Presse nach der Italien-Wahl: Bedauern und falsche Vergleiche statt Analyse

Sorgen, Bedauern und Nazi-Vergleiche. Die deutschen Medien zeigen sich nach der Wahl in Italien von ihrer aktivistischen Seite. Nur eins kommt in ihren Beiträgen so gut wie nicht vor.

IMAGO / Michael Gstettenbauer
Kiosk in Düsseldorf

Vergleiche aus der Nazi-Zeit sind böse. Sie sind das Übelste, was in der Debatte passieren kann – eigentlich ein Verbrechen, weil sie die Verbrechen zwischen 1933 und 1945 verharmlosen. Wenn diese von Rechts gegen Links kommen. Als in der Pandemie eine junge Frau aus Kassel ihre Situation mit der von Sophie Scholl verglich, fielen grüne Journalisten, ARD-Aktivisten, kurz: die vereinte linke Wokeria über sie her – wie ein Rudel Hyänen über ein hinkendes Zebra.

Kommen die Vergleiche mit der Nazi-Zeit jedoch von Links und zielen gegen Rechts sind sie die gängigste Währung der politischen Debatte: Den Linken in seinem Lauf, hält Doppelmoral nicht auf. Die Welt am Sonntag gab diesem Chor den Ton vor mit der Schlagzeile: „Marsch auf Rom“. Über die Jahre 1922 und 2022 ist zu lesen: „Hundert Jahre später ähnelt die Lage in Italien der Situation 1922 erstaunlich.“
Gut. Damals gab es keine Neuwahl. Anders als heute putschte der ehemalige Linke Benito Mussolini lokal und drohte mit einer Revolution in der Hauptstadt. Nach der Machtübernahme schlug die neue Regierung Aufstände blutig nieder, es gab unter anderem in Rom Tote. Aber lässt man außer Acht, dass das alles vor hundert Jahren komplett anders war, ist es für die Welt heute ganz genauso. Zumindest wenn man als Linker rechten Wahlerfolgen zusehen muss. Dann ist der Vergleich mit Benito Mussolini eigentlich noch viel zu wenig.

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Der Text erschien in Deutschland, noch bevor in Italien der erste Stimmzettel in eine Wahlurne gefallen war. Als dann das recht erwartbare Ergebnis da war, ließ die deutsche Medienlandschaft ihrem Vergleichsbedürfnis freien Lauf: „Die Postfaschisten triumphieren“, titelt die Süddeutsche Zeitung, ohne damit Paketzusteller zu meinen. „Ach, Italien“, seufzt die Wirtschaftswoche. Und „Europa zittert“, legt die Süddeutsche nach und meint dieses mal auch nicht die Deutschen, die sich das Heizen nicht mehr leisten können.

Deutschland zahlt, damit Italien seine Staatsschuld problemlos weiter bedienen kann“, schreibt das Handelsblatt. Das stimmt. Schon seit Jahren. Nun entdeckt das Handelsblatt diesen Zusammenhang. Die neue Regierung ist noch nicht im Amt und schon trägt sie für deutsche Medien die Schuld an etwas, das sie bei Mario Draghi ein Jahr lang wegnuschelte. Der war für deutsche Medien eine Art Retter und Volkstribun. Ihn zu kritisieren wäre rechts gewesen. Jetzt ist das bei den gleichen Inhalten was ganz anderes.

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Gerne betonen die deutschen Medien nun die niedrige Wahlbeteiligung. Die Tagesschau macht die zur Schlagzeile eines Online-Beitrags. Als Nordrhein-Westfalen wählte, schaffte es Anne Will, eine ganze Sendung zu dem Thema zu machen – ohne die ähnlich geringe Wahlbeteiligung auch nur einmal zu erwähnen. Der Business Insider unterstellt den Wahlsiegern in Italien eine „Aversion gegen Deutschland“. Die Sieger sind für die Wirtschaftsexperten des Springer-Verlags: „rechtsradikal“, „rechtspopulistisch“ und „konservativ“. Das scheint im Springer-Verlag alles eins zu sein, seit Verlagschef Mathias Döpfner gegenüber seinen Journalisten ein Machtwort gesprochen hat darüber, an welcher Seite der Verlag künftig in Debatten stehe.

Folglich drücken die Springer-Zeitungen aufs Gaspedal: „Das neue Italien wird zum Risiko für den Euro“, legt die Welt nach. „Nach der Wahl steigen die Zinsen in Italien auf den höchsten Stand seit der Euro-Krise und der Euro verliert weiter.“ Der stünde nun bei 96 Cent im Vergleich zum Dollar. Gut. Einen Werktag vor der Wahl stand er bei 97 Cent. Das erwähnt die Welt nicht, weil das die schöne Erzählung über die hässlichen Rechten nur mit politisch verdächtigen Fakten belasten würde.

