Grüne am Rande des Nervenzusammenbruchs

Was die Grünen in den sozialen Medien derzeit freidrehen lässt, sind die Umfragewerte – doch es ist nicht der Wert der AfD, der sie in Wahrheit schäumen lässt, nein, es ist ihre eigene Talfahrt, die sie schaudernd und in zunehmender Panik verfolgen. Was die von den Medien verhätschelten Grünen in Wahrheit so in Wut bringt, ist die Zahl 13.

IMAGO/C. Ditsch
Man ist von Twitter schon einiges gewohnt und von Grünen auf Twitter noch mehr. Nirgendwo sonst zeigt sich die stupende Selbstgerechtigkeit, die erschreckende Ahnungslosigkeit und das, höflich ausgedrückt, Fremdeln mit elementaren Werten der Demokratie der Grünen deutlicher als auf dem Kurznachrichtendienst. Nicht umsonst hatte Robert Habeck schon seit geraumer Zeit, aus berechtigter Furcht seine Blößen zu offenbaren, beschlossen, nicht mehr auf Twitter sein wahres Denken zu entblößen.

Viele seiner Parteifreunde teilen seine Sorgen nicht, obwohl sie allen Grund dazu hätten. Doch nach unten existieren keine Grenzen, denn seit dem die Umfragewerte für diese Partei stabil eine Richtung zeigen, nämlich nach unten, fluten die Spitzenfunktionäre dieser Partei den Kurznachrichtendienst mit Statements, die den Blick auf das wahre Gesicht der Partei zulassen: egozentrisch, selbstbezogen, politisch ahnungslos, trotzköpfig.

Auf Twitter zeigen sich derzeit die Grünen als die verwöhnten reichen Kinder der Bundesrepublik, die es nicht gewohnt sind, dass ihnen Grenzen gesetzt werden und sie ihren Willen nicht bekommen. Obwohl sie Papas Auto, in dessen Kofferraum das Fahrrad lag, letztens gegen die Wand gefahren haben, stampfen sie mit den Fuß auf den Boden ihres Zimmers, dass darunter die Fußbodenheizung scheppert, weil die Eltern Zweifel beschleichen, ihnen nun auch noch Mamas Autoschlüssel auszuhändigen

Selbst auf den kleinsten Widerspruch reagieren sie mit den Übertreibungen des kleinen Kinderzimmertyrannen. Da sie stets in planetarischen Grenzen denken und die Welt retten, auch wenn darüber Deutschland zum Teufel geht, gilt ihnen jede auch noch so kommod vorgetragene Kritik als Angriff auf die Existenz der ganzen Welt, gut verschwörungstheoretisch als Werk dunkler Mächte, bspw. der „fossilen Lobby“, als Angriff auf den grünen Klima-Götzen, als Attacke auf eine halluzinierte Zukunft einer noch halluzinierteren Welt.

Wie verzweifelt die Grünen inzwischen sind, wie sie sich immer tiefer in ihre Parallelwelt verlaufen, weil sie die Opfer ihrer eigenen Propaganda geworden sind, belegt der völlig sinn- und logikfreie Tweet des grünen Spitzen-Politikers Konstantin von Notz, der bei den Grünen als Intellektueller gilt, vom 26. Mai: „Wenn man wochenlang in voller AfD-Rhetorik unsachlich gegen Klimaschutzmaßnahmen polemisiert, obwohl die Mehrheit der Menschen erwarten, dass beim Klimaschutz endlich was passiert – dann profitiert davon nur die #noAfD Würde mich über eine LernKurve bei #CDU #CSU #FDP sehr freuen.“

Wenn die Mehrheit der Menschen erwarten würde, „dass beim Klimaschutz endlich was passiert“, dann dürften die Mehrheit der Menschen doch für die „unsachliche“ Polemik im AfD-Stil nicht empfänglich sein, im Gegenteil, dann müssten doch die Grünen die Umfragewerte der CDU und die CDU die Umfragewerte der Grünen haben. Warum soll die Mehrheit der Menschen entgegen ihren Erwartungen handeln? Diese Logik versteht man nicht einmal in China.

