Chaos auf der Autobahn: Rechnungshof warnt vor Sperrungen und Ausfällen

Deutschland braucht keinen hybriden Krieg aus Russland, um die eigene Infrastruktur zu zerstören. Das schafft die Politik des Landes ganz allein. Wie im Straßen- und Brückenbau – über den fällt der Bundesrechnungshof ein vernichtendes Urteil.

picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Zu den bemerkenswertesten Persönlichkeiten der Ampel gehört der scheidende Verkehrsminister Volker Wissing (55). Als Generalsekretär der FDP war er der entscheidende Architekt der Zusammenarbeit mit SPD und Grünen. Um ein halbes Jahr weiter Minister bleiben zu können, verließ er die FDP, der er ein Vierteljahrhundert angehörte und deren Landesvorsitzender er in Rheinland-Pfalz war. Er wolle seine Pflicht erfüllen und seine gestarteten Projekte weiter begleiten, begründete Wissing im November diesen Schritt.

Eines dieser Projekte war die Sanierung von Brücken auf deutschen Autobahnen, für die der Bund zuständig ist. Darin war Wissing sehr erfolgreich – sagt zumindest Wissing. Nur sind Politiker nicht gerade die zuverlässigsten Juroren, wenn es um die Qualität ihrer Arbeit geht. Das Urteil des Bundesrechnungshofes ist da schon aussagekräftiger. Und eben dieses Urteil über Wissing fällt vernichtend aus: „Viele Brückenbauwerke an Autobahnen und Bundesstraßen befinden sich seit Jahren in einem schlechten Zustand. Ihre Modernisierung kommt nur schleppend voran. Das Verkehrsministerium ignoriert den deutlichen Rückstand seines Brückenmodernisierungsprogramms.“ Wenn Wissing sich einen Laudator für seinen Abschied aus dem Verkehrsministerium aussuchen darf, dürfte die Wahl kaum auf den Präsidenten des Bundesrechnungshofes Kay Scheller fallen.

Eher SPD als FDP?
Wissing: Vor allem „sich selbst treu“
Wissing benötigt für seinen politischen Nachruf einen Poeten. Einen, der etwas über das Verantwortungsbewusstsein des standhaften Pfälzers dichtet. Scheller käme eher mit Zahlen. Und die sind vernichtend für Wissing: Sein Haus sei nur 40 Prozent der Projekte angegangen, die es sich vorgenommen hat. Fertig geworden sind nur 69 Teilbauwerke – 280 Teilbauwerke sollten es werden. In den nächsten sieben Jahren sollen es 5000 Teilbauwerke werden.

Der oberste Rechnungsprüfer warnt vor Folgen für Bürger und Wirtschaft: „Konsequente Brückenmodernisierung braucht dringend Vorrang, sonst sind weiterer Verfall und Brückensperrungen vorprogrammiert.“ Müssen die Brücken gesperrt werden, könnten die Autobahnen nicht mehr ihre bisher wichtige Rolle für die Wirtschaft spielen. Staus und weiträumige Umleitungen wären die direkte Folge.

Irritierend findet es Scheller, dass Wissing trotz der schlechten Zahlen eine gute Bilanz über seine Arbeit zieht: „Die Evaluierung des Verkehrsministeriums ist in wesentlichen Punkten irreführend und beschönigend.“ Denn schon jetzt sei absehbar, „dass die Autobahn GmbH auch in den nächsten Jahren weniger Teilbauwerke des Brückenmodernisierungsprogramms fertigstellen wird“, als vom Ministerium geplant: „Die Schere zwischen geplanter und erfolgreicher Modernisierung wird mit den Jahren immer weiter auseinandergehen.“

Scheller glaubt nicht daran, dass das Ministerium den Rückstand aufholen kann. Um das vorgesehene Tempo zu erreichen, müsste die Autobahn GmbH künftig jährlich 590 Teilbauwerke modernisieren. „Das erscheint nicht realistisch“, sagt Scheller. Das Ministerium habe den Geldbedarf viel zu niedrig angesetzt. Folglich fehle das nötige Geld jetzt. Wissing hinterlässt Chaos, wie sich aus Schellers Worten schließen lässt: „Auch die Autobahn GmbH kann nicht beziffern, wie viel sie für die Brückenmodernisierung jährlich ausgegeben hat.“ In der Folge könne das Ministerium gar nicht sagen, in welchem Umfang die jährlich bereitgestellten Mittel erhöht werden müssten. Und selbst wenn die Regierung Friedrich Merz so viel Geld wie auch immer aus ihrem ungebremsten Schuldenpaket bereitstellt, heißt das immer noch nicht, dass die deutschen Autobahnbrücken gerettet sind. Der Autobahn GmbH fehle es am nötigen Personal, sagt Scheller.

