Ulf Poschardt gibt Frau Merkel einen Rat, der der CDU besser bekäme als ihr

Der Chefredakteur von WELTN24 ist wohl der erste seines Dienstgrads, der Frau Merkel als Vorsitzende der CDU als zur Disposition stehend vorstellt. Solche Signale verhallen aller Erfahrung nach nicht ungehört.

© Sean Gallup/Getty Images

Was Ulf Poschardt in seinem Kurzkommentar sagt, für den WON die Lesezeit von zwei Minuten kalkuliert, ist nicht weniger, als die Aufforderung an Frau Merkel, den Vorsitz der CDU aufzugeben, um noch ein wenig Kanzlerin bleiben zu dürfen.

„Angela Merkel hat den CDU-Vorsitz auf ein Mittel zur Machtabsicherung reduziert und die Beziehung zu ihrer Partei kaputtrationalisiert. Deswegen kommt jetzt so wenig Herz zurück. Die CDU braucht dringend eine neue Führung.“ Ich finde diesen Vorspann des Meinungsbeitrags unter diesem Titel:

Warum sich der Chefredakteur WELTN24 für das entscheidende Wort der Überschrift des Denglischen bedient, müsste er uns selbst erklären. Zweifellos hat Poschardt recht, wenn er zum Verhältnis von Parteivorsitz und Kanzlerschaft diesen Absatz formuliert:

Angela Merkel war schon eine schlechte Parteivorsitzende, als sie noch eine exzellente Kanzlerin war. Zu lange hat sie den Parteivorsitz auf ein Mittel zur Machtabsicherung reduziert und dies zuletzt auch noch öffentlich bekannt. Diesem Amt, das ihr längst egal, ja fast ein wenig überflüssig erschien, bleibe sie nur treu, weil jene Machtdoppelung die Stabilität der Regierung absichere.“

„Zuletzt auch noch öffentlich bekannt“, damit trifft Poschardt den neuralgischen Kern. Merkel hat das Gespür dafür verloren, was sie außerhalb ihres Küchenkabinetts, also öffentlich besser nicht sagt. Das trifft auch für ihre Bekanntgabe der Tatsache zu, dass sie und die anderen GroKo-Händler 12 Stunden um Posten feilschten, während sie Medien und Volk glauben ließen, sie würden um die Politik der kommenden Jahre ringen.

Etwas arg pathetisch klingt Poschardt, aber nichtsdestoweniger zutreffend, wenn er fortfährt:

„Dieser Satz war ein Offenbarungseid und eine Ohrfeige selbst für jene Unionisten, die gerne einem Kanzlerinnenwahlverein angehören. Diese Überschreitung in einen funktionalen Exzess hat die Partei entblößt. Aus dem Glutstrom und der Herzkammer der politischen Identität war eine Machtkrücke geworden.“

Ob der Rat, den Poschardt für Merkel folgen lässt, ein vergifteter oder nur ein riskanter ist, müsste er uns enthüllen:

„Wenn die Macht bröckelt, sind beide Ämter gleichermaßen in Gefahr. Wer ein Amt abgibt, hat eine Chance mehr.“

Warum wirklich?
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Kann sein ja, kann sein nein. Gäbe sie den Vorsitz tatsächlich frei und sei es auch nur durch die Ankündigung, es zu einem etwas späteren Zeitpunkt zu tun, könnte ihr die verbliebene Kontrolle über das Machtgefüge der CDU schnell ganz entgleiten.

Poschardt hat gut hingehört in der Partei, die noch auf Merkel hört – und fasst die Hörgeräusche schön zusammen:

„Wer mit Unionisten spricht, auch jenen, die solidarisch schweigen, spürt, wie tief – ja gallig – der Zorn über die Preisgabe alter Identitätsanker ist. Und als wäre das nicht schlimm genug, wirkt das eisige Schweigen so vieler, aus Angst und Verunsicherung, einschüchternd und wenig inspirierend.“

Was in der Zeit bis zum Bundesparteitag der CDU passieren dürfte, kleidet Poschardt in diesen Absatz, der zum Rat für die „Bürgerlichen“ und „Konservativen unter ihnen“ gerät:

