Werden Lebensmittel bald noch teurer? Inflation erfaßt immer neue Märkte

Die hohen Gaspreise treffen nun auch die Landwirtschaft. Die Preise von wichtigen Düngemitteln sind binnen weniger Tage sprunghaft angestiegen. Dünger-Hersteller drosseln ihre Produktion.

IMAGO / Westend61

Die Preise von Düngemitteln steigen derzeit in schwindelerregende Höhen – und das innerhalb weniger Tage. Etwa haben sich die wichtigsten Stickstoffdünger um 75 bis 150 Euro binnen einer Woche verteuert, berichtet die Internetseite agrarheute. Der Flüssigdünger Ammoniumnitrat-Harnstoff-Lösung notiere zum Ende der ersten Oktoberwoche bei 475 Euro – das seien 150 Euro mehr als vor einer Woche. Kalkammonsalpeter koste 80 Euro mehr pro Tonne – ein Preisaufschlag von rund 20 Prozent. Bei den wichtigsten Mineralstoffdüngern gebe es ebenfalls starke Preisanstiege, meldet das Fachmedium.

Inflation
Baupreise steigen so stark wie seit 1970 nicht
Die Folgen seien bereits massiv spürbar: Immer mehr Hersteller drosselten die Produktion. Händler würden zunehmend keine Düngemittel mehr einlagern, weil die Einkaufskosten deutlich gestiegen seien und ihnen das Preisrisiko zu hoch sei. Immer mehr Landwirte könnten keine Düngemittel kaufen, weil die Lager der Händler leer seien und Nachschub fehle.

Auslöser sind die anziehenden Preise für Erdgas. „Das mittlerweile erreichte Niveau ermöglicht keine ökonomisch sinnvolle Produktion mehr“, sagte etwa Petr Cingr, der Geschäftsführer des Ammoniak-Produzenten SWK Piesteritz. Der Erdgaspreis hat sich innerhalb weniger Monate mehr als verdoppelt. „Wir fordern unverzügliches Handeln der Politik. Ohne staatliche Maßnahmen droht in Kürze ein Produktionsstopp“, erklärte Cingr und fügte hinzu: „Die Konsequenzen werden sich auf weiterverarbeitende Industrien, die Logistik und die deutsche Landwirtschaft auswirken.“

Derzeit spitze sich die Düngemittel-Knappheit zu, berichtet agrarheute. Weltweit würden Hersteller ihre Fabriken reihenweise dicht machen – etwa der spanische Marktführer Fertiberia oder Yara International, einer der größten Stickstoffdünger-Produzenten. In Deutschland kündigte der Ammoniak-Marktführer SWK Piesteritz an, 20 Prozent weniger produzieren zu wollen. Auch der Chemieriese BASF drosselt seine Ammoniak-Produktion in Ludwigshafen und Antwerpen. Ammoniak dient der Industrie als Grundstoff für die Produktion von Stickstoffdüngern. Weil bei der Ammoniak-Herstellung auch CO2 anfalle, dürfte das Gas ebenfalls immer knapper werden, berichtet agrarheute. Lebensmittelhersteller und Schlachter seien auf Kohlenstoffdioxid angewiesen.

Verbraucherpreise
Destatis: Die höchste Inflationsrate seit fast 28 Jahren
Der Dünger-Engpass trifft die Landwirte ohnehin zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Auch sie waren von der anziehenden Inflation nicht verschont geblieben. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts verteuerten sich viele Betriebsmittel, die Landwirte brauchen. Etwa stiegen die Preise für Futtermittel (+17,2 Prozent innerhalb eines Jahres), Kraftstoffe (+25,1 Prozent) und Maschinen für die Land- und Forstwirtschaft (+4,4 Prozent). Insgesamt zogen die Erzeugerpreise um 12,0 Prozent im August an – das war so viel wie seit dem Jahr 1974 nicht.

Doch auch Verbraucher ächzten zuletzt unter der Lebensmittel-Inflation. Laut Statistischem Bundesamt mussten sie im September 4,9 Prozent mehr für Nahrungsmittel bezahlen, als noch vor einem Jahr.

