Sahra Wagenknecht: Die Unbekannte im Machtspiel

Was bekommen Wähler des Bündnis Sahra Wagenknecht nach der Wahl? Eine Alternative zur bisherigen grün-linken Politik oder eine Fortsetzung der Ampel unter anderem Namen? Olaf Scholz macht nun aufschlussreiche Aussagen.

IMAGO - Collage: TE

In entscheidenden Fragen hatten sich fünf der sechs im Bundestag vertretenen Parteien zuletzt immer stärker genähert: Egal, ob in der Pandemie, in der Energie- und Wirtschaftspolitik, in der Einwanderung oder in der Medienpolitik – in den Grundsätzen waren sich Linke, Grüne, SPD, FDP und CDU/CSU immer einig. Blöd nur, dass ein großer Teil der Wähler sich eben eine andere Politik wünscht.

Deswegen ist die Politlandschaft in Bewegung geraten. Neue Parteien wie die Werteunion oder das Bündnis Deutschland treten an. Die einstige Chefin der „Kommunistischen Plattform“ Sahra Wagenknecht hat die Linke verlassen und eine nach ihr benannte Partei gegründet. Im Bundestag bilden Linke und Bündnis Sahra Wagenknecht nun Gruppen, womit sie weniger Rechte haben und weniger Geld erhalten als Fraktionen. Als größte politische Gefahr hat Wagenknecht die Grünen benannt. Also die Partei, deren Ideologie CDU, FDP, SPD und Linke zuletzt immer stärker gefolgt sind.

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Olaf Scholz und Co. drücken sich vor klaren Aussagen
Demnach sollte Wagenknecht die größte Gegnerin einer solchen Politik sein. Mutmaßlich. Denn völlig offen ist noch, was Wagenknechts Wähler nach ihrer Stimmabgabe erhalten: eine Politik, die klar mit der bisherigen grünen Ideologie bricht – oder eine, die diese unter anderem Namen fortsetzt? Noch lässt das bisherige grüne Parteienkartell selbst offen, ob es das Bündnis Sahra Wagenknecht mit einer „Brandmauer“ bekämpfen will, so wie sie es mit AfD, Werteunion oder Bündnis Deutschland bereits tun. Oder ob sie mit der einstigen Chefin der Kommunistischen Plattform paktieren wollen.

Nun hat sich Olaf Scholz (SPD) dazu geäußert. Klarheit hat das nicht gebracht. Sonst wäre der Kanzler nicht der Kanzler. Sein Duktus soll zwar nach einem Staatsmann klingen, der sich prinzipientreu gibt – aber seine Worte lassen mehr Hintertürchen offen als die Verträge eines vorbestraften Gebrauchtwagenhändlers in Alabama.

Scholz sagte der Märkischen Allgemeinen Zeitung, dass er keinerlei Grundlage für eine Zusammenarbeit mit Wagenknecht sieht: „Nein, das übersteigt meine Phantasie.“ Das klingt so, als ob er eine Koalition mit der ehemaligen Chefin der Kommunistischen Plattform ablehnt. Es soll auch so klingen. Aber ob es das meint, ist so wenig geklärt wie die Rolle des Kanzlers im Cum-Ex-Skandal.

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Wenn das „Irrlicht“ Wagenknecht zur Machtstütze wird
Scholz erinnert an den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Kurt Beck. Der schloss zu seiner Zeit eine Koalition der SPD mit der Linken in westdeutschen Bundesländern aus. Vor der Wahl. Nach der Wahl bestärkte Beck in Hessen Andrea Ypsilanti, genau das doch zu versuchen. Als er sein Versprechen abgegeben habe, sagte Beck, habe er ja nicht gewusst, dass die SPD die Linke brauchen werde. Vor der Wahl: auf keinen Fall, Ehrenmann. Nach der Wahl: es sei denn, es passt, Gebrauchtwagenhändler.

