Die Rezession rückt näher

Sonderfaktoren in der Automobilindustrie haben die Rezession der deutschen Wirtschaft hinausgezögert, aber nicht außer Kraft gesetzt. Die Konjunkturprognostiker liegen also mit ihren Rezessionserwartungen nicht so ganz falsch.

IMAGO / IlluPics
Symbolbild

Nichts ist schlimmer für Prognostiker, als wenn ihre Prognosen partout nicht in Erfüllung gehen wollen, obwohl die Rahmenbedingungen sich doch prognosegemäß verhalten haben und das doch erfordert hätten. Ein schlimmer Zustand.

Für die deutschen Konjunkturprognostiker endet im Augenblick eine solche schwere Zeit. Da hat die Zunft unisono seit Frühjahr 2022 als Folge des Ukraine-Krieges, der Verknappung von Rohstoffen und vor allem als Folge explodierender Energiepreise mit all ihrer inflationären Kaufkraftvernichtung vor der im Herbst einsetzenden Rezession gewarnt. Vergeblich! Die Rezession blieb aus!

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Im Gegenteil! Statt über Auftragsmangel klagte die Wirtschaft über Arbeitskräftemangel, fehlende Zulieferteile, anhaltenden Chipmangel, Störungen der chinesischen Lieferketten und hohe Energiekosten an den Tankstellen. Als dann zu allem Übel das Statistische Bundesamt für das dritte Quartal 2022 auch noch ein – wenn auch nur leichtes – Wachstum des Bruttoinlandsproduktes errechnete statt der erwarteten rezessiven Schrumpfung, war des Frusts kein Ende.

Im Epizentrum des Abschwungs sollte erwartungsgemäß die Automobilindustrie stehen, da hier alle negativen Einflussfaktoren aus dem außen- wie binnenwirtschaftlichen Umfeld kumulierten. Insbesondere der inflationäre Kaufkraftentzug und die zunehmende Verschlechterung der Verbraucherstimmung müssten in dieser Schlüsselindustrie nach Meinung der Experten deutliche Absatz- und Beschäftigungseinbrüche nach sich ziehen. So war es früher.

Und was geschah? Die im August eingesetzte Erholung der Autoindustrie hatte auch im Oktober 2022 noch Bestand. Das Problem der monatelang fehlenden Vorprodukte hat sich weiter reduziert, lange bestellte Autos kamen endlich bei den Kunden an. Gewinner am Markt waren überdies die in der grünen Politik verpönten Plug-in-Hybride. So wurden im Oktober in Deutschland mit 208.642 deutlich mehr Pkw neu zugelassen (+ 16,8 Prozent) als im Vorjahr. Das Plus signalisiert zwar Erholung, ist aber insofern irreführend, denn es ist das nach 2021 zweitniedrigste Oktober-Ergebnis aller Zeiten.

Auch kumuliert lagen die Neuzulassungen 2022 bis Oktober 5,5 Prozent unter Vorjahr. Es sind die niedrigsten Neuzulassungen nach zehn Monaten seit der Wiedervereinigung. Verglichen mit dem entsprechenden Zeitraum vor der Pandemie beträgt das Minus sogar 28 Prozent.

Aus konjunktureller Sicht ist das Niveau zwar schlecht, eine zusätzlich rezessive Entwicklung blieb indessen bisher aus. Laut Automobilwoche leidet die Branche vorerst weiter unter einer Angebotskrise, die nur langsam zu Ende gehe. Trotz Erholungstendenzen bei Zulassungen und Produktion dominieren weiterhin Chipmangel und fehlende Vorprodukte die aktuelle Situation.
Gleichwohl vermeldet der Verband der Automobilindustrie (VDA), dass die inländische Pkw-Produktion gegenüber dem Vorjahr im Oktober sogar um 30 Prozent gesteigert werden konnte und nach zehn Monaten um zehn Prozent höher liegt als im Vorjahr – dies ist aber immer noch 30 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum 2019.

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Auch die Konjunkturerwartungen der Experten für die nächsten Monate sind für die Autohersteller nicht gerade „rezessiv“. Denn der Auftragsbestand ist infolge der niedrigen Neuzulassungen früherer Monate weiterhin sehr hoch und wird nur langsam abgebaut. Kurzum: Für die kommenden Monate ist völlig konträr zum sonstigen Konjunkturbild eher mit einer weiteren Erholung bei Produktion und Neuzulassungen zu rechnen statt mit einem Nachfrageeinbruch. Ein vollständiger Abbau der überhöhten Auftragsbestände bis Anfang kommenden Jahres ist nicht zu erwarten.

