Die Deutschen tun nicht, was sie sollen – und lieben das eigene Auto

Allen politischen und medialen Wünschen zum Trotz wollen die meisten Deutschen weiterhin ein eigenes Auto besitzen. Für Politik und Umweltaktivisten sind Befragungsergebnisse höchst ernüchternd. Kein gutes Indiz für das Neun-Euro-Ticket-Vorhaben der Bundesregierung.

IMAGO / YAY Images
Was man liebt, das wäscht man

In diesen wirren und bedrückenden Kriegszeiten gehen manchmal Meldungen, die wichtige Anhaltspunkte über die künftige Entwicklung unserer Gesellschaft beinhalten, im Trubel der Schreckensmeldungen unter. Auch dass sich die Politik gelegentlich irrt in dem, was sie zum vermeintlichen Wohl ihrer Bürger beschließt. Was gut gemeint ist, kommt beim Bürger noch lange nicht gut an. 

Klimawandel und umweltschädlicher Betrieb einer Verkehrsflotte von 48 Millionen auspuffrauchenden Benzin- und Diesel-Autos auf Deutschlands Straßen haben das private Auto als Verkehrsmittel auf breiter Front in Misskredit gebracht. Das ist Fakt und Paradoxon zugleich: Denn verstopfte Straßen, Staus und Verkehrschaos – das sind immer die anderen, nie das eigene Gefährt!

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Als Folge dieser Vorstellungen bildete sich in der letzten Dekade quer durch alle Parteien die politische Zielsetzung heraus, den Ressourcen verzehrenden und die Umwelt schädigenden Individualverkehr einerseits absolut zu reduzieren, andererseits große Teile zugunsten des Fahrrads oder öffentlicher Verkehrsmittel umzupolen.

Beides hat sich als Irrtum erwiesen. Eine jüngst erschienene – aber von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommene – Studie zur Verkehrsmittelwahl macht das Paradoxon deutlich: Das Auto – und mag es noch so umweltschädlich sein – bleibt das beliebteste Verkehrsmittel der Deutschen. Wohlgemerkt das eigene Auto, nicht das des Nachbarn!

Im Auftrag der HUK Coburg befragte das Umfrageinstitut Yougov im Januar und Februar, also vor Beginn des Ukraine-Kriegs und der folgenden Treibstoffpreis-Explosion, über 4000 Verkehrsteilnehmer nach ihren Mobilitäts-Präferenzen. Die Befragten mussten sich nicht für ein Verkehrsmittel entscheiden, Mehrfachantworten waren möglich.

Das Ergebnis sieht wie folgt aus:

  • Ungeachtet des politischen Werbens für Bus und Bahn fährt die große Mehrheit der Menschen in Deutschland nach wie vor am liebsten mit dem Auto. Für 70 Prozent der Befragten ist das Auto das Verkehrsmittel, das ihre Mobilitätsbedürfnisse am besten erfüllt. Dann kommen Gehen und Radfahren, erst danach kommen Bahn, U-/S-Bahn, Straßenbahn und Bus.
  • Lediglich 16 Prozent nannten die Bahn als ideales Verkehrsmittel. Bei Bus beziehungsweise S-Bahn und Straßenbahn waren es jeweils 12 Prozent. 32 Prozent nannten Fahrrad beziehungsweise E-Bike. 29 Prozent gehen am liebsten zu Fuß. 
  • Die HUK veröffentlichte ihre Mobilitätsstudie nach 2021 zum zweiten Mal. Auffällig, aber völlig plausibel, ist im Vergleich zu der vom Corona-Lockdown geprägten Vorgängerumfrage vor allem, dass 2022 das Gehen stark an Beliebtheit verloren hat: Vor einem Jahr hatten noch 38 Prozent gesagt, dass sie am liebsten zu Fuß unterwegs seien. Autos (2021: 73 Prozent) haben zwar leicht an Beliebtheit verloren und öffentliche Verkehrsmittel leicht gewonnen, aber am grundsätzlichen Bild hat sich nichts Wesentliches geändert.

Für Politik und Umweltaktivisten sind die Ergebnisse der Befragung – gelinde gesagt – ernüchternd. Salopp formuliert: Den Bürgern ist Umweltschutz sehr wichtig, aber er sollte nach Möglichkeit nichts kosten. Die privaten Kosten sind dem Bürger wichtiger als der öffentliche Umweltschutz.

  • Die Kosten spielen für viele Bürger eine größere Rolle als der Umweltschutz: Auf die Frage nach den wichtigsten Inhalten eines Verkehrskonzepts antworteten 49 Prozent, dass Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen bezahlbar sein solle. 37 Prozent plädierten für generell niedrigere Kosten. Dagegen sagten nur 26 Prozent, dass der Verkehr keine Treibhausgase erzeugen solle.
  • In Sachen Elektroautos wird in der Umfrage ein Ost-West-Gefälle deutlich: So sagten in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern jeweils 13 Prozent oder weniger, dass für sie künftig beim Autokauf nur noch ein E-Fahrzeug in Frage komme. Im bundesweiten Durchschnitt waren es 19 Prozent. An der Spitze steht Berlin. Dort sagten 28 Prozent, dass sie sich in Zukunft ausschließlich Elektroautos anschaffen wollten.

