Anne Will – Weltpolitik ohne Europa

Uiuiui, mächtig was schiefgelaufen beim Propaganda-Apparat. Alle gegen Lüders war wohl die Ansage. Zunächst lief alles prima, dann aus heiterem Himmel der Super-GAU - durch einen Biowaffen-Experten, der auch das Völkerrecht besser kennt als die Ministerin.

Screenshot: ARD/Anne Will

In einer seltsamen Übereinstimmung feiern Merkel, die Bild-Zeitung und Medien, die gestern noch schrieben „Trump muss weg“ – die früher mal vornehme Zeit brachte sogar für den Regime-Change in den USA, sagen wir mal, recht unorthodoxe Mittel ins Spiel – Trumps Raketen auf Syrien. Selbst die Mordbrenner vom IS bejubelten die Tomahawks.

Ausgerechnet bei Markus Lanz, dem Sonnyboy der Interviewkunst mit dem Tiefgang einer Gummiente, kam mit Michael Lüders ein Mann zu Wort, der die Lage in Syrien kenntnisreich darstellte, aber leider nicht im Einklang mit unserer Staatsdoktrin. Was war zu tun? Totschweigen? Zu spät, der Videomitschnitt war in der Welt, wurde zitiert, diskutiert, verunsicherte die eh schon ungläubige Gemeinde. Also noch einmal einladen – jetzt zu Anne Will – und gegen Lüders die Rechtgläubigen in Stellung bringen. Allen voran Ursula von der Leyen, die Meinungskanone der Regierung. Hat sie selber gemerkt, dass ihre argumentative Streitkraft kaum reichen dürfte? Hat sie deshalb den alten John Kornblum (auf Ministeriumskosten? Der Mann ist nicht billig!) mitgebracht?

Und zur doppelten Absicherung ist Michael Wolffsohn nicht schlecht. Aber seien wir ehrlich – selbst das wäre nichts geworden. Den Super-GAU allerdings bescherte unserer Leyen-Schar nicht einmal Michael Lüders, sondern ein gewisser Jan van Aken.

Luftangriff in Syrien
Wie sagte Joschka Fischer? „Excuse me, I am not convinced.“
 Was ist geschehen? „Trump bekämpft Assad – Droht jetzt ein globaler Konflikt?“ fragte Anne Will journalistisch in die Runde. Assad habe „nachweislich“ Giftgas eingesetzt, oder „mit hoher Wahrscheinlichkeit“, er sei ein Schlächter, da musste mit „robusten Mitteln“ ein Zeichen gesetzt werden, befand die für unsere Verteidigung zuständige Ministerin. Und für den endgültigen Frieden müssten „alle an einen Tisch“ – später sagte sie „alle, die kein Blut an den Händen haben“ (da wäre dann wohl kein Stuhl besetzt).

Der Biologe van Aken, der auch schon als Biowaffeninspekteur für die Vereinten Nationen unterwegs war, korrigierte die Ministerin, „wir wissen nicht, wer das Sarin-Gas eingesetzt hat“. Auf den dusseligen Einwand, Assad und Putin hätten versprochen, alle Chemiewaffen zu vernichten, erklärte van Aken van der Leyen ruhig und sachlich, bei dermaßen asymmetrischen Frontverläufen sei es mehr als wahrscheinlich, dass auch die anderen Kombattanten in den Besitz solcher Granaten gelangt seien.

Für den alten John waren die 50 Trump-Raketen zunächst ein „klärender Moment“ Richtung Russland. Jetzt wisse Putin, wo der Barthel den Most holt. Und Lawrow treffe sich Ostern mit Tillerson. Geht doch.

Völkerrechtlich sei die Sache mit den Tomahawks „nicht ganz koscher“, räumte Michael Wolffsohn zunächst ein, aber Russland war informiert, denn die „Hau-Drauf-Aktion“ sei für die russische Raketenabwehr eigentlich kein Problem gewesen. Es sei also abgesprochen gewesen. Der Historiker sieht die Aktion unter globalen Gesichtspunkten, Putin „mache das nicht zum Null-Tarif“. Er erwarte wohl Zugeständnisse bei der Krim und der Ukraine. Und weil die News dem chinesischen Staatschef Xi quasi zum Dessert in Florida gereicht wurde, wisse der auch, was die Uhr für seinen Verbündeten Nordkorea geschlagen habe.

