Bei Hart aber Fair: Und dann diagnostiziert die Genderforscherin „Corona-Leugner“ fern

Bei Plasberg soll es vorgeblich um die Leiden der Menschen unter Corona und Lockdown gehen. Eine Friseurchefin kommt nur am Rande zu Wort. Stattdessen wird das Studio in ein Therapiezimmer umfunktioniert und eine Psychologin analysiert uns unsere eingebildeten Probleme.

Screenshot ARD: Hart aber Fair

Bei „Hart aber Fair“ soll es heute, dem Titel nach, um die Befindlichkeiten des einzelnen Menschen gehen. „Lockdown und kein Ende: Wie geht es Ihnen in der Krise?“ Endlich, denkt man sich. Endlich wird nicht nur unendlich über diese oder jene Mutante diskutiert, sondern über die Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Endlich kommen mal die Themen auf den Tisch, die an den Menschen seit Monaten nagen. Naja, mehr oder weniger.

Eingeladen hat Frank Plasberg die Intensivmedizinerin Carola Holzner, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, die Friseurmeisterin Kirstin Vietze, den Schriftsteller Jan Weiler und die Gesundheitspsychologin Monika Sieverding. Letztere schafft es schon vor der Sendung, mit einem Zitat in meiner Mitschrift zu landen. In einem Teaser zur Runde wird eine Aussage der Professorin eingespielt, in der sie Lockdown-Brecher per Ferndiagnose psychoanalysiert: „Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre Freiheit eingeschränkt ist, dann suchen sie Wege heraus. Das ist ein bisschen wie bei trotzigen Kindern, die ihre Limits austesten.“ Schon bevor es überhaupt losgeht, geht es also gut los.

Heft 02-2021
Tichys Einblick 02-2021: 2021 - Endlich wieder leben
Die eigentliche Talkrunde wird dann von Plasberg mit selbiger Psychologin eröffnet, die an der Universität Heidelberg übrigens auch die Forschungseinheit zu „Genderwissenschaft“ leitet. Die gibt dann erstmal zu Protokoll, dass Zweifeln an den Maßnahmen doch sowieso ungesund wäre: „Wenn man immer hadert“, meint die Psychologin, „ist das sicher nicht gut für die Psyche“. Wer die Schuld bei Politikern suche, mache sich quasi nur selbst krank. „Man konzentriert sich in den Medien leider immer noch auf die negativen Meldungen.“ „Anstatt dass wir uns freuen, zermartern wir uns gegenseitig mit Vorwürfen“, und das „tut uns als Gesellschaft nicht gut.“ Freut euch doch einfach mal, und hört am besten auch mit dem Zweifeln auf! Gesund ist nur, wer nicht an die Rechnungen denkt.

Darauf folgt Friseurin Kirstin Vietze, Chefin eines Friseursalons. Als Plasberg sie fragt: „Wie gehts Ihnen?“, schweigt die dreifache Mutter einen Moment. „Ich kann das gar nicht mehr in Worte fassen“. Sie schluckt. Man wisse gar nicht mehr, wie man das alles meistern solle. „Wenn drei Kinder zuhause Homeschooling machen, kommt man selber zu nichts.“ Dazu kommen ein wachsender Schuldenberg und zunehmende Existenzängste, vor allem weil von den Corona-Hilfen nichts ankomme. Sie falle komplett durchs Raster, erklärt die Chefin von über 20 Friseuren. „Ich hab mir vorgenommen, ich möchte kämpfen“, erklärt sie, denn das Ende ihres über hundertjährigen Familienbetriebs mag sie sich eigentlich gar nicht vorstellen.

Ok hätten wir das auch. Kurz heuchelt Hubertus Heil, dass ihn das nicht kalt lässt, dann weiter im Text, Frau Sieverding hat schon lange keine Ferndiagnose mehr abgegeben.

Erst ist aber noch Jan Weiler da, er ist wohl stellvertretend für die leidende Veranstaltungsbranche eingeladen – als mehrfacher Bestsellerautor. Er war selbst an Corona erkrankt. Das einzige, was ihm dann einfällt, ist die Forderung, immunisierte und geimpfte Personen müssten Sonderrechte bekommen. Außerdem erzählt er uns, in welch tollem Zustand sein Haus ist. So schlimm ist das also alles gar nicht mit den Lockdown-Folgen, er muss es ja wissen.