HUK-Vorstand Jörg Rheinländer zieht aus der Studie den Schluss, dass das alleinige Zurückdrängen des Autos für die Bürger keine zielführende Zukunftsstrategie ist,  auch nicht in den Städten. 

Eine thematisch eng verwandte Umfrage des Unternehmens Innofact AG vom März 2022 fragte nicht nach der Beliebtheit, sondern schlicht danach, wie häufig Verkehrsteilnehmer die jeweiligen Verkehrsmittel Auto, Rad oder Bus und Bahn nutzen. Als Ergebnis kam heraus, dass nur gut jeder Vierte regelmäßig Bus und Bahn fährt. 

Dagegen fahren mehr als zwei Drittel (67 Prozent) oft oder sehr oft mit dem Auto, 95 Prozent zumindest gelegentlich. In den Städten gehen knapp zwei Drittel zu Fuß, auf dem Land weniger als die Hälfte (46 Prozent), was plausibel ist. Nur 26 Prozent fahren regelmäßig mit öffentlichen Verkehrsmitteln. 

Vor diesem Hintergrund sehen vor allem Politiker aus ländlichen Regionen das von der Bundesregierung geplante Neun-Euro-Ticket skeptisch. Von 1. Juni bis 31. August sollen Fahrten im Nah- und Regionalverkehr nur 9 Euro im Monat kosten. Das soll die Bürger von hohen Energiekosten entlasten und Bus und Bahn populärer machen.

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Legt man die aufgezeigten Verkehrspräferenzen zugrunde, so kommt das Billigticket vor allem Fahrgästen in den Ballungsräumen zugute. Als Maßnahme zur Rück- und Neugewinnung von Kunden für den öffentlichen Nahverkehr sei die Tarifsenkung gerade in den ländlichen Räumen kaum geeignet, sagte Präsident Reinhard Sager vom Deutschen Landkreistag. 

Dem ist nicht zu widersprechen. Wo kein öffentliches Verkehrsmittel vorhanden ist, kann auch kein Billigticket genutzt werden. Das entlastet lediglich den Finanzminister. Sinnvoller wäre es, die Entlastungsmilliarden in die Ertüchtigung des Streckennetzes und engere Taktung zu investieren. – Eine Entlastung, die aber nicht ad hoc zustande kommen kann, sondern nur langfristig umzusetzen ist. 

Vor dem Hintergrund der gezeigten Verkehrspräferenzen der Bürger müsste die Politik mit voller Kraft darangehen, einen Verkehr zu ermöglichen, der beides vereint: Umweltfreundlichkeit und Individualität. Die Lösung heißt: klimaneutrale Kraftstoffe. 

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Kommentare ( 56 )

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Demokratius
1 Jahr her

Was für ein Schwachsinn. Ich liebe mein eigenes Auto nicht, kann aber nicht darauf verzichten. Auf dem Lande in einem Dorf ohne jede Infrastruktur, wo Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, Physiotherapien usw. in der kilometerweit entfernten Kleinstadt und kultuelle Veranstaltungen in der noch weiter entfernten nächsten Großstadt zu finden sind und einem ÖPNV ausreichende Angebote wäre ich ohne meinen Kleinwagen aufgeschmissen. In einer Großstadt mit gutem Verkehrsmanagment braucht man das Auto sicher nicht, dennoch leisten sich viele Familien SUV, im Volksmund „Hausfrauenpnzer“ genannt.

Endlich Frei
1 Jahr her

„Die Deutschen tun nicht, was sie sollen – und lieben das eigene Auto“
Alles andere stellt auch nur Wahnsinn dar: Jedes Lastenfahrrad in der Innenstadt zieht einen mittleren Verkehrsstau – mit enstprechender CO2-Glocke – nach sich (ein Umstand, der im egozentrierten Gedanken der Grünen nicht vorkommt) und wenn ich Mütter sehe, die in einem „Fahrradanhänger“ ihre Kids durch die Stadt kutschiere frage ich mich, warum es noch eine Anschnallpflicht gibt – für mich ist dieser grüne Kindertransport versuchter Todschlag – mehr nicht.

