Saarbrücken richtet das bundesweite Fest zum Tag der Deutschen Einheit aus. Eine würdige Wahl. Denn im Saarland herrscht derzeit genau die Mischung aus Niedergang und Gleichgültigkeit, die derzeit die ganze Bundesrepublik prägt. Auch ein Streit um Stühle passt ins Bild.
picture alliance / BeckerBredel | BeckerBredel
Parken ist freitags verboten im Herzen von Merchweiler, ein vom Bergbau geprägtes Dorf im Saarland. Wegen des Wochenmarktes. Sagt das Schild. Obwohl freitags kein Wochenmarkt mehr in Merchweiler stattfindet. Auch am 20 Kilometer entfernten Lebacher Hallenbad sagt das Schild, dass seit einigen Stunden geöffnet sein müsste. Doch die Tür ist abgeschlossen. Von öffentlichen Diensten sind nur noch die Schilder da, die an einen einst funktionierenden Betrieb erinnern. Nicht nur das öffentliche Leben geht im Saarland zurück. Auch die Lust, Botschaften zu aktualisieren. Über dem Saarland hängt eine Glocke von Niedergang – und Gleichgültigkeit an diesem Niedergang.
In dieser Stimmung feiert das Saarland das bundesweite Fest zum Tag der Deutschen Einheit. Turnusgemäß. Weil das kleinste Flächenland gerade den Vorsitz im Bundesrat führt. Also fliegt die Berliner Politprominenz ein und hält an ebenso ausgewählten wie abgeschotteten Orten Reden über einen kommenden Aufschwung, während in der richtigen Welt das Schwimmbad geschlossen ist, der Markt sich nicht mehr rentiert und nur noch das Parkverbotsschild an ihn erinnert, das keiner abbaut – weil’s eh egal ist. Welch’ treffender Hintergrund für eine Feier des Deutschlands im Jahr 2025.
Hier im Saarland haben sie die erste deutsche Wiedervereinigung gefeiert nach dem Zweiten Weltkrieg. In den 50er Jahren. Doch der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) hat kein großes Ding draus gemacht. Der Alte wollte diese Wiedervereinigung nicht. Er fürchtete, dass der Vorgang seinen wichtigsten Verbündeten, Frankreich, kompromittieren könnte. Deswegen wäre es ihm am liebsten gewesen, die Saarländer hätten sich 1955 für ihre Unabhängigkeit entschieden statt für eine Rückkehr nach Deutschland. Die Option, zu Frankreich geschlagen zu werden, hatten die Saarländer auch. Aber die wollte kaum einer.
Das Saarland habe mal zu Frankreich gehört, ist einer der meist verbreiteten Irrtümer über den Landstrich westlich von Kaiserslautern. Selbst nach der totalsten aller Niederlagen, der von 1945, blieb Frankreich den Saarländern fremd und sie im Herzen deutsch. Die Franzosen ließen ihren 1.FC Saarbrücken in ihrer zweiten Fußballliga anfangs zu. Dort holten sich die Saarländer gleich den Titel – und somit auch den Aufstieg. Doch da rebellierten die Franzosen. Eine deutsche Mannschaft als französischer Meister? So kurz nach dem Krieg? Unerträglich. Also mussten die Saarländer als Provisorium eine eigene Liga gründen – womit ein für alle mal entschieden war, dass das Saarland eben nicht und niemals Französisch war. In seinen Nachbarregionen Elsass und Lothringen war es umgekehrt, sie gehörten nach dem Krieg von 1870/71 fast 50 Jahre zum Deutschen Reich.
Vor seiner Gründung im Jahr 1919 war das Saarland ein Flickenteppich. Dutzende Fürsten teilten sich den kleinen Landstrich. Darunter die von der Leyens und die Preußen. Deswegen erzählen zwar seit Jahrzehnten bestenfalls mittelmäßige PR-Agenturen von der französischen Lebensart an der Saar. Doch viel eher ist der Saarländer ein Preuße als ein Franzose, wenn auch ein fauler Preuße. Einer, der seine Schilder im Prinzip in Ordnung hält – und der resigniert sein muss, wenn er weiter auf einen Markt hinweist, den es gar nicht mehr gibt.
