Abdel-Samad in der Provinz: Personenschutz und kein bisschen leise

Nie, so Hamed Abdel-Samad bei einem Auftritt in Schwäbisch Gmünd, hätte er es sich vorstellen können, dass er einmal in Deutschland, seiner neuen Heimat, über Einschränkungen der Meinungsfreiheit referieren würde.

imago Images/Jakob Hoff

Der bekannte Publizist und Islamkritiker, Hamed Abdel-Samad, folgte der Einladung von Dr. Sandra Kostner, Initiatorin des „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“, nach Schwäbisch Gmünd. Nach dem Vortrag des Tandems, Abdel-Samad und Dr. Kostner, zum Thema „Vom Wert und Preis der Meinungsfreiheit“ könnte man den Inhalt auch so, etwas abgewandelt, zusammenfassen: „Reden ist Gold, Schweigen ist Schrott“, wenn es um die besagte Meinungsfreiheit in Tagen wie diesen geht.

Dreimal schon wurde dieser Besuch verschoben; Corona kam dazwischen. Dann müssen auch die Sicherheitsvorkehrungen stimmen, denn der Deutsch-Ägypter Hamed Abdel-Samad, studierter Politikwissenschaftler, kann den Alltag und seine Auftritte, egal wo, nicht ohne Personenschützer, also Bodyguards, bestreiten. Das ist zumindest der Preis, den Abdel-Samad selbst zahlen muss, weil er wegen seiner kritischen Meinungen dem Islam gegenüber angefeindet und mit dem Tode bedroht wird.

© Giovanni Deriu

Ja, er könne hier stehen, und seine Meinung kundtun, keiner würde wegen kritischer und von der Regierungslinie abweichender Meinungen eingesperrt, aber dafür müsse man damit rechnen, denunziert, diffamiert oder eben bedroht zu werden.

Der 50-jährige Abdel-Samad kam vor 27 Jahren aus Ägypten nach Deutschland, und seine alte Heimat gehörte definitiv zu den Ländern, wie „viele arabische Länder“, in denen man ebend nicht die Meinung frei äußern durfte, ohne dafür belangt zu werden, wenn der Staat und seine Politiker kritisiert wurden. Nie, so Abdel-Samad selbst, hätte er es sich vorstellen können, dass er einmal in Deutschland, seiner neuen Heimat, über Einschränkungen der Meinungsfreiheit referieren würde.

Gleich zu Beginn machte er die vier Säulen der Verantwortung und ihren Verantwortlichen aus, die derzeit eine Gefahr für die Meinungsfreiheit und offene Debatten darstellten.

Zu allererst sei der Staat gefragt, dafür zu sorgen, dass es freie Debattenräume gäbe, in denen die Menschen, wie abstrus die Meinungen auch sein mögen, diese frei äußern können. Das sei aber momentan nur eingeschränkt möglich; Meinungen würden vorgegeben, wer nicht auf Regierungslinie sei, bekomme die Konsequenzen zu spüren.

Außerdem wären da die Medien in der Verantwortung, die Regierenden kritischer zu begleiten. Stattdessen würden sie aber die stromlinienförmigen Meinungen der Regierung transportieren und zu wenig hinterfragen. Dadurch würden die Medien gar die Gesellschaft bewusst in „Gut und Böse“ aufteilen. Nachrichten würden nicht mehr nach dem Gehalt und Inhalt beurteilt, so Abdel-Samad, sondern nach Haltung.

Drittens, kämen auch die Wirtschaft nicht aus ihrer Verantwortung heraus, denn sie trage und transportiere oft die Meinungen der Regierung, oft auch selbst ohne Fakten, sodass sich keiner traue, offen seine Denkweise zu äußern, aus Angst, seinen Job zu verlieren, und das käme immer wieder vor.

Die vierte Säule, so Abdel-Samad und Sandra Kostner (Geschäftsführerin des Master-Studiengangs, „Interkulturalität und Integration“ an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd) unisono, sei die Gesellschaft selbst. Nicht jeder finde den Mut, offen zur eigenen, auch abweichenden Meinung zu stehen.