Italien werde nun wieder zum politischen Wackelkandidaten, heißt es weiter. Das war es demnach vorher nicht. Also ist Draghi nochmal zurückgetreten, weil… – aber Recherchen machen im Haltungsjournalismus nur die Fakten kaputt. Mit der neuen Regierung werde nun alles viel schlimmer, weiß die Welt: Investoren fürchteten eine „Ausgabenlawine“. Das deutsche Entlastungspaket hatte die Springer-Zeitung aber auch hart kritisiert – weil da die „Ausgabenlawine“ nicht heftig genug runterkam. Kinderreiche Familien seien vergessen worden, kritisierte die Welt. Als es gegen die eigene Regierung ging. Außerdem titelte sie: „Entlastungspaket geht ,in die richtige Richtung`“.

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Den ehrlichsten und aufschlussreichsten Kommentar gibt Miriam Hollstein auf Twitter: „Verstehe nicht, wie man SO niedrige Ansprüche an die eigene Regierung haben kann.“ Hollstein ist „Chefreporterin im Hauptstadtbüro von T-Online“. Die Chef-Journalistin berichtet für die Regierung kritisch über das Volk, „den großen Lümmel“. Als Bürger von Politikern in einem Regierungsflieger verlangten, sie sollten sich selbst an die Maskenregeln halten, die sie den Bürgern verordneten, keifte Hollstein zurück und nannte die Kritiker „Trolle“.

Mit ihrem Tweet zu Italien fasst Hollstein nun die deutsche Berichterstattung über Italien gut zusammen: Sie versteht nicht, was dort passiert ist. Geschweige denn, warum. Allerdings machen sich die deutschen Journalisten auch nicht die Mühe, es verstehen zu wollen. Wer eine klassische deutsche Tageszeitung sucht, die erklärt, warum es zu dem Ergebnis gekommen ist, der muss es in der Schweiz versuchen. Die Neue Zürcher Zeitung geht auf Ursachensuche unter: „Giorgia Melonis Wahlsieg ist ein Zeichen des Protests.“

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Die Assoziation Meloni-Mussolini bleibt der Welt nicht exklusiv. Der Stern besucht einen Tag nach der Wahl in einem Beitrag den Geburtsort des „Duce“. Der Staatssender Deutsche Welle nennt Meloni die „erste rechtsextreme Ministerpräsidentin“ und verbreitet die Behauptung, die Hälfte der Italiener fürchte nun im Land um die Freiheitsrechte. Wofür die Wahlbeteiligung wiederum extrem niedrig war. Aber Fakten dürfen die Erzählung deutscher Medien vom nun faschistischen Italien nicht kaputtmachen.

Immerhin vergleicht keine Zeitung Meloni mit Hitler. Wobei. Die Welt: Sie zitiert Hitlers Propagandaleiter Hermann Esser, der 1922 mit Blick auf Italien gesagt habe, nur eine nationale Diktatur könne Ordnung schaffen. „Das ist ein Gefühl“, so die Welt, „das ganz ähnlich auch im italienischen Wahlkampf 2022 formuliert wurde.“ Um einen Nazi-Vergleich sind deutsche Medien nie verlegen. Solange sie von Links kommen.

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Kommentare ( 34 )

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fatherted
1 Jahr her

ist doch den Italienern egal was die Deutsche Presse schreibt….den Deutschen zunehmend auch…deshalb sterben ja die ganzen Verlage und Zeitungen….

Irdifu
1 Jahr her

Hoffentlich lassen die zunehmend konservativ regierten Länder , Ungarn , Polen , Schweden und jetzt Italien diesen korrupten Bürokratiemoloch in Brüssel bald platzen , bevor ganz Europa von den Globalisten an die Wand gefahren wird , LePen gerne auch mit dabei .

nachgefragt
1 Jahr her

Vielleicht ist es dem linken Lager mit Blick auf Ukraine- und Energiekrise ganz recht, wenn andere möglicherweise an den Krisen scheitern. In anderen Ländern kostet das Versagen den Minister noch den Job, vielleicht auch seine mit Pöstchen versorgte Entourage. Hier gilt das ja leider nicht. Das Versagen der Politik, das wurde gern vergessen, ist ja nicht nur das Versagen des Ministers. Der hat ja dann meist nach Machtwechsel auch etliche Posten im Ministerium neu vergeben, bei bestehenden Altersbezügen der vorherigen. Wichtig ist bei dieser Krise also hier im Land, dass beim Wechsel möglichst zügig der ganze stinkende Kopf getauscht, möglichst… Mehr

