Auch bei Venezuela hat die EU keine gemeinsame Stimme

Wie die bevölkerungsreiche globale Macht EU-Europa auf Venezuela reagiert, würde keinem Satiriker einfallen.

YURI CORTEZ/AFP/Getty Images

Das hatte sich nicht einmal Trump getraut: Vor einer Woche stellten einige EU-Staaten dem venezolanischen Präsidenten Maduro ein Ultimatum: Wenn er nicht innerhalb einer Woche Neuwahlen ankündige, dann werde man Guaidó als legitimen Übergangspräsidenten anerkennen. Das hatte Trump schon wenige Minuten nach dessen Selbsternennung getan.

In der EU ist alles möglich, aber hat einer der Staatenlenker, der sich zu diesem Ultimatum verstieg, wirklich im Ernst gedacht, dass Maduro sagen würde: «Also gut, wenn Ihr mich so nett bittet, dann gibt’s halt Neuwahlen.»? Aber wie auch immer, das EU-Parlament, das offenbar nicht viel mehr kann als Resolutionen zu verabschieden, verabschiedete schon letzten Donnerstag eine Erklärung, dass es Guaidó anerkenne; gleichzeitig forderte es die Regierungen der EU-Staaten dazu auf, es ihm gleichzutun. Also nicht mal den Ablauf des selbst gesetzten Ultimatums abzuwarten.

Nun, Behaftbarkeit, Verantwortlichkeit, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit, das sind alles Eigenschaften, die dem EU-Parlament nicht wirklich eigen sind. Also verzichteten die EU-Regierungen darauf, den Ratschlag ihres Parlaments zu befolgen. Und kommentarlos wurde zur Kenntnis genommen, dass Maduro natürlich markig ein solches Ultimatum als Einmischung in innere Angelegenheiten zurückwies. Das alles gibt es nur in der EU. Man stelle sich vor, die Schweizer Regierung würde ein solches Ultimatum aussprechen (was sie nicht tat, denn hier gebrauchen die Politiker sie noch der Reihe nach). Und das Parlament würde vorpreschen und beschliessen: Wieso bis Sonntag warten, wir anerkennen den Zweitpräsidenten schon jetzt, damit hat sich das Ultimatum wohl erledigt. Man würde am Menschenverstand der Parlamentarier zweifeln.

Überraschungsfrei ist das Ultimatum nun abgelaufen, ohne dass Maduro Neuwahlen ausgerufen hätte. Ausser, man würde seine Ankündigung zählen, dass es dieses Jahr noch Parlamentswahlen geben könne. Allerdings in ein Parlament, dem er, sozusagen auf den Spuren des EU-Parlaments, fast alle Kompetenzen entzogen hat. Und? Was nun? Aha, Spanien, Frankreich, Grossbritannien, Schweden und Österreich haben Guaidó anerkannt. Immerhin, 5 von 28 EU-Staaten. Aber fehlen da nicht ein paar? Doch, Deutschland. Beim Ultimatum war’s noch dabei, nach Ablauf brauchte die Regierungsperistaltik noch ein paar Stunden, bis es mit den anderen Erklärungen gleichzog. Von Portugal und den Niederlanden hörte man auch erst später. Und wie steht es mit der Nummer drei der Euro-Wirtschaftsmächte? Nein, Italien war von Anfang an nicht dabei.

Geht es noch peinlicher? Aber immer. Nach dieser Kakophonie, die 8 EU-Staaten, die das Ultimatum aussprachen, waren nicht einmal in der Lage, eine gemeinsame Erklärung herauszugeben, muss natürlich etwas geschehen, das ist klar. Irgendwas. Da hilft doch nur eine «internationale Kontaktgruppe», wie die Aussenbeauftragte der EU, also die EU-Aussenministerin Federica Mogherini, in Bukarest bekannt gab. Dabei seien unter anderen Deutschland, Frankreich, Italien und Grossbritannien.

Damit ist ja schon mal für internen Zoff gesorgt. Weiter seien auch Bolivien, Costa Rica und Ecuador an Bord. Warum? Nun, darum, wieso nicht. Bolivien ist zwar ein Alliierter von Maduro, aber vielleicht lässt sich das in der «Kontaktgruppe» ändern. Und wieso sind Mexiko, Kolumbien, Brasilien nicht dabei? Alles Länder, die eine wichtige Rolle in dieser Krise spielen. Auch darum, hatten vielleicht keine Lust.