„Merkel hat um zwei Wochen Aufschub gebeten, um die Neuaufstellung mitgestalten zu können. So viele Tage braucht es wohl, doch die Bürgerlichen, gerade die Konservativen unter ihnen, müssen sich in Zeiten wie diesen voller Umbrüche und Disruptionen als Speerspitze des Fortschritts aufstellen.“

Wer sich an die Lesezeit von zwei Minuten hält, welche WON für diesen Text ihres Chefredakteurs kalkuliert, überliest wahrscheinlich die Feinheiten. Die zentrale Botschaft dürfte aber auch bei denen ankommen, welche die zwei Minuten unterbieten. Sie steckt konzentriert am Schluss:

„Angesichts des aktuellen Elends der SPD, die sich auf offener Bühne wie in einem Slapstick zerlegt, genießt die CDU viel unverdiente Ruhe. Aber damit könnte es bald vorbei sein. Die Partei braucht dringend eine neue Führung.“

Wer nun meinen Text gelesen hat, brauchte länger als zwei Minuten. Ich hoffe, mit ein wenig Gewinn.

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Kommentare ( 142 )

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142 Comments
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Gottfried Meier
6 Jahre her

Die Genossen hätten jetzt die Gelegenheit, das Ende von Merkel herbeizuführen. Die glaubt zwar dann mit einer Minderheitsregierung weiterwursteln zu können, aber das hielte sie nicht lange durch.

Captain Buck Rogers
6 Jahre her

Mit was belegt Herr Poschardt seine Behauptung, daß Angela Merkel jemals eine exzelente Kanzlerin war? Diese Frau hat diesem Land und besonders dem Volk, dem zu dienen Sie mit Gottesbezug geschworen hat (viel Spaß in der Hölle), mehr Schaden zugefügt als der Pillenknick und die 68-er zusammen. Dieses Land wird, wenn überhaupt, Jahrzehnte brauchen, um sich von ihrer Herrschaft zu erholen.

Berggrün
6 Jahre her

Poschardt ist weiterhin (wie die ganze Welt-Redaktion) tief beleidigt, daß „Jamaika“ nicht zustandekam, obwohl er so heftig dafür geworben hat in täglichen Kommentaren, daß Merkel ihn vielleicht zu den Verhandlungen hätte dazubitten sollen (hätte er sicher gerne gehabt). Dann hätte er einem (genervten?) Lindner erklären können, warum gerade das Radfahren für die neue Bürgerlichkeit so sinnstiftend sei, daß es zum zentralen Thema einer grünlinksbürgerlichen Koalition werden müsse. (Hat er tatsächlich geschrieben) Gewagte Drifts seien nötig, und so weiter. Und dann hat dieser Lump aus Düsseldorf doch tatsächlich die Verhandlungen platzen lassen, zur Strafe zieht die „Welt“ über die FDP nicht… Mehr

Der Mustermann
6 Jahre her
Antworten an  Berggrün

„…aber sonst ist vor allem die WAMS kaum noch lesbar.“ -Berggrün

Hm… WAMS ? Sowas gibt’s ? Ok… Braucht man das, oder kann das weg…

Berggrün
6 Jahre her
Antworten an  Der Mustermann

Welt am Sonntag, gängige Abkürzung

Gero Hatz
6 Jahre her

Wenn politische Turbulenzen offenkundig werden, versuchen die Hofberichterstatter den geeigneten, vielleicht sogar den besten Zeitpunkt zu finden an dem man sich absetzt. Poschardt scheint zu glauben, dass es jetzt angesagt sei, sich von Mutti zu distanzieren. Das Rumoren in der Union ist ja kaum zu überhören und wenn selbst Jacob Zuma zum Rücktritt gezwungen werden kann, müsste das auch mit Mutti gehen.

Old-Man
6 Jahre her

Ich habe zweimal gelesen,und zugegeben,der Ulf Poschardt hat hier volle Treffer gelandet.
Ich bin zwar kein Weltleser mehr,aber man kann ja auch hier erkennen,das der „Systemwandel“ unmittelbar bevorstehen muß,denn man schwenkt langsam aber sicher nicht nur bei der Welt wieder in reales Fahrwasser zurück.Mir ist einer aus der „Welttruppe“ aber immer noch geblieben,Robin Alexander,den mag Ich,dem höre Ich gerne zu,und seinen Lesestoff kann man sehr bekömmlich zu sich nehmen!
Wenn dieses Chaos der Regierungsbildund dazu beiträgt,dann hat dieses Trauerspiel sogar etwas gutes!

