Vor Gericht ist man vielleicht in Gottes Hand. Ganz sicher jedoch ist man in der Hand eines Richters. Ein Unteroffizier der Bundeswehr wird jetzt unehrenhaft entlassen. Recht und Gerechtigkeit sind bei uns nur noch entfernte Verwandte.
picture alliance / PIC ONE | Peter Engelke
Zweimal geweint hat Hauptfeldwebel Michael W. am Donnerstag vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Das erste Mal vor Freude, das zweite Mal vor Entsetzen.
Denn in seinem Prozess hat sich der deutsche Rechtsstaat erst von seiner besten Seite gezeigt – und dann von seiner schlechtesten.
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Ein juristischer Laie könnte die ganze Sache für eine schreiende Ungerechtigkeit halten. Aber was verstehen Normalbürger schon von unserem Rechtswesen?
Michael W. hatte sich 2021 nicht gegen Corona impfen lassen wollen. Das hat die Bundeswehr als Befehlsverweigerung gewertet und ihn bestraft. Als sein Truppenteil am Standort Burg in Sachsen-Anhalt einen neuen Kompaniechef bekam, suchte der vorher stets untadelige, verdiente Unteroffizier das Gespräch mit dem neuen Vorgesetzten. Er wollte seine Corona-Skepsis erklären, als Basis für eine künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Der neue Kompaniechef verfasste ein Gedächtnisprotokoll dieses Gesprächs und leitete es an höhere Stellen weiter. Darin stand, Michael W. habe sinngemäß erklärt, sein Vertrauen in den Staat und die militärische Führung sei derart gestört, dass er sich an seinen Treueeid nicht mehr gebunden fühle und auch einem etwaigen Marschbefehl im Rahmen einer NATO-Verpflichtung nicht Folge leisten würde.
Michael W. bestreitet bis heute, so etwas jemals gesagt zu haben.
Das Truppendienstgericht der Bundeswehr wertete die Corona-Befehlsverweigerung und das angebliche Abrücken vom soldatischen Treueeid zusammen als ausreichend schwere Vergehen, um die Entfernung aus dem Dienst anzuordnen. Michael W. wurde unehrenhaft entlassen.
Dagegen klagte der Hauptfeldwebel. Zum einen aus formalen Gründen: Es sei eine vertrauliche Unterredung gewesen, um die er selbst gebeten hatte, und kein offizielles Personalgespräch. Entsprechend gab es, anders als sonst vorgeschrieben, vorab keine rechtliche Belehrung. Von dem Gedächtnisprotokoll wusste er gar nichts, geschweige denn, dass es ihm vor der Weiterleitung zur Autorisierung vorgelegt worden wäre.
Inhaltlich, zum anderen und wie beschrieben, bestreitet Michael W., die ihm zur Last gelegten Aussagen gemacht zu haben.
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Jetzt wurde die Sache am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vor dem Zweiten Wehrdienstsenat verhandelt.
Vorsitzender Richter dort ist Dr. iur. Richard Häußler. Der Mann ist kein Unbekannter. Er war es, der die sogenannte Duldungspflicht aller Bundeswehrsoldaten auch bei der Corona-Impfung für rechtmäßig befunden hatte:
Nach dem Soldatengesetz müssen Mitglieder der Truppe ärztliche Maßnahmen auch gegen ihren Willen hinnehmen, wenn dadurch übertragbare Krankheiten verhütet oder bekämpft werden können. Für diese sogenannte Duldungspflicht hat die Bundeswehr die für notwendig erachteten Impfungen in einem „Basisimpfschema“ aufgelistet. Das umfasst schon lange Impfungen gegen die Infektionskrankheiten Diphtherie, Hepatitis A und B, Influenza, Masern, Mumps, Pertussis, Polio, Röteln und Tetanus.
Am 24. November 2021 wurde die Corona-Impfung in dieses Basisschema aufgenommen. Aber viele Bundeswehrangehörige wollten sich nicht gegen Corona impfen lassen. Sie hatten ihre Verträge als Zeitsoldaten unterschrieben, als diese Impfung noch nicht im Basisimpfschema stand. Gegen die Covid-19-Impfstoffe und deren Zulassungsverfahren hatten sie schwere Bedenken – aus mehr als guten Gründen, wie man heute weiß.
Mindestens 70 Soldaten wurden unehrenhaft entlassen, weil sie den Befehl verweigerten, sich gegen Corona impfen zu lassen. Einige klagten. Doch das Bundesverwaltungsgericht entschied 2022, die Ausweitung der Duldungspflicht auf die Covid-19-Impfung sei völlig in Ordnung (Az. BVerwG 1 WB 2.22 und BVerwG 1 WB 5.22).
Vorsitzender Richter damals: Dr. Richard Häußler. Und genau diesem Mann stand jetzt auch Michael W. gegenüber.
