Fürchtet Euch nicht. So lautet die zentrale Botschaft der Adventszeit, die in sechs Wochen anbricht. Fürchtet Euch, bitte. So lautet die Botschaft der schwarz-roten Bundesregierung. Denn wenn die Regierung Friedrich Merz (CDU) schon an ihren innen- und wirtschaftspolitischen Aufgaben scheitert, dann braucht sie die Angst vor dem Krieg – die Panik vor dem Russen, der in 15 Minuten am Kurfürstendamm ist. Der Kanzler soll dann der Beschützer sein, der seine Bürger in dieser Gefahr abschirmt – so das Kalkül. Eine Prise Kriegspanik, um die eigene, schlechte Vertrauenswürdigkeit zu verbessern. Die Bedrohung durch den Russen war zum Beispiel schon der Vorwand, den Merz nutzte, um sein Versprechen zu brechen und die Schuldenbremse bis zur Nutzlosigkeit aufzuweichen – “whatever it takes”.

Doch diese Regierung hat einen Endgegner, an dem sie immer wieder schon auf Level eins scheitert: die Realität. Friedrich Merz ist in den ersten sechs Monaten viel vor seinen inneren Problemen geflohen, um im Ausland als angesehener Staatsmann zu gelten. Die Bilder von Sharm el-Sheikh beweisen das Gegenteil. Dort saß Merz außen, in der letzten Reihe – neben der Topfpflanze. Andere Staats- und Regierungschefs mieden den Kontakt zum deutschen Kanzler wie zu einem Aussätzigen.

Nun haben Union und SPD eine “Aktuelle Stunde” im Bundestag einberufen. Sie trägt den pastoralen Titel: “Bedrohungslage Deutschlands ernst nehmen”. Von der Kanzel predigt Außen-Staatssekretär Florian Hahn (CSU): Fürchtet Euch. Habt Kriegspanik. Dabei macht er eine Weltreise der äußeren Gefahrenlagen von Russland, über China bis nach Nordkorea. Das wirkt so aufrüttelnd wie die Ansprache des Laien-Hilfspfarrers, bei dem sich sogar die Kommunionskinder wieder trauen zu kichern.

Stefan Keuter (AfD) braucht als Gegenredner nicht viel, um Hahn zu zerlegen. Wenn die schwarz-rote Regierung nun die äußeren Gefahrenlagen erkennen würde, so möchte Keuter entgegenhalten: “Ach wirklich. Jetzt schon?” Denn über Jahre hätte sich die Politik der linken, regierenden Parteien eher um Gendersternchen als um Flugabwehrraketen gekümmert. CDU, CSU und SPD fehle immer noch der Mut, klare Linien zu ziehen.

Die erste Hälfte der laufenden Woche gibt Keuter recht. Die schwarz-rote Regierung hat sich mit der Wehrpflicht tüchtig blamiert. Indem die Vorsitzenden der Regierungsfraktionen den Journalisten versicherten, die Lösung sei schon eingetütet – was diese prompt unter “EIL” vermeldeten. Jens Spahn (CDU) und Matthias Miersch (SPD) riefen eilends auch eine Pressekonferenz ein, um diese Einigung vorzustellen – um die Pressekonferenz dann ebenso eilends wieder absagen zu müssen. Nicht mal über die Minimallösung einer Wehrpflicht können sich CDU, CSU und SPD einigen. Dabei ist dieser Vorschlag so wenig wirksam, dass er schon grotesk wirkt:

Demnach sollen alle Menschen über 18 Jahren einen Fragebogen erhalten. Männer müssen ihn zurückschicken. Frauen nicht. Transfrauen auch nicht. Es sei denn, der Kriegsfall bricht aus. Dann sind sogar für Sozialdemokraten Transfrauen wieder Männer. Mit den ausgefüllten Fragebögen kommen die Männer in einen Lostopf. Werden sie gezogen, müssen sie zur Musterung. Danach fragt sie die Armee, ob sie in dieser dienen wollen. Das ist der Vorschlag der regierenden Parteien. CDU, CSU und SPD fordern den Bürger zwar auf, die “Bedrohungslage Deutschlands ernst (zu) nehmen”. Mit ihrer unernsten, auf eigene Interessen fixierte Politik machen sie es dem Bürger aber nicht leicht, diese Bedrohungslage ernst zu nehmen.

Obendrein ist der Umgang der Regierung mit Angriffen nicht gerade so, dass der Bürger seine Politiker als Beschützer in der Not sieht. Eher als überforderte Führung. Das gilt für die Regierung Friedrich Merz ebenso, wie es schon für die Regierung Olaf Scholz (SPD) gegolten hat: Letztere hat zugesehen, wie der Verbündete Ukraine Deutschlands Infrastruktur in Form der Pipeline Nord Stream sabotieren ließ – und hat dies folgenlos geschehen lassen.

Nun gab es den “Angriff” der Drohnen auf den Münchener Flughafen. Von dem haben die Bürger ebenso wenig gesehen wie von einem Pilotenstreik. Er wisse nicht, wer hinter den Drohnen stecke, aber es könne Russland sein, sagte Merz im Staatsfernsehen. Das ist die Form von Expertise, die einem auch der Hilfsverkäufer im Späti oder die Klofrau in der Eckkneipe geben kann. Nach dreieinhalb Jahren Ukraine-Krieg haben die Regierungen Scholz und Merz noch nicht mal geklärt, wer für den Schutz gegen diese Drohnen verantwortlich ist. Geschweige denn wie. Die Bürger nehmen die Bedrohungslage schon ernst. Nur sehen sie halt die Regierungen Scholz und Merz nicht als den Schutz dagegen an – sondern eher als die eigentliche Bedrohungslage.

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