Bei Hart aber Fair: Verschwörungstheorien gegen Impfpflicht-Gegner – und ein Hauch von Umdenken

Bei Hart aber Fair gibt Plasberg gleich vor: "Die Antwort auf Corona heißt impfen. Zu diskutieren gibt's da allenfalls, wen und wann." Dann erläutert ein Medizinhistoriker die Impfpflicht-Gegner von heute anhand von Impfgegnern aus dem Jahre 1802.

Screenshot: Hart aber Fair

Frank Plasberg sprach mit seinen Gästen mal wieder über die Impfpflicht. Aber scheinbar ist es in seinen Augen schon so heikel, überhaupt nur darüber zu diskutieren, ob die Impfpflicht notwendig ist, dass er die Sendung gleich mit einer vorgeschobenen Rechtfertigung einleitete: „Es ist immer gut zu wissen, auf welcher Basis man in einer Sendung wie ‚hart aber fair‘ diskutiert – auf einer wissenschaftlichen Basis. Es gilt: Die Antwort auf Corona heißt impfen. Zu diskutieren gibt’s da allenfalls, wen und wann. Aber wie ist die Antwort auf die Frage, ob der Staat seine Bürger verpflichten soll? Diese Antwort ist weniger eindeutig.“

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Es sind Fernseh-Momente, in denen man gleich wieder abschalten möchte. Wenn Leute sich als ganz große Wissenschaftsenthusiasten darstellen wollen und dann behaupten, es gäbe in der Wissenschaft keinen Spielraum für Diskussion, dann weiß man doch sofort, dass diese Leute keine Ahnung von Wissenschaft haben. Aber ich bin tapfer geblieben, denn ich hatte eine Mission: Wenn Plasberg schon so hochmütig eine wissenschaftlich fundierte Sendung ankündigt, wird er ja wohl auch etwas Besonderes vorbereitet haben, nicht wahr? Also legte ich mir eine Strichliste an – ich wollte zählen, wie viele Studien zitiert werden. Denn so machen das die Wissenschaftler doch, oder? Sie forschen, dann besprechen sie die Ergebnisse und nennen Quellen, damit jeder die Behauptungen überprüfen und entweder kritisieren oder nachvollziehen kann. Meine Strichliste blieb ein leeres Blatt Papier.

Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, ist mit sich selbst sehr zufrieden. Sie hat jetzt Maßnahmen veranlasst, die „aus meiner Sicht verkraftbar sind“. „Ich bin geboostert, ich trage Maske“, sagt sie derweil. Als politische Gegenspielerin wird Malu Dreyer jene Christine Aschenberg-Dugnus entgegengesetzt, die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion ist. Sie spricht davon, dass das Ziel in der Pandemiebekämpfung ja von Anfang an die Entlastung des Gesundheitssystems gewesen sei und dass man deshalb die „Maßnahmen permanent anpassen“ müsse. Sehr interessant – vor allem vor dem Hintergrund, dass Frau Aschenberg-Dugnus für die Impfpflicht des medizinischen Personals gestimmt hat.

1802 und 2022 ist exakt das Gleiche

Kurz fragt Plasberg Dreyer nach dem Söder-Turnaround zur Impfpflicht; gerade als sie süffisant ansetzt, knallt ihr Journalist Michael Bröcker ihren eigenen Meinungswandel um die Ohren. Der Chefredakteur von ThePioneer meint:„Sie haben im Sommer letzten Jahres gesagt: Eine Impfpflicht geht auf gar keinen Fall. Auch Sie haben also eine Wendung vollbracht.“ Bröcker ist dann auch derjenige, der vermutet, die Impfpflicht würde gerade einen leisen Tod sterben, mangels eindeutiger Mehrheit im Bundestag.

