Großer Erfolg für TE – Verfassungsgericht tendiert zur vollständigen Wiederholung der Berlin-Wahl

Das Berliner Verfassungsgericht hat bereits heute am ersten Verhandlungstag eine Wiederholung der umstrittenen Berlin-Wahl in Aussicht gestellt. Damit folgt es in allen Punkten den Forderungen von TE. Die endgültige Entscheidung steht noch aus.

IMAGO / Emmanuele Contini
Wahllokal in Berlin, 26.9.2021
Die Präsidentin des Berliner Verfassungsgerichts, Ludgera Selting, hat eine Erklärung abgegeben, demnach der Gerichtshof eine komplette Wiederholung der Berlin-Wahl in Betracht zieht. Das sagte sie bereits zu Beginn der mündlichen Verhandlung. Die Wahlfehler könnten Auswirkungen auf die Mandatsverteilung und damit die Zusammensetzung des Parlaments gehabt haben.

„Die Wahlen waren so unzureichend vorbereitet, dass ein Gelingen von Anfang an gefährdet war“, sagte Selting. Es habe zu wenige Kabinen und zu wenige Stimmzettel gegeben. Die Wahlbedingungen mit teils mehreren Stunden Wartezeit seien unzumutbar gewesen. Zudem sei zu lange gewählt worden: Rechnet man die Öffnungszeiten nach 18 Uhr in allen Wahllokalen zusammen, kommt man auf 350 Stunden.

Das Gericht bestätigt überdies, was TE seit Beginn der Recherchen immer wieder unterstrichen hat: es liege nahe, dass Tausende ihre Stimme nicht wirksam, unter unzumutbaren Bedingungen oder nicht unbeeinflusst abgegeben haben. Es handele sich bei den Fehlern der Wahlhelfer nur um die Spitze des Eisbergs – was deutlich der bisher vorgebrachten Interpretation widerspricht, man habe es bei den „Pannen“ mit Einzelfällen zu tun.

Durch die Art der Zusammensetzung des Berliner Abgeordnetenhauses reiche schon eine dreistellige Zahl an Stimmen, um die Zusammensetzung zu verändern, argumentierte das Gericht. Die festgestellte Zahl von falsch oder auf kopierten Stimmzetteln abgegebenen Stimmen übersteige diese Zahl deutlich. Auch damit schließt sich das Gericht einer Sichtweise an, die TE über Wochen genau so beschrieben hat: die Fehler und Irregularitäten sind mandatsrelevant und eben keine Lappalie, wie sie von Politikern und Medien heruntergespielt worden sind.

Nur durch eine komplette Wahlwiederholung könne ein verfassungskonformer Zustand herbeigeführt werden, erklärte das Gericht. Zwar bleibe das gewählte Parlament vorerst im Amt. Doch das Gericht muss in den nächsten 90 Tagen ein Urteil fällen. Das hieße: Neuwahlen in Berlin im Frühjahr 2023. Die Wiederholung gilt für die letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zur Bezirksverordnetenversammlung.

Über eine mögliche Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin entscheidet ein eigenes Gremium des Bundestags. Fraglich bleibt, wie der Bundestag eine gültige Bundestagswahl in einer Stadt rechtfertigen will, in der eine solche Vielzahl von Irregularitäten vorliegt, dass dort die gleichzeitig stattgefundene Bezirks- und Abgeordnetenhauswahl auf der Kippe steht. Wie das Gericht beschrieben hat: sollten die Fehler nicht zur Wiederholung führen, so würde das Vertrauen in die Demokratie dauerhaft und schwerwiegend beschädigt.


Warum in Berlin neu gewählt werden muss

In Berlin entscheidet das Landesverfassungsgericht über Neuwahlen zum Abgeordnetenhaus und Bezirksvertretungen. Wir dokumentieren hier die Wahlanfechtungsklage von Marcel Luthe sowie weiteres hier und hier.


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Kommentare ( 118 )

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Babylon
1 Jahr her

Brandneue Meldung. Die Ampelkoalition will angeblich die Bundestagswahl in 300 Berliner Bezirken wiederholen lassen. Allerdings nur die Zweitstimmen, was schon wieder einer der üblichen Tricks ist.

Last edited 1 Jahr her by Babylon
Wolf
1 Jahr her

Ist die Richterin schon abberufen worden? Hat man „die Vermutung des Verdachts der möglichen Möglichkeit“ dass die Richterin der Reichsbürger und Querdenker Szene nahestehenden könnte? Lief sie mal unter einem AfD Plakat durch? Wenn sie die politisch falsche Entscheidung trifft, ist sie wohl in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden….

