Bischof Bätzing: Lebensgefühl der „Letzten Generation“ ähnelt dem der Urchristen

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat Verständnis für die Klimaextremisten der „Letzten Generation“ geäußert. Dabei hat der Bischof von Limburg genügend andere Probleme in seinem Hinterhof aufzuräumen.

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Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Fulda, 29.09.2022

Die evangelische Kirche in Deutschland hat es vorgemacht, die römisch-katholische zieht nun nach: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat in einer Predigt Verständnis für die als Aktionen getarnten Sabotageakte der „Letzten Generation“ geäußert. „Man kann zu diesen Leuten und ihren Aktionen stehen, wie man will, aber irgendwie wurden sie aus der Lethargie geweckt, die noch viel zu viele von uns entspannt in die Zukunft blicken lässt“, sagte der Limburger Bischof. Die Webseite katholisch.de zitierte Bätzing so:

„Die überwiegend jungen Leute verstünden sich angesichts drohender Kipp-Punkte im Klimasystem der Erde als letzte Generation, die noch in der Lage sei, einen Klimakollaps aufzuhalten. Das Lebensgefühl dieser Aktivisten ähnele dem der frühen Christen in der Urkirche, die sich als letzte Generation vor dem Anbruch des Reiches Gottes verstanden hätten, sagte Bätzing. Zugleich gebe es Unterschiede. Christen seien nicht von Zukunftsängsten geleitet, sondern lebten aus der Zuversicht und Hoffnung aus dem Glauben. ‚Wir beschönigen nichts‘, sagte Bätzing. ‚Wir sehen die Risiken und werden der Verantwortung leider Gottes oft genug nicht gerecht, die uns aufgetragen ist.‘“

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Der Absatz ist ein bezeichnendes Zeugnis der Verwirrung in der Una Sancta. Denn einerseits beginnt er mit einem versteckten Lob: Wenn die „Letzte Generation“ an die Urchristen erinnere, dann steckt darin die alte Sehnsucht der Kirche nach ihren Ursprüngen. Auch das Zweite Vatikanum hat eben diese Rückkehr zu den Wurzeln betont: die Urgemeinde von Jerusalem als ewige Utopie.

Zugleich geht der Vergleich nicht auf. Denn wenn das apokalyptische Verständnis der Urchristen als „letzte Generation“ dem der heute wütenden „Letzten Generation“ ähnelte, dann muss es eben jene Zukunftsängste beinhalten, die die Klima-Extremisten wie eine Monstranz vor sich hertragen. Oder andersherum: Auch Christen müssten heute mit Zuversicht in die Zukunft sehen, trotz „Klimakollaps“; schließlich war es ja eben nicht die Absicht der Urchristen, Kipp-Punkte zu verhindern, sondern auf das kommende Reich Gottes hinzuarbeiten.

Sympathie mit Klima-Extremisten: ein Thema, um von internen Missständen abzulenken?

Sympathien für die Sabotageakte gegen Straßenverkehr und Flughäfen erfreuen sich derzeit allgemeiner Beliebtheit; auch Kardinal Reinhard Marx hatte sein Verständnis für den „Aktivismus“ der „Letzten Generation“ ausgedrückt. Dabei handelt es sich um nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver.

Denn dass Bätzing gerade mit diesem aktuellen Aufregerthema nach Aufmerksamkeit heischt, dürfte tiefere Gründe als eine Sympathie mit den selbsternannten Klimarettern haben. Bätzing steht nämlich derzeit das Wasser schlichtweg bis zum Hals. Zwei Fälle belasten den Bischof massiv.

Zuerst ist da der Selbstmord des Regens und Bischofsvikars Christof May. May galt ab dem Mittag des 8. Juni 2022 als vermisst und wurde tags darauf tot aufgefunden. Kurz vor dem Verschwinden Mays hatten er und Bätzing ein persönliches Gespräch geführt. Das Bistum teilte später mit, May sei wegen „Vorwürfen übergriffigen Verhaltens“ angehört worden. Bätzing stellte May daraufhin von allen Ämtern frei, um diese Vorwürfe prüfen zu können.