Bilderwechsel
Schlag gegen Syrien: Trump besteht ersten außenpolitischen Test mit Bravour
Bevor Michael Lüders überhaupt etwas sagen konnte, stellte Anne Will erst mal klar, dass er „ein Geschäftsmann sei, der sein Wissen denen zur Verfügung stelle, die mit den Arabern ins Geschäft kommen wollen“, oder so ähnlich. Dann wurde eingeblendet, Lüders sei Vorsitzender der Deutsch-Arabischen Gesellschaft. Das verschlug Lüders zunächst die Sprache, so dass er weder antwortete, dass er bei der DAG Nachfolger des ehrenwerten Peter Scholl Latour ist, noch, dass auch Herr Kornblum „Berater“ ist, und nicht für Gotteslohn tätig. Eigentlich stellt sich nur die Frage, welche Interessen UvdL vertritt.

Aber die Show muss ja weitergehen. Lüders skizzierte die Interessenslagen in Syrien. Der Westen mit der Türkei und Saudi-Arabien gegen Russland, Iran und China, die Assad stützen. Trump habe „erst geschossen, dann gedacht“, was sei, wenn die Amerikaner versehentlich russische Flugzeuge abschießen? Kornblum erkannte bei Lüders sofort „Verschwörungstheorien“, gut, der Irak sei vielleicht ein Fehler gewesen, und vielleicht habe sich Obama 2013 „vernünftigerweise“ zurückgehalten. 2013: Schon einmal ein Giftgas-Einsatz mit hunderten Toten, bei dem Obama nichts unternommen hatte, weil sein Geheimdienst davon ausging, dass es nicht Assad war.

US-Militärschlag gegen Assad
Berlin zuletzt
Mit dem Ton einer Oberlehrerin im Mädcheninternat – oder für die Jüngeren: mit Qualität, Duktus und Intonation einer Katja Kipping oder Claudia Roth – ging von der Leyen dann auf Lüders los. Ihr „Kollege“ – damit meint sie General Mattis – habe ihr gesagt, dass er bewusst dafür gesorgt habe, dass keine Russen zu Schaden gekommen seien. Dann wiederholte sie noch mal alles Gesagte mit „Da bin ich bei Ihnen, Herr Kornblum“ und „Da bin ich bei Ihnen, Herr Wolffsohn“. Soviel kam raus: Neben einem Höflichkeitstelefonat vom General ist ihr Kenntnisstand wohl auch nur die jeweils letzte Schlagzeile der Bild-Zeitung. Nur der sinnlose Satz von „allen, die kein Blut an den Händen haben“ dürfte ihr allein eingefallen sein.

Während wir noch zwischen Fremdschämen und Aufschrei verharrten, kam die furiose Attacke von Jan van Aken:

„Ich bin schockiert von Ihren Aussagen, Frau von der Leyen! Warnschuss? Dann darf man auch mal eben bombardieren? Das ist ein klarer Völkerrechtsbruch! So funktioniert Völkerrecht nicht. Auch Ihre Erklärungen zum Sicherheitsrat sind bewusst falsch wiedergegeben. Alle am Tisch wissen, dass da von allen Beteiligten ein schmutziges Spiel gespielt wurde.“

Hier ist nicht der Platz, in die Details zu gehen (es sei ausdrücklich auf die Berichterstattung zum Thema hier bei Tichys Einblick verwiesen), aber es muss erwähnt werden, dass van Aken von der Partei Die Linke nicht den Assad- oder Putin-Versteher gab. Wohl deshalb kein Einspruch von Wolffsohn oder Kornblum – als Feindbild war ja auch Lüders markiert.

Der hoffte, dass die beiden Machos Donald und Wladimir vielleicht auf Augenhöhe einen Deal hinbekommen. Und Uschis sogenannte „gemäßigte Opposition“ vertrete „nichts und niemanden“. Die wollte aber nicht davon ablassen, „das syrische Volk“ entscheiden zu lassen. Herr hilf! Schließlich bewegte sich die Runde – außer der verwirrten Ursel – Richtung „vielleicht doch mit Assad?“. Allen war klar, dass, kämen die Sunniten ans Ruder, das Abschlachten erst recht Fahrt aufnähme.