Welche Kompetenzen hat diese «Kontaktgruppe», welche Ziele, welche Mittel? Gute Fragen. Auf jeden Fall trifft man sich mal nächsten Donnerstag in Montevideo. Soll doch eine hübsche Stadt sein, und ausserdem ist es dort nicht so bitterkalt wie in Europa. Und Business Class in Lufthansa kostet nur schlappe 10.000 Euro pro Nase, Uruguay und zurück. Oder, wenn kostengünstig auf Fluglinie Iberia gesetzt wird, ist die Fliegerei auch für die Hälfte zu haben. Aber wieso sollte dieses Treffen nicht reine Geldverschwendung sein? Oh, weil es ein klares Ziel gibt. Diese «Kontaktgruppe» soll die Krise in Venezuela «innerhalb von 90 Tagen lösen», sagt die Aussenbeauftragte. Der deutsche Aussenminister Heiko Maas lässt bekanntlich auch nur wenige Gelegenheiten aus, Peinlichkeit zu verbreiten, er hofft immer noch auf «eine gemeinsame Linie der EU».

Während Präsident Trump ein ums andere Mal betont, dass «alle Optionen» auf dem Tisch lägen, inklusive eine militärische Intervention, sieht es bei der EU etwas anders aus. Eine militärische Option fällt mangels gemeinsamen Militärs aus. Germans to the front ebenfalls, angesichts des desolaten Zustands der Bundeswehr. Nachdem die EU schon vor zwei Jahren Sanktionen gegen Venezuela ausgesprochen hat, ist ökonomischer Druck auch nicht sehr wirksam. Also bliebe vielleicht noch die Politik, die Diplomatie. Während die anderen Grossmächte, USA, Russland und China, eindeutig positioniert sind, hätte die EU die Chance gehabt, sich als Vermittler zu positionieren.

Aber mit dieser dissonanten Vielstimmigkeit, mit dieser «Kontaktgruppe», von der man nie mehr etwas hören wird, hat sich die EU einmal mehr der Lächerlichkeit preisgegeben. Aus Schweizer Perspektive kann man nur sagen, dass hier der Begriff Fremdschämen wirklich tiefe Bedeutung bekommt.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 15 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

15 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Thorsten
5 Jahre her

Die trampelige EU sollte keiner unterschätzen, denn neben den USA ist wie der einzige Machtblock, der wirtschaftlich stark genug ist milliardenschwere Hilfe zu leisten. Wer sich gegen die EU stellt, der darf bei den USA betteln gehen.

bkkopp
5 Jahre her

Mit einer Prise Sarkasmus kann man sich über die Dissonanz auch freuen. Für den EU-Bürger erscheint die Krise in und um Venezuela nicht von vitalem Interesse. Es sind die Regierenden und die EU-Institutionen die die sonst beschworene ‚ Gemeinschaft ‚ nicht können und nicht wollen – nicht die EU-Kritiker, EU-Feinde oder gar die Rechtspopulisten sind destruktiv, nein, die Regierenden sind es selber und zeigen ihr wahres Gesicht. Dieses wird auch gesehen, und die Kakophonie wird gehört, und kann auch nicht mit ‚ Freude schöner Götterfunken ‚ übertönt werden.

Felix-Schmidt
5 Jahre her

Inzwischen nimmt der Exodus aus Venezuela immer dramatischere Formen an. Migranten erreichen einerseits die USA, andererseits zum Beispiel Spanien. Und von Spanien ist es bekanntlich nur noch ein Katzensprung ins Deutsche Sozialsystem. Wie man hört, soll die Unterstützung durch den spanischen Staat ja nicht gerade üppig sein.
Was werden die Medien wohl berichten, wenn demnächst zehntausende Venezulaner um Asyl bitten? Könnte TE hier bitte berichten, solle es wirklich auch Migration von Südamerika nach Deutschland geben?

Die Totenglocke für unserer Sozialsysteme läutet schon…

Hartholz
5 Jahre her
Antworten an  Felix-Schmidt

Ob Venezuela oder Kongo, die Distanz ist ziemlich gleich. Auch Australien wäre schon mit Scheinasylanten aus dem mittleren Osten überflutet, wenn die nicht die Rollbalken runter gelassen hätten.
Entfernung ist kein Hindernis mehr. In Brasilien gibt es auch schon „Schutzsuchende“ aus Syrien.

Wolkendimmer
5 Jahre her
Antworten an  Felix-Schmidt

Na denn, „…..macht auf die Tür, die Tor mach weit ……….“!

Hartholz
5 Jahre her

Ist mir gar nicht so unrecht, dass es keine gemeinsame Linie gibt in der EU. Das zeigt wenigstens noch von individueller Entscheidungsfreiheit.