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Kommentare ( 65 )

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Endlich Frei
6 Tage her

Warum engagiert man nicht mehr Unternehmen aus den Niederlanden, wo man sich mit dem Bau von schlagloch- und wellenfreien Autobahnen (zeitgemäße Qualität, Haltbarkeit, Nachhaltigkeit, Einzellösungen, moderne Fahrbahnbeläge) in einer Weise auskennt, die uns in Deutschland schon seit über 40 Jahren abhanden gekommen ist?

In Deutschland sind Straßenbauunternehmungen doch nur noch bessere Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit offenbar nur wenigen qualifizierten Fachkräften und umsomehr Tagelöhnern vom Jobcenter aus allen Herren Ländern. Die Ergebnisse sind dementsprechend, variieren allerdings – das sei zur Ehrenrettung einiger Unternehmen gesagt – auch stark zwischen den einzelnden Unternehmen: Meist abzulesen bei den „Übergängen“ zwischen neu hergestellten, einzelnen Autobahnteilstücken.

Last edited 6 Tage her by Endlich Frei
Evero
7 Tage her

Wen wundert das? Inkompetenz, falsche Prioritätensetzung und Personenkult. Das ist der Kult der Politik in Deutschland im 3. Jahrtausend.
Kann alles weg!

Emsfranke
7 Tage her

Alice Weidel hat mal vor dem Deutschen Bundestag gesagt: „Wir werden von Idioten regiert“. Ich befürchte, dass für die Wählerschaft die Hoffnung besteht, sich zumindest hinsichtlich dieser Feststellung auch in den kommenden Jahren auf eine gewisse Kontinuität verlassen zu können.

ralfer04
7 Tage her

Gestern wollten wir nach Bad König in die Therme fahren. Wegen einer Baustelle gab es eine Vollsperrung und wir mussten die Umleitung nehmen. Und dann kamen wir zur nächsten Vollsperrung. Die Polizei sperrte ab, mit Blaulicht. Wir dachten an einen Unfall. So mussten wir die Umleitung der Umleitung fahren. Heute morgen gelesen, dass die Brücke einer Sonderprüfung unterzogen wurde und notfallmässig gesperrt werden musste. Davon habe ich noch nie gehört, dass die Polizei als Notfall eine Brücke sperren muss. So marode ist Deutschland.

Raul Gutmann
6 Tage her
Antworten an  ralfer04

Im Absperren sind die Behörden und Polizei augenscheinlich Weltmeister

jopa
7 Tage her

Um eine Brücke zu bauen, muß sie vorher geplant werden. Ich vermute, jede Brücke in D ist ein Unikat. Als man in NRW mal Brücken auf niederländische Art aus Fertigteilen zusammengebaut hat, wurde das in der Presse wie ein Weltwunder bestaunt. Genormte einheitliche Brücken, bei denen nur noch das Fundament individuell geplant wird, mit kurzen Planungszeiten und verkürzten Bauzeiten, gibt es meines Wissens in D nicht. Die Vorteile wären enorm: Alle Brückenteile, außer dem Fundament, könnern aus einer Datenbank abgerufen werden, ohne weiteren Genehmigungsaufwand, Schalungen können wiederverwendet werden und Armierungen von Robotern fabrikmäßig zusammengesetzt werden. Man spart Bauzeit und Arbeitszeit… Mehr

Evero
7 Tage her
Antworten an  jopa

Doch, die gibt es. Ich konnte beobachten, wie die Schiersteiner Autobahnbrücke über den Rhein zwischen Wiesbaden und Mainz neu gebaut wurde, wurde eben dieses Verfahren angewandt. Da wurden Stahlfertigteile mit hydraulischen Pressen über Pfeiler geschoben und dann das Gerippe Stück für Stück ausbetoniert. Die Bauzeit wurde dennoch um ein ganzes Jahr überschritten. Der Grund war sicher Personalmangel und andere Projekte bei dem Baukonzern. Die Baufirmen fangen heute an vielen Baustellen gleichzeitig an und nichts wird fristgerecht fertig. Das ist meine Beobachtung. Wo sind denn unsere Goldstücke, wenn sie gebraucht werden?

Last edited 7 Tage her by Evero
jopa
6 Tage her
Antworten an  Evero

Diese Art Brücken im Taktschiebeverfahrten meinte ich nicht Auch hier sind die Teile speziell für diese Brücke. Sondern die kleinen, die aber in größerer Zahl gebaut werden, also Landstraße über/unter Bundesstraßen oder Straße über Bahn usw. Da gibt es nur eione begrenze Zahl von Kombinationen.

Hugohugo
7 Tage her

Wozu noch Brücken? Wir haben Windräder, Solaranlagen und bald auch spanische Blackouts. Die marode Gammelbahn und die Schlaglöcher gibt es gratis dazu. Dazu finanzieren wir Radwege in Peru, man muss eben Prioritäten setzen. Und wer nicht mitspielt: für den haben wir das spezielle Sonderrechtssystem in Bamberg.