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Damit lag ein Schatten auf Bätzing. Der Vorwurf, seine Vorgehensweise habe mit dazu geführt, dass sich May das Leben genommen hatte, stand im Raum. Bei den „übergriffigen Verhaltensweisen“ soll es sich um keine strafrechtlich relevanten Verstöße handeln.

Die Causa May ist letzte Woche zurückgekehrt. Der Hessische Rundfunk berichtete, dass sich mittlerweile eine interne unabhängige Aufarbeitungskommission mit dem Fall befasse. Dabei sei festgestellt worden, dass schon in der Zeit der Sedisvakanz des Bistums Limburg (2014–2016) ein Gespräch mit May stattgefunden habe, weil es Vorwürfe gegen ihn gab.

Gleich zwei Fälle im Bistum belasten Bätzing schwer

Dennoch ernannte Bischof Bätzing May im Jahr 2018 zum Regens. Bätzing will von den Vorwürfen nichts gewusst haben, über das damalige Gespräch existieren keine Protokolle. Pikant: Laut Informationen des Hessischen Rundfunks sollen die Ergebnisse der Aufarbeitungskommission nicht voll veröffentlicht werden.

Es ist nicht die einzige Hypothek, die Bätzing direkt belastet. Nur eine Woche vor dem Suizid des Regens kochte eine ebenso unangenehme Affäre auf. 2020 beförderte Bätzing den Pfarrer Winfried Roth zum Dekan – obwohl das Bistum von Belästigungsvorwürfen gegen Roth wusste. Im Mai 2022 machte eine ehemalige Gemeindereferentin in Ausbildung ihre Erfahrungen in Christ und Welt publik. Roth habe sie 2006 und 2007 belästigt. Roth trat darauf von seinem Amt zurück.

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Wie die Causa May ist kürzlich auch die Causa Roth wieder aufgetaucht. Am 24. November stellte die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexueller Gewalt im Bistum Limburg (UKO) dem Bischof ein zwiespältiges Zeugnis zum Umgang mit Roth aus. Zwar habe er sich mit dem Anliegen einer von sexueller Belästigung Betroffenen zügig „ernsthaft und konsequent“ auseinandergesetzt. Aber Bätzing habe sich nicht selbst die Akten zu Roth angeschaut, sondern diese von Mitarbeitern sichten und bewerten lassen – und deren Urteil vertraut. Bätzing solle bei künftigen brisanten Fällen selbst in die Akten sehen.

Die Hessenschau packte in diesem Zusammenhang die ganze, unangenehme Geschichte neuerlich aus. Die UKO stellte zudem fest: Der Vorfall sei von Roth und dem Bistum bagatellisiert worden, es habe eine Täter-Opfer-Umkehr stattgefunden. Bätzing entschuldigte sich im Sommer 2022 für seine Entscheidung, Roth zu befördern, die er 2020 noch für richtig befunden hatte – damals beließ es der Bischof bei einem kanonischen Tadel wegen seines Verhaltens Frauen gegenüber.

Bätzings Umgang mit May und Roth offenbart, dass auch die „Reformkreise“ in der Kirche vertuschten und sich nicht um Aufarbeitung kümmerten

Die beiden Fälle konterkarieren gleich mehrere Narrative, die der von Bätzing geleitete „Reformkurs“ des sogenannten „Synodalen Weges“ für sich vereinnahmt. Dazu gehört, dass der sexuelle Missbrauch in der Kirche auf dem Zölibat und anderer systemischer Fehler fuße; und dass sich die Kirche mehr gegenüber Homosexuellen oder Transsexuellen in ihrer Lehre öffnen müsse. Der Umgang Bätzings mit den Fällen May oder Roth entlarvt jedoch auch die vermeintlich progressive Reformagenda als politischen Schall und Rauch, der sich dem Zeitgeist anbiedern möchte und so PR-mäßig besser dasteht, in Wirklichkeit aber mit denselben Problemen zu kämpfen hat, die man dem konservativeren Lager unterstellt – nämlich Vertuschung und Machtmissbrauch.

