Die Tage der AfD

Die AfD hat ihren dreitägigen Parteitag in Magdeburg eröffnet. Dem Leitantrag nach will sie die EU neu gründen. Derzeit gelingt es der Partei geschickt, Früchte aus der politischen Landschaft zu ernten.

IMAGO / dts Nachrichtenagentur
Die deutschen Medien haben in den vergangenen Wochen ein Paradox produziert: Über kaum ein Thema haben sie so oft berichtet wie über die AfD. Mit kaum jemandem haben sie so wenig darüber geredet wie mit den Vertretern der AfD. Wenn Anne Will und Co über die Partei diskutieren, laden sie lieber dreimal Kevin Kühnert ein als einmal einen Vertreter der betroffenen Partei.

Nun trifft sich eben die übers Wochenende zu ihrem Parteitag in Magdeburg. Aus ihrer Sicht eine glückliche Wahl. In diesen Tagen hat der SPD-Bürgermeister des benachbarten Städtchens Burg einen Brandbrief an Kanzler Olaf Scholz (SPD) geschickt: Die Einwanderungspolitik ufere aus, die Folgen seien vor Ort nicht mehr tragbar. Ein Gratispunkt für die AfD.

Die hat in den letzten Wochen gar nicht viel machen müssen. Eigentlich genügten Warten und Grinsen: Zusehen, wie Robert Habeck die Menschen zwingt, ihre Heizung auszutauschen und dem Staat die privaten Heizdaten zu überlassen. Zusehen, wie Lisa Paus und Marco Buschmann ein Selbstbestimmungsgesetz vorlegen, das so absurd ist, dass es in der Ampel nicht mal behandelt wird. Und zusehen, wie sich die CDU selbst über die Frage zerlegt, ob man mit einem direktgewählten Landrat oder Bürgermeister reden darf, wenn der von der AfD kommt. Selber kann die Partei keine Fehler machen. Ihre Vertreter werden zu den strittigen Themen von den Medien ja nicht einmal befragt.

Nun ist Parteitag. Ausnahmezustand. Die Medien müssen die Reden der AfD-Delegierten zeigen, müssen mit ihnen reden. Ein Ausnahmezustand, auch weil die Journalisten kritische Fragen stellen und sich in Interviews bissig zeigen – so bissig, wie sie es an den 362 anderen Tagen des Jahres gegenüber den Vertretern von Linken bis CDU nie sein würden. Schon gar nicht gegenüber Vertretern der Grünen.

Die AfD selbst hat gelernt. Zwischen 2019 und 2022 hat sie sich in internen Streitereien zerlegt, ein wirres Bild abgegeben und in der Folge Wahlen verloren. Nun zeigt sich die Partei geschlossener. So kann sie zum einen die Punkte einfahren, die ihnen die Konkurrenz zuspielt. Zum anderen hat die Führung an taktischem Geschick in Sachen PR gewonnen.

Für den Parteitag hat sie einen Leitantrag entwickelt: Die AfD wolle die Europäische Union neu gründen. Die solle ein Bund der Vaterländer werden. Das ist radikal genug, um die Extremen in den eigenen Reihen zu bedienen. Das ist gemäßigt genug, um Menschen nicht abzuschrecken, die AfD wählen wollen, weil sie mit SPD, FDP oder CDU nicht mehr zufrieden sind. Dass die EU die Handlungsfähigkeit ihrer Mitglieder einschränkt, erleben schließlich gerade auch die Vertreter der anderen Parteien. Cem Özdemir und Karl Lauterbach würden zum Beispiel gerne Cannabis legalisieren, doch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags sagt ihnen, dass dies nur schwer mit EU-Recht vereinbar sei. Das zwingt die beiden zu einem Gesetz mit absurden, bürokratischen Umwegen.

In ihrem Leitantrag preist die AfD „die griechische Kultur, das römische Recht, das Christentum und die Aufklärung“. Damit kritisiert sie den Islam, ohne den Islam beim Namen nennen zu müssen. Die anderen Parteien haben die Auseinandersetzung mit den politischen Werten der Religion der Einwanderer tabuisiert. Die AfD zeigt nun, wie man diese Tabuisierung für sich nutzen kann.