Die Automobilwoche rechnet auch im November wieder mit einer zweistelligen Wachstumsrate gegenüber dem Vorjahr. Für das Gesamtjahr werden Neuzulassungen von 2,52 Millionen Pkw erwartet. Damit würde das Vorjahresergebnis um knapp vier Prozent verfehlt, es kann aber auch besser werden. „Das endgültige Ergebnis wird ausschließlich durch die Verfügbarkeit bestimmt werden.“

Für die Konjunkturauguren mag es dennoch tröstlich sein, dass es auch stark negative Indikatoren gibt, die die kommende Rezession in der Autoindustrie wie in der gesamten Volkswirtschaft anzeigen: der Index der Geschäftserwartungen in der Autoindustrie des Ifo-Instituts. Die Geschäftserwartungen der Autoindustrie rauschen aktuell in den Keller. Der – unbegründete – Optimismus bei vielen Herstellern und Autohändlern vom Sommer ist profundem Pessimismus gewichen.

Das belegt der aktuelle Ifo-Geschäftsklimaindex. Der Index für die Geschäftserwartungen von Autoherstellern und Zulieferern in den kommenden sechs Monaten rauschte von minus 6,3 Punkten im September auf minus 35,3 Punkte. „Die Sorge um eine ausfallende Nachfrage trifft nun auch die Autohersteller und ihre Zulieferer“, sagt Oliver Falck, Leiter des Ifo-Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien.

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Stärker noch als bei den Herstellern und Zulieferern ist der kommende Abschwung beim Handel sichtbar. Der Autohandel berichtet schon seit Wochen über fehlende Nachfrage. Der Indexwert für die Geschäftserwartungen ist seit drei Monaten stark rückläufig und hat im Oktober einen neuen Tiefpunkt (minus 54,6) erreicht.

Schon seit geraumer Zeit berichten Händler von ausbleibender Kundschaft, halten sich die Kunden beim Kauf spürbar zurück, sowohl Privat- als auch Firmenkunden (Automobilwoche). Dies entspricht der Lebenserfahrung, dass der Krieg, die Preissteigerungen und die Energiekrise bei den Autokäufern zu einer extremen Verunsicherung geführt haben. „Die Leute haben gerade andere Sorgen, als sich ein Auto zu kaufen.“ Hinzu kommt zu der Sorge des OB eines Neukaufs die Frage des WAS eines Neukaufs. Welches Auto soll es sein, ein Elektroauto oder wieder ein Verbrenner, dessen Tage doch gezählt sein sollen? Oder nicht lieber doch abwarten, bis eFuels am Markt sind?

Die Konjunkturprognostiker können also aufatmen, so ganz falsch liegen sie mit ihren Rezessionserwartungen nicht. Störfaktoren haben nur das normale Konjunkturschema überlagert – in diesem Fall positiv. Die sich ankündigende negative Entwicklung aus der Autoindustrie wird spätestens im ersten Quartal 2023 negativ auf die Gesamtwirtschaft zurückstrahlen, so wie das in allen 6 Konjunkturzyklen der Nachkriegszeit gewesen war. Sonderfaktoren wie zuvor unbekannte Angebotsengpässe haben diesmal den Abschwung nur verzögert, außer Kraft gesetzt haben sie ihn nicht.

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Kommentare ( 28 )

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abel
1 Jahr her

Wundert mich auch nicht das Kaufhof eneut reduzieren muß. Die Läden sind nur noch in den Großstädten (Stadtmitte). Parkhaus die Stunde ab 4€. Sonstige Erreichbarkeit über vermüllte Einkaufsmeilen und verdreckten U-Bahn Haltestellen. Nebenbei findet man dort nur noch hochpreisige Produkte von mittelmäßiger Qualität.

abel
1 Jahr her

Wenn die FastFood-Restaurants ein Gradmesser für Armut sind dann sind wir wirklich reich im Land. Gerade die mit dem geringsten Einkommen essen dort oft überteuerte Produkte. Da sind schnell 20€ für fast nichts auf dem Tablet.

abel
1 Jahr her

Massenarmut funktioniert in weiten Teilen der Welt. Die Reichen leben dann in Hochsicherheits-Gates.

abel
1 Jahr her

Die Kunst besteht darin die Bürger mit irgendwelchen Hilfspaketen einzulullen. Am Ende bekommt jeder Bürger irgendwelche Hilfspakete und merkt gar nicht das es trotzdem ein Minusgeschäft für die meisten ist.