Zugleich finden sich die deutschen Bischöfe mit ihrem Sonderweg im Allgemeinen, und Bätzing im Besonderen völlig isoliert in der Weltkirche wieder. Erst am Freitag hatte der Limburger Bischof eine stärkere Rolle von Frauen zum „zentralen Zukunftsthema“ der Kirche erklärt. „Wir müssen unsere Anliegen aus Deutschland kraftvoll verteidigen“, sagte er – und erinnerte damit frappierend an manche Politiker, die für Deutschland ebenfalls eine Vorreiterrolle auserkoren haben. Bätzing hält öffentlich an der Frauenordination fest, obwohl die deutsche Delegation in Rom erst Mitte November beim Besuch in Rom deutlich abgewatscht worden war: Weibliche Priester sind auch unter Papst Franziskus kein verhandelbares Thema.

Die deutschen Bischöfe sind in der Weltkirche isoliert

Dieser „Ad-Limina-Besuch“ in Rom war für einige deutsche Bischöfe zum Canossa-Gang geworden. Der seit Jahren laufende Synodale Weg, der neben der Katholischen Kirche in Deutschland vor allem von den mächtigen Verbänden und Gestalten aus Politik und „Zivilgesellschaft“ getragen wird, bekam keinen Segen. Stattdessen machte man deutlich, dass es keine Zugeständnisse geben würde, weil die Teutonen neuerlich gegen die römische Lehre aufbegehren. Bätzing selbst hatte es so gesagt: Man wolle katholisch, aber anders katholisch sein. Folgerichtig kehrte man mit gebücktem Haupt aus der Ewigen Stadt zurück.

Dass Bätzing nun in Sachen „Letzte Generation“ vorprescht, ist also vermutlich dem Umstand geschuldet, dass er an der Wand steht. Kirchenpolitisch, ob in persönlichen, bischöflichen, nationalkirchlichen oder weltkirchlichen Belangen, türmen sich die Probleme. Da nützt es, laut zu schreien, um die Bezichtigungen zu übertönen. Persönliche und kirchenpolitische Befindlichkeiten haben Priorität vor der eigentlichen Aufgabe Christi. Damit degradiert Bätzing die Kirche zu einer NGO, die laut ruft, der aber keiner mehr zuhört.

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Kommentare ( 47 )

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Je me souviens
1 Jahr her

Um die Dimension des aktuellen Tuns des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) im Kontext seiner  Beauftragung als Bischof der röm.-kath. Kirche und die des Tuns seiner Verbündeten im Geiste in selbem Stand und ergo mit selber Beauftragung richtig einordnen zu können, sei vielleicht folgende gedankliche Analogie, ohne Übertreibung, hilfreich: Die Deutsche Physikalische Gesellschaft hätte in den vergangen Jahrzehnten einen Wandel derart durchlaufen, dass ihre Mitglieder begonnen haben, die einst im Studium erlernten und verstandenen allgemeingültigen(!) Gesetzmäßigkeiten und Naturkonstanten aus opportunistischen Beweggründen zu relativieren bzw. für nicht mehr zeitgemäß zu erachten, da beispielsweise die  Gravitionskonstante auf unserem Planeten einen nicht mehr… Mehr

Monostatos
1 Jahr her

Wie gut, dass ich aus diesem maroden Verein ausgetreten bin! Wie es um die katholische Kirche bestellt ist, kann man den Analysen des Erzbischofs Carlo Maria Viganó entnehmen.
BTW: Die Urkirche war keineswegs so ideal, wie man das gerne darstellen möchte. Es wurde seinerzeit mit Vehemenz und wenig Rücksichtnahme um die Deutungshoheit gerungen. Kein Unterschied übrigens zu urmarxistischen Systemen.

Kleinstaater
1 Jahr her

„Auch Christen müssten heute mit Zuversicht in die Zukunft sehen“. Nein. Von den dutzenden Christen aus meiner Verwandtschaft und den vielen Christen aus meiner früheren Bekanntschaft, hat sich so ziemlich jeder sein eigenes Christentum/ seine eigene Weltsicht zusammengezimmert.
Das ist auf allen Kontinenten so und ist bei den Moslems und Juden nicht anders (außer beim „Schweinefleischverbot“ sehe ich innerhalb dieser beiden Gruppen keinen gemeinsamen Nenner).
Als Areligiöser beruhigt mich das ein wenig. Solange die sich gegenseitig kloppen, gehen sie nicht geeint auf mich los.