Die AfD will künftig einen „Bund europäischer Nationen“ haben, eine „neue Form des Zusammenlebens der Völker in Europa“ und auf dem Weg dahin eine „Volksabstimmung“. Eine gemeinsame Währung könne es geben, aber nur unter „strukturgleichen“ Ländern. Eine „Einwanderung in die Sozialsysteme“ lehnt die AfD ab.

Die anderen Parteien haben eine „Brandmauer“ um die AfD gebaut, haben sie von allen Entscheidungen abgeschnitten. Das macht sich der Magdeburger Parteitag zu Nutze. Wer konkret gestaltet, muss auf die Details achten. Beschließt zum Beispiel ein Minister Subventionen für den Heizungsaustausch, riskiert er, dass nicht alle angemessen profitieren. Will er, dass alle angemessen profitieren, riskiert er, dass der Aufwand in der Verwaltung der Anträge gigantisch wird. In beiden Fällen steht er in der öffentlichen Kritik.

Solche Kritik bleibt der AfD erspart. Wie eine gemeinsame Währung unter „strukturgleichen“ Ländern aussieht? Wie man ein freizügiges Europa ohne Einwanderung ermöglichen will? Welche der 26 EU-Partner bei einer Neugründung mitmachen würden und unter welchen Bedingungen? Mit solchen Details muss sich die AfD nicht beschäftigen. Die Brandmauer schützt sie davor. Es gibt vielleicht Kritik von ARD, ZDF, Süddeutsche, Spiegel und Co. Aber die berichten ohnehin ausschließlich schlecht über die AfD – also kommt es auf die Details gar nicht an.

Parteichefin Alice Weidel hat sich im Vorfeld des Parteitags im ZDF-Morgenmagazin geäußert. Schon allein, dass die Sendung mal ausnahmsweise Kühnert nicht berücksichtigt und stattdessen mit der AfD-Vorsitzenden redet, ist ein Erfolg. 20 Prozent in den Umfragen. Ein direkt gewählter Landrat. 21 Prozent in den Umfragen. Ein direkt gewählter Bürgermeister. 22 Prozent in den Umfragen. Die Erfolge der Partei zwingen, die ungewollte Realität in die berichtete Realität einzubauen.

Im ZDF fordert Weidel „einen Kompetenzrückbau der EU, die so nicht funktioniert und sich immer weiter aufbläht“ – nur der Nationalstaat sei das „richtige Gefäß für eine Demokratie“. Radikal genug. Gemäßigt genug. Botschaft rübergebracht. Darüber hinaus setzt Weidel noch eine Botschaft der Stärke: 2025 sei es durchaus realistisch, dass die AfD einen Kanzlerkandidaten stelle – oder eine Kanzlerkandidatin. Damit sitzt sie in den Köpfen der Gegner, auch wenn der Ausnahmezustand von Magdeburg wieder vorbei sein wird.

Die anderen Parteien scheitern gerade mit ihrer Brandmauer am Aufstieg der AfD. Aber auch die Haltungsmedien, die sich den „Kampf gegen Rechts“ und gegen die AfD zum Ziel gesetzt haben, müssen damit leben, dass sie sich in einer Sackgasse verfangen haben: Seit zehn Jahren lassen sie kein gutes Haar an der AfD. In jedem Halbsatz meinen sie, müsse ihre Verachtung rüberkommen. Nur greift so etwas irgendwann nicht mehr. Wer immer eindringlich vor Wölfen warnt, der wird irgendwann nicht mehr gehört, selbst wenn die Raubtiere gerade das Wohnzimmer erobern.

Diese Medien werden nun gegen den Vorschlag, die EU neu zu gründen, giften. Der Wunsch nach mehr Nationalstaat sei nationalistisch. Damit spielen sie aber das Spiel der AfD. Die hat ihren Vorschlag so formuliert, dass er Punkte bringen wird – auch und gerade dann, wenn ARD, ZDF, Süddeutsche und Co ihn zerreißen. Umgesetzt werden kann er ohnehin nicht. Die AfD muss in diesen Tagen nicht viel machen, um zu punkten.