Und weil wir ja immer noch im deutschen Fernsehen sind, gibt der Arbeitsminister nochmal kurz zusammenhangslos seine Freude über das Ende der Trump- und den Beginn der Biden-Präsidentschaft zu Protokoll. Das sei „Grund zur Hoffnung“.

Erlösungsversprechen im Nichtschwimmerbecken

Was nun? Frank Plasberg bittet Frau Sieverding um eine weitere Ferndiagnose – alle haben darauf gewartet. Es geht um Leute, die „Coronapartys“ feiern. Diese Leute wären „reaktant“. Das „Reaktanzphänomen“ erklärt die Psychologin so: Die Leute wären in einem psychischen Zustand, dass sie den „Eindruck“ hätten, dass Handlungs- und Entscheidungsfreiheit eingeschränkt sei. Wenn Sie sich also eingeschränkt fühlen, keine Sorge – das ist alles nur ein psychologisches Phänomen. Doch Frau Sieverding ergänzt auch, dass nicht nachvollziehbare und nicht erläuterte Maßnahmen zur Reaktanz beitragen, die nächtliche Ausgangssperre zum Beispiel. Von wirklich Betroffenen wie Kirstin Vietze hat sich die Diskussion inzwischen entfernt und hängt mal wieder irgendwo zwischen „Coronapartys“ und „Maßnahmenkritik“ mit dem geistigen Tiefgang eines Nichtschwimmerbeckens im Kinderfreibad fest.

Notärztin Holzner klärt online über Impfung und Corona auf und erhält teilweise negative Kommentare von „Verschwörungsmythikern“.

Plasberg bittet Sieverding das zu erklären, immerhin seien die Leute ja nicht einfach doof. Und die scharfe Psychoanalytikerin hat die passende Antwort natürlich sofort parat: „Vielleicht sind die doof“. Im Netz wird sie dafür gefeiert.

Geschichten aus dem Lockdown
Leben und Sterben in Corona-Zeiten
Eigentlich sind sich in dieser Sendung mal wieder alle einig, der große Wurf, mal wirklich kritisch über persönliches Schicksal und Leiden der Einzelnen zu diskutieren, wird nicht gewagt. Aber merken Sie auch, dass hier noch die Stimme von absolut radikalen Lockdown-Aposteln fehlt, die man sonst in Gewohnheit erwartet? Das muss Frank Plasberg beim Blick in die Runde wohl auch aufgefallen sein. Deswegen folgt prompt ein Einspieler.

Ein Kölner Gastronom plädiert „ganz hart dafür, dass wir alles schließen, was geht“. Alles muss „auf Null“ gefahren werden – das erinnert eindeutig an „ZeroCovid“. Autor Jan Weiler erklärt für diesen Aufruf auch seine Sympathien und begründet dies mit den vielen Absurditäten der aktuellen Lockdown-Politik: Anstatt diese zu kritisieren, sollen doch zumindest alle unter der gleichen Absurdität leiden. Diese Logik muss man sich auch mal leisten können und kommt vor allem von dem, der wenige Minuten vorher noch für Privilegien für Geimpfte eintrat. Hubertus Heil rückt das auch direkt zurecht und weist mit den anderen Gästen doch tatsächlich darauf hin, dass ein totaler Lockdown des gesamten Landes nicht nur das doch relativ wichtige Gesundheitswesen, sondern auch die Tätigkeiten von essenziellen Geschäften wie Supermärkten zum Erliegen bringen würden. Und den totalen Gesellschaftskollaps will man dann eben doch (noch?) nicht riskieren. Auch Plasberg wagt einen überraschend passenden Vergleich, spricht von einer Art „Erlösungsversprechen“: „Kasteit euch, dann regnet’s Manna“.

