EU-Parlament lehnt anlasslose Überwachung durch Chatkontrolle ab

Herber Rückschlag für die EU-Kommission: Das Europäische Parlament lehnt die angedachte Chatkontrolle in weiten Teilen ab und legt einen Kompromissvorschlag vor, der das umstrittene Gesetz zur anlasslosen Überwachung deutlich entschärfen würde. Nun ist der Rat der Mitgliedsländer gefragt.

IMAGO / TT
Am Dienstag, dem 14. November, beschloss der Innenausschuss des Europäischen Parlaments (LIBE) mit überwältigender Mehrheit einen Kompromissvorschlag zur Chatkontrolle, der einigen der umstrittensten Pläne der EU-Kommission eine deutliche Absage erteilte.

Insbesondere das verdachtslose, automatisierte Durchsuchen von Dateien wurde vom Innenausschuss in dessen Vorschlag gestrichen. Auch die Verschlüsselung von Kommunikation soll weiterhin gewährleistet und geschützt bleiben. Darüber hinausgehende Scans dürften folglich nur nach einem richterlichen Beschluss gezielt gegen verdächtige Personen oder Organisationen stattfinden.

Erhalten blieben allerdings die Forderung nach angemessenen Altersüberprüfungssystemen für Pornoseiten, sowie erweiterte Maßnahmen zur Kennzeichnung und Verfolgung sexuellen Kindesmissbrauchs auf diesen Seiten. Auch Netzsperren sind im neuen Entwurf weiterhin enthalten.

Die eindeutige Ablehnung des Vorschlags der EU-Kommission durch das EU-Parlament dürfte zu spannenden Trilogverhandlungen führen. Während die EU-Kommission auf ihrem bisherigen Vorschlag beharrt, könnte vor allem der EU-Rat der Mitgliedsländer das Zünglein an der Waage bilden.

Der Rat ist aber noch uneins. Während die spanische Ratspräsidentschaft eine umfassende Chatkontrolle befürwortet, stellt Deutschland sich dagegen. Mitten in diese Debatten fielen die Enthüllungen rund um Ylva Johanssons Beziehungen zu Ashton Kutchers Firma Thorn, aber auch Johanssons Eklat rund um politisch-religiöses Targeting ihrer Werbekampagne für die Chatkontrolle auf X.

Ein Meilenstein, aber noch nicht das Ziel

Mit dem Entschluss des Innenausschusses des EU-Parlaments ist die Chatkontrolle damit zwar noch nicht vom Tisch, aber der Widerstand gegen die anlasslose Überwachung von Kommunikation hat eine politische Stimme gekriegt. Die Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage kommentierte die Entscheidung wie folgt: „Jetzt ist die Bundesregierung gefragt. Sie muss im Rat der EU darauf bestehen, die Chatkontrolle zu stoppen, Verschlüsselung zu schützen und beim Schutz von Grundrechten nicht hinter der Position des Parlaments zurückzufallen.“

Auch der Obmann des Digitalauschusses des Deutschen Bundestages, Tobias Bacherle, begrüßte die Entscheidung für „bessere Meldemöglichkeiten, statt anlassloser Massenüberwachung.“ Er bezeichnete die Position des Europäischen Parlaments als einen „wichtigen Schritt für den Schutz unserer digitalen Privatsphäre.“ Private Kommunikation sei eine „Voraussetzung für eine freie und demokratische Gesellschaft“, so Bacherle.

Der deutsche Piratenpolitiker Patrick Breyer zeigte sich „stolz auf diesen Meilenstein“ und bezeichnete den „vom progressiven bis zum konservativen Lager getragenen Kompromiss“ als zwar „nicht in allen Punkten perfekt“, aber dennoch als einen „historischen Erfolg“ und forderte gleichzeitig, dass „der Kampf gegen die autoritäre Chatkontrolle jetzt mit aller Entschlossenheit weiter geführt werden“ müsse.

— Key Pousttchi 🇪🇺 (@keypousttchi) November 14, 2023

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