Richy
1 Jahr her

Für mich ist die Politik der Abschaffung des Individualverkehrs, insbesondere des eigenen PKWs, ein Kampf der Städter gegen die Landbevölkerung. Ich wohne auf dem Land und gebe zu, dass die Busverbindung (Bahn gibt es bei uns nicht) in die nahegelegene Großstadt in den letzten Jahren erheblich besser geworden ist. Aber auch das 9-€-Ticket würde mich nicht zu einem totalen Umstieg bewegen. Denn insbesondere zum Abend hin wird es mau bis teilweise unmöglich von der Stadt ins Land zu fahren, während man in der Stadt immer noch Öffis nutzen kann. Und die meisten, i. d. R. auch Grün-Wähler, die das wollen,… Mehr

Iso
1 Jahr her

Man sollte mal endlich damit aufhören, stets und ständig unsere individuellen Freiheiten zu kritisieren. Wo ist der Anfang und wo ist das Ende der Bevormundung? Schließlich könnte man die Massen auch in Hochhaustürme mit angeschlossenen Produktionsstätten pferchen, die Lebensmittel rationieren, das Licht um 22:00 Uhr ausschalten und über den klimaschädlichen Betrieb der Fahrstühle lamentieren. Und welcher Wohnraum ist angemessen. In Hongkong gibt es, der Name ist ein Witz, Mikro Apartments mit 15 qm. Dazu die tägliche Schüssel Reis, ist es das, was wir wollen?

Richy
1 Jahr her
Antworten an  Iso

In Japan gibt es auch Behausungen von 2 Kubikmetern, quasi Schrank, Bett und WZ in eins! Vielleicht sollte unsere Bauministerin dort mal für einen Monat wohnen und uns nicht das EFH verbieten!

Nowoke
1 Jahr her

Die Idee ist ja wohl irgendwann die Verbrenner zu verbieten um einen gigantischen Produktaustausch zu erzwingen. Scheint die letzte Patrone des Kapitalismus zu sein. Deswegen auch die scham- und hemmungslose Agendapolitik.
Ich werde mir kein Auto mehr kaufen. Aber ich wohne in der Stadt und kann mir eines mieten wenn ich unbedingt eins brauche. Geht.
Würde ich auf dem Land wohnen, würde ich mir ein robustes Pferd kaufen.

Kathy Lite
1 Jahr her

Was soll eigentlich genau an „klimaneutralen“ Kraftstoffen erstrebenswert sein? Schützen die irgendwie die Umwelt besser als normale Kraftstoffe? Ist die Produktion dieser Kraftstoffe leichter/ billiger/ umwelt- und ressourcenschonender? Momentan sieht es danach nicht aus, im Gegenteil. Und: Wann kommt es endlich in den Köpfen der Leute an, dass der menschengemachte (!) Klimawandel einfach nur ein Hoax ist und a) weder jemals nachgewiesen wurde, dass CO2 irgendeinen stärkeren Effekt auf das Erdklima hat, noch b) dass die Aktivitäten des Menschen überhaupt einen messbaren (nicht theoretisch berechneten) Einfluss auf das globale Klima haben – vom Mikroklima in stark bebauten Regionen mal abgesehen,… Mehr

Edwin
1 Jahr her

Selbst wenn ich Geld bekommen würde, werde ich mich in kein Verkehrsmittel setzen, in dem ich wie ein Hund einen Maulkorb tragen muss.

Medienfluechtling
1 Jahr her

Mich würde interessieren, wieviel Krafstoff durch ständiges Abbremsen und Anfahren verpufft wird. In jeder größeren Stadt stehen die Ampeln auf Rot, Fußgänger, Fahrradfahrer erzwingen Stillstand. Wenn früher eine von den (auch heute noch) gültigen Vorfahrtsregeln abweichende Handhabung von der Situation abhängig war, wird heute ohne Blickkontakt, als Selbstverständlichkeit der vermeintlich Schwächeren eingefordert. Das Radfahrer bremsen oder Fußgänger kurz warten ist nicht mehr vorgesehen. Die Kreativität der Stadtplanung beschränkt sich auf die Schaffung ausgefeilter Irrgärten. Sinnloses verpuffen von Kraftsoff und das Sterben der Innenstädte sind nur eine Randerscheinung, gegen die sich noch nicht einmal die Händler wehren. Wer schafft es den… Mehr

Mausi
1 Jahr her

Eigentlich braucht es keine Umfragen, die sich im Zweifel manipulieren lassen.

Die Politik muss nur aufhören, den Konsumenten zu beschränken. Wäre Carsharing eine Option, hätten die Firmen, die das angeboten haben, sich vor Nachfrage nicht retten können. Wäre das E-Auto eine echte Alternative, würde es den Herstellern aus den Händen gerissen werden. Wären Wind und Sonne eine Alternative, könnte ein Tarif Atomstrom zugelassen werden. Wären Biolebensmittel eine Alternative, hätten sie sich durchgesetzt. Und so geht es überall weiter.

Aber in D kommt ja nach alternativer gewaltfreier Kindererziehung gleich die alternative zwingende Erwachsenenerziehung.

fatherted
1 Jahr her

Das 9 Euro Ticket wird es zeigen….der ÖPNV ist gar nicht in der Lage mehr Personen zu befördern als derzeit (jedenfalls in den Stoßzeiten). Im Rhein-Main Gebiet sind die Bahnen morgens rappelvoll…wenn nur 20 bis 30% Autofahrer umsteigen würden….wäre das Chaos perfekt….mehr Züge geht nicht, längere Züge auch nicht….also ist der geplante Umstieg einfach nur Ideologie und wird…wie auch alles andere was die GrünInnen auf den Weg bringen/gebracht haben…an der Realität scheitern.