Europa habe am Freitag „mit einer Stimme“ gesprochen. Und Europa wolle den Friedensprozess begleiten, oder so ähnlich. Hat wer gesagt? Richtig, die mit dem „syrischen Volk“. Den Herren am Tisch war eher klar, dass Europa „beiseite geschoben wird“ bei der Lösung des Syrien-Konflikts. Kann dann ja beim Aufräumen helfen.

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Kommentare ( 109 )

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jossi
6 Jahre her

Sie sollten vielleicht mal versuchen, aus weltanschaulichen Schützengräben und kindchenhaften Freund-Feind-Schemata herauszufinden und stattdessen dem Vortrag von Sachargumenten den Vorzug geben.

Dann könnten Sie vielleicht auch wieder Ihre Freude an ‚Ihrem Freund‘ Paetow wiederfinden.

Falk Kuebler
6 Jahre her
Antworten an  jossi

„Sie sollten vielleicht mal versuchen, aus weltanschaulichen Schützengräben und kindchenhaften Freund-Feind-Schemata herauszufinden“

Oh, sollte ich aus Versehen etwa Ihren Freund van Aken (mit „Dünnpfiff“ 🙂 angepinkelt haben? Dann bitte ich vielmals um Entschuldigung und werde nächstes Mal ganz bestimmt versuchen, „dem Vortrag von Sachargumenten den Vorzug zu geben“… 😉

jossi
6 Jahre her

„Sobald Assad weg ist werden die Militärcamps der USA an der Grenze zum Iran wie Pilze aus dem Boden schießen.“

Sie haben es vielleicht schon selber gesehen: Der Iran und Syrien haben keine gemeinsame Grenze.

jossi
6 Jahre her

Heute stand die AfD in einem sehr bürgerlichen Berliner Stadtviertel auf der Marktstraße und verteilte das Wahlprogramm nebst Schoko-Osterhasen.

Ich war positiv überrascht, wieviel bürgerliche Passanten sich ansprechen ließen und das Programm gerne an sich nahmen.

Andreas Schmidt
6 Jahre her

Wirklich eine köstliche Zusammenfassung der Sendung. Erschreckend auch hier, was für ein Bild die GroKo in der Aussenpolitik abgibt.

Kuno
6 Jahre her

Ich habe die Diskussion auch verfolgt. Die westliche Ideologie begrenzt sehr stark die Grenzen und Ausgangsbasis der Diskussion.
So z.B. wenn v. der Leyen behauptet gemeinsam mit Wolfssohn, Trump werde dem Putin ein Angebot machen, z.B. „die Krim und die Ostukraine ist Austausch gegen die Unterstützung Assads in Syrien“.
Wer so denkt, bewegt sich bereits deutlich außerhalb des Völkerrechts.
Putin, soviel kann ich jetzt schon orakeln, wird sich auf dieses Spiel nicht einlassen.

jossi
6 Jahre her
Antworten an  Kuno

Und vor allem läßt sich Russland mit nichts ködern, was es ohnehin schon hat.

Die Krim ist wieder Russland.

Und die Ukraine ist inzwischen nur hoch eine schwer lastende Hypothek, die dem Westen nun allen Ärger und Schwierigkeiten macht, auf die Russland gerne bereit ist zu verzichten.

Und wenn in der Ukraine eines Tages die Weltmachtspielchen des Westens ausgespielt sind, dann wird sie von ganz allein wieder den dort herrschenden kulturellen, wirtschaftlichen und geopolitischen Radialkräften gehorchen.

Eugen Karl
6 Jahre her

Na, die SPD-Garde Nahles, Schwesig, Özoguz wird man ja wohl schon noch dazuzählen dürfen, oder? – Ach, habe ich doch glatt Frau Chebli vergessen….

