Artillerie-Vorteil der Russen ist erdrückend – Kiew bietet Deutschland Energie-Hilfe an

Die Ukraine steht in der Defensive, muss wichtige Stellungen räumen. Die russische Überlegenheit erdrückt die Verteidiger. Derweil bietet die Ukraine Deutschland Hilfe in der Energieversorgung an - dank Atomenergie ist die Stromproduktion dort anscheinend noch immer stabiler als die deutsche.

IMAGO / ZUMA Wire
Von russischer Artillerie zerstörte Brücke in der Nähe von Charkiw, 24.06.2022

Im ostukrainischen Gebiet Luhansk haben russische und prorussische Kämpfer eigenen Angaben zufolge die Siedlungen Hirske und Solote erobert. Die Luhansker Separatisten zeigten am Freitag das Hissen einer sowjetischen Flagge auf dem Gebäude der Stadtverwaltung von Solote, das südlich der umkämpften Großstadt Lyssytschansk liegt – der letzten ostukrainischen Großstadt im Donbass, die durch Kiew kontrolliert wird.

Zur Lage in der Ukraine
Die Ukraine hat derweil den Rückzug aus der umkämpften Stadt Sjewjerodonezk angetreten. Serhij Hajdaj, Gouverneur der Region Luhansk, sagte, der Rückzug der Armee sei angeordnet worden. Dabei geraten die Ukrainer weiter unter massiven russischen Beschuss. Sjewjerodonezk, das bereits seit Tagen größtenteils unter russischer Kontrolle stand, liege praktisch „in Trümmern“ wegen der Dauerbombardierungen durch die russischen Truppen, erklärte Hajdaj. „Es ist einfach sinnlos, auf Positionen zu bleiben, die seit Monaten unablässig beschossen werden.“ Die gesamte strategische Infrastruktur der Industriestadt sei zerstört. Die russischen Streitkräfte versuchen nach ukrainischen Angaben auch, die benachbarte Stadt Lyssytschansk einzukesseln, in der sich wohl noch tausende ukrainische Soldaten aufhalten. Einer fünfstelligen Zahl an Truppen drohe die Einschließung im Kessel, hieß es in den vergangenen Tagen immer wieder.

Dieser Tage macht sich die erdrückende Überlegenheit der russischen Artillerie wieder bemerkbar. Zwar erhält die Ukraine immer mehr Artillerie- und Raketensysteme aus dem Westen: Aber der Mangel an Gerät ist akut. So braucht die Ukraine allein für den Transport ihrer Artillerie 700 Fahrzeuge – bekommen hat sie 100. Mit 30% sind die Verluste an ukrainischem Gerät auch hoch. Selbst, wenn der Westen wollte, könnte er aktuell gar nicht im benötigten Umfang liefern. Zum Beispiel benötigt die Ukraine 300 Raketenwerfersysteme – so viele, wie nichtmal in ganz EU-Europa vorrätig sind, analysiert Oberst Markus Reisner von der Militärakademie des österreichischen Bundesheeres. Um die Waffenwünsche Kiews zu erfüllen, müsste der Westen de facto auf Kriegswirtschaft umstellen.

Die kriegsgebeutelte Ukraine bietet Deutschland derweil den Export von Strom an – was wie ein schlechter Witz klingt, ist tatsächlich ein Vorschlag des ukrainischen Energieministers Herman Haluschtschenko, der wohl um die prekäre Lage der deutschen Energieversorgung zwischen Energiewende und Russen-Druck weiß. „Im Bereich der Dekarbonisierung bewegt sich die Ukraine in einer anderen Logik als Deutschland“, schreibt Haluschtschenko in einem Gastbeitrag für die „WirtschaftsWoche“. Daher würden über 50 Prozent der ukrainischen Elektroenergie in Atomkraftwerken erzeugt. Seit dem 16. März ist das Energienetz der Ukraine mit dem Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber synchronisiert. So könnte die Ukraine zum Outsourcer von Strom für Deutschland werden, erklärt Haluschtschenko.