Nun will die Politik Optimismus verschreiben. Den Saarländern ebenso wie den Deutschen. Was böte sich da besser an als ein Fest. Zu dem kommt als Gastredner der französische Präsident Emmanuel Macron. Der Chef eines bankrotten und unregierbar regierten Staates als Motivator für eine Volkswirtschaft, die kaputt regiert wurde – es ist der Geist von resigniertem Untergang, der einen Schilder stehen lässt, die auf einen Markt hinweisen, den es gar nicht mehr gibt.
Die deutsch-französische Freundschaft beschwören die Politiker seit 70 Jahren, wenn sie zu Pflichtbesuchen ins Saarland eingeflogen werden. Wahrscheinlich sind ihre Mitarbeiter in der Vorbereitung auf die Slogans der mittelmäßigen PR-Agenturen reingefallen. Seit 70 Jahren bemüht sich die saarländische Politik darum, die Nähe zu Frankreich für die eigene wirtschaftliche Prosperität zu nutzen. Erste Fremdsprache ist Französisch schon lange an weiterführenden Schulen. Und immer wieder erhält irgendeine bestenfalls mittelmäßige PR-Agentur einen Auftrag, schöne Worte für diese Hoffnung zu formulieren.
Doch bei diesen schönen Worten bleibt es denn auch. Das Land des 1.FC Saarbrücken und das Land, das den 1.FC Saarbrücken als seinen Fußballmeister verhindert hat, sind sich fremder geblieben, als die Sonntagsreden vormachen wollen. Ob die aktuelle Frankreich-Initiative von Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) im Sand verläuft, weil die Freundschaft eine Lebenslüge ist oder weil aus zwei niedergehenden Wirtschaften kein Aufschwung wird, wenn beide sich zusammentun – das ist letztlich so egal wie das Schild, das in Merchweiler auf einen Wochenmarkt hinweist, den es gar nicht mehr gibt.
Mit dem Fest sorgt die Politik unter den Untertanen auch eher für neuen Frust als für Aufbruchstimmung. Eine Woche vor der Feier schickte die Stadt den Wirten einen Brief, sie dürften in den sieben Tagen um die Feier draußen keine Stühle aufstellen. Aus Sicherheitsgründen. Sie hatten auf ein zusätzliches Geschäft gehofft, entsprechend eingekauft und stattdessen verpassen sie die letzten schönen Tage des Jahres in einem Bundesland, dessen Bewohner gerne draußen feiern. Den Besuchern, die ihre Toiletten nutzen wollen, sollen die Wirte diese aber generös zur Verfügung stellen.
Die Politik kommt nach Saarbrücken, um den Aufschwung zu beschwören, neuen Optimismus und etwas Liebe und Begeisterung vom Bürger zu melken. Doch der beschwert sich nur wegen zusätzlicher Kosten, niedrigeren Einnahmen und einer Verwaltung, die mächtiger, snobistischer und arroganter als jeder Feudalfürst geworden ist. Und wenn die Politik dann abends nach derart getaner Arbeit abgeschirmt zusammensitzt, wundern sich ihre Vertreter, warum sie nicht geliebt werden. Ob es Putin ist, der die Schuld trägt? Oder Trump? Die AfD? Oder doch das Internet?
Wie ein guter Fürst will sich Genosse Friedrich Merz (CDU) die Gunst der Untertanen kaufen. Mit einem Fest, das sie gemeinsam feiern – wenn auch in unterschiedlich gesicherten Räumen. Und mit der Schuldenorgie, von der nicht nur der profitiert, der rechtzeitig in Rheinmetall investiert hat. Schließlich geht die Schulden-Gießkanne des „Sondervermögens“ auch über dem Bürger nieder. 120 Millionen Euro der Merzschen Schulden steckt allein das Saarland in seine Schwimmbäder. Na geht doch. Dann stimmt wenigstens wieder das Schild, das am Lebacher Schwimmbad hängt.
Vorausgesetzt, es finden sich Bauarbeiter, um es in Stand zu setzen und zu halten. Bademeister, die den Betrieb ermöglichen. Putzfrauen und Mitarbeiter für die Kasse. In einem Land, in dem regulär beschäftigten Bademeistern, Mitarbeitern und Putzfrauen mitunter weniger netto übrigbleibt, als wenn sie sich gleich in den Wohlstand des Bürgergelds resignieren. Dann bleibt das Schild mit den Öffnungszeiten Lebach trügerisch – aber das ist dann auch egal.

Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Wie Peter Sloterdijk schon anmerkte in seinem Buch „Therorie der Nachkriegszeiten“ über die deutsch französischen Beziehungen. Es wäre eine Art saarländischer Minderwertigkeitskomplex, anzunehmen es gäbe eine spezielle saarländische Frankreichbeziehung. Aber was schert das schon die Feuilletons der sektionalen Meinungsmacher! Mir wisse was gudd iss! Wer wissen will warum 90% der Bürger den Feiertag dieser Einheitsverordnung nur als willkommener arbeitsfreier Tag sehen, ohne verordnete Haltung, der muss sich nur dieses Disneyland Spektal von dieser Provinzstadtkirmes ansehen. Da feiern sich die üblichen Verdächtigen selbst, ohne auch nur eine Stimme der wirklichen gelittenen Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen. Bürgerfest nennen sie es,… Mehr
Die Feierlichkeiten zum Tag der Einheit, längst zu einem Schaulaufen eitler egomanischer Promi-Fazkes und kognitiver, politischer Dreiradfahrer verkommen, zeugten erneut vom unbedingten Willen, dieses Land zu Grunde zu richten. Diese Ansammlung von Transfergehaltsalimentierten Universalversagern war eine Schande und anläßlich des Anlasses eine Peinlichkeit für die selbsternannten Eliten. Sie und die eitlen Gimbel des medialen Kompsthaufens werden es in ihrer grenzenlosen Verblendung und arroganten Großkotzigkeit nicht begreifen, das sich ein großer und weiter anwachsender , von ihnen permanent beschissen und betrogener, bestohlen und belogener Teil, nicht nur angewidert abwendet, sondern nur noch grenzenlose Verachtung für diesen ganzen Haufen Dummschwätzer aus den… Mehr
Zitat des Herrn Merz (kostenpflichtige Quelle: Webpräsenz der Tagesschau): „Bisher misstraue der Staat den Bürgern und die Bürger misstrauten dem Staat. Das hänge viel mit der Bürokratie zusammen. Im Miteinander müsse eine neue Vertrauensbasis geschaffen werden.“ Da der Bürger die Bürokratie (ich vermute er meint Bürokratie in staatlichen Institutionen) weder erschaffen hat noch ändern kann, scheint der Staat ja kein Interesse an einer Vertrauensbasis gehabt zu haben. Aber mal ehrlich: So wie die auftreten und wie sie handeln ist schlechter gemacht als billigste Reality-TV Seifenopern. Andererseits scheint man genau das auch zu wissen und ändert nichts. Man ist halt „sensibel“… Mehr
Habe gerade eine Mail befreundeter südamerikanischer/asiatischer Unternehmer – sesshaft in den USA – bekommen. Nu 10 knappe Worte:
Heißt soviel wie:
Was will man da am 26. Jahr der Deutschen Wiedervereinigung hinzufügen ?
…Was will man da am 26. Jahr der Deutschen Wiedervereinigung hinzufügen…
Ich habe auch schon mindestens 10 Jahre aus meinem Gedächtnis gestrichen. Es ist trotzdem nicht besser geworden 😉
Wenn die saarländische Ministerpräsidentin tatsächlich bei der Feier zum Tag der Einheit eine Rede hält, in der sie das Verbot der AfD fordert, dann fühle ich mich als jemand, der das noch miterlebt hat, nicht nur an die Ereignisse am 7. Oktober 1989 in der DDR erinnert, als der 40. Jahrestag derselben gefeiert wurde, nein, dann ist das der 7. Oktober 1989. Statt an einem solchen Tag in einer Festrede auf die Einheit einzugehen, die man ja feiern möchte, das Verbindende hervorzuheben, und das Gemeinsame für die Zukunft zu beschwören, spaltet und zerstört diese Frau alles, wofür der Tag der… Mehr
Den meisten hmhing es hinterher ganz gut. Etliche der Blockpartei-Abgeordneten schafften es aus der Volksksmmer direkt in den Bundestag (CDU und FDP) von der SED gar nicht zu reden, deren letzter Vorsitzender jetzt als Alterspräsident die neue Legislaturperiode eröffnet hat.
Petra Paus stramme SED und FDJ Kaderkarriere führte sie ins Bundestagspräsidium und zum Bundesverdienstkreuz.