Marc Hofmann
6 Jahre her

Die AfD ist der Magnet der die Wähler von Union und SPD automatisch anzieht….die Union hat unter Merkel ihre Werte aufgegeben und die SPD unter Schröder….dieser Werteverrat ist das Fundament der AfD. Die AfD ist nämlich weder Rcchts noch Links….die AfD ist in der Mitte der Bürgerschaft…der Arbeiter und Angestellte…auch ist die AfD das Sprachrohr der Öffentlichen HAND VON Polizei, Rettungsdienste, Lehrer bis hin zu Feuerwehr und THW, Bundeswehr. Die AfD ist gerade einmal 5 jahre alt und ist schon bei 15%….Tendenz steigend! Von Jahr zu Jahr 3% Steigerung….und diese Steigerung kommt aus ALLEN Schichten der Deutschen Gesellschaft…aus ALLEN Deutschen… Mehr

Winni
6 Jahre her

Ulf wer? Poschardt? Ein Paradebeispiel für versagenden Journalismus. Wer es nicht glaubt möge googeln und seine Beiträge der letzten 2 Jahre auf WON lesen. Die Ansichten dieses Mannes sind völlig belanglos und irrelevant. Warum? Er ist ein Opportunist der übelsten Sorte.

AngelinaClooney
6 Jahre her

Zitat Poschardt: „…….als sie noch eine exzellente Kanzlerin war“. Das war sie für mich nie, ich habe ihr noch nie getraut und ihr den „humanitären Imperativ“ überhaupt nicht abgenommen. Um einen Tick härter geht heute in der WELT Nikolaus Doll mit ihr in seinem Meinungsartikel „Merkel ist längst keine krisenfeste Kanzlerin mehr“ um: „Hoffentlich muss eine Regierung unter dieser Kanzlerin keine ernsthafte Krise mehr meistern.“ Indessen ist Frau geschäftsführende Kanzlerin beim Politischen Aschermittwoch in Mecklenburg-Vorpommern und beendet ihre Rede mit „Wir schaffen das“ – kein Witz.

Birgit
6 Jahre her

Die Presse gibt Gas mit angezogener Handbremse Dass auch hochrangige Journalisten GEGEN Merkel und FÜR IHRE ABSETZUNG sind, erfühlt der Leser zunehmend zwischen den Zeilen. Warum wird diese Forderung noch immer nicht in KLAREN, DEUTLICHEN Worten auch genauso kommuniziert? Sicher, im Einzelfall mag es karrierebedrohend sein, ungeschminkt zu berichten, aufrichtig öffentlich zu reflektieren und laut zu fordern. Aber ist das nicht das ’natürliche‘ (vorher bekannte) Berufsrisiko der Presse als sogenannte VIERTE GEWALT und Sprachrohr des ‚gemeinen Volkes‘? Genauso ‚verschwurbelt‘ und erklärungsbedürftig zu agieren wie die Sonnenkönigin herself, verzögert nur unnötig ihr allseits ersehntes Herrschaftsende. Und so wird das auch nixx… Mehr

AnSi
6 Jahre her

Entschuldigung, aber wenn ich schon „Poschardt“ lese, stellen sich mir die Nackenhaare hoch. Er ist das, was man bis 1989 einen Mitläufer nannte, vertritt und verteidigt er doch mit seinem Blatt noch immer die Politik der GroKaZ. Kritische Meinungen werden bei WON gern zensiert und nicht veröffentlicht (Parallelen zur Stasi sind deutlich erkennbar). Benutzer werden willkürlich gesperrt, nur weil die Wahrheit im Kommentar steht (oft einfach im Netz zu prüfen, aber WON macht sich nicht die Mühe, da stimmt nur, was die Journalisten dort _angeblich_ recherchiert haben). Das zeigt mir, dass er es keinesfalls ernst meint mit seiner „Meinung“. Er… Mehr