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Kommentare ( 39 )

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Johann Thiel
1 Jahr her

Wir bringen‘s noch so weit, dass wir am Ende Care-Pakete aus der Ukraine bekommen.

RMPetersen
1 Jahr her

Der ukrainische Präsident sagte vor 5 Tagen, dass seine Regierung frühestens im August mit Russland Gespräche über einen Waffenstillstand führen wolle. Er ging davon aus, dass dann die militärische Situation besser sein werde.
Es könnte sich als Fehler erweisen. Es war mE schon ein Fehler, dass von der Kiewer Regierung unterzeichnete Minsker Abkommen umzusetzen zu wollen.
Die Rest-Ukraine wird immer kleiner. Und es wird keine NATO-Armee kommen, um die Russen hinter die Grenzen von vor 2014 zu vertreiben.

Thorsten
1 Jahr her
Antworten an  RMPetersen

Der Fehler war Minsk nicht umzusetzen oder die Russen zu diskriminieren. Die seit 2014 betriebene Aufrüstung entlädt sich nun.
Offensichtlich hat die CIA die russische Kampfkraft doch unterschätzt.
Eine NATO-Armee müsste sich auf eine Generalmobilmachung Russlands gefasst machen. Vermutlich auch Nuklearwaffen …

Kuno.2
1 Jahr her

Die Ukraine sollte sich lieber darum sorgen den Krieg zu beenden.
Das geht logischerweise, das hatte vor wenigen Tagen Natogeneralsekretär Stoltenberg gesagt, nur dann wenn die Bevölkerungsaufteilung in der Ukraine bei der territorialen Aufteilung (Zugeständnisse des Regimes in Kiew) berücksichtigt wird. Aber solange die Linksgrünen in braver Gefolgschaft des US Präsidenten einen „Sieg“ Russlands ausschließen, wird eine Beendigung des Krieges kaum möglich sein.

Alrik
1 Jahr her

Die Idee das die Ukraine Strom liefern sollte hatte doch die SPD schon im Juli 2021, vor dem Angriff der Russen – nur das der Strom aus Windkraft kommen sollte, und das Deutschland das ganze mit einem 150 Millionen Euro Fond unterstützt.
Das wurde als Nordstream II Kompromis verkauft, um den Ukrainern und Osteuropäern die unbegründete Angst davor zu nehmen das ihnen Russland das Gas abdreht wenn Nordstream II fertig ist.

Kuno.2
1 Jahr her
Antworten an  Alrik

Nein, das ist nicht der Grund. Der wirkliche Grund war die neue Gasleitung die zu diesem Zeitpunkt fast fertig war, zu sabotieren.

Alrik
1 Jahr her
Antworten an  Kuno.2

und der wirklich Grund die Pipeline zu bauen war den russischen Krieg gegen die Ukraine möglich zu machen ohne die Gasversorgung von Deutschland zu gefährden.

Contra Merkl
1 Jahr her
Antworten an  Alrik

Der Grund war das die Ukraine Gas abgezapft hat ohne es zu bezahlen. Wir sind dann eingesprungen und haben den Deckel bezahlt damit weiter Gas bei uns ankommt, weil die Liefermenge um die Differenz unbezahlter Rechnungen kleiner wurde. Kaschiert hat man das mit Wirtschaftshilfen für die Ukraine, die waren schon früher unverschämt. Deswegen wurde Nordstream 2 gebaut um Abkassierer wie Polen um die Ukraine zu umgehen. Deswegen waren die ja auch dagegen, weil dann das Abkassieren nicht mehr geht. Erstmal richtig informieren, dann weiß man was los ist. Die 2. Gaspipeline wurde für Gaskraftwerke notwendig, weil Sonnen und Windstrom schwächelnde… Mehr

