ARD und ZDF wollen fast 600 Millionen Euro mehr für „Hygienekosten“

ARD und ZDF haben mit dem Einmarsch der Russen in den Donbas ein Großereignis verpasst. Mal wieder. Aber sie verkünden, sie bräuchten knapp 600 Millionen Euro für Corona-Hygiene. Dahinter steckt bereits der Kampf um die nächste Gebührenerhöhung.

imago images / Future Image

„Opposition ist Mist“. Dieser Satz landet im politischen Vermächtnis des ehemaligen SPD-Chefs Franz Müntefering. Ein Grund, warum Opposition Mist ist, sind Haushalte. Sie kann eigentlich nur richtig lesen, wer sie selbst geschrieben hat. In der Politik die Beamten der Finanzministerien, im Fernsehen die Verwaltungen der Sender. Es gilt: Umso mehr Geld gehandelt wird, desto mehr Möglichkeiten gibt es, verschiedene Ausgaben in einem solchen Haushalt zu tarnen.

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Mehrausgaben von 597 Millionen Euro haben ARD und ZDF bei der für den „Rundfunkbeitrag“ zuständigen Kommission KEF angemeldet. Deren Mitglieder bestätigen den Öffentlich-Rechtlichen, dass diese Forderung berechtigt sei. Die Bild hat aus diesen rund 600 Millionen Euro „Hygienekosten“ gemacht. Das soll das Thema vereinfachen und skurril klingen – und so ein kompliziertes Thema dem Boulevard-Leser zugänglich machen.

Doch „Hygienekosten“ klingt nicht nur skurril. Es verschleiert auch, um was es eigentlich geht: „Die Folgen der Corona-Pandemie“. So hat es Martin Detzel beschrieben. Der Betriebswirtschaftler ist der neue Vorsitzende der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF). Und mit den Folgen der Pandemie sind nicht Ausgaben für Desinfektionsmittel oder zusätzliche Kosten für Drehs gemeint – sondern auch und vor allem geringere Einnahmen durch den Rückgang der Wirtschaftskraft, der eine Folge der Corona-Politik ist.

Es ist die Achilles-Ferse der Öffentlich-Rechtlichen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die jüngste Gebührenerhöhung durchgeboxt. Das Urteil hat die Runde der Richter um den CDU-Politiker Stephan Harbarth damit begründet, dass der Landtag in Sachsen-Anhalt die Erhöhung des Beitrags zuerst platzen ließ, indem der sich nicht mit der Erhöhung befasste. Der Landtag hätte aber Gründe für die Nicht-Erhöhung liefern müssen – zum Beispiel, wenn Gebühr und allgemeine wirtschaftliche Entwicklung auseinander laufen.

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Damit hat das Gericht eine zusätzliche Hürde für Gebührenerhöhungen aufgestellt: eben dass eine Erhöhung ins allgemeine wirtschaftliche Umfeld passen muss. Das heißt: Wenn private Haushalte und mittelständische Unternehmen nach der Pandemie jeden Euro siebenmal umdrehen müssen, können ARD und ZDF das Geld nicht weiter mit Baggern verteilen – etwa indem sie Millionensummen für die Pensionsbeiträge einzelner Mitarbeiter zurückstellen.

Entsprechend kommt die KEF unter dem neuen Chef Detzel ARD und ZDF weniger generös entgegen, als es in besseren Zeiten als selbstverständlich galt. Zwar hat die Kommission anerkannt, dass die öffentlich-rechtlichen Sender zwischen 2021 und 2024 durch Corona einen zusätzlichen Finanzbedarf von 600 Millionen Euro haben. Aber die KEF hat den Sendern auch den Auftrag, drastisch zu sparen, ins Stammbuch geschrieben.

1,6 Milliarden Euro müssen ARD, ZDF und Deutschlandradio bis 2024 demnach einsparen. Über 920 Millionen Euro davon laufen unter „Aufwandsreduzierungen“. Gehälter und Pensionsansprüche müssen runter. Und Filme und Serien im Fernsehen sehen zwar bei ARD und ZDF manchmal aus, als ob ein Vater die Theateraufführung seines Viertklässlers mit dem Handy gedreht hätte. Doch sie verursachen Produktionskosten, die manchen Produzenten in Hollywood neidisch machen würden.

Denn auch wenn die Öffentlich-Rechtlichen laut KEF sparen müssen – sie sind immer noch Dagobert Duck, während andere Sender nur Donald sind: Rund 28 Milliarden Euro erhält die ARD bis 2024, über 10 Milliarden Euro das ZDF. Das Deutschlandradio hat Recherche durch Meinung ersetzt und kann sein Programm so zum Schnäppchenpreis von einer Milliarde Euro bis 2024 anbieten. Zusammen genommen ist das eine Steigerung des Etats um 2,4 auf 36,3 Milliarden Euro – 6,7 Prozent mehr Geld.