Von der roten Pfarrerstochter (heute in der Uckermark) erst gar nicht zu reden. Als Presseprecherin von zwei überführten Stasi-IMs an die Spitze der CDU.
Ob Trump Herrn Merz auch sagt: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben?“. Unsere Freunde in Übersee bei Kriegsbeginn nicht helfen können, weil der „böse“ Trump das Militär in US-Städten einsetzt. Die Menschen müssen doch total verblödet sein wenn sie diesen Kindergarten aus den Medien ernstnehmen.
Deutschland verzichtet auf eigene Interessenpolitik und untersützt die Industrialisierung der USA. Wahrlich selbstlos. Die kommen vor lachen nicht mehr in den Schlaf, oder gab es jemals einen US-Präsidenten der vorher bei der Deutschen Bank gearbeitet hat?
Was sucht ein französischer Präsident und nach dazu im Saarland auf der Feier zur Deutschen Wiedervereinigung? Oder wollte er etwas die Rückkehr der Reichslande Elsaß und Lothringen zur Feier des Tages ankündigen? 😉
Die meisten Leute interessiert dieser Feiertag doch bestensfalls als freier Tag!
Und dieses Jahr, wie schön, auch noch ein langes Wochenende.
KURZURLAUB 🚙 🚗🚐🚙🚗
Und Friedrich & Consorten allein zu Haus. 😕 🙁 ☹️
Ich hoffe, alle Mitbürger in Ost und West hatten einem schönen Tag!
Bitte keine Saarländer ärgern! Sie kamen zweimal freiwillig zurück. Das nennt man wahre Liebe.
Über seinen Vater schrieb der Saarländer Ludwig Harig vor über dreißig Jahren: „Ordnung ist das ganze Leben“. Ob Saarländer ein bißchen so sind, weiß ich nicht, ich bin keiner. Aber wenn sie so wären, dann wären sie sympathische Menschen.
Sie sind so. Im Saarland wird um 12 Uhr gegessen.
Nicht erst seit heute frage ich mich, ob es auch genauso hinterlistig gewesen wäre, wenn jemand wie Merkel damals gesagt hätte: „Wir schaffen das!“
Stattdessen musste man sich etwas von blühenden Landschaften anhören. Naja, damals wusste man als Wessi tatsächlich, wo die ehemalige Zonengrenze war. Man fuhr nämlich endlich und augenblicklich auf glatten Autobahnen.
Das war es aber auch schon..!
Der 17. Juni war m.W. (😎) nur in Westdeutschland ein Feiertag und dort hätte man ihn m.M.n. auch belassen sollen, denn er war seinem Andenken nach aufrichtiger, als der 03.Oktober es jemals war, noch sein wird.
Als ehemaliger Saarländer, der vor 40 Jahren das Weite suchte und fand: Das Saarland-Image „saarvoir vivre“, bei dem man bitteschön gleich einen Musettewalzer im Ohr haben soll, ist ein hauptsächlich vom SR, dem letzten Funkhaus vor der Grenze, geschaffener und gepflegter Hoax. In der Generation meiner Eltern noch waren die Lothringer mit dem despektierlichen Ausdruck „Waggese“ belegt. Sie hatten im grenznahen Raum dieselbe Mundart wie die Saarländer, waren aber irgendwie anders, Weder deutsch noch richtig französisch, Besondere Freude kam auf, wenn sie an französischen Feiertagen die Saarbrücker Innenstadt fluteten, nach französischer Art Auto fuhren, sich mit Klamotten eindeckten, und sich… Mehr
Genauso ist es gewesen. Und ja, der SR hat schon damals – um Lafontaines Image aufzupolieren – dieses dämliche „Saarvoir vivre“ propagiert, dabei hat der „echte“ Saarländer gar nix an den Franzosen. Die Zugezogenen um so mehr, die ihrer „im Reich“ zurückgebliebenen Verwandtschaft dann anhand von Meeresfrüchteplatten aus französischen Supermärkten gerne vorführen, wie schick-französisch es doch im Saarland ist. Übrigens taugen die noch ärmeren Lothringer Nachbarn kaum dazu, als schicke Franzosen durchzugehen, denn sie gelten innerhalb Frankreichs als komplette Provinzbanausen mit einem grässlichen deutschen Akzent.