Was die Grünen freidrehen lässt, sind nämlich die Umfragewerte – doch es ist nicht der Wert der AfD, der sie in Wahrheit schäumen lässt, nein, es ist ihre eigene Talfahrt, die sie schaudernd und zunehmend in Panik verfolgen. Was die von den Medien verhätschelten Grünen in Wahrheit so in Wut bringt, ist die Zahl 13.
Die Grünen haben es geschafft, seit Beginn der Regierung in der Sonntagsfrage in der Wählergunst von ca. 18 Prozent auf 13 Prozent zu fallen. Die Werte ihrer „Zugpferde“ bestätigen den Trend, Habecks Beliebtheit rauscht ab, die Baerbocks geben nach. Es ist übrigens noch Luft – Luft nach unten. Agora-Habeck ist angetreten, wie von der Star-Ökonomin Luisa M. Neubauer gefordert, „völlig neue Wertschöpfungsketten zu ersinnen“, und hat damit ein wirtschaftliches Desaster angerichtet. Seine von den öffentlich finanzierten grünen Medien als Experten bezeichneten Mitstreiter sind entweder nur beinharte Ideologen wie Patrick Graichen oder noch vor kurzem hohe Mitarbeiter des amerikanisch dominierten Hochfinanzsektors, dem eigentlichen Gewinner der großen Transformation, wie seine Abteilungsleiterin Elga Bartsch.

Schuld für ihre Talfahrt geben auf Twitter die grünen Funktionäre in der Art verwöhnter Kinder allen anderen, nur sich selbst nicht, also vor allem der handzahmen CDU und auch ein wenig der inzwischen illiberalen FDP. Und da sie nicht über den eigenen Niedergang reden können, das hieße, fähig zur Selbstkritik zu sein, ereifern sie sich lieber über den Aufstieg der AfD. Über einen selbst für Grüne bemerkenswerten kurzen Kurzschluss behaupten sie in völliger Verkennung der Realität, dass Schuld am steigenden Zuspruch für die AfD die Kritik von CDU und FDP an der überweisen Regierung der Grünen seien. Noch einmal im Klartext, damit man das Unverständlich versteht: die Grünen glauben tatsächlich, dass der Grund für den Wählerzuspruch der AfD in der doch recht zahmen Kritik der CDU an den Grünen liegt?

So antwortet Renate Künast auf den Tweet von Friedrich Merz, der zahnlos darauf hinzuweisen wagt: „Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gehen ein paar hundert Stimmen mehr zur #AfD. Gegenderte Sprache und identitäre Ideologie werden von einer großen Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr nur im Stillen abgelehnt. Sie werden als übergriffig empfunden.“ mit der mehr als fragwürdigen Behauptung: „Die Situation ist ernst und er geistert nur hetzend durch die Gegend. Wie wärs mal mit Konzepten. Sowas werteorientiertes christliches- wie in Eurem Namen behauptet wird? Statt der #NoAfD noch durch Hetze Stimmen zuzutreiben.“
Friedrich Merz in den Augen von Renate Künast als durch die Gegend geisternder Hetzer:

— Renate Künast (@RenateKuenast) June 3, 2023

Interessant ist indes nur eines: in dem Tweet von Künast kommt die Verachtung der Grünen für die parlamentarische Demokratie gleich doppelt zum Ausdruck. Ganz klar und ohne was dazu: Wer gerade in Deutschland in der politischen Diskussion von „hetzen“ und „Hetze“ spricht, hat das Niveau der Verfassung der DDR, die von 1949 bis 1968 galt, erreicht: „Art. 6. Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleichberechtigt. Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens-, Rassen-, Völkerhaß, militaristische Propaganda sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten, sind Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches. Ausübung demokratischer Rechte im Sinne der Verfassung ist keine Boykotthetze. Wer wegen Begehung dieser Verbrechen bestraft ist, kann weder im öffentlichen Dienst noch in leitenden Stellen im wirtschaftlichen und kulturellen Leben tätig sein. Er verliert das Recht, zu wählen und gewählt zu werden.“

