Steinmeiers historisches Argument spricht nicht für, sondern gegen Nordstream 2

Der Bundespräsident leitet aus dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 eine Verpflichtung zur Vollendung des deutsch-russischen Gas-Leitungsprojekts Nordstream 2 ab. Das ist irrig und im Ergebnis möglicherweise verhängnisvoll.

IMAGO / photothek
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Die Autorität des Bundespräsidenten speist sich weniger aus seinen politischen Machtbefugnissen, als aus dem moralischen Impetus von Amt und Person. So ist es selbstverständlich von Bedeutung, wenn das Staatsoberhaupt sich zu einer außenpolitischen Frage äußert, die für die Zukunft des Landes von zentraler politischer und wirtschaftlicher Bedeutung ist. Dies umso mehr, als sich Steinmeier nicht nur geäußert, sondern in dem Streit eindeutig Partei ergriffen hat. 

"Aktion #lichtfenster"
Im Gegen das Vergessen hat Steinmeier sehr Wichtiges vergessen
Es zeugt immer von einem hohen Maß an Erinnerungskultur und hohem moralischen Bewusstsein, an die Schuld Deutschlands während der Nazi-Diktatur zu erinnern, um daraus Ratschläge für das Verhalten der Bundesrepublik von heute abzuleiten. Doch, bei aller Hochachtung vor dem Amt, das Ja zur Vollendung des deutsch-russischen Gas-Leitungsprojekts Nordstream 2 als eine Verpflichtung aus der Tatsache des deutschen Überfalls auf Russland im Juni 1941 abzuleiten, ist irrig und im Ergebnis möglicherweise verhängnisvoll.

Immerhin begründen ja die Gegner des Projektes ihre Haltung damit, dass Deutschland in die Abhängigkeit einer für jeden erkenntlichen Diktatur mit Gewaltbereitschaft nach innen und außen unter Missachtung elementarer völkerrechtlicher Regelungen und Verletzung grundlegender Menschenrechte geraten könnte. Diesen Gedanken konsequent zu Ende gedacht, bedeutet dies, dass die Souveränität Deutschlands auf dem Spiel steht. Unfreiwillig brachte dies der ehemalige Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Matthias Platzeck, derzeit Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums und ganz nebenbei einer der Träger des höchsten russischen Ordens in einem morgendlichen Interview des Deutschlandfunk auf den Punkt, indem er darauf verwies, dass Deutschland im Umgang mit Russland bedenken müsse, dass es sich um einen mächtigen Staat mit Atomwaffen handele. Wenn das keine Unterwerfungsgeste ist, was dann?

Immer auf der falschen Seite
Wäre es nicht viel logischer, dass Deutschland gerade vor dem Hintergrund des bösartigsten Teils seiner Geschichte, der Nazi-Herrschaft, als ganz besonderer Verfechter von Demokratie, Recht und der Freiheit anderer Völker und aller Menschen auftreten würde? Eben gerade mit dem Ziel, dass nie wieder ein Land ein anderes überfällt und seiner Souveränität und Würde beraubt. Fallen einem da nicht automatisch die Krim und andere Teile der Ukraine ein? Müssen nicht die verbalen Attacken von Seiten des Kreml auf die baltischen Staaten Sorgen hervorrufen? Tag für Tag verletzen russische Kampfflugzeuge die Lufträume dieser Staaten und müssen durch das Aufsteigen von Nato-Geschwadern zur Umkehr gezwungen werden.

Ich unterstelle Frank-Walter Steinmeier, dem Herrn Bundespräsidenten, natürlich nicht, dass er all dies nicht auch bedenkt. Vielleicht mag auch seine jahrzehntelange Freundschaft, ja geradezu kumpelhafte Verbindung mit Gerhard Schröder, bekanntermaßen Cheflobbyist Putins für Gas-Angelegenheiten, eine Rolle für seine Äußerung gespielt haben. Auch das wäre ja charakterlich wertvoll und anerkennenswert. Das alles kann doch aber nicht dazu führen, dass man aus einer zurückliegenden eigenen Schuld gegenüber einem Dritten, einen Freibrief für diesen und dessen Handeln ausstellt, wenn man sich dadurch erneut selbst wieder schuldig macht.

Es steht mir nicht an, dem Bundespräsidenten Empfehlungen zu erteilen, aber vielleicht denkt er auch darüber in seiner knappen Zeit einmal nach!

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Kommentare ( 58 )

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Thomas Klingelhoefer
3 Jahre her

Die Steinmeier-Äußerungen werden immer absurder, scheint mir. Der Prediger-Beruf wäre für ihn eine vernünftige Wahl gewesen.
Abgesehen davon halte ich Nordstream 2 für vernünftig, da Deutschland auf längere Zeit auf Erdgas aus Russland angewiesen ist und mit der Pipeline insbesondere der Ukraine das Erpressunspotential nimmt, welches in den letzten Jahren mehrfach eingesetzt wurde mit teuren Folgen für Deutschland.