Evero
7 Tage her
Antworten an  Hugohugo

Ich bin Babyboomergeneration. Wir haben m. E. die besten Zeiten, die es in diesem Land Deutschland je gab, erlebt. Jetzt wird es wieder suboptimal. Die Schuld daran tragen nicht die Bürger, weil sie zu wenig Kinder kriegen. Die Schuld tragen die Parteiideologen, die unsere Steuergelder veruntreuen und eine andere Gesellschaftsform wollen.
Es gibt Staaten wie Schweiz oder Norwegen, die mit denselben Problemen durchaus gut zurecht kommen.
Die deutschen Politiker vergeuden unsere Steuern im Ausland und vernachlässigen unsere Volkswirtschaft und die Infrastruktur sträflich.

Raul Gutmann
6 Tage her
Antworten an  Evero

Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus, Durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge.

Shakespeare, Julius Cäsar, 1599, Erstdruck 1623. Erster Aufzug, zweite Szene, Cassius
M.a.W.: WIR sind es, die dieses Gemeinwesen in den gegenwärtigen, beklagenswerten Zustand führten.
Die falsche Entwicklung begann im November 1918, als eine kleine sozialistische Mischpoke den Kaiser vertrieb.

Juergen P. Schneider
7 Tage her

Da es an vielen Stellen schlicht und einfach an Personal mangelt, werden Brückensanierungen in den nächsten Jahren immer teurer werden. Mit Geldscheinen – auch mit Geld auf Pump – kann man weder Häuser bauen, noch Straßen und Brücken sanieren. Mit den Scheinen kann man lediglich diejenigen bezahlen, die das alles tun sollen und die entsprechenden Fähigkeiten dazu haben. Es mangelt also nicht am Geld, denn das wird durch die unselige Schuldenmacherei wohl da sein, es mangelt auch kaum an Material, sondern an Menschen, die die Arbeit machen sollen. Die Flutung unseres Landes mit „Fachkräften“ aus fernen Ländern hat da „merkwürdigerweise“… Mehr

Evero
7 Tage her
Antworten an  Juergen P. Schneider

Das Hauptproblem unserer Zeit sind die sozialistischen Spalter und Staatszerstörer.Die SPD ist längst nicht mehr sozialdemokratisch und die Grünen waren von Anfang an m. E. Trojanische Pferde, die nur jeden sozialistisch gängeln wollen und die Mehrheitsentscheidung in der Demokratie abschaffen wollen. Wenn eine kleine Parteielite entscheidet, wo es langgeht und Kritik unter Strafe steht, dann ist der Abstieg Programm.
Brandmauerdenken ist auch nichts anderes als sozialistischer Kollektivismus, der Alternativen ausschließt.

Last edited 7 Tage her by Evero
Dellson
7 Tage her

Toll, die Regierung beklagt den Ausstoss von CO2 Emissionen und will die Bürger zur Nachhaltigkeit erziehen, ungefragt aber als Staatsdoktrin zementiert! Das nur noch als Scheinriese daherkommende Deutschland hat all bisherigen erfolgreichen Disziplinen in sein Gegenteil verklärt. Von starker wirtschaftlicher Leistung, Fleiss, Erfindergeist, funktionerender Bürokratie, Ordnung, Sauberkeit, gutes Bildunsgsystem ist was übriggeblieben? Nun weiter in Absurdistan. Brücken, Strassen werden gesperrt, gestaut, das die verbliebenen Arbeiterdrohnen entweder weite Umwege, lange Staus mit banaler CO2 Erhöhung in Kauf nehmen müssen oder genervt die Flinte ins Korn werfen. Mit Bürgergeld in der eigenen Oase hören sich die Staumeldungen im Verkehrsfunk doch beinah wie… Mehr

Habakuk06
7 Tage her

Man könnte ja über ja über all‘ die größeren und kleinen Baustellen, die sich teilweise über Jahre hinziehen, ein Buch schreiben. Eins der eklatantesten Beispiele von Unfähigkeit ist m.E der im Zusammenhang mit dem Brenner-Basistunnel von Deutschland zu erstellende sogenannte Nordzulauf. Aktuell scheint es so, dass mit dem Bau 2030 begonnen werden kann, Fertigstellung 2040, ich nehme an eher 2045. Wie es dann mit den Kosten läuft, wurd man garnicht erfahren wollen. Österreich, das für den eigentlichen Tunnel verantwortlich ist, hat die Fertigstellung für 2032 avisiert, Italien für den Südzulauf ebenso. Aber es geht auch klein. Mehrzweckhalle für ein Gymnasium… Mehr

thinkSelf
7 Tage her

In einem Land in dem weiterhin locker dreiviertel der Bevölkerung mit aller Macht zurück in die Steinzeit wollen ist der Einsturz einer Brücke kein Problem, sondern ein deutlicher Fortschritt.