Im Klartext hieß das: Erstens entschied die SED, was Hetze ist und was nicht, zweitens sind nur alle Bürger insofern gleich, die ihre Ideologie teilen, d.h. frei nach Orwell, alle sind gleich, nur einige sind ungleicher, drittens wurden aufgrund dieses Artikels in der DDR Bürger zum Tode verurteilt und hingerichtet. Sozialdemokraten, Liberale. Die Grünen sollten mit dem Begriff der Hetze im demokratischen Diskurs vorsichtiger umgehen. Aber vielleicht können sie es nicht, vielleicht sind sie in ihrem Inneren eben nicht demokratisch, sondern totalitär, denn im zweiten Teil ihres Tweet offenbart Künast ihre geistige Nähe zu Lenin, Stalin, Ulbricht und Honecker, teilt sie die gleiche Verachtung für das Volk, für die Bürger wie diese Herren, wenn sie es tatsächlich fertigbringt zu schreiben: „Statt der #NoAfD noch durch Hetze Stimmen zuzutreiben.“ Künast meint, Merzens Kritik ist Hetze und diese Kritik treibt der AfD Wähler zu, so als ob die Bürger dumm und ungebildet, jederzeit verführbar seien, Kleinkinder, die der Führung durch den grünen Nanny-Staat bedürfen. Renate Künast stellt sich den Souverän des Grundgesetzes als verführbar, als ungebildet, als unselbständig, im Grunde als unsouverän vor, als kleines Kind, das ständig von den grünen Eltern belehrt werden muss, übrigens von den Geistesgrößen in der Führungspositionen dieser Partei, die weder über Berufs-, noch über Studienabschlüsse oder über Erfahrungen im Berufsleben verfügen, von Leuten, die als Finanzexperten meinen, dass der Staat soviel Schulden machen kann, wie wer will, weil er ja Geld drucken kann, von Leuten, die als Energieexperten meinen, dass das Netz der Speicher sei und in den Batterien Kobolde hausen, die als Wirtschaftsexperten überzeugt davon sind, dass man aus ethischen Motiven je nach Belieben eine Volkswirtschaft runter- und wieder hochfahren kann und dass man nicht insolvent ist, wenn man einfach nur aufhört zu arbeiten, Geistesgrößen, die sich nach einer 360 Grad Wende bei der SPD für die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft bedanken, die als Bundestagsabgeordnete nicht wissen, wann die Bundesrepublik gegründet worden ist oder als Familienministerin das Kunststück fertigbringen, Theodor Herzl 44 Jahre nach seinem Tod aus dem Grab auferstehen zu lassen, um schöne Worte zur Gründung des Staates Israel zu sagen.

Der Vorstand der Heinrich Böll Stiftung, Jan Peter Albrecht, macht dann auch gleich die FDP für den Aufstieg der AfD verantwortlich, womit in Wahrheit immer der Niedergang der Grünen gemeint ist, über den man in der den Grünen eigenen Wahrheitsliebe nicht spricht: „Eine Partei, die gegen Lastenräder, Elektroautos und Wärmepumpen in den Wahlkampf zieht, will weder Innovation & Technologieoffenheit, noch Klimaschutz & Wohlstand. Sie will Wutstimmen sammeln, koste es was es wolle. Das ist unverantwortlich. #FDP #Hessen“