Viel aussagekräftiger ist angesichts eines solchen Verhältnisses zum Ehrenwort der Satz, mit dem Scholz die Diskussion in der Märkischen Allgemeinen Zeitung abbindet: Wagenknechts Partei habe keine Vorschläge für eine bessere Zukunft. „Deshalb verbieten sich solche Gedankenspiele aus meiner Sicht.“ Da liegen die Zusatzkosten im Kleingedruckten versteckt. An dieser Stelle offenbart sich der Kanzler.

Es ist die Klarheit, die Olaf Scholz nicht will. Deswegen drückt er sich auch immer mit der Deutlichkeit des Orakels von Delphi aus. Wagenknechts Wähler wissen derzeit nicht, was sie nach der Wahl für ihre Stimme erhalten – und das soll auch so sein. „Gedankenspiele“, die Klarheit bringen könnten, stören da nur. Dann können die Kartellparteien nach der Wahl gegebenenfalls eine grüne Politik fortsetzen mit einer Partei, deren Vorsitzende und Namensgeberin diese Politik als die größte Gefahr für Deutschland gebrandmarkt hat.

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Kommentare ( 40 )

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Nibelung
28 Tage her

Was soll denn an ihr und den eigenen Vorstellungen unbekannt sein, wenn man ihre kommunistische Vita betrachtet, die sie zugegebener Weise eloquent an den Betrachter rüber bringt, aber auch nichts neues vorzuweisen hat. Sie gehört zur jüngeren Generation der Linken und hat eigene Vorstellungen, auch in Bezug auf den Zeitgeist, was aber nicht bedeuted, daß sie den kommunistischen Idealen abgeschworen hat und wenn sich die Chance ergibt in ein linkes Regierungs-Bündnis einzutreten, wird sie diese nutzen und somit den Schmerz der Rechten nur verlängern aber keinesfalls beseitigen. Solange es nicht von gemäßigter Seite der Mitte gelingt, die deutsche Einheitspartei entscheidend… Mehr

Riffelblech
28 Tage her

Die die gewählt werden haben nichts zu sagen und die die nicht gewählt sind machen die große Politik .
Siehe Bundestag / Bundesregierung ,siehe Eu Parlament usw.
Somit ist das derzeitige nicht ausschließlich auf die Person bezogene Wahlrecht und die freie Wahl der Koalitionen eine Farce !

Petra Horn
28 Tage her

Am Ende kommt es auch darauf an, welhe Vorstellungen bei den BSW Abgeordneten durchbrechen.entweder in der großen Mehrheit.
Daß neuen Parteien Abgeordnete abhanden kommen, wie auch bei der AfD, liegt in der Logik des Parteiensystems. Die Alt-Parteien haben diverse Strategien entwickelt ihre Abgeordneten brav und willig und bei der Stange zu halten.
Aber bei neuen Parteien kommen Befindlichkeiten viel stärker zum Tragen. Kaum einer vom BSW wird mit der AfD auf wollen oder können, und dann viele auch nicht mit der FDP oder der CDU.
Was bleibt dann noch?

Biskaborn
28 Tage her

Wagenknecht ist Kommunistin und bleibt es auch. Sie ist rhetorisch gut bewandert, kann daher ihre Ziele gut verklausulieren . Sicher, sie sagt einiges Richtiges, geht die Grünen hart an, aber was steckt wirklich dahinter? Meine Meinung, Sozialismus mit ein wenig Realismus verknüpft, aber grundsätzlich Sozialismus.