Wir können also lernen, dass „ZeroCovid“ zumindest noch nicht ganz im Medienmainstream angekommen ist. Aber wie Frau Sieverding in anderem Zusammenhang sinngemäß formulierte: Ich bin zuversichtlich, dass das noch kommt. Am vergangenen Montag zumindest war die Runde eher zwischen Valiumspritze und Schlaftablette. Kaum einer debattiert richtig, keiner streitet, alle diskutieren um einen unterm Strich konfliktfreien Konsensbrei herum, in dem die einzige Stimme der Betroffenen, Friseurmeisterin Vietze, untergeht. Die Frage: „Wie geht’s Ihnen im Lockdown?“ wird  direkt verworfen, und die relativ naive Hoffnung, dass man als Bürger doch mit seinen Problemen stattfinden würde, durch den Zuschauer auch – dafür haben die Zuschauer eine kostenlose Therapiesitzung erhalten.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 123 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

123 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
hagr
3 Jahre her

Genial. Da scheint aber jemand das Overton Window wieder einmal ein gehöriges Stück verschoben zu haben. Noch quietschen hier einige, bald ist das dann common sense. /Ironie off
Framing funktioniert – leider.
Es schmerzt, so etwas mitbekommen zu müssen. Ich finde, soetwas kann sehr viel kaputt machen. Man kann Psychologie aber auch für Gutes und Heilung einsetzen. Bitte nicht vergessen.

HavemannmitMerkelBesuch
3 Jahre her

Gender“Forschung“/“Wissenschaft“ ist die tatsächliche reine „soziale Konstruktion“ vorbei an Wissenschaft und Realität. Wie bereits Marxismus-Leninismus und Rassenlehre irgendwelcher irrer Sozialisten ist Gender eine weitere reine Konstruktion vorgeblicher Logik, die Wissen-schafft, die keinerlei Grundlage hat sondern die reale Welt durch Lüge, Verzerrung, Demagogie und Fakenews zu einer unfreien Diktatur verunstalten möchte – wozu – zwecks Profit daran. Wo heute Genderstudierte, -beauftragte,-professoren und -Minister zu tausenden auflaufen und massenhaft Steuergelder verschwenden und in ihnen dienliche eigene Kassen lenken, war vorher nichts. Konstruierte angebliche gesellschaftliche angeblich wichtige Probleme und Ungerechtigkeiten dienten zum Konstrukt einer angeblich richtigen Sprache, angeblich wichtiger Quoten bis hin zu… Mehr

beko
3 Jahre her

Ich habe einst an diversen SED-APO-Versammlungen teilgenommen. War damals Redakteur bei der Betriebszeitung. Sie waren für Parteimitglieder Pflicht, zumeist langweilig und zum Ende zu, von den „ich weiß noch etwas Herr Lehrer-Genossen“ unnötig in die Länge gezogen. Grundsätzlich wurde von Erfolgen berichtet, aber auch heftig über „Schieflagen“ diskutiert. Wenn es denn im Interesse der Sache war. Selbst Kulturveranstaltungen, wie das Kabarett die Distel, der Kessel Buntes oder ähnliche ließen, trotz allem, auch noch einen gewissen kritischen Systemhumor erkennen. Sie haben jedoch nicht belehrt, oder zumindest kaum. Heutiges Anliegen der Talk Shows und sogar der Satire Shows, wie die Heute Show,… Mehr

Last edited 3 Jahre her by beko
Kristina
3 Jahre her

Als der Arbeitsminister dazu aufforderte, statt sich über die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen von Corona und der Pandemiebekämpfung zu sorgen, solle man sich über die Wahl Bidens freuen, habe ich entnervt ausgeschaltet.

alter Preusse
3 Jahre her

Wenn ich Gender“wissenschaft“ lese, fallen mir immer christliche Theologen ein, die ins ins 18. Jahrhundert u.a. darüber debattierten, wie viele Engel auf eine Nadelspitze passen könnten.

Andreas aus E.
3 Jahre her
Antworten an  alter Preusse

Wobei das mit den Tanzengeln zwar albern klingt, aber eine durchaus anspruchsvolle Übung des Geistes und der Argumentationskunst darstellt – zudem harmlos.

Dagegen handelt es sich bei Genderdings um sozialschädlichen, gemeingefährlichen Unfug und ohne ist jeden intellektuellen Anspruch. Ganz im Gegenteil, je dümmer, desto gender.

alter Preusse
3 Jahre her
Antworten an  Andreas aus E.

Ok, dieser Argumentation stimme ich zu.

conferio
3 Jahre her

Es tut mir wirklich leid für sie, denn ich unterstütze sie gern monatlich. Aber leider kann ich ihnen kein Schmerzensgeld darüber hinaus anbieten…obwohl sie es bestimmt verdient hätten, wenn sie sich diesen Schwachsinn von Plasberg ansehen. Ich hoffe, das sie das mental verkraften…denn ich würde ungern auf sie verzichten.