Hanna Jüngling
6 Jahre her
Antworten an  Eugen Karl

Großartig, machen wir doch diese Liste weiter, aber achten Sie sorgfältig drauf, dass Sie nicht aus Versehen einen der zahlreichen männlichen Dummköpfe mit draufsetzen – das kann im Genderzeitalter schon mal passieren. Um es kurz zu machen: lassen wir doch dieses alberne Frauenbashing, solange der meiste Machtmüll seit Jahrtausenden von Männern stammt. warum erwarten Sie von Frauen etwas, woran Männer in hoher Zahl noch viel grausamer scheitern? Das diskreditiert solche Foren wie „Tichys“ nämlich. Mit Recht wird der „Gegner“ sagen, dass hier eine unrühmliche Fraktion angeknackster Männer sich austobt. Sie schaden einer liberal-konservativen politischen Alternative mit diesen wirklich dummen Beiträgen,… Mehr

jossi
6 Jahre her
Antworten an  Hanna Jüngling

Bravo!

F. Hoffmann
6 Jahre her

Ach, der Herr van Aken. Als es um die Annexion der Krim durch Putin ging konzedierte er in einem Interview immerhin einen Bruch des Völkerrechts, empfahl dem Westen aber dies hinzunehmen und mit Putin zu kooperieren. Kleinigkeit halt so ne Annexion. Oder Fleisch vom Fleische der Herr? Bedingt objektiv? Nur mal so…

Luisa
6 Jahre her

Habe, wie nach Ihrer Lektüre versprochen, mit dieses Gruselkabinett angetan. Wenn van Aken, positiver Zeitgenosse,den ich nicht kannte und Lüders nicht sachbeuogene Fakten dargelegt hätten, wäre ich mir vorgekommen wie in einem Schlachthof. Der Schlächter, Schlächter, Schlächter, alle Blut an den Händen – na hätte mitzählen und auf alle Fälle Jugendverbot beantragen müssen. Insbesondere sind diese Emanzen für mich als Frau unerträglich. Sadistisch von Hass erfüllt! Und das am Palmsonntag, wo in Ägypten und Schweden Staatstrauer herrscht.
Das ausufernde Vokabular von Politikerinnen und zuchtmeisternden Moderatorinen sollte dringend reformiert werden.

Luisa
6 Jahre her

„Die Talk-Mischpoke“ von mal zu mal unerträglicher und penetrant inkompetent. Paßt gut zu Uschi und der „Zuchtmeisterin“. Fakten-Lüders und positiv informativ auch der Fachmann van Aken (kannte ich nicht). Insofern hat sich die Nachlese für mich gelohnt, wenn mir der Rest auch rasende Kopfschmerzen bereitete.

Luisa
6 Jahre her

Wenn ich als Frau etewas bemerken darf: Es gibt – naturbedingt – Männer und Frauenberufe. Wir Frauen möchten in der Mehrzahl einen Verteidigungsminister, und kein „zartes Pflänzchen mit großer Klappe“, aus der jedes Wort vor Inkompetenz geradezu strotzt.
Auch bevorzugen wir grundsätzlich Politiker, die uns beschützen und uns nicht irgendwelchen „Orientalen“ ausliefern. Schuster und Schusterinnen sollten bei ihren Leisten bleiben. Frauen sind durchaus in der Lage, nicht nur familiäre Aufgaben zu managen, sondern auch Verantwortung für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu übernehmen. Aber in der Politik wie auch in physischen Handwerksberufen sind Frauen mehrheitlich fehl am Platze.

Nicht-mehr-mein-Land
6 Jahre her
Antworten an  Luisa

„Wir Frauen möchten in der Mehrzahl einen Verteidigungsminister, und kein „zartes Pflänzchen mit großer Klappe“, aus der jedes Wort vor Inkompetenz geradezu strotzt. Auch bevorzugen wir grundsätzlich Politiker, die uns beschützen und uns nicht irgendwelchen „Orientalen“ ausliefern.“ Aus diesen Formulierungen schließe ich, dass Sie offenbar meinen, für alle Frauen zu sprechen. Anmaßender geht es nicht! Dazu kann ich nur sagen: So repräsentativ und wichtig sind Sie nicht. Diese Verallgemeinerungen gehen mir langsam wirklich auf den Zeiger. Es ist erschreckend, wie Menschen (und zwar unabhängig welchen Geschlechts!), die sich selbst anscheinend als sachlich, aufgeklärt und gebildet sehen, derart dümmlich und undifferenziert… Mehr