Wirtschaft und Bürger ächzen unter den Energiepreisen – Bundestag gönnt sich ein Plauderstündchen

Die Grünen merken, dass auch die Übergewinnsteuer zu scheitern droht. Die FDP spricht für den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken, tut aber nichts – die Debatte zur Energienot zeigt, wie verwahrlost die politische Kultur ist: Die Sorgen von Bürgern und Wirtschaft werden einfach verdrängt. Lösungen? Keine.

IMAGO / Future Image
Grünen-Abgeordneter Dieter Janecek, 21. September 2022, Deutscher Bundestag, Berlin

Logisch ist in der deutschen Energiepolitik derzeit vieles nicht. Da sagt Reinhard Houben in der Bundestag-Debatte zur Energienot: „Sicherlich ist es kurzfristig richtig, für die nächsten zwei Winter die zwei, drei Atomkraftwerke, die einsatzfähig sind, weiterlaufen zu lassen.“ Hört sich an nach Opposition, aber Reinhard Houben ist Abgeordneter der FDP. Zur Erinnerung: Die FDP regiert in der Ampel mit. Auch wenn ihr Vorsitzender Christian Lindner auf Twitter zunehmend so tut, als würde er derzeit gar nicht, statt schlecht regieren.

Sendung 22.09.2022
Tichys Einblick Talk: „Null Energie – und dann alle pleite oder arbeitslos?“
Houben sagt das mit den Atomkraftwerken und verlässt das Rednerpult. Kein großes Ding. Muss man darüber reden? Es wäre sinnvoll, die Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen, sagt Houben. „Sicherlich“ wäre es das. Aber bloß, weil es „sicherlich“ sinnvoll wäre, heißt das heutzutage noch lange nicht, dass die FDP es auch macht. Die Liberalen folgen derzeit eher ihren rot-grünen Koalitionspartnern als liberalen Grundsätzen oder gar der Logik, etwas auch zu tun, wenn es „sicherlich“ sinnvoll ist.

Zehn Millionen Haushalte könnten durch die noch laufenden Atomkraftwerke im Winter versorgt werden, sagte Professor Fritz Vahrenholt in der jüngsten Ausgabe von Tichys Einblick Talk. Dem stehe gegenüber, dass die Einsparmaßnahmen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gerade mal die Energie für 40.000 Haushalte einsparten. Trotzdem loben ihn seine Koalitionspartner, auch Houben. Habeck sei „dynamisch“ lautet das Wording der Stunde.

Apropos Wording. Die Lasten für Bürger und Unternehmen zu erwähnen vergisst keiner der Ampelvertreter. Das geht auch schnell: Ja, wird hart – wir haben aber viel Geld ausgegeben – das wird schon helfen. Auch Houben hat die Not schnell durch. Zum Hilfsprogramm für die Wirtschaft fällt ihm vor allem ein, dass es „zielgenau“ sein müsse. Unbürokratisch helfen? Wirksam? Das ist die FDP von gestern. Die FDP2 hat in der Ampel nicht nur die Liebe zum Schlecht-Regieren entdeckt – staatliche Verteilprogramme mit möglichst hohen Auflagen und Verwaltungsaufwand sind ihr Ding als Partner von Rot-Grün.

Da trägt die FDP dann auch die „Übergewinnsteuer“ mit. Aus den Reihen der Ampel kommt Kritik an dieser Steuer. Nicht von der FDP. Es ist an dem grünen Abgeordneten Dieter Janecek, auf einen heiklen Punkt hinzuweisen: Noch bevor die Übergewinnsteuer beschlossen ist, gäbe es „Absetzbewegungen“, sagt Janecek im Bundestag. Die Konzerne „versteckten“ ihre Gewinne vor dem Zugriff der Europäischen Union, die im Laufe der kommenden Woche über das Instrument beraten wird.

#DankeRobert-Candystorm
Grüne Aktion „Robert braucht Sonnenschein“
Wie internationale Konzerne Steuern an der EU vorbei manövrieren können, machen die amerikanischen Internetkonzerne vor. Die Übergewinnsteuer könnte der nächste große Plan werden, der sich ins Gegenteil verkehrt. Selbst im grünen Wirtschaftsministerium sind Szenarien bekannt, wie die Übergewinnsteuer neue Investitionen fernhalten und bestehende Akteure motivieren kann, Kapital umzuleiten oder abzuziehen.