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Was bedeutet das für die künftige Entwicklung der Gebühren? ARD und ZDF werden für 2024 eine weitere Erhöhung fordern. Das wird schwierig. Zwar hat die SPD durch gewonnene Wahlen ihren Einfluss gemehrt und trägt die Erhöhungen grundsätzlich mit. Aber dies wird nur im Rahmen von Minimalkompromissen möglich sein. Dabei braucht der öffentlich-rechtliche Rundfunk dringend Reformen – und eben diese werden mit Minimalkompromissen kaum möglich sein.

ARD und ZDF sind zwar unangefochtene Marktführer im Fernsehen. Doch das ist längst eine Veranstaltung für die Alten. Wenn das ZDF sein Publikum mit simpel gestrickten Krimis oder Heimatfilmen bespaßt, schauen zwar um die 7 Millionen Menschen zu – doch davon ist mitunter nicht mal jeder Zehnte jünger als 50 Jahre. Wer nach 1972 geboren wurde, schaut kaum noch fern. Zwei Millionen Zuschauer gelten in dieser Zielgruppe als herausragende Quote. Unter der Woche reicht meist eine Million junger Menschen, um in dieser Gruppe die meist gesehene Sendung des Tages zu haben.

Deswegen werden drei Punkte die Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk prägen, prophezeit Detzel. Neben den Corona-Kosten würden das die Digitalisierung und die Debatte um den Auftrag der Sender sein. Genau hier müssten ARD und ZDF ansetzen: Beim Fernsehen leben sie von der Generation, die an das Gerät gewöhnt sind. Die den Heimatfilm einschalten, weil der im ZDF läuft – und sie das halt immer tun. Auch wenn sie schon nach fünf Minuten wissen, dass der nette junge Mann das nette junge Mädchen bekommen wird. Im Netz müssen ARD und ZDF das Publikum erst finden – und da sind sind sie von der für sie elementar wichtigen Meinungsführerschaft weit entfernt.

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Wie schwer sich etwa die ARD damit tut, neues Publikum zu gewinnen, zeigt der Spartensender „Tagesschau24“. Dessen Namen klingt eigentlich nach Nachrichten rund um die Uhr, der Sender ist aber oft nur eine Abspielstation für die immergleichen Dokus, in denen zum tausendsten Mal im bundesrepublikanischen Fernsehen zu sehen ist, wie der junge Adolf Hitler drei Meter hinter dem Sarg von Kurt Eisner kondoliert. RBB-Intendantin Patricia Schlesinger will, dass „Tagesschau 24“ nun seinem Namen gerecht und zum „Rund um die Uhr“-Nachrichtenkanal wird.

Wobei noch offen ist, wie dieser Ansatz endet. Geht die ARD wie bisher den einfachen Weg mit ihrem Spartensender, werden dort einfach nur 24 Stunden Tagesschau abgenudelt. Vielleicht mal unterbrochen von einer Monitor-Wiederholung oder einer Anne-Will-Folge, in der Karl Lauterbach, der Bundesgesundheitsminister oder der Bundestagsabgeordnete der Leverkusener SPD zu Gast ist. Vielleicht schafft es die ARD aber auch, künftig auf aktuelle Ereignisse zu reagieren. Denn während NTV über diese schon berichtet, zeigt die ARD meist noch lange Konserven. Auch da stehen Aufwand und Ertrag bisher in keinem Verhältnis, das beim Zuschauer Sehnsucht nach mehr Aufwand weckt.

Passiert ist das schon oft. Jüngst etwa im Ahrtal. Dort hatte es die Konsequenz, dass Einwohner nicht rechtzeitig über die Flutgefahr informiert wurden. Nun in der Nacht zu diesem Dienstag schon wieder: Während NTV bereits über Putins Übergriff berichtete, konnten die ARD-Zuschauer noch Fischen beim Schwimmen zusehen. Tatsächlich passiert und doch eine Metapher. ARD und ZDF wollen Geld wie ein Top-Sender und sind doch oft nicht mehr als ein dekoratives Fischglas, das halt zur Wohnung gehört.

