Die Ampel blamiert sich im Bundestag mit dem Thema China

Aufstände in China und Deutschlands Verhältnis zur neuen Weltmacht – dazu wollte sich die Ampel in einer "Aktuellen Stunde" im Bundestag ins rechte Licht setzen. Doch die Redner der Regierungsparteien hatten so manches vergessen.

IMAGO / Christian Spicker

Die Ampel scheint einen grundlegenden Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik zu planen – zumindest Teile der Ampel-Parteien. Deutschland und Europa sollen autarker werden. Dass ganze Zweige der Industrie nach Asien ausgelagert wurden, soll rückgängig gemacht werden. In Branchen wie der Pharmaindustrie, wozu auch die Herstellung medizinischer Mittel gehört, soll es wieder eine autarke europäische Produktion geben.

Noch ist das nur vage. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat eine europaweite Initiative angekündigt. Zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will er eine europaweite Änderung des Ausschreibungsrechts durchsetzen. Dann soll der Preis nicht mehr als einziges Kriterium über die Bestellung entscheiden. Staaten und Behörden dürften teurer bei europäischen Unternehmen einkaufen und darauf verweisen, dass diese eher die dauerhafte Versorgung mit dem Produkt garantieren könnten.

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Außen-Staatssekretär Tobias Lindner (Grüne) führt in der Aktuellen Stunde, die seine eigene Partei eingeleitet hat, einen Eiertanz auf, wie die neue Chinapolitik denn nun aussehen soll: Einseitige Abhängigkeiten sollen abgeschafft werden. Und wie? Investitionen aus China dürften die Sicherheit in Deutschland nicht gefährden – aber grundsätzlich würde sich die Ampelregierung weiterhin Investitionen aus China wünschen und diese auch fördern. China sei zwar als „Partner“ und „Konkurrent“ anzusehen, aber auch als „systemischer Rivale“. Und die „Rivalität wird immer mehr zum dominanten Faktor“. Es gäbe in China auch andere Kräfte, habe sich jetzt gezeigt. Aber Deutschland müsse sich mit dem China auseinandersetzen, „wie wir es vorfinden“. Was von Lindner wie der mächtige Flug eines Adlers wirken soll, ist doch eher das Gehopse eines Kanarienvogels von Stange zu Stange.

Zumal die Ampel in der Aktuellen Stunde an viele Schwächen erinnert wird, die sie anscheinend ausgeblendet hat, als sie das Thema China und Covidproteste selbst ansetzte. Etwa ihre eigene Uneinigkeit: „Der Bundeskanzler steht nicht hinter dieser Politik“, erinnerte Johann David Wadephul (CDU) die Teilnehmer der Debatte, deren Zahl überschaubar klein ist am frühen Mittwoch-Nachmittag. Der Kanzler entscheide zur Not auch gegen den Widerstand der Koalitionspartner, zum Beispiel als sich das chinesische Staatsunternehmen Cosco in den Hamburger Hafen eingekauft hat. Scholz werde an seiner prochinesischen Politik festhalten, kündigte Wadephul an.

„Die Außenministerin ist zu China bisher stumm“, sagte sein Fraktionskollege Nicolas Zippelius (CDU). Annalena Baerbock (Grüne) halte sich bei dem Thema zurück, weil sie wisse, dass der Kanzler sie darin überstimmen werde. Der schaue bei China gerne zu vielem weg. Etwa in der Frage, wie China seine in ausländischen Demokratien lebenden Bürger behandele. Alexander Radwan (CSU) hielt es zwar durchaus für richtig, „das Undenkbare zu denken“ und politische Veränderungen in China für möglich zu halten. Doch darauf sei Deutschland schlecht vorbereitet: Es schütze seine Unternehmen viel schlechter, als das China mit seinen tue. Statt immer nur missionarisch in der Welt unterwegs zu sein, müsse Deutschland wieder seine eigenen Interessen vertreten.

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Nun wäre der geopolitische Umgang mit China wahrlich ein Thema für sich. Doch die Ampel ist mittlerweile von ihrem Selbstbild als Moralweltmeister so besoffen, dass sie ein solches Thema nicht einfach sachlich besprechen kann – sondern es in den Zusammenhang mit der eigenen moralischen Überlegenheit stellen muss. In dem Fall der Umgang mit der Coronapolitik. Der Aspekt der Debatte lief für die Ampel komplett aus dem Ruder.