Eine Ursache für die anziehende Inflation dürfte die ultralockere Geldpolitik der EZB und anderer Zentralbanken sein. Seit Beginn der Corona-Krise hat die EZB ihre konsolidierte Bilanzsumme nahezu verdoppelt. Außerdem weitete sie ihre Anleihekäufe mit dem PEPP-Programm aus. Viele Euro-Staaten finanzierten mit dem billigen Geld Konjunkturprogramme. Die öffentlichen Schulden stiegen teils massiv an. Kritische Ökonomen wie der Leipziger VWL-Professor Gunther Schnabl warnen vor einer zunehmenden Zombifizierung der Wirtschaft. Niedrigzinsen und Staatshilfen hielten unrentable Unternehmen künstlich am Leben, warnen sie.

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Kommentare ( 50 )

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Memphrite
2 Jahre her

Wer auf „die Wähler“ hofft oder das der „deutsche Michel bald aufwacht“ etc. sollte sich die Wahlergebnisse des Ahrtals anschauen.
Da spiegelt sich die Zukunft in klein wieder.

IJ
2 Jahre her

Puuuhh. Das sind wahrlich bedrohliche Nachrichten. Noch sind die schlimmen Inflationsimpulse im Energiesektor nicht auf den nachfolgenden Produktionsstufen vollends angekommen. Wenn dies der Fall sein wird, werden die Impulse nicht teilweise weggepuffert wie aktuell (nur 5% Nahrungsmittelinflation bei 30% Energiepreisinflation), sondern progressiv kumuliert (50 % Nahrungsmittelinflation bei 30% Inflation der Vorprodukte und Einsatzfaktoren). Dann geht die Party für uns Verbraucher richtig los.

Last edited 2 Jahre her by IJ
RA.Dobke
2 Jahre her

Keine Verschwörungstheorie, nur mal eine Frage: Kann es sein, dass es absichtlich eine Inflation gibt? Und noch eine bitte: Wer profitiert denn wohl davon?

Dieter
2 Jahre her
Antworten an  RA.Dobke

Das ist letztlich eine Umverteilung des Wohlstandes von Nord nach Süd.
Führt (positiv betrachtet ) zu einer größeren Gleichheit in der EU.
Allerdings: realistisch betrachtet leistet die eine Wirtschaft, die andere nimmt. Wie sozial das ist..?
Prof Sinn erwähnte in einer seiner Vorlesungen zum Stand der EU vor ? 2 Jahren eine Produktivitätsleistungsdifferenz von ca 30%. Das müßte/wird , frei nach ex Außenminister Fischer , raus aus Deutschland, egal wie und was es kostet…

Wolfgang Schuckmann
2 Jahre her

Dieser Bericht oder Beitrag befasst sich mit dem wichtigsten Teil unseres Lebens. Es sind die grundlegenden Bedürfnisse des menschlichen Daseins, die hier auf dramatische Weise berührt werden. Welch voluminöser Unfang der Wirtschaft, die mit der Produktion von Düngemitteln usw. haben, wird jetzt nach und nach sichtbar werden. Und wir können nichts dagegen tun. Es ist eine Kugel, die immer schneller bergabrollt und wenn erst in Bewegung gesetzt, keiner mehr aufhalten kann. Hier wird auf drastische Weise sichtbar, was es bedeutet, von den ineinandergreifenden “ Zahnrädern“ der Wirtschaft erstens abhängig zu sein und zweitens zu erkennen, dass es keine Alternative dazu… Mehr

thinkSelf
2 Jahre her
Antworten an  Wolfgang Schuckmann

Da wurde überhaupt nichts unter der Decke gehalten. Jedenfalls nicht für jemanden der bis drei zählen kann. Das ist alles so von der überwältigenden Mehrheit gewünscht.
Ich denke, die Grünen wissen mehr, als sie sagen, ebenso die FDP. „
Nö, die exekutieren einfach den Wählerwillen. Und der will zurück in den feudalen Mittelalterstaat, in dem er nach dem Heloten-Status strebt, denn er ja in den letzten 20 Monaten bereits mit Freude eingenommen hat.
Deswegen kommt auch keine Rechnung, sondern die Wünsche der breiten Masse gehen endlich in Erfüllung.

humerd
2 Jahre her

auch dafür schwänzten unsere Greta Anhänger Freitags die Schule und hüpften ganz toll in die Luft. Während des Wahlk(r)ampfes verwendeten Promis den Enkelrick und schrieben Omas & Opas an. Nicht wenige fielen auf den Enkeltrick rein.

olympos
2 Jahre her

Waehren Duengermittel und andere Produkte teuerer werden, verkaufen die Bauern immer billiger an die Haendler. Lebensmittelverteuerungen interessieren den gruenen Fanatiker nicht, den sie ernaehren sich von Wind, Sonne, Klima und Gender.