Laut einer Allensbach-Studie sieht fast die Hälfte der Bevölkerung ihre Meinungsfreiheit in der Tat eingeschränkt. Das sei kein gutes Zeichen, so Kostner, weil die Mehrheit eben schweige, aber die „Aktivisten“ einfach mit mehr Verve agieren würde. Die liberalen, teils konservativen Menschen, wären niemals so ideologisch, auch weil sie selten eine Zukunftsvision hätten. Die andere Seite, die sich mit so viel Verve ins Zeug lege, nähme auch Spaltungen quer durch die Gesellschaft und Familien in Kauf, nur um ihre Agenda zu verfolgen.

Politologe Abdel-Samad ist auch überzeugt, dass ein „paternalistischer Staat“, der alles vorgebe, eben immer auch in eine infantilisierte Gesellschaft führe.

Es gäbe da auch die gute und die schlechte Religionskritik, so Abdel-Samad. Die gute, das sei die im linksgrünen Milieu, immer gern gegen Jesus und das Christentum gerichtete – jedoch nie die gegen den radikalen und intoleranten Islam. Der würde fast noch mehr von den Gastgebern geschützt, bitte bloß keine Kritik, die die „Gäste“ und Zuwanderer irgendwie beleidigen würde.

Nein, so Abdel-Samad, auch Satire müsse erlaubt sein. Selbst das Bundesamt für politische Bildung blieb nicht verschont, denn auch diese Institution würde für ein verzerrtes Bild sorgen. Ja, der Marsch durch die Institutionen, so Sandra Kostner, habe Erfolg gehabt. Wenn bereits Forscher und Wissenschaftler angegangen würden, nur weil sie ihre Meinungen, auch kontroverse (davon leben doch die Unis und die Demokratie, sollte man meinen), äußerten, dann würde man sehen, welch schwierige Aufklärungsarbeit noch anstünde. Im Netzwerk Wissenschaftsfreiheit meinte Dr. Kostner jüngst selbst zu ihren Mitstreitern, es sei kein Kurzsprint, sondern ein Marathonlauf, der noch zu bewältigen sei.

Abdel-Samad und Kostner waren sich wie die meisten Zuhörer einig, Diversität sei nur dann wertvoll, wenn offen und frei ohne Scheuklappen diskutiert und nicht ausgeschlossen werde. Dass man als Demokrat immer ein „Antirassist“ sei, verstehe sich doch von selbst, nur, was wären denn Aktivisten wie die der Black-Lives-Matter-Bewegung (BLM) anderes als Rassisten, die bewusst diskriminierten, wenn sie meinen, dass alle Weißen bereits rassistisch seit der Geburt seien? Pure Ideologen.

Egal ob bei der Flüchtlingskrise, der Klimadebatte oder nun beim Coronavirus, es werde bewusst Spaltung provoziert, während die Regierungen unbedingt „Vertrauen einfordern“, und so dabei das Vertrauen verspielten, weil sie Meinungen und Menschen teils ausgrenzten. Vertrauensgewinn sei nie eine Einbahnstraße und auf Druck zu erreichen. Vertrauen, so das Fazit, müsse sich eine Regierung auch erst einmal verdienen.


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Kommentare ( 14 )

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14 Comments
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Dieter Kief
1 Jahr her

Hamed Abdel Samad, aber auch die Frau Dr. Sandra Kostner in Schwäbisch Gmünd sind zwei ganz erfreulich wache Zeitgenossen!

Evero
1 Jahr her

Volle Punktzahl! Hinter den Aussagen stehe ich. Demokratie ist ein Dauerwettstreit um die besten Ideen und Lösungen.
Wer den Meinungswettbewerb unterbindet oder Lösungen ideologisch vorgibt, ist kein Demokrat.
Fazit: die Demokratiedefizite in Politik, Wirtschaftskonzernen, Medien und Gesellschaft in diesem Land waren noch nie so groß seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Wer vom Mainstream abweicht, wird stigmatisiert.