Freigeistiger
28 Tage her

Es wundert nicht, daß Scholz keine Grundlage für eine Zusammenarbeit mit dem BSW sieht, denn deren zentrale Forderung lautet, daß Vernunft in die Politik zurückkehren müsse und das geht für Scholz und seine Ampel schon mal gar nicht. Keine große Transformation im Interesse von WEF und Großkapital, kein US-Vasallentum, keine Militarisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, Deeskalation und Verhandlungen statt Aufrüstung und Konfrontation im Ukrainekrieg, keine us-diktierten, selbstzerstörerischen Sanktionen gegen Russland, Senkung der Inflation, eine begrenzte und gesteuerte Migration, soziale Marktwirtschaft mit Stärkung des Mittelstands statt Pampern von (internationalen) Großkonzernen, adäquate Renten, keine Bevormundung und Erziehung der Bürger, keine Cancal Culture,… Mehr

Proffi
28 Tage her
Antworten an  Freigeistiger

Dem Freigeist ist bei seiner Aufzählung anscheinend das größte Übel entgangen. Das Zertifikat ausgemachter Dummheit, das man allen Parteien außer einer zubilligen muß, nämlich die irrwitzige Vorstellung, daß der Mensch das Wetter auf der Welt beeinflussen kann und muß. Frau Wagenknecht ist mt eine Diplomphysiker verheiratet, der ihr sagen könnte, in welchem Lehrbuch der Physik der nicht existente Treibhauseffekt abgehandelt wird. Anscheinend ist dies nicht erfolgt, so daß die neue Partei keine Alternative zum geistig umnachteten Mainstream ist.

Wilhelm Roepke
28 Tage her

Wagenknecht wird genau null Probleme haben, mit den vielen Sozialisten in SPD, Grüner Partei, Linkspartei und Union zu kooperieren. Kunststück, sie ist ja selbst Sozialistin. Sie hat lediglich von CDU-Leuten wie Merkel und Wegner gelernt: rechts blinken, links abbiegen. Daher wird sie auch nicht mit der AFD koalieren.

Laurenz
28 Tage her

Zitat: „Blöd nur, dass ein großer Teil der Wähler sich eben eine andere Politik wünscht.“
Wenn dem so ist, warum wählen diese Wähler nicht entsprechend?

schwarzseher
28 Tage her

Auch wenn Frau Wagenknecht jetzt den Eindruck erwecken will, alles besser machen zu wollen, halte ich dies für Augenwischerei. Erfstens wird ihr Stimmenanteil und damit ihr Einfluß in einer rot-rot-rot-grünen Regierung sehr gering sein. Und zweitens wird eine eitle Selbstdarstellerin, die ihre Partei nach ihrem eigenem Namen nennt, ebenso mitlaufen wie zum Beispiel der ebenso eitle Herr Lindner ( um nur einen besonders unsympatischen zu nennen ), nur um einmal als Minister seine Eitelkeit zu befriedigen. Das wissen auch die linken Medien und sind deshalb voll des Lobes für Frau Wagenknecht.

Aegnor
28 Tage her

An den Früchten sollt ihr es erkennen. Wenn das BSW die grüne Politik wirklich ablehnt – also kein U-Boot der Altparteien ist – muss es eine „Brandmauer“ seitens derselben geben. Das bedingt die Logik. Wenn also vor den Wahlen keine verkündet wird, können wir davon ausgehen, dass auch das BSW grüne Politik (mit-)machen wird. Da braucht auch keiner [vom BSW] mit lächerlichen Ausreden von wegen „Kompromisse eingehen“ kommen. Wobei ich Maaßen und seine Werteunion wesentlich wahrscheinlicher als U-Boot einstufe. Der ist als ehemaliger Geheimdienstchef ja quasi prädestiniert für so eine Maulfwurfaktion. Passt auch wunderbar zeitlich – seine kritischen Äußerungen begannen… Mehr

Leander
28 Tage her

SPD, DIE LINKE und BSW trennt doch als sozialistische Parteien eh nichts mehr. Auch ihre prorussische Einstellung eint sie. Dem Klimawahn folgen sie nur aus Angst vor den Grünen. Die können fusionieren.
Die Grünen stehen wegen ihrer Haltung zur Ukraine für sich, obwohl nicht weniger sozialistisch und deswegen auch unwählbar.