merkelinfarkt
1 Jahr her

Aus der nur eingebildeten deutschen „konsumverschuldeten Hitze-Weltklima-CO2-Laborkittel-Tritratralala-Happening-Klebe-Krise“ wird „dank“ zahlreicher entsprechend gläubiger Wähler/innen und allseitig übelster Beschimpfung und Diffamierung (Nazis,Faschisten,Verfassungsfeinde, Rechtsextreme,Rassisten,Kindermörder,Grenzschießwütige,Holocaustleugner,Klimaleugner,Europafeinde) der letzten noch ernsthaft vorhandenen, demokratischen, politischen Opposition per beklatschter Steuererhöhungen, geforderten Verstaatlichungen, und untertänigst akzeptierten Verboten („Limits“) und Marktaußerkraftsetzungen, sowie aktiv durchgeführter (Schlepperschiffe), umfassender Einladung an alle, die die Hand aufhalten und anfahren können, eine tatsächliche veritable und fundamentale Wirtschaftskrise, deren eiskalter Hauch jedes grünrotrote schwarzmerkelvergrünte und gelbvergrünte Klimbim noch erstarren lassen wird. Das Wetter wird mit massiven Energientzug beim Wind und rückstrahlenden Solargroßflächen etwas kontinentaler und stationärer und damit mit seinen Jahreszeiten ähnlich bleiben – sonst nichts.… Mehr

Ede
1 Jahr her

Das Schlimmste ist nicht, dass eine Rezession kommt, denn die hat es schon in der Vergangenheit gegeben und irgendwann ging es dann wieder bergauf. Das Schlimmste ist, dass die Rezession bewußt hervorgerufen wurde, wenn nicht sogar erwünscht ist. Es erfüllt sich der grüne Traum von der Abkehr der Konsumgesellschaft. Immer wieder wurde uns von dem bösen Kapitalismus erzählt und dass man ihn überwinden müsse.
Da dieses eine erwünschte Transformation ist, glaube ich nicht, dass es wie gewohnt in absehbarer Zeit eine Trentumkehr geben wird.

Peter Pascht
1 Jahr her

Es ist für die Prognose unwichtig ob die Rezession tasächlich kommen wird. Wichtig ist, in der prognose die Zeichen zu erkennen, ob eine Rezession droht. Die qualitative Prognose ist also wichtiger als die quantitative Prognose. Diese Zeichen sind aktuelle unverkennlich. Präventiv ist es schon wichtig, die Vorzeichen zu erkennen, ob Zeichen einer Rezession eintreten werden, um eine Rezession nicht fahrlässig zu verursachen. Noch wichtiger ist es, zu erkennen und zu verstehen, wie man einer Rezession entgegen arbeiten kann. Leider wird, Erkennen, Verstehen und Handeln, sehr oft vom egoistischen Blick der Eigenziele und Absichten, verstellt und verdeckt. Aber selbst wenn es… Mehr

JamesBond
1 Jahr her

Einspruch, es geht aufwärts, zumindest in Hessen: „ In Hessen sind Online-Casinos künftig unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Im Landtag in Wiesbaden wurde am Donnerstag eine Änderung des Glücksspielgesetzes verabschiedet.“

Medienfluechtling
1 Jahr her

Das ist meistens aber auch der Verkehrspolitik geschuldet. Wer keine Autofahrer (oder nur deren Geld) in der Stadt haben möchte, sondern auf Migranten und das denen gegebene Taschengeld setzt, braucht sich nicht zu wundern.

nomsm
1 Jahr her

Das BIP profitiert stark von den steigenden Konsumgüterpreisen. Da eben erstmal nicht preisbereinigt. Preisbereinigt gibt es sowohl im Baugewerbe, als auch in der Industrie Einbrüche im Q2. Einzig im Handel und Dienstleistungen gab es Zuwächse im Vergleich zum Vorjahr, was aber den Lock—Downs geschuldet war, insbesondere die Gastronomie hat von Öffnungen profitiert. D.h. Deutschland lebt momentan noch stark davon, dass die Deutschen (nach)konsumieren. Essen gehen, Kino usw. sind Konjunkturtreiber. Ansonsten geht es steil bergab. Sollten die Deutschen ihre ersten Rechnungen für erhöhte Gaspreise erhalten, sieht es ganz anders aus. Viele Deutsche erhalten die als Mieter zunächst nur Anhebung der Nebenkostenvorauszahlung.… Mehr