Marc Hofmann
5 Jahre her

Die EU ist nicht Europa und somit wird die EU auch keinen Bestand haben. Ist doch logisch…oder….?! Die EU hat sich mit der Selbstreinigung Europas noch nicht so ganz beschäftigt…scheint mir so…jetzt fragen Sie….was schwafelt der jetzt von „Selbstreinigung“….ich will es ihnen sagen…die Vielfalt Europas…die verschiedene Völker/Nation Europas sind in sich die „Selbstreinigung“….man kann diese „Selbstreinigung“ auch als demokratischen Schwarmeffekt bezeichnen….sobald sich einen Diktatur auf dem Europäischen Kontinent breit machen und installieren will, wird dieser „Schwarmeffekt“ aktiviert….am Anfang schließen sich nur einige Völker/Nationen zusammen und kämpfen gegen diese neue…sich zu etablierende Diktatur in Europa….mit der Zeit werden es dann immer… Mehr

Gisela Fimiani
5 Jahre her

„Behaftbarkeit, Verantwortlichkeit, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit“. In welchem Beruf würden Sie ohne diese Eigenschaften besonders erfolgreich reüssieren? Im Beruf des opportunistischen Politikers. Aus diesem Grund sind derart „eigenschaftslose“ Gestalten in der Politik zu Hauf vertreten. In diesem Staat wird der Politiker nicht zur persönlichen Verantwortung mit angemessenen Konsequenzen gezogen, von Behaftbarkeit gar nicht zu reden. The best of all jobs! (not professions). Professionell ist lediglich ihr Opportunismus.

Berlindiesel
5 Jahre her

Verehrter Herr Zeyer, die EU ist kein Staat. Die Mehrzahl ihrer Mitglieder und deren Staatsbürger haben kein EU-Staatsbewusstsein und halten das auch nicht für anstrebenswert. Wenn man aber so vehement von der EU Reaktionen und Handlungsweisen einfordert (das tun Sie in Ihrem Beitrag) so impliziert man ja genau, dass die EU ein Staat, eine Bundesrepublik sein sollte. Denn nur sie könnte gegenüber Venezuela (oder jedem anderen Staat, sagen wir China oder Russland) so auftreten WIE ein Nationalstaat, also etwa die USA. Oder eben die Russen. Die haben eine Linie, die ein Konstrukt wie die EU schon der Sache nach nie… Mehr

Zeyer
5 Jahre her
Antworten an  Berlindiesel

Verehrte(r) Anonymus Die Struktur der EU ist mir durchaus geläufig. Möglicherweise haben Sie aber meine Argumentation nicht ganz verstanden. Ich verlange von der EU weder vehement noch sonstwie Handlungsweisen. Ich sage nur, dass es ein Armutszeugnis ist, wenn acht EU-Staaten ein Ultimatum stellen und nach dessen vorhersehbarer Ablehnung nicht mal in der Lage sind, eine gemeinsame Erklärung dazu abzugeben, oder wenigstens zeitgleich jeweils eine. Ich gebe keinerlei Empfehlungen ab, auf wen man «setzen» solle. Ich sage nur, dass die Einrichtung einer «Kontaktgruppe» reine Geld- und Zeitverschwendung ist. Vor allem auch deswegen, weil die teilnehmenden EU-Staaten als Vermittler völlig unglaubwürdig sind,… Mehr

Rompertaube
5 Jahre her
Antworten an  Zeyer

Verehrter Herr Zeyer, zunächst danke für Ihre Antwort. Sicher sollte man nicht um des Kaisers Bart streiten. Ich habe Ihre Argumentation schon verstanden, teile auch die Bewertung dieser Vorgänge, halte es aber insgesamt für verschwendete Zeit, sich überhaupt mit dem Vorgehen der EU (oder eines Teils davon) zu befassen – so wie es auch Señor Maduro hält. Die berühmte „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ dagegen kann man getrost als Schnee von gestern ansehen – im Zeitalter des digitalen Dorfes ist das schlicht nicht mehr existent. Aus meiner Sicht kann aber die EU auch bei bestem Willen und Ernsthaftigkeit keine Rolle… Mehr

spindoctor
5 Jahre her

EU – was ist das? Kann weg.

Gerd Sommer
5 Jahre her

Wurde die Anerkennung des Selbsternannten eigentlich im Bundestag besprochen und abgestimmt?

Wir wurde Angst u Bange mit welchem Tonfall klein Heiko die „Anerkennung“ ins Mikrofon blaffte….

W aus der Diaspora
5 Jahre her

Für Idioten muss sich niemand schämen. Die Knechte und Mägde braucht heute kein Bauer mehr, deshalb gibt es heute ein EU-Parlament und etliche andere Parlamente 🙂