Den Höhepunkt erreicht die Sendung allerdings, als Malte Thießen die Bühne betritt. Er ist Medizinhistoriker und wird im Verlauf der Sendung dazu geholt, um über die Geschichte der Impfverweigerer zu sprechen. Dafür hat er eine Karikatur aus dem Jahr 1802 mitgebracht – über Impfverweigerer aus der Zeit der Pocken. Sie ahnen vielleicht schon, was jetzt kommt. Nun, Sie müssen wissen, dass es damals wohl Leute gab, die dachten, dass man durch die Pockenimpfung, die ja von den Pocken aus Kühen gewonnen wurde, Beulen bekommen könnte, aus denen Kühe wachsen. Sein „Exkurs“ ließ bei den Zuschauern keinen anderen Schluss zu: Ist ja genau wie heute. Er spricht von einem „Déjà-vu“, dass die „Parallelen“ eindeutig seien. Die Tatsache, dass es vor zweihundert Jahren Leute gab, die Angst vor der Pockenimpfung hatten, sagt uns alles, was wir über die Ungeimpften von heute wissen müssen.

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Plasberg und Thießen haben diese Karikatur tatsächlich als Argument genommen dafür, dass man diesen Skeptikern keine Beachtung schenken sollte, weil es schon immer Leute gab, die gegen Impfungen waren. Dass man nach einer Pockenimpfung auch tatsächlich immun war und nicht alle paar Monate einen Booster brauchte, um dann immer noch ansteckend zu sein? Wird verschwiegen. Dass wohl die meisten Ungeimpften von heute zum Teil selbst noch eine Pockenimpfung bekommen haben und sonst auch gegen die meisten Dinge geimpft sind, außer Corona – auch egal. Natürlich ist es auch nicht weit, bis gleich noch eine Parallele zwischen Impfgegnern und antisemitischen Verschwörungstheoretikern aus dem Kaiserreich hergestellt wird. Dabei spricht sich der Historiker am Ende sogar noch selbst gegen eine Impfpflicht aus – die sozialen Konflikte, die dadurch entstehen würden, seien zu groß.

Im Anschluss werden Leserbriefe vorgelesen, die zufälligerweise zu 100 Prozent explizit für die Impfpflicht sind. Und so entlässt Plasberg seine Zuschauer mit einer absolut klaren Denk- und Meinungsanweisung in den Abend. Allein der Zweifel, ob die Impfpflicht politisch durchkommt, wächst.

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Kommentare ( 115 )

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115 Comments
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Deutscher
2 Jahre her

„Dafür hat er eine Karikatur aus dem Jahr 1802 mitgebracht – über Impfverweigerer aus der Zeit der Pocken.“ Naja. 1802 hatte man im Gegensatz zu 2022 einen funktionierenden Impfstoff. Kleiner Unterschied, aber wir wollen das Thema ja nicht mit Logik strapazieren. Wenn man schon historische Vergleiche zieht, dann ist 1981 das passende Jahr. Damals wurde AIDS bekannt und man musste sich recht bald eingestehen, dass Impfen bei HIV nicht funktioniert. Dann begann man umgehend damit, alternative Strategien zu entwickeln, dank derer eine HIV-Infektion heute längst kein Todesurteil mehr ist und Betroffene ein fast normales Leben führen können. Meiner persönlichen Ansicht… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Deutscher
TomSchwarzenbek
2 Jahre her

Grazie di tutto, liebe Frau David. Und entschuldigen Sie bitte, dass Sie für uns Leser durch Plasberg&Co leiden müssen. Ich verbieten nun hier allen ab sofort das Lachen, bis eine Sammelaktion Ihnen als Ausgleich vier Wochen Malediven ermöglicht….natürlich *****

Chris_Muc
2 Jahre her

Liebe Frau David,wie schon letzte Woche Ihrem Kollegen Herrn Roland muss ich auch Ihnen höchsten Respekt zollen, diese Staatspropagandasendung von Anfang bis Ende durchzuhalten. Ich hoffe Herr Tichy lässt sich nicht lumpen und gewährt Ihnen und Ihren Kollegen dafür einen Sonderhonorarzuschlag. 🙂

Peter Wichmann
2 Jahre her

Liebe Frau David,
Ihre Tapferkeit beim Betrachten solcher Sendungen kann ich mir nur mit Ihrer Jugend erklären, die es Ihnen ermöglicht – und verzeihen Sie bitte, daß ich hier derb werden muß – sich diese seit Jahren von den Öffentlich Rechtlichen produzierte Kackscheiße reinzuziehen. In Ihrem Alter ist die Leidensfähigkeit ganz offensichtlich noch ausgeprägter, als in meinem.
Ich bewundere Sie. Aber übertreiben Sie es nicht. Es gilt in dieser grauenhaften Zeit nicht nur die „normalen“ Hygienevorschriften zu beachten, sondern auch die der Psychohygiene. Da ist man schwuppdiwupp infiziert, wenn man nicht höllisch aufpaßt.