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Kommentare ( 25 )

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Christoph Schneegans
2 Jahre her

Der ÖRR wird sich nicht freiwillig ändern. Wer Änderungen herbeiführen möchte, darf auch nicht auf die Justiz oder die Politik hoffen; das BVerfG erklärt den Zwangsbeitrag zuverlässig zur „Demokratieabgabe“ und setzt sich notfalls auch über das Votum eines Länderparlaments hinweg.
Massenhafte Zahlungsverweigerung ist die wirkungsvollste Form des Protests. Ich praktiziere das seit 2013, habe bislang dreimal vor dem Verwaltungsgericht geklagt und nun gerade einen Eintrag ins Schuldnerverzeichnis erhalten. Aktuell fordert der SWR ca. 1.400 EUR von mir…

Gisela Fimiani
2 Jahre her

Es gilt: Die ganz große Parteienkoalition ist auf ihre Staatssender dringend angewiesen. Sie wird sie deshalb weiter gut füttern. Es gilt: Solange der Polit-Richter Harbarth seinen ehemaligen Politikerkollegen mit Hilfe der ÖRR ihre Posten und Politikeskapaden sichert, werden wir den Zwang, für unsere Indoktrination auch noch zur Kasse gebeten zu werden, nicht abschütteln. Harbarth war der wirkungsvollste Coup gegen unser GG schlechthin.

thinkSelf
2 Jahre her

Dabei braucht der öffentlich-rechtliche Rundfunk dringend Reformen „
Nö. Propagandaabteilungen der Regierung brauchen keine „Reformen“, die macht man einfach dicht.

Sagen was ist
2 Jahre her

Hygienekosten?

Hmm – so wie es aus diesem ÖR Augiasstall riecht

ist das gut angelegtes Geld für Hygienemaßnahmen.

Nur reicht das nie und nimmer dieses „Geschmäckle“ neudeutsch

„Hautgout“ zu vertreiben, das aus diesen Kreisen dampft.

Takeda
2 Jahre her

Ich sage nur Abo-Modell! Es wird Zeit, das der ÖRR „modernisiert“ wird.

Aber machen wir uns nichts vor, solange der ÖRR Linksgrüne Worte wie Schlangen das Gift verspritzen, solange wird es keine Änderung geben. Eine Änderung dieser Hybris wiederum, kann nur mit einem veränderten Wahlverhalten erfolgen… dies geht allerdings nur, wenn die Union endlich aus ihrer grünen Ohnmacht erwacht.

Tja, packt die Koffer….

Alf
2 Jahre her

Einem Gastwirt, der seine Preise erhöht, bleiben die Gäste weg.
Nicht so bei ARD und ZDF. Die Zuschauer können nicht weglaufen.
Das „Auswuchten“ von alten Filmdosen, die ständig aufgelegt werden, verursacht keine Mehrkosten in dieser Höhe.
Neue Produktionen, die mit Krimi überschrieben sind, enthalten Handlungen, die niemand sehen will.
Ebenso langweilige Talkshows mit immer gleichen Gästen und einseitiger Moderation.
Nachrichten, bei denen wichtige Informationen weggelassen werden, braucht niemand.
Und die Zuschauer können selber ihre Meinung bilden, brauchen kein betreutes Denken.
Am besten, man privatisiert diese Sender.
Dieses Land braucht keinen Staatsfunk.

old man from black forrest
2 Jahre her

Unbestritten haben in den vergangenen 2 Jahren – angesichts anderer Alternativen wie Kino, Theater, Sport und dgl. die verbliebenen Nutzer die ÖR-Medien vermehrt goutiert. Die hochwertigen Informationen bzgl. Corona-Impfungen sollte man auch nicht ignorieren. Diesen Zusatznutzen – egal wie man ihn jetzt nennen mag – auf die Gebührenzahler umzulegen – ist gerechtfertigt. Jeder, der diesen Beitrag zahlen kann lebt noch. Also, was soll der Geiz?

Nibelung
2 Jahre her

Das Urteil über die letzte Gebührenerhöhung ist juristischen Jongleuren zu verdanken die sicherlich dem Auftrag gerecht werden aber nicht dem Recht, denn wer mit solchen verquerten Argumenten daher kommt, findet bei nächster Gelegenheit auch die passende Begründung und somit befinden wir uns alle im freien Fall und unsere Demokratie ist schon längst Geschichte, denn hier werden neue Maßstäbe angelegt die eben solchen ähneln die wir von 3. Reich und vom Arbeiter und Bauernstaat her kennen und das ist der Untergang des Rechtswesens und wie sagte schon der heilige Augustinus, wer das Recht nicht zum Maßstab aller Dinge macht gleicht einer… Mehr

Britsch
2 Jahre her

Die Einen brauchen für etwas 10€ und Andere brauchen für das Gleiche 100 odeer 1000€ nach oben keine Grenze.
Die einen genehmigen sich selbst 5000€ Andere 10000 und Andere meinen es müßte für sich selbst 50000€ sein

Ananda
2 Jahre her

Ein Relikt aus der Fernseh-Steinzeit. Allerdings Propaganda Instrument Nr. 1 der Grün Linken, das seinem Auftrag der Neutralität und Bildung in keinsterweise nachkommt.
Eigentlich hätte das Bundesverfassungsgericht diese Versorgungs- und Regierungssprecheranstalt wegputzen müssen. Habarth sei Dank. Da ist die Regierung noch einmal davongekommen.