Karl Schmidt
1 Jahr her

Die Kipp-Punkte sind ebenso freie Erfindungen wie Gott selbst. Sie machen den Leuten aber Angst – und das soll es auch. Die fehlende Rationalität der Menschen auszunutzen ist seit jeher ein widerliches Geschäft. Die Kirche erkennt sich daher selbst in den Klebern wieder. Sogar das Motiv vom Weltuntergang sind Versatzstücke der eigenen Lehre. Doch die Welt geht nicht unter, das Klima kippt wegen des Co2, das die Grundlage des Lebens bildet, nicht. Wenn die Welt untergeht, dann ist es zwar menschgemacht, aber es ist ein politisch-gesellschaftlicher Untergang. Initiiert von Leuten, die nur wenig Verstand, aber dafür umso mehr Angst haben,… Mehr

Katzenfreund
1 Jahr her

Der gute Mann ist scheinbar so ergriffen von sich selbst, dass er gar nicht merkt, dass sein Vergleich genau auf das Problem dieser Verwirrten hinweist. Genau so wenig, wie das Reich Gottes auf Erden nach den Erwartungen der Urchristen bisher gekommen ist, wird die Welt untergehen, wenn wir weiter heizen und Auto fahren.

Regina Lange
1 Jahr her

Pfaffe bleib bei deinen Leisten! Ich möchte wissen, was sich die Kirchen davon versprechen! Die Klima-Terroristen kommen garantiert nicht Sonntags zur Messe um sich ihre Oblate abzuholen, auch wenn sich die Pfafferei noch so ranwanzt!

Andreas aus E.
1 Jahr her

Meinen Sie mit dem Meister Jesus? Warum sollte der kein Latein beherrscht haben, immerhin die Sprache der Besatzungsmacht, und er war ja nicht armer Leute Kind, Vater immerhin überregional bekannter Handwerksmeister (siehe zu Jerusalem, „ist das der Sohn des Zimmermanns?“, was dafür spricht, daß Josefi Betrieb gewissen Bekanntheitsgrad hatte), mithin gutsortierter Mittelstand. Der konnte bestimmt Latein, mit Pilatus hat er sich ja auch unterhalten, und daß der sich die Mühe gemacht hatte, die Sprache der Unterdrückten zu erlernen, wage ich zu bezweifeln.

OStR Ing.-Wiss. Peter Roesch
1 Jahr her

Ein konservativer treukatholischer Bischof, Tebartz-van Elst, musste gehen, damit ein zeitgeistiger häretischer Bätzing eingesetzt werde konnte. So geht Katholikentum in Deutschland.

Cimice
1 Jahr her

Es gibt tatsächlich viele Parallelen zwischen der Kirche und den Klima-Aktivisten. Kein Wunder also, dass der Kirchenvertreter das auch so sieht. Auch wenn er etwas anderes meint. – Etwa 1800 Jahre lang hat die Katholische Kirche die Menschen zahm gehalten, zum Wohle der Aristokratie, mit dem allgegenwärtigen Druckmittel von Jüngstem Tag, dem Fegefeuer und ewiger Verdammnis in der Hölle, wenn sie nicht brav und artig sind. Generationen von Aristokraten und Pfaffen lebten prächtig von der Arbeitsleistung der Gläubigen (und lachten vermutlich insgeheim über die „gläubigen“ Schäfchen). – Dann kam das Zeitalter der Aufklärung, darauf die französische Revolution, und ganz allmählich… Mehr

moorwald
1 Jahr her

Greta mit Jesus zu vergleichen..die Letzte Generation mit den Urchristen… Eine Kirche, der ihr Kern und ihre eigentliche Aufgabe längst abhanden gekommen sind, versucht verzweifelt, ein Stückchen gerade modischen Zeitgeistes zu erhaschen. Trittbrettfahrer.
Im Grunde religiös verbrämter Kitsch.