Der Termin für den nächsten Wirtschaftsgipfel steht fest. Am 6. November treffen sich Vertreter der Stahlbranche mit dem Bundeskanzler und der Wirtschaftsministerin im Kanzleramt. Der nächste Medienakt im Abstiegsdrama der deutschen Wirtschaft.
picture alliance / Hans Lucas | Magali Cohen
Nur wenige Politiker besitzen den Mut, in einer schweren Wirtschaftskrise auf marktwirtschaftliche Reformen zu setzen. Argentiniens Präsident Javier Milei scheint einer aus dieser erlesenen Gruppe zu sein – Friedrich Merz ist es definitiv nicht. Der Bundeskanzler setzt auf den starken Staat und rief nun für den 6. November den nächsten Wirtschaftsgipfel aus. Diesmal steht die Stahlbranche im Fokus, die in schwerste Turbulenzen geraten ist.
Das immergleiche Ergebnis
Friedrich Merz betonte im Vorfeld des Spitzentreffens, Deutschland dürfe seine eigene Stahlindustrie nicht verlieren und von Importen abhängig werden. Man wolle Arbeitsplätze erhalten, so ein Regierungssprecher.
Im Grunde genommen kennen wir das Ergebnis dieses Gipfels bereits. Die Politik wird weiter um den mehrfach angekündigten, subventionierten Industriestrompreis kreisen. Die Betriebe fordern Protektionismus gegenüber der chinesischen und indischen Billigkonkurrenz, während die Gewerkschaften auf weitgehende Jobgarantien pochen. „Same procedure as every Gipfel“.
Immer wieder grüner Stahl
Alle gemeinsam wollen sie klimafreundlichen, sogenannten „grünen“ Stahl produzieren und entsprechende Absatzmärkte entwickeln. Wie dieser grüne Stahl vermarktet werden soll, bleibt ein Rätsel – besonders auf einem Weltmarkt, den China und Indien mit Dumpingpreisen beherrschen. Gegen diese Realität helfen keine Imagekampagnen, sondern nur Wettbewerbsfähigkeit – und genau die fehlt. Der deutsche Anteil der Stahlproduktion am globalen Markt liegt mittlerweile bei nur noch zwei Prozent – Platz sieben im Standortranking.
Das politische Retortenkind grüner Stahl leidet derweil an den hohen Stromkosten und an der mangelhaften Versorgung mit Wasserstoff. Zudem zeigt der Weltmarkt diesem Nischensegment bislang die kalte Schulter. Der Rückzug von ArcelorMittal scheint Politik, Wirtschaftsvertreter und Gewerkschaftsfunktionäre derweil nicht weiter zu beeindrucken. Es wirkt, als versuchten Politik und Verbände die Krise mit wirtschaftlichem Voodoo zu beschwören – mit denselben wirkungslosen Rezepten, die uns überhaupt erst in diese Lage geführt haben.
Die selbst verursachte, schwere Energiekrise, der wuchernde Öko-Regulierungskatalog und der immer weiter grassierende Staatsinterventionismus, werden auch diesmal keine Gipfelthemen sein. Sparen wir uns an dieser Stelle die Vertiefung der Debatte um die einzig denkbare Medizin. Marktwirtschaftliche Reformen, die Rückabwicklung von CO2-Besteuerung und Klimaregulierung – mit dieser Bundesregierung wird es sie ohnehin nicht geben. Das ist vergebene Liebesmüh.
Medienspiele der 90er Jahre
Diese Bundesregierung – unter ihrem selbstinszenierten Krisenkanzler Friedrich Merz – wirkt sogar medienpolitisch wie ein Relikt. Kein neues Format, kein Reformwille, nur das vertraute Theater der 90er Jahre: angekündigte Gipfel, kalkulierte Betroffenheit, kontrollierte Bilder.
Merz inszeniert die wiederkehrenden Gipfel als Simulation von Wirtschaftsnähe, wachsendem Problembewusstsein und entschlossener Führungsstärke – als harmonische Auflösung der kognitiven Dissonanz zwischen der geschönten medialen Darstellung der wirtschaftlichen Lage und der brutalen Realität in den Betrieben.
