unausweichlich – entweder direkt oder nach Währungskollaps mittels „Lastenausgleich“. Und da wird weder Omas Häuschen noch die private Altersvorsorge verschont. Die Einzigen die verschont werden, sind die Beamten, deren Pensionsansprüche natürlich nicht als Vermögen gewertet werden. Und anders als 1948 wird es diesmal auch kein Wirtschaftswunder mehr geben, welches die Verluste für die Opfer ausgleicht.

Freiheit fuer Argumente
3 Tage her

Für den Juristen Friedrich Merz zum Prüfen:

§ 108a StGB, Wählertäuschung

(1) Wer durch Täuschung bewirkt, daß jemand bei der Stimmabgabe über den Inhalt seiner Erklärung irrt oder gegen seinen Willen nicht oder ungültig wählt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Last edited 3 Tage her by Freiheit fuer Argumente
Cimice
3 Tage her

Jetzt müssen Sie nur noch beweisen, dass Merz & Co in voller Absicht die Unwahrheit erzählt haben, dann können Sie ihn anzeigen.

Gegenwärtig behaupten er und seine CxU Genossen ja, die Dinge hätten sich mit Trump „plötzlich“ geändert, so dass er „leider“ gezwungen war, seine vor der Wahl getätigten Absichtserklärungen zu revidieren.

haqus b.
3 Tage her

Die Leute. die Kernkraftwerke abschalten und diese Technologie zur günstigen und sauberen Energiegewinnung als von Gestern verteufeln, wollen nun Atombomben. Kann man sich nicht ausdenken.

Kassandra
3 Tage her
Antworten an  haqus b.

Tja. Zumal sie die Forschung zu H2 lange eingestellt haben. Ich hoffe, dass das hier jedem bekannt ist und wir nun durch Habecksche Sanktionen gegen Russland und das Abschalten von Kraftwerken in beständiger Energiemangelsituation zu leben haben werden? Laut wiki unter Volker Wissing zu lesen: „Anfang 2024 stellte das Verkehrsministerium die Förderung von Wasserstoff-Projekten ein. Auslöser waren verschiedene Medienberichte, u. a. des Handelsblattes und des SPIEGEL, wonach der Leiter der Abteilung für Wasserstoff 1,5 Millionen Euro Fördergelder für Wasserstoffprojekte bewilligt hatte. Gleichzeitig war der Abteilungsleiter ein guter Freund von Werner Diwald vom Deutschen Wasserstoff-Verband; auch ein bayerischer Unternehmer und seine Gattin… Mehr

Hueckfried69
3 Tage her

Wer einen Eindruck von den „gemeinsamen Interessen“ grüner und schwarzer Promis bekommen möchte, sollte sich die Aktienkurse der Rheinischen „Metallbranche“ anschauen.

tiptoppinguin
3 Tage her

Wenn die vier Grundrechenarten für Herrn Banaszak bereits „Mathematik“ sind, dann sollte man ihm keine wichtige Funktion übertragen. Früher kolportierte man, daß Sozis nicht mit Geld umgehen können, heute muß man feststellen, daß die Grünen nicht mal dazu in der Lage sind.