olive
2 Jahre her

Genau so argumentierte ein Autor im „Nebelspalter“ , als er von „Annebäbi Jowäger“ von Jeremias Gotthelf , 1844: der Roman sei ja auch ein Impfroman und „Wer sich nicht impfen lassen will und dann erkrankt, hat die Folgen zu tragen.“Der Sohn von Annebäbi erkrankt schwer an Pocken und überlebt, halb blind und verunstaltet. Selber schuld.
Unglaublich

Kuno.2
2 Jahre her

Ich glaube nicht, dass es ein Umdenken der Funktionsträger in und außerhalb der Regierung gibt. Ein Umdenken findet vermutlich erst dann statt, wenn die gesundheitlichen Probleme vieler Geimpfter nicht mehr zu leugnen sind.
Die jetzigen hohen Infektionszahlen verdanken wir sowieso den Geimpften, denn diese durften überall hin ohne Negativtest. Die Ungeimpften mussten schon lange drausen bleiben oder mit Negativtest herein kommen.
Jetzt müssen (viel zu spät!) auch die Geimpften vorher zum Testen.

spindoctor
2 Jahre her

Mein Bedauern Frau David, dass Sie sich derartigen Müll anschauen müssen. Demnächst macht vielleicht Herr Degowski den Moderator – kann auch nicht schlimmer werden.

hoho
2 Jahre her

Jordan Peterson hat letztens „It’s time to live“ aug YT veröffentlicht. Er beschreibt was passiert mit einer Gesellschaft die unter massivem Stress steht und zu zerbrechen droht. In D. haben wir noch dazu natürlich die Grünen und Kampf gegen CO2. So wie in dem Experiment die Dritte Welle (Janes Elliott blaue Augen, brauen Augen ist in ähnlich in dem man die Gruppen schafft und eine Mehrheit gegen die Minderheit aufhetzt), ist der Ausweg nur dann möglich wenn der Chef es so sagt und das mit genug Autorität durchzieht. Sonst sitzen wir hier und impfen und lockdownen uns so lange bis… Mehr

Sabine Ehrke
2 Jahre her

In meinem Umfeld ist es ähnlich, Geimpfte erkranken. Trotz persönlichen Kontaktes im engeren Kreis keine Ansteckung meinerseits als Corona-Ungespritzte. Ein junger Kollege Mitte 20, frisch geboostert, sagt, er kommt kaum die Treppe hoch. Vielleicht mal die folgende Reportage auf ServusTV ansehen. Die Diskussionen um Impfpflicht sind ausschließlich politisch denn gesundheitlich motiviert.
Servus Reportage: Im Stich gelassen – die Covid-Impfopfer, ab Mittwoch, 19. Jänner – 19:30 Uhr vorab in der Servus Mediathek, am Donnerstag, 20. Jänner ab 21:10 Uhr bei ServusTV Österreich und am Mittwoch, 26. Januar ab 22:15 Uhr bei ServusTV Deutschland.

Last edited 2 Jahre her by Sabine Ehrke
Dr. Rehmstack
2 Jahre her

Könnte es nicht sein, dass nach etwa 15-20 Jahren eine Generation ihren Eltern heftigste Vorwürfe machen wird, dass sie in ihrer Zeit zugelassen haben, dass ein einst prosperierendes Land zu einem Land der ethnischen Konflikte, der Deindustrialisierung, des Energiemangels, der außenpolitischen Isolierung und der Verarmung weiter Bevölkerungskreise durch genau ihre Väter aus Feigheit und Eigennutz ruiniert wurde und sie sich wie eine Nachkriegsgeneration vorkommen? Sowas soll es schon mal gegeben haben, nur werden diesmal die Vorwürfe gut belegbar sein.

Brotfresser
2 Jahre her
Antworten an  Dr. Rehmstack

Und die Generation meiner Großeltern wusste nichts zu antworten auf die Frage: „Was hast Du gemacht, als die Nazis an die Macht strömten?“
Das wird unseren Mitbürgern dieser Tage leichter fallen; sie können antworten: z. B. „Ich habe mein Essen fotografiert.“