800 Millionen: Noch nie zahlten die Deutschen so viel für nie produzierten Strom

Das sogenannte „Phantomenergie“-Phänomen zeigt die Absurdität der Energiewende. Die neue Zahl führt bei Grünen aber nicht zur Einsicht – sondern zur nächsten ideologischen Volte.

IMAGO / imagebroker
Windkraftanlagen in Schleswig-Holstein

An windigen Tagen erzeugen die gut 30.000 Windkraftanlagen Deutschlands viel Strom – und oft zu viel. Weil die meisten und produktivsten Turbinen im Norden des Landes stehen, wo es allerdings zu wenige Abnehmer für den Strom gibt, und sich die Stromtrassen, die überschüssigen Windstrom in den Süden transportieren sollen, noch im Bau befinden, müssen Windparks immer häufiger abgeregelt werden. Für die Strommenge, die die Betreiber theoretisch hätten einspeisen können, wenn es dafür Abnehmer beziehungsweise Leitungskapazität gegeben hätte, erhalten sie von den Netzbetreibern trotzdem eine Vergütung nach den gesetzlichen Tarifen.

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Daher rührt der Begriff „Phantomstrom“ – er existiert nur in den Abrechnungstabellen. Der Posten fließt in die Netzentgelte ein, die wiederum auf die Stromkunden umgelegt werden. Im Jahr 2021 zahlten die Verbraucher für den Phantomstrom so viel wie noch nie: insgesamt 807 Millionen Euro für nie erzeugte Energie. Das ergab eine Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei-Bundestagsfraktion. Danach mussten die deutschen Stromkunden insgesamt 5800 Gigawattstunden vergüten, die theoretisch von den Windparks hätten erzeugt werden können. Im Jahr 2020 lag diese Entschädigungssumme noch bei 761 Millionen Euro, 2016 nur bei 373 Millionen Euro.

An den Zahlen wird deutlich: So lange es weder die Nord-Süd-Stromtrassen noch nennenswerte Speicherkapazitäten gibt, verschärft sich das Problem mit jedem weiteren Windrad, das im Norden entsteht. Im Jahr 2021 entfielen 45,4 Prozent der Millionenzahlung für nicht erzeugten Strom auf Niedersachsen, weitere 31,9 Prozent auf Schleswig-Holstein. Trotzdem trommeln sowohl die Grünen in den jeweiligen Nord-Ländern als auch Wirtschaftsminister Robert Habeck unverdrossen für „Ausbau, Ausbau, Ausbau“ – und zwar den Ausbau der Windkraft- und nicht der Speicherkapazität.

Mit einer besonderen Volte reagierte der niedersächsische Umwelt- und Energieminister Christian Meyer (Grüne) auf die neue Rekordzahl zum Phantomstrom: Auf Twitter machte er aus dem nie erzeugten, sondern nur abgerechneten Strom „nicht genutzten Strom aus Erneuerbaren Energien“ – so, als sei der Strom erzeugt, aber dann aus irgendwelchen Gründen nicht verbraucht worden. Etliche Twitter-Nutzer wiesen auch darauf hin, dass er als Energieminister eine falsche Einheit verwendete, nämlich GW (Gigawatt). Korrekt wäre GWh (Gigawattstunde) gewesen.

Vor allem nutzte Meyer den Phantomstrom-Rekord, um wieder einmal die Abschaltung der Kernkraftwerke zu fordern, die angeblich „Netzverstopfer“ seien. In Wirklichkeit sorgen die drei verbliebenen Atomkraftwerke gerade jetzt in der Dezember-Dunkelflaute dafür, dass die Stromversorgung in Deutschland überhaupt noch funktioniert. Denn Windenergie lieferte in den trüben und windarmen Tagen am Jahresende nur einen Bruchteil ihrer installierten Kapazität.

Solarenergie trug zur Stromproduktion so gut wie gar nichts bei. Mit Stand 13. Dezember erzeugten die drei Atomanlagen mit insgesamt 4,2 Gigawatt installierter Leistung in diesem Monat bisher 1,12 Terawattstunden. Das entspricht gut 70 Prozent der Gesamterzeugung aller Land-Windkraftanlagen Deutschlands, die im Dezember bisher 1,53 Terawattstunden lieferten – allerdings bei einer gut fünfzehnmal größeren installierten Gesamtleistung von 65 Gigawatt. An vielen Dezembertagen trugen Kohle, Gas und Atom 80 Prozent und mehr zur Stromerzeugung bei.