Monika
1 Jahr her

Ist doch toll, daß man den Italienern jetzt endlich ganz offiziell die Schuld am Scheitern des Euro geben darf. Auch wenn es verlogen ist, dies erst jetzt angesichts der rechten Regierung zu tun, bleibt es ja trotzdem zum Teil wahr. So wird es jetzt wenigstens schwieriger, hierzulande das Geldschaufeln nach Süden durchzusetzen. Aber wahrscheinlich ist es schon zu spät. So wie es sich abzeichnet, hat sich in der Finanzwelt rumgesprochen, daß Deutschland nicht mehr auf die Beine kommt, ja sich fortlaufend ins eigene Knie schießt. Es zeigt sich jetzt, was viele schon immer gesagt haben, der starke Euro war das… Mehr

Sonny
1 Jahr her

Nun ja. Nicht alle linksgrünen sind auf beiden Augen total blind. Die befürchten, dass Italien nur der Anfang ist, denn Proteste gibt es ja schon lange in fast jedem demokratischen Land in Europa. Und nichts fürchten linksgrüne mehr als die Wahrheit. Denn die offenbart den gnadenlosen Niedergang aller linksgrün geführten Länder, wie man (wenn man nicht total verblödet ist) zur Zeit immer besser erkennen kann. Die Hofpresse in Deutschland führt ein karges Dasein. Ohne staatliche Unterstützung sind die alle nicht besonders überlebensfähig, denn die Akzeptanz bei der Bevölkerung tendiert immer weiter gegen Null und ab in die Bedeutungslosigkeit. Damit ist… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Sonny
StefanZ
1 Jahr her

Glückwunsch an Frau Meloni! Endlich wird Europa mal wieder etwas bunter und vielfältiger. Das dies den ganzen Anti-Demokraten nicht gefällt war ja abzusehen. Das sie sich aber gleich so in die Hose sch….., hätte ich nicht erwartet. Ich wünsche der Dame ein glückliches Händchen und ein zufriedenes Volk. Nichts würde die ganze Bande mehr ärgern.

B.Rehfeldt
1 Jahr her

Manchmal ergibt es sich, dass kurze Sequenzen des ÖR in unser Wohnzimmer gelangen, bevor auf Netflix und Co geschaltet wird. So gestern , als die Sendung „ Das“ auf NDR begann. Die Moderatorin und der Gast auf besagtem Sofa waren entsetzt über die Wahl. Wie kann der/die/das Italiener es wagen…., eindeutig ist die Demokratie jetzt in Gefahr und und…Ich bin sicher , hätte man beide befragt, woran sie das festmachen, sie hätten keine Antwort geben können. Überall nur noch hohle Phrasen, Haltung, Moral und die Überzeugung, die Guten zu sein. Ganz nebenbei ist mir aufgefallen, dass : bist du schon… Mehr

AlexR
1 Jahr her

Die EU propagiert schon ihr Ende nach dieser Wahl. Hoffentlich tritt es auch ein. Frau Merkel und Europa-UvdL würden die Wahl ja sofort „korrigieren“ lassen, damit ihre Positionen und die Geldvernichtungen weiter laufen können. Die Korrektur der Wahl klappt nur leider nicht. Denn Italien ist nicht Deutschland.

In Deutschland wurden auf Anweisung von Merkel in einem Landtag demokratisch erfolgte Wahlen „korrigiert“. In Berlin durch anhaltende Blödheit „angepasst“. Jede Vereinsversammlung und Wahlen ihrer Vorstandsmitglieder kann das besser.

Hegauhenne
1 Jahr her

Erinnert doch alles sehr an die Trump-Wahl seinerzeit.
Das haben ja bis heute viele Redaktionen noch nicht verwunden.
Und nun diese Klatsche aus dem Süden.
Und dann kommen noch die midterms in den USA.
Und diese verborten, uneinsichtigen Völker wollen einfach nicht auf die Empfehlungen der besserwissenden Deutschen hören.? Grässlich!

Dr. A. Mamsch
1 Jahr her

Kabel: Darf ich hinzufügen? Die Leser des „Völkischen Beobachters“ konnten BBC (sogar auf Deutsch) hören, die Opfer des „Neuen Deutschlands“ hatten immerhin noch das Westfernsehen. Nur die Propaganda der Gegenseite gibt mir die Möglichkeit, nach „Hauptnennern“ in den Meldungen beider Seiten zu suchen. Mit etwas Glück findet man dann – und nur dann – einige Körnchen Wahrheit! In den Einheitsmedien niemals!