Albrecht spricht von „Wutstimmen“, was nur dieselbe, vielleicht sogar die noch größere Verachtung für den Wähler, für den Bürger dokumentiert. Der Bürger neigt in den Augen Albrechts dazu, stets seine kleine, schmutzige Spießerwut herauszulassen, wenn er nicht ständig von den Grünen, von den öffentlich finanzierten grünen Medien und von anderen Parteien, die man sich nach historischem Vorbild als grüne Blockparteien vorstellt, domestiziert wird. Und wehe, eine Partei des (demokratischen Spektrum, also der „Nationalen Front“), versagt die Gefolgschaft und wagt es, andere Vorstellungen als die der Grünen zu äußern. Dabei hat Angela Merkel es doch für jetzt und für alle Zeiten vorgemacht, wie grüne Gefolgschaft geht. Man könnte Albrecht übrigens auch entgegnen: „Eine Partei, die mit Lastenräder, Elektroautos und Wärmepumpen in den Wahlkampf zieht, will die De-Industrialisierung Deutschlands. Das ist unverantwortlich.“ Doch das wäre dann wahrscheinlich Hetze und würde der AfD Wähler zu treiben.

Auch Konstantin von Notz, der warum auch immer als „moderat“ gilt, brennen in seinen Tweets inzwischen die Sicherungen durch, wenn er bspw. twittert: „Wer in der #CDU glaubt, dass es Zufall ist, das #Merz und #Voigt hier zeitgleich ein zwar objektiv groteskes aber im Ton verständnisvolles AfD-Erklär-Narrativ verbreiten, ist naiv. Die #CDU wird verschoben und ich höre bisher wenige, die sich dem ernsthaft entgegenstellen.“

Konstantin von Notz bedient in seiner Hilflosigkeit nur die dumpfeste aller dumpfen Verschwörungstheorien, nämlich die vom Rechtsruck der deutschen Gesellschaft. Dabei dürfte es sich inzwischen doch herumgesprochen haben, dass die Grünen nach dem Motto „Haltet den Dieb“ immer dann die Verschwörungstheorie vom Rechtsruck der Gesellschaft durch die Medien jagen, wenn es ihnen nicht schnell genug gelingt, die Achse der Gesellschaft weiter nach links zu verschieben. Sie haben sich wie weiland die SED das Monopol darauf gesichert zu entscheiden, was Rechts und was Hetze ist. Doch der stets ausgestreckte Zeigefinger, der auf die anderen zeigt, nervt nur noch.

Wer auch nur halbwegs kühl und unvoreingenommen auf die Entwicklung schaut, kann ohne Schwierigkeiten und ohne Anstrengung die beiden Ursachen für den Aufstieg der AfD und den Abstieg der Grünen in der Wählergunst erkennen. Erstens erkennen immer mehr Wähler, dass grüne Politik Deutschland de-industrialisiert, Wohlstand und Zukunft zerstört in einem Ausmaße, dass das Land längst bei der Substanz, bei der Brandsohle angekommen ist und zweitens weil die CDU ihre Rolle als Opposition und Friedrich Merz seine Rolle als Oppositionsführer – trotz grüner Schelte – nicht annimmt, weil er doch so gern Bundeskanzler unter den Grünen werden möchte.

In der Graichen-Habeck-Affäre, die eigentlich zum Untersuchungsausschuss und zum Rücktritt von Habeck hätte führen müssen, haben Julia Klöckner und Mario Czaja so weit es ihnen möglich war, die Ehre der CDU gerettet, wo doch der Oppositionsführer – wohl aus BlackRock-Verbundenheit – vollkommen abgetaucht ist.

Es ist so einfach, dass man meinen sollte, dass es selbst ein Grüner versteht, aber eine parlamentarische Demokratie benötigt Regierung und Opposition – und die entsteht auch in einer parlamentarischen Demokratie. Denn wenn die CDU diese Rolle verweigert, so wird sie eben von der AfD ausgefüllt – und darin beseht der Grund, weshalb die Zustimmungswerte zur AfD steigen, weil sie bisher als einzige Partei im Bundestag die Rolle der Opposition übernimmt.

Die Lehre lautet: Es gibt in Deutschland eine bürgerliche Mehrheit. Diese bürgerliche Mehrheit anzuführen und zu einen, wäre Aufgabe der CDU, wenn sie sich nicht a la longe selbst aufgeben will. Hic Rhodus, hic salta. Sie hat die Chance, das durch Taten zu erfüllen, was ihr die Grünen in Worten vorwerfen.


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