Es gebe keine Exit-Strategie aus der Corona-Politik, sagte Dagmar Schmidt (SPD), meinte damit aber nicht ihren Parteifreund Lauterbach, sondern China. Hierzulande sei die Pandemie viel besser verlaufen. Alle hätten offen ihre Meinung sagen können, alle hätten auf die Straße zum Demonstrieren gekonnt. Noch in diesem Jahr verboten zahlreiche deutsche Städte Demonstrationen gegen die Corona-Politik. Noch in diesem Jahr schickten deutsche Innensenatoren und Innenminister ihre Polizei auf die Menschen los, die trotzdem zu den geplanten Terminen in den Innenstädten waren. Das alles hat Schmidt vergessen. Wenn es für Sozialdemokraten peinlich wird, können sie sich stets auf ihr gutes schlechtes Gewissen verlassen.

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Sevim Dagdelen (Linke) erinnerte sie daran: Lockdowns, Ausgangssperren und Impfpflicht habe es eben auch in Deutschland gegeben. Und die Proteste dagegen seien unisono als „Covidioten“ oder „Rechts“ stigmatisiert worden – sagte die Linke. Deutschland sei dabei im Bereich der Doppelmoral Standards zu setzen. So gebäre sich die Ampel an einem Tag als moralisch überlegen, an dem sie es abgelehnt habe, die Angriffe des Nato-Partners Türkei auf Syrien zu verurteilen. „Eine Entkoppelung von China hätte für Deutschland katastrophale Folgen“, warnt Dagdelen. Ja, es gebe eine Abhängigkeit. Aber „Abhängigkeit ist die Grundlage unseres Wohlstandes“.

Jürgen Braun (AfD) schlug in die gleiche Kerbe: Hausdurchsuchungen bei Demoteilnehmern. Wasserwerfer, die unter dem Beifall der Staatsmedien eingesetzt werden. Übergriffe gegen Teilnehmer von Demonstrationen, die dafür gesorgt hätten, dass sich sogar UN-Menschenrechtsexperten eingeschaltet hätten. Das alles sei eben nicht nur Covid-Politik in China gewesen, sondern auch in Deutschland. Ebenso wie das Verbot privater Besuche oder des Lesens eines Buchs auf einer Parkbank. Genauso wie Menschen, die staatlich zum Denunzieren ermutigt worden wären.

Außer der üblichen moralischen Empörung haben Ampel-Hinterbänkler wie Nils Schmid (SPD) oder Gyde Jensen (FDP) nicht viel entgegen zu setzen. Ohnehin hat sich die Ampel mit dem schlecht vorbereiteten Thema keinen Gefallen getan. Es ist ja ehrenwert, deutsche Pharmaunternehmen zurückholen zu wollen. Ein Plan, eine Utopie. Die Realität sieht momentan allerdings so aus, dass Konzerne wie BASF ankündigen, auf Dauer Deutschland und die EU wegen der monströsen Energiepreise verlassen zu wollen.

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Kommentare ( 13 )

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13 Comments
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Andreas aus E.
1 Jahr her

Vielleicht sollte man einfach die Abgabenlast einschränken, die Bürokratie entschlacken, das Quoten- und Beauftragtenunwesen abschaffen und für sichere und preiswerte Energie sorgen usw. – dann kämen Unternehmer ganz ohne Lauterbachs Weisheiten darauf, daß sich Forschung und Produktion auch im Inland lohnt.

Werner Geiselhart
1 Jahr her

Der Masterplan für die Reindustriealisierung Deutschlands ist eigentlich ganz einfach: Die 6 bestehenden KKWs mit voller Leistung weiterlaufen lassen. Schnellstens neue KKWs bauen. Fracking in D zulassen. Steuererleichterungen für inländische Firmen, Firmen wie Google und Co. mit allen Mitteln besteuern. Einwanderungsprogramm für wirkliche Fachkräfte mit attraktivem Steuer- und Abgabenprogramm. Dasselbe Programm auch für einheimische wertschöpfende Arbeitskräfte. Abbau von nutzlosen und kostenintensiven Stellen wie Diversitäts-, Klima- und anderen Gedönz-Beauftragten. Abbau jeglicher Quotensteuerung bei wichtigen Besetzungen, nur Leistung zählt. Abbau von Subventionen für ideologische Projekte wie „Erneuerbare“ und Co. Das eingesparte Geld in die Infrastruktur und die Bildung stecken. Dem Grundgesetz wieder… Mehr

RMPetersen
1 Jahr her

Die Ampel blamiert sich im Bundestag …“
Merkt doch keiner von denen. Ausserdem ist es ihnen egal – unser Parlemant hat sich in den letzten Jahren mehrfach selbst entmachtet.
Dann noch dazu dies BVerfG der REGIERUNG gleichgeschaltet.
Die früher sich als seriös und unabhängig gerierende Presse: Schoßhündchen der US-Oligarchen und anderer Stiftungen des Großkapitals. Sich links Gebende, die am Gängelband von Milliardären hängen.
Es ist gegenwätig in Deutschland schwer, an GG, Demokratie, Gewaltenteilung und Freiheitsrechte glauben zu können.