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Ein juristischer Laie könnte das, was jetzt passierte, für einen gerichtlichen Hütchenspielertrick halten. Aber was verstehen Normalbürger schon von unserem Rechtswesen?
Richter Häußler schlug vor, die beiden Vorwürfe – erstens die Verweigerung der Corona-Impfung, zweitens den angeblichen Verstoß gegen den Treueeid – voneinander zu trennen. Sonst werde das alles zu kompliziert, argumentierte er sinngemäß.
Der Wehrdisziplinaranwalt, sozusagen der Staatsanwalt der Bundeswehr, stimmte zu. Er schlug vor, den angeblichen Verstoß gegen den Treueeid im Verfahren gar nicht mehr zu berücksichtigen, sondern nur noch die verweigerte Corona-Impfung. Die ist mittlerweile aber gar kein Vergehen mehr: Vor einem Jahr hat die Bundeswehr die Duldungspflicht für die Covid-19-Impfung ausgesetzt. Deshalb schlug der Wehrdisziplinaranwalt die Einstellung des Verfahrens vor.
Die Verteidiger stimmten ebenfalls zu. Warum auch nicht? Es hätte bedeutet, dass Michael W. – nach drei zermürbenden und finanziell ruinösen Jahren des Rechtsstreits – wieder ganz normal seinen Dienst bei der Bundeswehr hätte antreten dürfen. Das war der Moment, als der Hauptfeldwebel das erste Mal weinte: vor Glück.
Doch Richter Häußler hatte andere Pläne.
Der Staatsjurist folgte nicht dem Vorschlag von Wehrdisziplinaranwalt und Verteidigung. Er machte das genaue Gegenteil: Häußler befasste sich gar nicht mit der Corona-Impfung, dafür stürzte er sich komplett auf den angeblichen Verstoß gegen den Treueeid. Den erklärte er für erwiesen – und zog daraus für alle beteiligten völlig überraschend den Schluss, Michael W. sei als Soldat untragbar.
Das Urteil: unehrenhafte Entlassung. Das war der Moment, als der Hauptfeldwebel das zweite Mal weinte: vor Entsetzen.
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Ein juristischer Laie könnte auf den Gedanken kommen, hier habe ein Richter die eigene Unbelehrbarkeit juristisch vertuscht. Aber was verstehen Normalbürger schon von unserem Rechtswesen?
Tatsache ist, dass Richter Häußler sich nun nicht noch einmal – und diesmal im Lichte der heutigen Erkenntnisse über Corona, die Impfung und die Impfstoffe – mit der eigenen Entscheidung auseinandersetzen muss, im Jahr 2022 so rigoros und ohne den Anflug von Selbstzweifel die Duldungspflicht durchgewunken zu haben.
Es bleibt ein übler, ein ganz übler Beigeschmack.
Der Hauptfeldwebel wird wegen einer Aussage gefeuert, die er kategorisch bestreitet. Nur sein neuer Kompaniechef will die gehört haben, niemand sonst. Es steht also Aussage gegen Aussage.
Ein juristischer Laie könnte hier fragen, was eigentlich aus dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ geworden ist. Aber was verstehen Normalbürger schon von unserem Rechtswesen?
Michael W. ist ruiniert. Nach 20 tadellosen Dienstjahren bei der Bundeswehr steht der 50 Jahre alte Familienvater vor den Trümmern seiner Existenz. Deutsche Soldaten müssen – anders als zum Beispiel in den USA – ein Verfahren vor dem Truppendienstgericht selbst bezahlen. Sämtliche Kosten des Prozesses bis hin zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts trägt er jetzt allein. Zusätzlich muss er den reduzierten Sold, den ihm die Bundeswehr während des mehrjährigen Rechtsstreits bezahlt hat, komplett zurückzahlen. Es geht um mehrere hunderttausend Euro.
Das heißt absehbar: Bürgergeld. Denn Zeitsoldaten sind auch nicht in der Arbeitslosenversicherung. Zum Ausgleich dafür bekommen sie normalerweise nach dem Ausscheiden aus dem Dienst ein Übergangs- und ein Berufsförderungsgeld, das die Wiedereingliederung in das zivile Berufsleben erleichtern soll. Wird man aber unehrenhaft entlassen, wie jetzt Michael W., bekommt man: nichts.
Noch nicht einmal ein Arbeitszeugnis.
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In den USA hat Präsident Donald Trump mehr als 8.000 Militärs rehabilitiert, die unter seinem Vorgänger Joe Biden aufgrund ihrer persönlichen medizinischen Entscheidung gegen die Covid-19-Impfung aus dem Dienst entlassen worden waren. In Deutschland ist so ein Schritt nicht in Sicht. Derzeit laufen schätzungsweise noch bis zu 200 Verfahren von Soldaten, die gegen Disziplinarmaßnahmen wegen verweigerter Corona-Impfung geklagt haben.