Werner F. Meier
3 Jahre her

Womit wieder einmal bewiesen ist, dass der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk kein Publikum braucht, der Zwangsgebührenzahler keinen ÖR und die Menschheit keine Gender-„Forschung“.

RA.Dobke
3 Jahre her

Ach – bitte, ich habe eine Frage an alle: Ist Euch auch der tolle fünf Wochen alte Haarschnitt von Hubertus Heil aufgefallen? Warum fragte ihn niemand danach? Der Schmnitt seiner wunderbaren Haartracht oder besser vielleicht Haarpracht ist schwerer zu schneiden, als etwa die dauernd beanstandeten martialischen Haarschnitte unerer Fußballer.

Wolfgang Richter
3 Jahre her
Antworten an  RA.Dobke

Gestern, 26.01., erklärte die Redakteurin WDR-Aktuelle Stunde- freimütig, daß selbstverständlich in der „Maske“ auch die Haare der Moderatoren geschnitten werden, vermutlich unter „Maske“, aber was bitte schön unterscheidet das von den Vorgängen / Tätigkeiten in den seit Wochen wieder geschlossenen Läden der Friseure und Kosmetiker? Dann doch bitte Gleichbehandlung für alle und überall, Unterlassung dieser Tätigkeiten. Mal sehen, wie lange die Schließung noch aufrecht erhalten würde, wenn die Verursacher und ihre medialen Boten öffentlich genauso zauselig auftreten müssen, wie die von ihnen Drangsalierten und vielartig Beschimpften, egal ob als Pack, Nazi, Rechts oder Psycho.

RA.Dobke
3 Jahre her

Na, wenigstens kam dieses Mal nicht das „Hoffräulein“ Prof. Brinkmann zum Einsatz und versuchte als gelernte Virologin sich als Sozial- / Gesellschaftspsychologin zu verkaufen: Schuster bleib bei deinem Leisten! Übrigens hat man von ihr in ihrer Wissenschaftdisziplin auch nicht so viel gehört. Vielleicht ist ihr Feld ja auch eher die Vermittlung von Grundwissen an die Studenten ihrer Universität. Aber weil sie brav ist, ist sie ja als Beraterin der Vorsitzenden Merkel-Putina unseres seit knapp einem Jahr bestehenden gesamtdeutschen ZK (Zentralkommittee) aufgerückt.

Delcarlo
3 Jahre her

Der Verordnungen und Verfügungen sind Myriaden, die Kontrollen ob deren Einhaltung sind freilich sehr lax. Gestern kamen meine Frau und ich aus unserem Domizil in der Karibik zurück. Zwei Tage vor unserer Abreise gab die Fluggesellschaft bekannt, welche Bedingungen für eine erfolgreiche Einreise zu erfüllen sind. 1) Man muss eine Selbstauskunft ausfüllen 2) Test, ja oder nein. a) Hat man keinen gültigen Test mit negativem Ergebnis vorzuweisen, muss man 14 Tage in Quarantäne. b) Hat man einen gültigen Test mit negativem Ergebnis vorzuweisen, muss man nur 5 Tage in Quarantäne. (Wozu das gut ist, weiß der Himmel) Klingt alles ziemlich… Mehr

Wolfgang Richter
3 Jahre her
Antworten an  Delcarlo

Als ich Okt. 2020 aus dem von den Handlangern der Besetzerin des Kanzlerettenamtes zum Hochrisikogebiet „Niederlande“ wieder heim- und einreiste, gesund und ohne Husten, Schnupfen, Heiserkeit, habe ich als folgsamer Untertan zur Vermeidung eines möglichen Bußgeldes wegen diverser Nachbarn, die um die Reise wußten, das Meldeformular meines Gesundheitsamtes im „Netz“ brav ausgefüllt und mitgeteilt, daß ich mich der vorgesehenen 14tägigen Quarantäne füge. Es gab dazu keinerlei Reaktion des Amtes, weder eine -in anderen Bereichen übliche- EMail-Antwort, noch eine Nachfrage / Kontrolle, zum Ende keine Anfrage, ob ich ggf. Symptome habe. In den Medien einen riesigen Zirkus veranstalten, Kompetenz und Funktionsfähigkeit… Mehr

Kassandra
3 Jahre her
Antworten an  Wolfgang Richter

Menschen, die nicht unsere Sprache sprechen, scheinen da eh komplett außen vor.