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Wir haben nicht den Hauch einer Chance gegen China, denn im Gegensatz zur Heerschar der Unausgebildeten bei uns herrscht in China das Bildungsprinzip. Ungelernte wie Paul Ziemiak, Kevin Kühnert oder Claudia Roth werden in China nicht mal Sekretär, geschweige denn Generalsekretär.

Annalena Baerbock würde in Deutschland noch nicht einmal die bisherigen Einstellungskriterien für für den diplomatischen Dienst schaffen. In China dürfte sie im Aussenministerium nicht mal Kaffee kochen, solange sie Kobold für ein Metall hält.

Ticinese
1 Jahr her

Um eine schlechte Politik in D zu rechtfertigen, sollte eine noch schlechtere in China nicht unbedingt gerechtfertigt werden. Sevim Dagdelen von den Neokommunisten: „Abhängigkeit ist die Grundlage unseres Wohlstandes“ – abhängig natürlich von dem kommunistischen System in Peking.
Viele internationale Konzerne wolle ihre Aktivitäten in China reduzieren. Und der hohe Energiepreis in der EU macht die USA und nicht China attraktiv.
Nebenbei: Die ganze EU (wie auch Russland) sind kleine Würstchen auf dem Schachbrett der Weltpolitik. Entschieden wird in Washington und Peking.

JamesBond
1 Jahr her

Autark? Wer? Wann? Warum?
Hatten wir schon wegen Corona auf unserem Campingplatz mit dem Ergebnis: Auch wer Autark ins eigene WC… Sie wissen schon… egal: Testen, Testen, Testen und schon hat man Kontakt zu vielen anderen Menschen.
Konsequenz: Ich glaube diesen Lügner nicht, denn wer in eine Diktatur wie China absichtlich wichtige Industrien auslagern, der schädigt vorsätzlich das Deutsche Volk und gehört eingesperrt.

RMPetersen
1 Jahr her
Antworten an  JamesBond

Je mehr getestet wird, desto mehr „Inzidenz“.
Über Infektionen und Ansteckungs-/Erkrankungsrisiken sagt das nichts.

Ulric Viebahn
1 Jahr her

Studiumsabbrecher und Unterbelichtete können unmöglich das System China verstehen – selbst wenn es ihnen pädagogisch aufbereitet würde. Der Beweis ist, daß sie keine Bedenken haben, darüber zu schwadronieren. Bestimmt machen die schon Reisepläne, ‚um sich selbst ein Bild von der Lage dort zu machen‘.

Deutscher
1 Jahr her

Die ganzen Moraldebatten gehen mir inzwischen a.A. vorbei. Die Chinesen scheinen kluge und verlässliche Geschäftsleute zu sein. Das allein zählt.

Last edited 1 Jahr her by Deutscher
Alexis de Tocqueville
1 Jahr her
Antworten an  Deutscher

Die klugen Geschäftsleute zerstören ihre Wirtschaft gerade gründlicher und endgültiger als selbst wir. Klar, Energie ist billig und verfügbar, und insolvent geht auch niemand. Das Land hört nur auf zu produzieren.

Deutscher
1 Jahr her

„Hausdurchsuchungen bei Demoteilnehmern. Wasserwerfer, die unter dem Beifall der Staatsmedien eingesetzt werden. Übergriffe gegen Teilnehmer von Demonstrationen, die dafür gesorgt hätten, dass sich sogar UN-Menschenrechtsexperten eingeschaltet hätten.“

Nicht nur das: Hausdurchsuchungen neulich schon, weil ein Witzbold eine Z-Flagge gehisst hatte. Keine Hausdurchsuchengen aber bei denen, die zeitgleich einen ganzen Flughafen außer Betrieb gesetzt haben.

P.Schoeffel
1 Jahr her

Es soll Produktion zurück nach Europa oder gar Deutschland verlagert werden?
Weil man hier

  • die höchsten Energiekosten,
  • die höchsten Steuern und Abgaben,
  • die höchsten Personalkosten,
  • die größte sinnlose Bürokratie,
  • die heftigste Überregulierung,
  • immer weniger vernünftig ausgebildete Arbeitskräfte,
  • absolut keine Planungs- und Investitionssicherheit über länger als 3 Wochen und
  • die heruntergekommenste Infrastruktur

weit und breit hat?
Wovon träumen diese Wirtschaftslegastheniker nachts?
Oder werden da jetzt jede Menge nicht funktionierende Staatsbetriebe eröffnet?

Last edited 1 Jahr her by P.Schoeffel