Doch scheint die Strategie nicht mehr zu verfangen: Die fallenden Umfragewerte der Unionsparteien und der SPD zeigen, dass sich die brandgefährliche Wirtschaftskrise zunehmend ins Bewusstsein der Bevölkerung vorarbeitet.
Gewerkschaften ergänzen Klassenkampf-Fragmente
Eine besonders feine Zutat in dieser Suppenküche des Niedergangs lieferte der DGB und empfahl, das Bundestariftreuegesetz bei Ausschreibungen schärfer zu stellen – der perfekte Augenblick, nach weiterer Regulierung zu rufen. Das wird noch ein entscheidender Faktor sein, wenn nun verstärkt Aufträge aus dem Rüstungssektor ausgeschrieben werden und sich die Betriebe um Staatsaufträge bemühen.
Mehr Dokumentationspflichten, mehr Regulierung, weniger Wettbewerb – das ist in etwa die Schlagrichtung der Gewerkschaften. Einige Große profitieren, der Mittelstand bleibt außen vor. Das ist zur gängigen Praxis im Interventionsstaat Deutschland geworden. Glücklich kann sich schätzen, wer in diesen Tagen als Funktionär aus maximaler Distanz die große Rede schwingen kann.
Zeitgeist und Anbiederung
Die führenden Gewerkschaften nehmen innerhalb dieser Medienmatrix ihre klassische Rolle ein. Sie weben Fragmente altbekannter Klassenkampfrhetorik in die unterschiedlichen Medienspiele ein. Sie sitzen mit am Tisch, devot dem Zeitgeist von Klimawandel und grüner Transformation verpflichtet. Und sie sehen ihre Hauptaufgabe darin, das vorgegebene Regulierungsdesign tatkräftig zu verteidigen.
Nicht der Erhalt von Arbeitsplätzen steht im Fokus – sonst hätten sie beim Verlust Hunderttausender Industriejobs längst Alarm geschlagen. Statt Widerstand zu leisten, verwalten sie den Niedergang und verteidigen den Green Deal wie ein Dogma. Kein Wort zur Automobilkrise, zur Verlagerung von Investitionen nach Ungarn oder, wie jüngst im Fall von Stellantis, in die USA.
Gewerkschaften fest eingebunden
Noch halten sich Gewerkschaften und Betriebsräte weitgehend zurück, wenn es um die Umstellung der Produktion auf Rüstungsgüter im bislang zivilen Betriebsumfeld geht. Immerhin: Der Porsche-Betriebsrat lehnte die Umstellung der Produktion aus ethischen Gründen kategorisch ab.
Die IG Metall hingegen deutet einen möglichen semantischen Ausweg aus diesem Konflikt an. Sie erwartet von der Politik eine „Windfall Tax“ – also eine Sondersteuer auf die Übergewinne der Rüstungskonzerne, die im Zuge der Subventionen entstehen. Eine Art Ablasshandel, der ethische Debatten auf die lange Bank schiebt. Panzer, Fregatten und Kriegsmaterial sollten nicht zu höheren Gewinnen führen als die Produktion von Autos oder Brötchen, so der Tenor.
Die wahren Absichten
Blickt man auf den dramatischen Produktionsrückgang in der deutschen Grundstoffindustrie, dürfte alles auf diesen finalen Konflikt hinauslaufen: Rüstungsproduktion oder Werkschließung. In einem Moment ehrlicher Offenheit müsste Bundeskanzler Friedrich Merz der Bevölkerung diese letzte Option offenlegen. Die Produktionskapazitäten der deutschen Industrie sind nur noch zu etwa 70 Prozent ausgelastet. In den zurückliegenden sieben Jahren ist die Produktion um beinahe 25 Prozent eingebrochen.
Gesetzt, es wäre der Plan der Bundesregierung, den staatlichen Einfluss auf zentrale Produktionsbereiche der Wirtschaft auszuweiten – und wer würde angesichts der massiven Interventionen daran zweifeln? – bliebe nur noch der letzte Ausweg in den Aufbau einer europäischen Kriegswirtschaft.