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Kommentare ( 149 )

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Averroes
9 Monate her

Ich habe mir die „Demonstranten“ gegen den Parteitag gestern und heute angesehen. Gestern wurden „Omas gegen rechts“ von Presse und Fernsehen auf perfide Weise instrumentalisiert. Vorrangig wurden diejenigen mit Rollator (die kaum noch laufen konnten) ausgewählt, zweimal vor Kameras hin- und her zu laufen, um den gelangweilten „Journos“ ein paar Bilder zu liefern – geschmacklos! Etwa so, wie KInder und Jugendliche missbraucht werden für den Klimawahn. Heute waren hauptsächlich linke Aktivisten vor Ort. Sie wurden gleich aggressiv, wenn man sie bei ihrem Agieren filmte – einfach gruselig! Die meisten von denen kamen vorwiegend aus dem niedersächsischen, sogar aus dem bayrischen… Mehr

Querdenker73
9 Monate her

So wird halt „Politikwissenschaft“ getrieben, im gelobten Land! Und dieser Wissenschaftler hat sich nicht mal die Mühe gemacht zu überlegen, was er sagt!

Querdenker73
9 Monate her

Die „Bissigkeit“ der ÖRR-Journalisten, der tausendfach vorm Spiegel trainierte zumindest ablehnende Blick -sollte es ja mal zum Interview kommen – garantiert zu Zeit(!) deren Überleben. Es ist genauso wie das dienstbeflissene Handynutzen auf der Regierungsbank und bei den Blockparteien, wenn ein Sprecher der AfD im Bundestag am Rednerpult steht! Gleichgültigkeit wird hier (nur) vorgetäuscht. Sie hören genau zu! Sie wähnen sich zur Zeit noch in überlegener Mehrheit. Wie steht bei Sigmund Freud? Das Individuum passt sich dem Niveau der Masse an. Auch wenn dieses grundsätzlich unter dem der einzelnen Mitglieder liegt. Erst wenn die Frage des persönlichen Überlebens als ererbter… Mehr

FranzJosef
9 Monate her

Gestern abend fiel mir die Kinnlade runter, als im heute-Journal des ZDF die Moderatorin Dunja Hayali dem AfD Chef Chrupalla am Ende des Interviews lächelnd „und Ihnen noch alles Gute!“ wünschte. Zeitenwende ?

Siggi
9 Monate her
Antworten an  FranzJosef

Ein plumper Versuch sich für das „danach“ abzusichern. Die Berichterstattungen der Medien über den Parteitag sind eine einzige große Farce. Mit allen möglichen Tricksereien und Wortspielchen wird versucht, die guten Ansätze ins Leere laufen zu lassen. Leicht ist zu erkennen, dass sich das wording verschärft. In den nächsten 2 Jahre, sollte diese Regierung denn noch solange bestehen bleiben, wird die AfD mit Lügen und Unterstellungen überzogen, so, dass sich die Balken biegen. Die links-grüne Phalanx des Schreckens wird, wie Merkel, alles daran setzen, die verheerende Politik als prosperierend darzustellen, schließlich will man ja weiter regieren und unserem Land den letzten… Mehr

RauerMan
9 Monate her
Antworten an  FranzJosef

Hayal sah gegen den AfD-Chef alt aus.
Das konntedem ZDF niht gefallen, das war eigentlich anders geplant.

rainer erich
9 Monate her

Maximilian Krah : Politik von rechts. Mitunter hilft es etwas, sich mit den Leuten und ihren Ideen zu beschäftigen anstatt, dem intellektuellen Niveau weiter Teil der sogen Elite entsprechend, die objektiv keine ist, lediglich „Hoecke“ und „voelkisch“ zu stammeln. Und noch einmal : Man muss keineswegs jede politische Ansicht teilen, aber hier geht tatsaechlich um Politik, was allerdings hierzulande seit Merkel bereits unerwünscht ist. Das Mindeste waere aber, sich argumentativ damit auseinanderzusetzen. Darauf warte ich immer noch. Von Rotgruenen erwarte ich nichts Substantielles, weil sie per se dazu nicht in der Lage sind. Von den „kritischen“ Liberalkonservativen kommt leider auch… Mehr