Last edited 1 Jahr her by Evero
flin
1 Jahr her

Im obigen Artikel wird als I. Säule der Staat genannt, welcher der aktuellen Entwicklung gegensteuern müsste. Hier stelle ich mir allerdings die Frage, ob die Entwicklung nicht schon viel zu weit gediehen ist. Ich habe immer öfter der Eindruck, dass die Kern-Medien (von wem auch immer gesteuert) den Takt vorgeben und gewählte Vertreter genau wissen, dass bei einer abweichenden Meinung oder unbedachten Äußerung deren Kariere vorbei ist. Damit werden auch die Wahlen absurdum führen, da die Auswahl der zu Wählenden (egal welche Partei) schon auf regionaler Ebene perfektioniert wurde. Wie sollen diese letztendlich selektierten Repräsentanten des Staates hier für eine… Mehr

Weisheitszahn
1 Jahr her
Antworten an  flin

Die Geschichte zeigt leider, dass dergleiche Entwicklungen immer mit einem großen Knall enden. Und zwar, wenn eine kritische Masse der Bevölkerung einen kritischen Bereich des Wohlstandverlusts erreicht, während eine von diesem Verlust abgekoppelte Oberschicht zunehmend den Kontakt zum Volk verliert.
Die Frage ist nur noch, wann es denn hier konkret soweit ist. Aktuell wird ja sehr progressiv darauf hingearbeitet.

Weisheitszahn
1 Jahr her

Religionskritik: erst letztens (dummerweise) in so eine Sketch History Sendung im ÖR „Qualitätsfernsehen“ reingeschaut, wo auf wirklich billigste und polemischste Weise Jesus und die Bergpredigt verunglimpft wurden. Abgesehen davon, dass das dank ihrer politischen Agenda unser zwangsgebührenfinanziertes Linkenwerbefernsehen nie machen würde: aber sollte das mal einer mit Mohammed machen, würden auch hier ganze Städte brennen wie in Schweden. Müßig zu fragen, wo die Intoleranz hier im Land verankert ist. Es ist einfach nur traurig, was hier gerade passiert. Man kann sich nur immer wieder sagen, dass auch vor 2000 Jahren schon Gottes Wort am Ende langlebiger war und ist als… Mehr

Rivarol
1 Jahr her

Den großen Unterschied zwischen Christentum und Islam sieht man an der damaligen Behandlung von Hans Küng und Hamed Abdel-Samad. Während Küng, als einer der größten innerkirchenlichen Kritiker des Katholizismus, niemals Angst davor haben mußte, daß ihn ein radikaler Jesuit niedermessert, braucht ein Islamkritiker wie Abdel-Samad dauerhaft Personenschutz. Gleichzeitig genoß Küng das Wohlwollen eines Großteils der Medien und politischen Elite im Land. Diesen weiteren Vorteil hat der aus Ägypten stammende Publizist ebenfalls nicht. Allein die unterschiedliche Behandlungsweise durch die öffentliche Meinung und der untragbare Zustand, dass Abdel-Samad permanent Personenschutz benötigt, spiegelt den großen Unterschied in Bezug auf Toleranz, Kritikfähigkeit und permanente… Mehr

Evero
1 Jahr her
Antworten an  Rivarol

So ist es. Deutschland ist seit vielen Jahrzehnten ein Exilantenparadies für islamische Fundamentalisten, für Linksterroristen und ein Paradies für Mafiaschläfer.
Das ist das Verdienst der vollkommen ideologisierten, linksgesteuerten, globalistischen Zuwanderungspolitik, die Deutschland und die Deutschen als Geisel für ihre kaputte Ideologie nimmt.
Restriktive Zuwanderungspolitik hat nichts mit Rassismus oder Islamfeindlichkeit zu tun; sie ist schlicht das Grundrecht jedes Volkes und Staates, sich die Menschen auszusuchen, die sie in ihre Gesellschaft aufnehmen will, weil sie zu ihr passen. Alles andere ist vorsätzliche Gesellschaftszersetzung und innenpolitische Terrorgenese von politischen Extremisten.
Müssen wir uns das gefallen lassen?

Last edited 1 Jahr her by Evero
Chris Groll
1 Jahr her
Antworten an  Evero

„Müssen wir uns das gefallen lassen?“

Müßten wir nicht. Die Frage ist nur, wer soll es ändern. Der Wähler hatte eine Chance, hat sie aber nicht genutzt. Also kommt es wie es kommen muß und wie Sie es ja beschrieben haben.