Merz steht in der Pflicht, den Menschen angesichts der dramatischen ökonomischen Verwerfungen im Land reinen Wein einzuschenken. Im Grunde müsste er diese Strategie dem Souverän in einem Wahlakt zur Entscheidung vorlegen. Wir stehen an einer gesamtgesellschaftlichen Zäsur, die jeden in diesem Land betrifft.





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Dieses Land ist nun mal nicht reformierbar, der Wähler will es nicht, Punkt aus. Ausgenommen dem EEG Schwachsinn sind alle Probleme 40 Jahre und älter, allerdings wurde keines der Probleme entschärft, im Gegenteil die Probleme haben sich verschärft. Über was wollen wir uns hier unterhalten? 70 % der Schlafschafe setzen auch heute noch ihr Kreuz bei dem Weiter so.
> Wie dieser grüne Stahl vermarktet werden soll, bleibt ein Rätsel – besonders auf einem Weltmarkt, den China und Indien mit Dumpingpreisen beherrschen.
Es sind keine „Dumpingpreise“, sondern ganz normale, wenn man keinen Krieg gegen CO2 führt und preiswerte Energie hat. Das hätte auch Buntschland haben können, wäre man nicht bescheuert.
Dabei gibt es eine einfache Regel.
Keine Teilnahme an einer Besprechung, bei der nichts raus kommt.
Gipfel ist nur ein anderes Wort für Besprechung ohne Ergebnis
Merz kann nix tun, denn die Macht im Lade haben andere … Seehofer hat das schon so gesagt … es wäre Tichys Aufgabe hier Klarheit zu verbreiten
Gipfel sind das Pfeifen im Walde oder das gemeinsames Händchenhalten, damit man mit den Gefahren gemeinsam fertig wird und ihnen einzeln keineswegs gewachsen wäre, wenn der Ami nicht seine schützende Hand über uns halten würde. Da kommt doch immer wieder das Herdentier hervor welches sich in Stellung bringt, wenn der Wolf sie umkreist und deshalb gipfelt es in allen Ecken, weil man zuhause im Zimmerchen mit der Gefahr mental nicht fertig wird um sich dann im lauten Chor der gleichgesinnten Ängstlichen zu versammeln, damit der Schmerz erträglicher wird. Wir haben soviele Misthaufen vor unsere Hütte liegen, wo es sich lohnen… Mehr
Rüstung ist keine Investition, sondern Konsum. Für das Geld kann man auch Radwege in Peru bauen, mit denen kann man wenigstens keinen Krieg beginnen.
Den Krieg beginnen ohnehin andere … Putin, Hamas, Iran, Venezuela, Boko Haram …
Ein paar Waffen zu Verteidigung wäre nett – aber wo sind die Soldaten ? Wer würde sich für Fritze, die Altparteien oder kranke Grüne abballern lassen ?
„Apoplektischer Zustand“ der (Stahl-)Wirtschaft, da folgt als nächstes Stadium der Tod. Und Merz steht daneben wie das Kind beim Dreck. Ein Hampelmann, verlogen, unzuverlässig, mutlos, was der verspricht räumt Rotgrün gleich wieder ab. Die CO2-, Klima- und H2-Religion, bzw. der zugehörige Machbarkeitswahn hat uns bereits so tief in den Sumpf gefahren, da gibts kein zurück mehr. Der Kollaps Deutschlands und des € und damit der EU kommt.
Merz kann wegen seiner Machtbesoffenheit, die sich auch in seiner Verlogenheit offenbart, dem Land keinen reinen Wein einschenken, weil er und der von ihm geführte Blockparteien-Winzerverband nur Wein anbieten, der ungenießbar bleibt. Der Blockparteien-Wein hinterlässt nach dem Konsum nur eine Katerstimmung, die oft auch mit Brechreiz einhergeht.
Grüner Stahl, grüner Wasserstoff…man könnte nur noch mit dem Kopf auf die Tischplatte schlagen und dabei hoffen, daß man aus diesem Albtraum endlich aufwacht.
Reden kann er gut, aber mit dem konkreten Handeln hapert es doch enorm.
Ich denke, Merz wird nicht eines der 4 – 5 großen Probleme lösen. Nicht eines!
Und mit der heutigen SPD, die mit der alten Arbeiterpartei nichts mehr zu tun hat, kann man keine Probleme lösen.