RUEDI
9 Monate her
Antworten an  rainer erich

Ich habe bei dem Interwiew nur einen hyperventilierenden Kähler vom Phoenix gesehen hingegen einen souveränen Maximilian Krah, den ich vorher noch nicht auf dem Schirm hatte. Warum lädt er nicht die Protagonisten in seine Phoenix- Runde ein , von wegen Demokratischer Rundfunk – neutral wie im Rundfunk Staatsvertrag verankert.? Nein Deutscher- Demokratischer – Rundfunk a la Radio DDR.
P.S. im übrigen hatte Kähler in einem Interwiew, so meine ich gesehen zu haben, tatwsächlich richtig Rote Ohren, ich muss nochmal nachschauen. Schamesröte ? ! Stünde ihm gut zu Gesicht.

Falke53
9 Monate her

Auf dem Blog von Boris Reitschuster wurde ein interessanter Beitrag zur AFD veröffentlicht, dem ich jedem nur ans Herz legen kann. Hans-Hasso Stamer, ein in der DDR bekannter Musiker, hat dort die seit Jahren gegen die AFD betriebene Propaganda zerlegt und erläutert, warum diese vom Grundsatz her weder faschistisch noch rechtsextrem noch nationalistisch noch völkisch einzuordnen ist. Audiatur et altera pars – kann ich jedem nur empfehlen.

Der Michel
9 Monate her

Wenn bereits die Forderung nach „Nationalstaaten“ oder einem „Europa der Vaterländer“ extrem ist, dann bin ich wohl auch ein Extremist…

RauerMan
9 Monate her
Antworten an  Der Michel

…, die meisten „Michels“

Peter Pascht
9 Monate her

EU Kommission und EU Parlament sind illegale Machtapparate, kriminell unterwander weil sie eben keiner Staatlichkeit unterliegen. EU Kommisiion und EU-parlament sind ausserstaatliche kriminelle Vereinigungen, im strengen Sinne von Recht und Gesetz Ein EU Parlament kann staatsrechlich nur aus allen Parlamenten aller EU Länder bestehen. denn eine Bundesstruktur die den EU Ländern überlagert wäre gibt es nicht. Dieses Fake-Parlament parallel zum Bundestag besitzt keine verfassungsrechtliche Fähigkeit und keine Rechtfähigkeit. Ja sie maßen sich sogar an über dem Bundestag zu stehen und über dem Bundesverfassungsgericht zu stehen. Ein illegaler Staat der da kriminell errichtet wurde. Das will die AfD ändern. Parlamentarische Entscheidung… Mehr

Grenz Gaenger
9 Monate her

Ach Herr Thurnes,

ich schätze die allermeisten Ihrer Artikel, aber manchmal hauen Sie Sätze raus, dass man jemand Anderes dahinter vermuten könnte:
Wer immer eindringlich vor Wölfen warnt, der wird irgendwann nicht mehr gehört, selbst wenn die Raubtiere gerade das Wohnzimmer erobern.“
Setzen Sie jetzt die AfD mit Wölfen bzw. Raubtieren gleich?
Das ist auf dem Niveau der ÖR & sonstiger Medien, heftig daneben und Ihrer nicht würdig.

Dorothe
9 Monate her

Wer gegen bezahlbare Energie, für illegale Migration, für die Verschandelung unserer schönen Sprache, für die Verteilung unserer Steuergelder in den Rest der Welt, gegen innere Sicherheit, für mehr Abhängigkeit von der fremdgesteuerten EU, für Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, gegen Individualverkehr, gegen Fleischkonsum, für Immobilienenteignung (Kosten Wärmepumpe…..) und gegen Volksabstimmungen ist, kann weiterhin die Altparteien wählen. Alle anderen sollten die Realität mit der durch den ÖRR und die anderen Propagandamedien abgleichen um anschließend eine sachbezogene Entscheidung treffen zu können. Ich behaupte nicht, dass die AFD alle Probleme lösen kann, aber ich weiß, dass die Ampel ( und Merkel zuvor ) die Ursache… Mehr