Andreas Peschke
2 Jahre her

Klingt, als ob wir bei dem „Klimaschutz“ besser vorankommen als geplant.
Im ernst: Vielleicht bekommen die Bürger und Wähler mit, was die grünen Pläne der Parteien tatsächlich bedeuten. Viele lernen nur aus bitterer Erfahrung.

Kaltverformer
2 Jahre her

Vielleicht bekommen die linksgrünen Volldeppen jetzt doch mit, das, wenn man die Energiekosten wegen dem bösen, bösen CO2 und dem Wahn das Klima zu retten steuertechnisch immer weiter erhöht, nicht die Produzenten, sondern die Verbraucher trifft.
Die ganze Welt lacht inzwischen über diese Typen!

Ich frage mich bei jeder Wahl immer mehr: Wer wählt die eigentlich? Wenn ich nach Berlin sehe, dann kann man sich ja nicht mal mehr sicher sein, dass da überhaupt eine Wahl stattfand und nicht eine Horde linksgrüner Klatschhasen irgendwelche Schätzungen, a la 2 + 2 ist irgendwas zwischen 3 und 6 anstellte.

Kuno.2
2 Jahre her
Antworten an  Kaltverformer

Wenn die „Welt“ lacht, dann nur über sich selbst. Denn der Klimaaktivismus wurde in den USA ins Werk gesetzt und nicht in Europa.
Auch Japan ist da mit von der Partie.

Dieter
2 Jahre her
Antworten an  Kuno.2

und weil sich die Idee verselbstständigt hat und einige jetzt fanatisch-diktatorisch über andere bestimmen , sieht man jetzt in Californien – dem Vorzeigestaat – den Exodus der großen Unternehmen
(Tesla will das HQ nach Texas verlegen, Amazon will raus aus Seattle..- Grüße von der CHAZ..)

olympos
2 Jahre her
Antworten an  Kaltverformer

90 % der Welt lacht wahrlich diese Typen aus, den die Welt hat reale Probleme des Ueberlebens und ueber die runden kommen! Fanatiker hoeren erst auf, wenn alles in Truemmern liegt.

Demokratius
2 Jahre her
Antworten an  Kaltverformer

Unter diesen Bedingungen verlegen die Unternehmer ihre Produktion nach China oder ähnliche Länder mit billigen Energiekosten, niedrigeren Umweltstandards, billigen Arbeitskräften und Kinderarbeit. Der zunehmende Transportaufwand verpestet die Luft wenigstens noch vor der deutschen Grenze.
Nur die Bauern haben das Nachsehen – sie können ihre Felder nicht nach China verfrachten.

ersieesmussweg
2 Jahre her

Sinnvolle und konstruktive Dinge haben in unserer Welt keinen Platz mehr. Es ist alles ideologisiert. Wir erleben leider auch, dass folgendes Zitat (ich glaube von M. Thatcher) auch wahr ist: Das Problem des Sozialismus ist, dass einem schnell das Geld der anderen Leute ausgeht.
Wann kommt Fridays For Food?

jwe
2 Jahre her

Ob nun die Preise explodieren für Gas, Kunstdünger und was auch immer ist doch nur ein Vorgeschmack auf das was mit Rot-Grün kommt. Diese komische Kämpfert verlangt CO2-Preise von 200 Euro Tonne (zu den seit 01.01. geltenden 25 Euro). Die Preise für alles werden in Deutschland nur noch einen Weg kennen, massiv steigend. Da die Einkommen diese Inflationsschübe nicht mitmachen (oder hatten wir in diesem Jahr schon Tariferhöhungen von 5% und mehr je Jahr) wird sich der KOnsum zwangsläufig einschränken. Auch durch die steigenden Heizkosten, Steuern und Abgaben bleibt monatlich für alles andere weniger. Und genau das ist gewollt. Dadurch… Mehr

Demokratius
2 Jahre her
Antworten an  jwe

Die sog. Eliten und Besserverdienenden hoffen, von der kommenden Malaise verschont zu bleiben. Sonst würden sie sich nicht so stark dafür einsetzen, die Äste abzusägen, auf denen nicht nur die „ewig Gestrigen, Dummen und Armen“, sondern am Ende auch sie selber sitzen.