Contra Merkl
1 Jahr her
Antworten an  Alrik

Merkel hatte der Ukraine die 2 Milliarden Durchleitungsgebühren pro Jahr angeboten einfach weiterzuzahlen. Geld für nix. Da brauchen wir uns über höchste Steuern und Energiekosten nicht wundern, wenn mit dem Geld so rumgeworfen wird. Die Baukosten von 10 Milliarden müssten ja auch eingespielt werden. Die Gasleitung war ja zur Versorgung der Gaskraftwerke gedacht, weil Windkraft wie man heute wieder sieht ein Flop ist, bei 3 – 5,5 % Wirkungsgrad. 3 – 6 Atomkraftwerke würden das ganze Windkraftgedöns bei stabiler dauerhafter Leistung ersetzen. Zumal die Windkraftanlagen nach 20 Jahren Schrott sind. Mehr Geldverschwendung für Zufallsenergie bei geringsten Wirkungsgraden geht nicht. Aber… Mehr

Alrik
1 Jahr her
Antworten an  Contra Merkl

So wie Sie das erklären könnte man meinen das die Energiewende Schuld an den hohen Energiepreisen ist.
Ich hab das auch mal geglaubt, aber wie ich aus den anderen Kommentaren inzwischen gelernt habe sind die Amis, Ukrainer und Polen Schuld weil diese die Inbetriebnahme von Nordstream 2 verhindert haben.

Michael M.
1 Jahr her
Antworten an  Alrik

Selbstverständlich ist die sog. Energiewende für die hohen Energiepreise verantwortlich, denn für nicht grundlastfähige Energieträger muß eben eine schnell verfügbare Backup-Versorgung (u.a. Gaskraftwerke) vorhanden sein. Man braucht also im Grunde alles doppelt und das kostet eben. Was glauben Sie denn warum weltweit keiner unserem Weg (gleichzeitiger Ausstieg aus Kohle und Atom) folgt?
Die Amis, Polen und die Ukraine wollen die NS2-Pipeline aus reinen Eigeninteressen verhindern, da geht es rein nur ums Geld. Außer bei den Polen vielleicht, die haben in erster Linie historische bedingte Rechnungen mit Russland offen.

Thomas
1 Jahr her

Meine Einschätzung:
Bis in den März, April, Istanbul, hätte es die Möglichkeit gegeben noch mit denn Russen zu verhandeln und die Ukraine hätte, mit Gebietsverlusten, weiterbestehen können. Der Zug ist abgefahren.
Jetzt gehen die Russen den ganzen Weg bis nach Lemberg und nehmen sich alles was sie haben wollen (Odessa).
Die Rumpfukraine wird ein russisches Protektorat sein.
Und es gibt niemanden, der das verhindern kann.

Contra Merkl
1 Jahr her
Antworten an  Thomas

So wie ich mitbekommen habe ist die Gewehrmunition 7,62 für Ak47 und die andere für Ak 74 5,56 jetzt schon knapp. Artillerie Munition ist auch nur noch für ein paar Wochen da, die Fabrik wurde zerstört. Ein paar Panzerhaubitzen von uns und die M777 von den Amis plus paar Raketenwerfer werden die Sache nicht rausreißen. Ich denke in rund 6 Wochen ist für die Ukraine der Ofen aus, wenn die Amis nicht zügig in Massen Material ranschaffen. Von den von Deutschland gelieferten 100 Stück MG3 mit 4 Millionen Schuß hab ich noch nicht eins in einem Video gesehen, wer weiß… Mehr

Manfred_Hbg
1 Jahr her

NACHTRAG Auch noch kurz zum ukrain. Atom-Strom gesagt…..: Dass die Ukraine uns Blöddeutschen nun ihren Atom-Strom anbieten, ist natürlich „toll u. schön“ und eine nette Geste. Doch verlassen sollten und können wir uns aus mehreren Gründen nicht auf deren Atom-Strom. Denn mal abgesehen davon, dass ja auch immer noch die Gefahr besteht das die Russen das eine oder andere KKW übernehmen könnten, so kann ja auch nicht ausgeschlossen werden das z.Bsp die ukrain. Überlandleitungen stark beschädigt werden. Was dann widerum zur Folge hätte, dass bei uns in Dummland sofort reagiert werden müßte indem der weggefallene Ukraine-Strom von anderswo herangeschafft werden… Mehr

Schwabenwilli
1 Jahr her

Sehr guter Deal. Nachdem die Russen nun reihenweise Städte in der Ukraine zerstört haben und die keinen Strom mehr brauchen wird dieser einfach nach Deutschland geschickt. Wir, im Gegenzug liefern der Ukraine mehr Waffen damit die Ukrainer sich länger wehren können, die Russen noch mehr Städte platt machen und noch mehr Stromkapazität nach Deutschland frei wird.
Und sag noch einer unsere Regierung wäre doof,ne ne.
Bloß dürfen die Russen keine AHWs zerbomben, das wäre gar nicht gut. ?