Wie wenig der Ernst der Lage bei manchen Abgeordneten angekommen ist, beweist Sandra Detzer. Sie stellt in den Mittelpunkt ihrer Rede, dass es Mitglieder ihrer grünen Partei gelungen sei, auf Twitter den Hashtag „#DankeHabeck“ zu etablieren. Sie feixt gegenüber der Union: „Ja, das tut weh. Ich glaube echt, dass Ihnen das weh tut.“ Es ist der Geist von Anne Spiegel, den Detzer da zeigt. Die grüne Ministerin hatte die Bürger an der Ahr falsch über die drohende Gefahr informiert und hat sich dann zum Abendessen und ruhsamen Schlaf verabschiedet. Am Morgen danach machte sie sich angesichts über 100 Toten Sorgen: um das richtige Wording, das es nun zu finden gelte.

„Ja, das tut weh“. Das ist Detzer wichtig. Dass es weh tut. Also nicht das mit den Bürgern ohne Strom und den Betrieben, die aufgeben müssen. Da sagt frau: Ja, wird hart – wir haben aber viel Geld ausgegeben – das wird schon helfen. Aber mit „#DankeHabeck“ haben die Grünen jetzt das richtige Wording. Und das ist doch, worum es in der Politik geht – zumindest für die Grünen.

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Kommentare ( 34 )

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Mausi
1 Jahr her

Beim deutschen Bürger kommt kaum etwas davon an. Der merkt erst, dass etwas nicht stimmt, wenn der Karren auf das Hindernis aufgefahren ist. Bremslichter wie Kernkraftwerksdebatten stehen bei die meisten für rechtzeitiges Anhalten.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kernenergie_in_Frankreich

Nett der Satz, dass D nach der Enerfiewende so viel Strom „exportiert“. „Ins Ausland verschenkt oder nicht kostendeckend abgibt“ müsste es heissen. Und „den anderen Stromerzeugern damit die Geschäftsgrundlage ruiniert“ müsste es heissen.

Last edited 1 Jahr her by Mausi
Spicebar
1 Jahr her

Es ist fast wie auf der Titanic. Die 1. Klasse philosophiert noch bei feinen Speisen und Kammermusik über gesellschaftliche Themen, während der 3. Klasse schon das Wasser bis zum Hals steht. „Niemand muss frieren oder hungern“, lässt sich daher leicht sagen Herr Lindner, wenn Sie damit einige Vorstadt-Sparfüchse in Schleswig-Holstein meinen, die ihr Häuschen inzwischen abbezahlt und als Zweitwagen ein E-Auto in der Preisklasse ab 30.000 Euro mit unterm Carport stehen haben. Nennen wir dieses Klientel der Einfachheit halber Titanic 2. Klasse. Doch dem aufmerksamen Besucher deutscher Hauptbahnhöfe oder Tafeln dürfte nicht entgehen, wer dort in Papierkörben nach Pfandflaschen sucht… Mehr

Schwabenwilli
1 Jahr her
Antworten an  Spicebar

Aus der Geschichte wird genau so wenig gelernt wie aus dem Sozialismus. Man hat es damals halt einfach falsch gemacht. Die Arroganz der Nachfolgenden Generation die nie Not gekannt hat.
Das was bei uns gerade abläuft hätte in Deutschland von 45 bis 85 niemals passieren können.
Jetzt haben wir eine Generation von Blödeln an der Macht für die fast alles einfach schon da ist um es schön zu haben, die nie Not und Elend gekannt haben. Sie werden es lernen.

Lizzard04
1 Jahr her

Sandra Detzer? Ist es nur grenzenlose Arroganz angesichts ihrer üppigen Alimentierung, was die Dame da absondert? Nun, ich befürchte es ist einfach pure Dummheit! Haltung, Unwissenheit und Quote sind doch die Zutaten aus denen die Fraktion der Grünen gemacht ist!