Teure Windstrom-Überschüsse, die niemand braucht, stehen also akuten Strom-Mangellagen gegenüber, an denen Wind und Solar wetterbedingt bestenfalls eine kleine Nebenrolle spielen. Bisher erklärte Meyer genauso wenig wie seine grünen Parteikollegen, wie sie die absehbare Stromlücke im Winter 2023/24 füllen wollen, wenn die Kernkraftwerke nicht mehr zur Verfügung stehen – die eigentlich nötigen Speicher aber auch nicht.

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Kommentare ( 69 )

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DuMeineGuete
9 Monate her

O.k., bei Sturm verstehe ich ja noch, dass man die Windräder abschaltet aber doch nicht wenn gerade mal mehr Strom produziert als wie gebraucht wird. Es gäbe doch schon längst Speicherlösungen direkt vor Ort – Stichwort „Grüner Wasserstoff“, produziert durch maßgeschneiderte (PEM-) Elektrolyseure, gebaut z. B. von den Firmen NEL oder ITM oder von wem auch immer. Überschüssiger Strom wird dann zur Herstellung von grünem Wasserstoff verwendet, der selbst wiederum beispielsweise zur umweltfreundlichen Stahlerzeugung, oder zum Heizen oder zum Antrieb von Brennstoffzellen-Autos verwendet werden könnte. Das Ganze ist entweder noch nicht konsequent zu Ende gedacht oder die ganze Entwicklung wird… Mehr

Last edited 9 Monate her by DuMeineGuete
Michael M.
9 Monate her
Antworten an  DuMeineGuete

Die ganze Entwicklung wird in erster Linie von der Physik geblockt, aber die (Klimakirchen)Gläubigen können ja im allgemeinen mit MINT-Fächern und Fakten nicht so gut umgehen und wollen das einfach partout nicht einsehen, gelle …

Last edited 9 Monate her by Michael M.
egal1966
8 Monate her
Antworten an  DuMeineGuete

Entschuldigung, aber wie wollen sie nur eine ansatzweise rentable Wasserstofferzeugung aus volativen Energien realisieren, wenn deren überschüssige Energie nur tage- oder auch stundenweise zur Verfügung steht und oft auch gar nicht? Um solche Erzeugung überhaupt irgendwie bezahlbar zu machen, unbeschadet von deren sowieso großen physikalischen Verlusten, müßten sie 24h/360 Tage in Jahr durchgehend Wasserstoff erzeugen und nicht nur dann, wenn es mal stürmt und die Sonne scheint. Da es dazu noch die „Vorrang-Einspeisung“ gibt, nicht möglich… Ja und wer will ihren „grünen Stahl“ dann danach kaufen, wenn dieser schon durch die „Erzeugung“ so teuer ist, daß er mit normal erzeugten… Mehr

Peter Pascht
9 Monate her

Wie grotesk dümmlich absurd dieser Klimawahnsinn der Klimaextremisten ist, zeigt ein bildhafter Vergleich der Größenverhältnisse. Vergleicht man die Größenverhältnisse der Erde mit einem Apfel vom Radius 6cm, so ist der höchste Berg der Erde 0,08mm hoch, die wetteraktive Troposphäre ist dann 0,17mm hoch, enthält 80% der Luft und 98% des Wassers(Dampf). Die Staubschicht auf dem Apfel, das sind dann die Biospäre und Menschen. Dann gibt es Menschen, die in dieser Staubschicht leben, die sich psychopathisch einbilden das Wetter dieses Planeten nach ihrem Gusto und Laune gestalten zu können. Auch akademisches Wissen schützt vor Größenwahnsinn nicht. Wahrscheinlich bilden sie sich auch… Mehr

Schoenvogel
9 Monate her

Interessant wäre auch mal die Aufwendungen für Entschädigungen zu ermitteln, die dann gezahlt werden müssen, wenn bestimmte Großverbraucher aufgrund von Netzüberlastung abgeschaltet werden.
Gibt es dazu belastbare Zahlen?

Gruss aus DD bei Dunkelheit und Windstille!!

Ralf Poehling
9 Monate her

Die teuerste „Kugel Eis“, die in diesem Land jemals verkauft worden ist.
Die Energiewende ist längst gescheitert. Es will bloß keiner wahrhaben.
Wenn das alles keiner mehr bezahlen kann, wird es auch keiner mehr finanzieren können. Damit ist das Thema dann durch.