Am Ende des Verfahrens gegen Michael W. sagte Richter Häußler dann noch den schönen Satz, im Ernstfall brauche das Land Soldaten, auf die man sich verlassen könne.
Ein juristischer Laie könnte hier anmerken, dass der Bürger in jedem Fall Richter braucht, auf die man sich verlassen kann. Aber was verstehen Normalbürger schon von unserem Rechtswesen?


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Wenn Aussage gegen Aussage steht, ist einer von beiden ein Lügner. Für den Juristen gilt zwar grundsätzlich „ln dubio pro reo“, aber auf die Frage „cui bono“ hin sieht es leider für den Unteroffizier nicht gut aus. Alles in allem hat die Corona-Zeit leider in vielen mittelmäßigen Entscheidungsträgern den Diederich Heßling zum Vorschein gebracht.
Bei mir steht u.a. ein Buch im Regal.Es trägt den Titel „Furchtbare Juristen“.
Fragt sich im besten Deutschland, das es je gab, niemand, was das alles noch mit einem Rechtsstaat zu tun hat?
Der Unterschied zw. US-Soldaten und Russlands Soldaten ist, die USA lassen keinen zurück, sie setzen alles dran, um jeden abzuholen, ob verletzt oder tot, die Russen kümmern sich, worauf im Ukraine-Krieg alles hindeutet, weitestgehend nicht um die Soldaten. Man sollte in D. den USA nacheifern, nicht den Russen. Und bei solch einem Versuchsmedikament, bei dem die üblichen Vorschriften weitestgehend ausgesetzt waren, gebietet es der normale Menschenverstand und jeder Imperativ der Humanität, solche Urteile, die einer Zerstörung der Existenz gleichkommen, aufzuheben bzw. erst gar nicht zu fällen. Sie sind eine Schande in der Juristerei, sie reihen sich ein in die berühmt-berüchtigten… Mehr
Was am meisten zu verachten ist, denke ich, ist Dummheit. Die ist die Grundlage für Uneinsichtigkeit, Wirklichkeitsleugnung, Niedergang. Dummheit ist das Gegenteil von Vernunft und erträgliches Miteinander.
Dieser Richter meint wohl, Soldaten wären grundsätzlich Kanonenfutter, egal ob im Kriegsfall oder im Frieden. Er scheint ein Faible für Putins Verhalten zu haben, nicht für Trumps.
War aber kein Marinerichter, oder?
Häußler? Die auditive Ähnlichkeit zu „Freisler“ ist jetzt rein zufällig. Oder warum kommt mir gerade der beim Lesen des Artikels in den Sinn?
„Aber was verstehen Normalbürger schon von unserem RechtsUNWESEN?“ Am
BGH wurde auch das Schandurteil des Landgerichts Weimar gegen den untadeligen Familienrichter Christian Dettmar bekräftigt. Eine sachbezogene Befassung mit dem von ihm im Jahr 2021 wegen damals befürchteter UND HEUTE ERWIESENER Kindeswohlgefährdung wurde entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BGH verweigert. Solche Gerichte stellen unter Beweis, dass eine Entnazifizierung der deutschen Justiz nie stattgefunden hat, obwohl sie diese mehr als nötig gehabt hätte. Seit geraumer Zeit NICHT MEHR MEINE JUSTIZ!
Mit solchen Urteilen und einem solchen Verhalten des Vorgesetzten schreckt man nicht nur unmittelbar mögliche Kandidaten für den Dienst an der Waffe ab, sondern man macht den Wehrdienst auch in einem viel grundsätzlicher en Sinne überflüssig: Der Wortlaut des Gelöbnisses ist seit jeher: „Ich gelobe, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen!“. Die derzeitige Politik, ja man könnte eigentlich schon sagen „Staatsräson“, die von linkem Wokismus, Internationalismus und einem schleichenden Hang zum stillen Totalitarismus geprägt ist, ist in Kombination mit einer entsprechenden tendenziösen Rechtsprechung und solchem Verhalten des Offiziers dabei, die Elemente „Freiheit“ , „Recht“ und… Mehr
Ich habe immer wieder diese Szenen aus dem Film vor Augen und Ohren vor dem Volksgerichtshof und dem furchtbaren Richter Freisler……
Hier der Artikel auf welt.de: „„Er lief so rot an wie seine Robe und tobte“.
Es ist mehr als wahrscheinlich so gewollt und vor geplant. Dazu siehe PREP-Act in den USA.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass es hier wieder mal um massive Einschüchterung der Bürger geht. Der Staat im Verbund mit einer wenig objektiven Justiz, duldet keine kritischen Bürger in der Bundeswehr. Dass damit die Attraktivität der Bundeswehr auf den Nullpunkt sinken könnte, denn wer weiß, was zukünftig so alles noch von Soldaten verlangt wird, scheint nicht ganz abwegig.
Jedes Volk hat die Elite, die es verdient!