elly
1 Jahr her

„…eben immer auch in eine infantilisierte Gesellschaft führe.“ zu spät. Das hat Merkel geschafft: die Gesellschaft infantilisiert. Der Kabarettist Volker Pispers brachte dies einst auf den Punkt. Merkels Prinzip war: wählt mich und Ihr müsst Euch nicht mehr um Politik kümmern, ich mach das für Euch. Der Mehrheit gefiel es und heute wird der bequemen Mehrheit die Rechnung präsentiert: immer radikalere Klimafanatiker und Pattexkids und auch von denen verursachte explodierende Energiepreise. Der Ukraine Krieg ist eine willkommene Ausrede. Hohe Inflation. Wir haben Annalena, Robert Habeck und Cem Özdemir. Und die Freiheiten werden immer mehr beschnitten. Alles nur machbar in einer… Mehr

bkkopp
1 Jahr her

Das Übel scheint mir mit der Moralisierung zu kommen. Einerseits war die moralische Abwertung von abweichenden Meinungen seit Jahrhunderten in unserer Kultur und Herrschaftsgeschichte verankert, andererseits hat man seit mehr als 200 Jahren sehr erfolgreich dagegen angekämpft und Freiheiten definiert und kodifiziert. Der Wille zur Macht versucht aber immer Wege zurück zu finden.

Evero
1 Jahr her
Antworten an  bkkopp

Die vogelfreien, terroristischen Globalisierer sind die Zerstörer jeder Ordnung und des Schutzes innerhalb von Grenzen und nationaler Gesetzgebung.
Die Globalisierer sind diejenigen, die den Meinungskorridor verengen, um ihre brutalen Lügen als Wahrheiten zu verkaufen. Anders hätten diese Sektierer keine Chance.

Wolfgang Richter
1 Jahr her

„Ja, er könne hier stehen, und seine Meinung kundtun, keiner würde wegen kritischer und, von der Regierungslinie, abweichender Meinungen zwar eingesperrt,“ Werter Herr Abdel-Samad, Ihr Spruch erinnert ein wenig an Idi Amin. Ohne daß ich mich berufen sehe, hier Lebensgeschichten zu erzählen, die ich nuzr vom Hörensagen kenne, möchte ich beispielhaft an die Schicksale des „Masken-Richters“ von Weimar und seiner wissenschaftlichen Gutachter erinnern, an Herrn Bodo Schiffmann, an Herrn Prof. Hockertz, an das aktuelle Volksverhetzungsverfahren gegen Herrn Prof. Bhakdi und gerade vor ein paar Tagen akut geworden, Strafverfahren und augenscheinlich vorläufige Festnahme des „Corona-Maßnahme-“ kritischen Arztes Dr. Paul Brandenburg. Hierzulande… Mehr

Richy
1 Jahr her
Antworten an  Wolfgang Richter

Freie Meinungsäußerung ohne Folgen? Natürlich nicht! Im Internet hatte ich recherchiert, dass das Hissen einer Deutschlandfahne mit einer Banane, also Satire, die auf den derzeitigen Zustand dieses Landes hinweist, strafwürdig ist. Auch wenn bislang keine rechtskräftigen Urteile gefällt wurden, so wurden doch Strafanzeigen gefertigt und strafprozessuale Maßnahmen getroffen. U. a. wurden die Fahnen beschlagnahmt (könnte man ja bis zu einem Urteil in einem Rechtsstaat noch akzeptieren). Es erfolgten aber auch Wohnungsdurchsuchungen. Warum??? Das „Tatmittel“ wurde doch gefunden! Oder dient ein solcher Vorfall nur dem Vorwand die Gesinnung dieser Menschen auch in ihrem intimsten Bereich zu erforschen. Aber gleichzeitig entwürdigt die… Mehr

Manfred_Hbg
1 Jahr her

Zitat: „Zu allererst sei der Staat gefragt, dafür zu sorgen, dass es freie Debattenräume gäbe, in denen die Menschen, wie abstrus die Meinungen auch sein mögen, diese aber frei äußern können. Das sei aber momentan nur eingeschränkt möglich“ > Mhh, „nur eingeschränkt möglich“?? Also vielleicht verstehe ich Dummie hier ja nur was falsch. Aber wenn zum Beispiel in einer Uni eine linke wohlwollende Minderheit dafür sorgen kann das bestimmte Vorträge und Debatten erst gar nicht stattfinden können oder wenn diese Minderheit durch Gewaltandrohung verhindert das an bestimmte Gruppen und Personen keine Säle vermietet werden und das von demokratische Parteien deren… Mehr