Riffelblech
9 Monate her

Diese ganze Energiepreisdebatte zeigt doch eindeutig das sich die Roten und Grünen zu den jeweiligen Lobbyverbänden der Energieerzeuger ins Bett gelegt haben und uns ,der Bevölkerung ,die Hucke vollügen . Warum hat D. die höchsten Energiepreise ? Weil mit Merkel ,jetzt eben mit Scholz völlig „ grünhörige „ Politiker den Bürger ausnehmen wie eine Weihnachtsgans . Kein anderes Land hat solchen stumpfsinnig blöden Energiepolitiker wie D. Die Grünen mit ihrer Schwachsinnsideologie treiben den Wirtschaftsstandort D. ins Verderben . Jetzt haben sie noch 3 Jahre Zeit den Knochen Deutschland so richtig abzunagen . Zu zerstören was kaputt zu machen geht .… Mehr

Querdenker73
9 Monate her
Antworten an  Riffelblech

Wir könnten die Wartezeit aber verkürzen! Massiv auf der Straße, ohne Klebstoff!

Werner Geiselhart
9 Monate her

Ich habe inzwischen jegliche Hoffnung aufgegeben, dass grüne Denker dazu fähig sind, irgendwelche technischen Zusammenhänge und Abhängigkeiten zu erkennen.
Da herrscht eindimensionales Denken auf Grundschulniveau vor, die könnten wahrscheinlich dem Physikunterricht in der achten Klasse nicht mehr folgen.
Das Schlimme ist, dass diese 15% Partei Deutschland zu 100% im Würgegriff hat.
Grausam.

erwin16
9 Monate her

Das ist ja auch ein Aspekt des ganzen Irrsinns, man bezahlt irre Preise, soll sich ständig nach anderen Anbietern umsehen, soll sich noch bevorraten mit gigantischen Mengen von Wasserflaschen und Nahrungsmitteln.
Preis / (Leistung) stimmt hier überhaupt nicht mehr in dem Laden…..ich kündige 🙂

Klaus D
9 Monate her

Zu meiner jugend (1980er) war es noch so „je mehr du einsparst desto weniger zahlst du“ und heute ist es so „je mehr du einsparst desto mehr zahlst du“. Seit jahren spare ich immer mehr strom ein (verbrauche weniger) aber muss für das weniger immer mehr zahlen. Noch dreister finde ich die höhe des grundpreises bzw das es diesen überhaupt gibt. Das wäre so als wenn eien tankstelle einen grundpreis fürs tanken nimmt damit man die zapfsäule überhaupt benutzen darf. Es scheint als wenn jetzt viele versorger an der grundpreis-schraube drehen um die gewinne weiter zu sichern bzw zu steigern.

Janosik
9 Monate her

Ich habe den Eindcruck, dass im Artikel werden unbeabsichtigt Falschinformationen verbreitet werden und zwar: dass es Überschusse gibt ist wahr. Sie gibt es aber nicht die ganze Zeit. Im Frühling und im Herbst gibt es mehr Windstrom und auch nicht ganze 6 Monate sondern dann wenn es das Wetter will. Teil dieser Ausnahmesituationen sind auch Stürme bei denen die Anlagen aus sind aber nicht weil es die Abnahmekapazitäten gibt sondern wegen Sicherheit – zu starke Wind können die Dinge auch nicht so gut.
Die Trassen fehlen also nicht die ganze Zeit sondern nur relative kurze Zeit im Jahr.

Robert Tiel
9 Monate her
Antworten an  Janosik

Die Trassen sind komplett überflüssig, weil Strom aus Zufallsproduktion eines hochindustrialisierten Wirtschaftsstandortes nicht würdig sind.
Sinnvoller wären Trassen, die zB vom zukünftigen polnischen Kernkraftwerk kommen. Der Trasse ist die Art des Stroms nämlich schnuppe.
Und jeder Strom, der ohne Nachfrage zufällig produziert wird, ist überflüssiger Strom.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
9 Monate her

Die Niedersachsen haben doch diese Schwachköpfe mit ihren bekloppten „Netzverstopfer“-Sprüchen gerade erst wieder gewählt. Jede Wahl ist ein Intelligenztest und die gewählte Regierung das Testergebnis. Also herzlichen Glückwunsch.