F.Peter
3 Jahre her

Der „nicht mein Präsident“ und der Außenministerdarsteller passen unter einen Hut. Von Geschichte und geschichtlichen Zusammenhängen keine Ahnung aber in ihren Aussagen unerschütterlich!
Ich dachte immer, nach Gauck könnte es nicht schlimmer kommen…….

alter weisser Mann
3 Jahre her

Das ist schon echt misslich für den Herrn Bundespräsidenten, wenn er gewohnheitsmäßig mit der historischen Verantwortung hausieren geht und sich dabei so verheddert. Dabei ließ sich doch bislang auf die Art viel „begründen“.
Da ist jetzt wohl für den Redenschreiber eine Kerze anzuzünden.

Fred Katz
3 Jahre her

Steinmeier ist ein Vasall Putins und plappert dessen bizarre Geschichtsverfälschung nach!
Der Krieg fing für beide mit dem Überfall auf die SU an, nicht mit dem Hitler-Stalin-Pakt.
Denn Putin und Steinmeier wollen einen ähnlichen Pakt schließen!
Im Gegenzug bekäme Deutschland vielleicht Ostpreussen zurück!
Dass am Ende Putin sich alles einverleibt und dann ganz Deutschland russisch wird, schert doch Steinmeier nicht!

Armin Latell
3 Jahre her
Antworten an  Fred Katz

Steinmeier ist nichts anderes als ein absolut unintellektueller SPD Parteisoldat, dem man in einem Hinterzimmer diesen Posten zuschob. Dass er dann von der Bundesversammlung bestätigt wurde-geschenkt. Er reiht sich ein in die Liste der Versager, die man in Kungelrunden nach „oben“ entsorgt hat, von denen man weiß, dass sie ihre parteipolitischen Pflichten erfüllen werden. Ein wirklich extremer Spalter, der sich am liebsten selbst reden hört und glaubt, staatsmännig zu wirken. Bevor De russisch wird, wird es türkisch und/oder islamisch. Schließlich hat diese Figur nicht umsonst dem iranischen Mörderregime zu 40 Jahren Mord und Totschlag gratuliert, Trump öffentlich einen Hassprediger genannt,… Mehr

Georg Weerth
3 Jahre her

„Fallen einem da nicht automatisch die Krim und andere Teile der Ukraine ein?“ Weshalb nur sorgen sich die geschichtsvergessenen Deutschen so um die Krim und um die Ukraine? Mir als altem Ostpreußen fällt in erster Linie das Königsberger Gebiet ein, das ohne jeden Zweifel völkerrechtswidrig annektiert wurde. Dies sollte Maßstab für unser Verhältnis zu Russland sein.

Berlindiesel
3 Jahre her

Das ganze Geschwurbel mit Russland, Krieg und Frieden verdeckt nur, dass Deutschland ab 2022 das russische Gas ganz einfach brauchen wird. Ab dann werden die nicht mehr vorhandenen Atomkraftwerke und die rasch schwindenden Kohlekraftwerke (also Kraftwerke mit hoher Grundlastfähigkeit, aber geringer Anpassungsfähigkeit an volatile Versorgungszenarien) vom Netz sein. Auch dann wird es bei Windstille oder Dunkelheit keinen Strom geben. Diese Grundlast wird künftig mit Gaskraftwerken abgedeckt. Anders als Kesselkraftwerke können sie in Sekunden oder Minuten hochgefahren werden, und so rasch auftretende Flauten bei den Erneuerbaren ausgleichen und passen bestwens zu ihrer Volatiltät. Wenn Greta meckern wird, wird das der ÖRR… Mehr

Dr. Rehmstack
3 Jahre her

Wie man dem 2. Photo entnehmen kann, ist in Schloß Bellevue nicht nur der Verstand auf Notstrom!

doncorleone46
3 Jahre her

Wenn jemand etwas bedenken soll, braucht es mehr als ein SPD Parteibuch oder einen Titel. Herr hochwohlgeboren Steinmeier kann das sicherlich nicht.

StefanB
3 Jahre her

Abgesehen von Steinmeiers fortgesetzten intellektuellen Fehlleistungen: Gibt es einen großen Energielieferanten Deutschlands, der keine Völker- und Menschenrechtsverletzungen begeht? Der eine eher innen, der andere eher außen.
Und seit wann ist Deutschland souverän? Sogar der Schäuble hat schon öffentlich gesagt, dass das nicht der Fall ist.

willy
3 Jahre her

@den Autor: An Ihrer Stelle würde ich `mal die Einwohner der Ost-UA u. der Krim befragen, was diese von der Regierung in Minsk (vor allem von Poroschenko, gegen den 22 Ermittlungsverfahren laufen) halten? Und die verbalen Attacken der balt. Staaten u. Polens gegen den Kreml bleiben unerwähnt.
Übrigens geht es der ukr. Bevölkerung heute schlechter als vor dem teuer bezahlten Regimchange!

Peter Mueller
3 Jahre her
Antworten an  willy

Der us-gesteuerte Putsch war in Kiew. Ansonsten Zustimmung.

https://www.youtube.com/watch?v=s35HkTCByk0

MeHere
3 Jahre her
Antworten an  Peter Mueller

Legen sie einfach Beweise vor und kein deppertes Propagandavideo – OK ?
Die Menschen hatten von den Diktatoren die Nase voll und in RU und Schina wird es irgendwann auch dazu kommen …