Or
1 Jahr her

Hallo TE,

erstmal Gratulation für diesen großartigen Job.
Aber erlaubt mir, daß bei mir die Sektkorken erst knallen, wenn die Wahl auch wirklich wiederholt wird.

Protestwaehler
1 Jahr her

Das ist doch auch ’n Ding. Vor 4-5 Tagen wurde der neue Landeswahlleiter von Berlin im Videotext vom RBB zitiert… Kein Grund zur Wahlwiederholung, hier wurden lediglich ein paar Banalitäten von einigen Medien aufgeblasen. Und keine 5 Tage später zitiert man den erneut… er würde bereits Papier für die Wahlwiederholung bestellen.
Was erwartet man nun von so einer Person, der scheint ja noch unseriöser zu sein als seine Vorgängerin die gegangen wurde :-/

Michael Westler
1 Jahr her

Danke, wieder EUR 25,- überwiesen.

Christa Wallau
1 Jahr her

O h n e solche Plattformen wie „tichys einblick“ ginge es in Deutschland inzwischen noch viel mehr drunter und drüber.Deshalb möchte ich hier ausdrücklich nochmals „DANKE!“ sagen für die unbeirrte Hintergrundrecherchen, die Tichys zur Berliner Skandal-Wahl durchgeführt hat. Hoffentlich haben die bisherigen Ergebnisse gravierende, negative Konsequenzen für die arrogante links-grüne Politiker-Kaste in der deutschen Hauptstadt! Sonst muß man sich endgültig von der Annahme verabschieden, daß wir in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat leben.

Alf
1 Jahr her

Die Praxis kennt ein sog. Stuhlurteil, d.h. das Gericht verkündet seine Entscheidung im Termin. Was muß eigentlich noch passieren, um dieses Wahldrama zu beenden. Was bedeutet „tendiert“.. Der Sachverhalt ist eindeutig.
Nachdem die Berliner Akteure gleichwohl den Rücktritt verweigern, die SPD keine Eile zu haben scheint, eine Entscheidung überhaupt umzusetzen und nicht auszuschließen ist, daß die Neuwahlen in Berlin nach bewährtem Muster ablaufen, ist ohnehin egal, was im weiteren geschieht. Hier wird die Demokratie weiterhin mit Füßen getreten.
Ich bleibe dabei: Wiederholung auch der Bundestagswahl im ganzen Land, nicht nur in Berlin.

Last edited 1 Jahr her by Alf
Oblongfitzoblong
1 Jahr her
Antworten an  Alf

„Was bedeutet tendiert?“ Kann ich Ihnen sagen. Es ist ein Signal an die Betroffenen, wie eine Entscheidung wohl ausgehen wird, damit sie entsprechende Maßnahmen treffen können. Telefonate etc.

Dr_Dolittle
1 Jahr her

Als Kassenarzt würde ich an dieser Stelle SEHR gerne das berühmte Wort „REGESSSFORDERUNG“ ins Spiel bringen. Betrifft nach umgangssprachlichem Verständnis eine Geld-zurück-Garantie für Geld das man zu Unrecht erhalten hat. Die kassenärztliche Sonderform bedeutet, daß man auch für Kosten aufkommt die ANDERE erhalten haben, die man aber „zu Unrecht“, also über ein statistisches Maß hinaus veranlaßt hat. Nach diesem Maßstab würde ich gerne politisches Handeln insgesamt bewertet wissen.

Hanno Spiegel
1 Jahr her

Zukünftige Wahlen in Deutschland sollten dringend mit internationalen Beobachtern durchgeführt werden.

Fred Katz
1 Jahr her

Der TS meldet, dass die Vorsitzende erklärte, sie hätte eigentlich kurzfristig das Endergebnis schriftlich mitteilen wollen, es hätte aber so viele schriftliche „Beweise“ an dem Verhandlungstag gegeben, dass sie die 90 Tage wohl ausschöpfen müsse…..
Warum sollte jemand da noch was einreichen, wenn wiederholt werden soll?
Doch nur, wenn man das nicht will…..
Knackpunkt ist, dass dann auch von Dassel wieder antreten muss! Das spräche klar gegen Neuwahlen!
Da es für den Bund in Berlin KEINE Neuwahlen geben wird, kann es noch spannend werden!