Peter Pascht
1 Jahr her

Grüne = Nihilistisches Jakobinertum welches die Menschheit im „Grünen Nirwana“ zwangsbeglücken wollen und wenn die Menscheit nicht will, dann braucht es halt eben Gewalt. Es hat sich nichts geändert in den Grünen Köpfen seit der 68′-Mao-Revolution. Nun sind die Grünen keine Kommunisten, aber sie legen denselben fanatischen verbrecherischen Ansolutimus wie der Jakobinimus an den Tag, wie einst Kommunisten, Stalinisten, Jakobiner. Deswegen besteht ihre Welt nicht aus der Realität der Fakten, sondern aus ihren Hirngespinsten. Deswegen werden reale Problem auch nie gelöst, denn die werden schlichtweg gar nicht wahrgenommen, die gibt es in ihrer Welt nicht. Sie leben nur in der… Mehr

Nick
1 Jahr her

Die Mobilmachung der Parteizentrale mit #DankeHabeck“ war plump und lächerlich und wurde zurecht mit reichlich Spott beantwortet. Ich muss aber zugeben, dass mich die Befürworter ärgern; Russland stellt die Gaslieferung ein und dann hat RH Deutschland unabhängig von russischem Gas gemacht?! Die Regierung doktert mit Hilfszahlung herum, statt das Problem der Energie Knappheit auf allen Wegen anzugehen: Atomkraft, Nordseeöl, Erdgas, Schiefergas und Nordstream 2. Alles muss auf den Tisch.

elly
1 Jahr her

Diese „Übergewinnsteuer“ kitzelte den Neid der Bevölkerung, das kann die SPD besonders gut. Zumindest in Deutschland wird sie, wenn überhaupt nur marginal sein. Schon lange weisen die multinationalen Konzerne im Hochsteuerland nahezu keine Gewinne aus.
Nur ein Beispiel:
27 Milliarden Euro Dax-Dividenden fließen ins Ausland (…)
Wenn der größte deutsche Dividendenzahler Mercedes-Benz im April seine Schatulle öffnet und die Anteilseigner am Gewinn beteiligt, dann klingeln die Kassen in Kuwait, Peking und Hongkong. )“
https://www.faz.net/aktuell/finanzen/ausschuettung-von-dividenden-27-milliarden-euro-fliessen-ins-ausland-18337871.html

Die Wahrheit
1 Jahr her

Es gibt doch eine tolle Lösung von der Politik. GfK- Konsumlimaindex minus 40% – daraus folgt – Insolvenz meines Handelsunternehmens und beantragen von Bürgergeld. Endlich ausschlafen, spaziergehen und vom Bürgergeld das Leben genießen. Wer braucht noch Unternehmer? Laut Habeck keiner.

ReneKall
1 Jahr her

Die Deutschen haben ihr Schicksal selbst gewählt und bekommen nun was sie sich gewählt haben.Mich wundert dass die Menschen jetzt so überrascht sind. Was hat man denn geglaubt, von einer Regierungspartei der Grünen, deren Führungskräfte behaupten, Strom würde im Netz gespeichert? Diejenigen die Union wählten, machen auch schon seit 15 Jahren die Augen und Ohren zu. Die grüne Agenda wurde schon vor vielen Jahren auf allen Ebenen von den Merkelianern umgesetzt. Für die FDP zählen nur Posten, das war auch schon immer so. Über die SPD, deren Führungspersonal sich durch Demenz auszeichnet, muss man auch kein Wort mehr verlieren. Der… Mehr

Reinhard Schroeter
1 Jahr her
Antworten an  ReneKall

Sie haben leider Recht.
Schuld an den Zuständen in Buntland hat einzig und allein der Wähler, der sein Gehirn für “gut” halten will und glaubt, wenn er es benutzt, es sich abnützen würde. Denken und Nachdenken empfinden viele als grösste Pein.
Am 9. Október wird zumindest der Wæhler in Niedersachen den Beweiss dafür geben.

Teiresias
1 Jahr her

Man hat immer mehr den Eindruck, daß die Politiker am liebsten auf das Volk verzichten würden und es höchstens noch als notwendiges Übel zur Finanzierung benötigen.

Das Volk ist nur dafür da, die Bedürfnisse von Politikern zu befriedigen, nicht umgekehrt!

Vor allem möchte man sich beim Nicht-Regieren nicht hereinreden lassen.

Die politische Klasse ist so unreformierbar wie sein ÖRR-Propagandafunk. Es existiert kein Personal, um sie komplett zu ersetzen.

Freige Richter
1 Jahr her

Für mich ist die FDP die größte Enttäuschung. Mit einem Federstrich könnte sie den Spuk und die Koalition beenden. Sie wäre der Held des Jahrhunderts. Aber der eitle Lindner suhlt sich lieber an der Macht und hängt am Titel. Ich kann nur hoffen, dass die Wähler bei der nächsten Wahl sich nicht wieder von Wahlversprechen blenden lassen.