Bambu
1 Jahr her
Antworten an  Schwabenwilli

Genau die gleichen Gedanken hatte ich auch dazu. Der eigentliche Gag dabei ist aber, dass wir in Deutschland in 2020 für 6,1 Terawattstunden Ausgleichszahlungen gezahlt haben, weil die Stromanbieter die alternativen Energieerzeuger, wegen zu viel Strom im Netz, abschalten mussten. Mehrere Milliarden durften die Verbraucher für null Leistung mit ihrer Stromrechnung bezahlen. Heute dürften diese Zahlungen noch höher sein. So hin und wieder brauchen wir schon mal Strom, weil kein Wind und keine Sonne. Die ukrainischen Atomkraftwerke sind aber genauso wenig wie unsere in der Lage ausreichend flexibel zu reagieren. Der große Hunger nach Geld der Ukrainer, dürfte zusätzlich dazu… Mehr

Alrik
1 Jahr her
Antworten an  Bambu

Wenn kein Wind und keine Sonne scheint gibt es Gaskraftwerke die dann einspringen. Das wird dann AFIAK über das Netzentgelt finanziert, das ebenfalls als Posten auf der Stromrechnung beim Verbraucher anfällt.
Ach ja, damit die deutsche Gasversorgung auch dann noch sicher ist wenn Russland den Osteuropäern das Gas abdreht haben Deutschland und Russland die Nordstream I & II Pipelines gebaut.
Alternative Pipelines über die Türkei und den Balkan wurden dagegen verhindernt.

StefanB
1 Jahr her

Strom für Deutschland aus der Ukraine – das wäre ein weiterer Schritt in der internationalsozialistischen Umverteilung. Wie immer würde D ohne jede Notwendigkeit – also sinnlos – teuer dafür bezahlen. Und wird der böse Putin, der doch, glaubt man der Propaganda des Werte-Westens, schon die gesamte Ukraine in Schutt und Asche gelegt hat, nicht auch noch die letze Stromleitung in Richtung Westen kappen? Man fragt sich ja geradezu, wie die zerbombte Ukraine überhaupt noch Strom produzieren und exportieren kann. Gouverneur Hajdaj. „Es ist einfach sinnlos, auf Positionen zu bleiben, die seit Monaten unablässig beschossen werden.“ —> So kann man eine… Mehr

Mayor Quimby
1 Jahr her

Kriegswirtschaft?! Womit denn, bitte schön? Mit dem Strom aus Ukrainischen Atomkraftwerken? Vielleicht sollte man den Grünen mal stecken, daß die Herstellung von Waffen und ganz besonders von Munition logischerweise Unmengen an Energie verbraucht, Unmengen an CO2 freisetzt und im Anwendungsfall Unmengen an Feinstaub – nur mal so im Vergleich zum friedlichen Silvester. Energie und Chemie übrigens, die im gleichen Verfahren zur Herstellung von Dünger angewandt werden kann. Und damit Nahrung. Energie, die wir jetzt nicht mehr haben, Russland aber schon. Was bedeutet, daß wir gar nicht mehr in der Lage sind, uns wehrfähig zu machen, nachdem wir uns über die… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Mayor Quimby
Schwabenwilli
1 Jahr her
Antworten an  Mayor Quimby

„Energiemangel bewirkt nicht nur Hunger und Kälte, sondern auch Wehrlosigkeit“

Sehr guter Satz und so richtig.

abel
1 Jahr her

Es geht gar nicht darum wer am Ende den Krieg gewinnt, weil der ganze Planet verlieren wird. Und vor allem trifft es wieder die Unschuldigen am härtesten.