Wahlprüfungsausschuss des Bundestags: Keine Empfehlung zur Berlin-Wahl

Soll die Bundestagswahl in Berlin nachgeholt werden – und wenn ja, in welchem Umfang? Dazu hatte der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags heute eigentlich eine Empfehlung abgeben wollen. Doch die Mitglieder verschieben den Termin.

IMAGO / nordpool
Der Umgang des Bundestags mit der Berliner Bundestagswahl von 2021 weckt Erinnerungen. Zuerst hatte man auch dort die skandalösen Abläufe heruntergespielt. Die Berichterstattung konzentrierte sich auf die Abgeordnetenhauswahl – so, als wäre auf wundersame Art und Weise die zeitgleich erfolgte Bundestagswahl anders verlaufen. Bis zur Ankündigung des Verfassungsgerichts Berlin, sich möglicherweise für eine vollumfängliche Wiederholung der Wahl einzusetzen, blieb es im Bundestag still.

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Man bewegte sich ein Stück – aber eben nur widerwillig. So sollte eine mögliche Neuwahl nur in bestimmten Wahllokalen durchgeführt werden. Paradox: Dabei sollte nur die Zweitstimme abgegeben werden. Überdies setzte man willkürliche Grenzen bei der Abgabezeit des Stimmzettels fest. So wollte der Wahlprüfungsausschuss erst Stimmen, die nach 18:45 Uhr abgegeben wurden, als Wahlfehler definieren. Die Wahl sollte nur in 300 Stimmbezirken wiederholt werden.

Kurz vor der heutigen Sitzung hatten Medien, Politik und Sachverständige jedoch Kritik an diesen Absichten geübt. Die Bundestagsverwaltung hatte unter anderem erhebliche Bedenken bezüglich der Zeitgrenze von 18:45 Uhr geäußert. Nun ist von 18:30 Uhr die Rede. Es soll auch nicht mehr in 300 Stimmbezirken, sondern in 431 der 2256 Stimmbezirke neu gewählt werden. Auch bei der Erststimme haben die Ampelparteien eingelenkt: Diese soll wie die Zweitstimme abgegeben werden können.

Es waren kleine, aber nicht die nötigen Korrekturen. Es ist immer noch kaum zu erklären, warum in Berlin auf Landesebene möglicherweise komplett neu gewählt wird, aber auf Bundesebene nur in rund 16 Prozent der Stimmbezirke. Offenbar weiß man es im Wahlprüfungsausschuss besser. „Wir wollen die Bundestagswahl dort wiederholen, wo tatsächlich Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme aufgrund von festgestellten Wahlfehlern nicht abgeben konnten“, hieß es von den Vertretern von SPD, Grünen und FDP.

Heute Mittag sollte eigentlich eine Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses erfolgen. Doch die wurde vertagt – vorerst auf den 7. November. Die Begründung: Es sei sehr umfangreich, in die 200 Seiten starke Beschlussempfehlung noch die aktuellen Änderungswünsche einzuarbeiten, sagte der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner als Ausschussmitglied. Man wollte sichergehen, dass die Beschlussempfehlung fehlerfrei sei. Der Bundestag soll dann am 11. November über die Empfehlung entscheiden.

Vielleicht wäre es besser, die Sitzung verschöbe sich noch weiter. Dann hätten die Abgeordneten auch die Zeit, sich die Unterlagen genau anzusehen – und würden feststellen, dass sie das Vertrauen in die Demokratie mehr denn je zerstören, sollten sie eine solche Mogelpackung durchs Parlament schieben wollen.

Recherchen von Tichys Einblick haben zur Aufklärung der Chaos-Wahl in Berlin wesentlich beigetragen. Lesen Sie auch:

 

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Kommentare ( 20 )

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Andreas aus E.
1 Jahr her

Was ein irres Geeier – wenn eine Wahl unregelmäßig war, dann muß selbstverständlich sofortmöglich erneut gewählt werden (wiederholen geht ja nicht).l Ohne groß Wahlkampf-Tam-Tam, einfach Einladungen verschicken, Wahlformulare drucken, Wahllokale auf, sollte in jedem halbwegs geordnetem Land binnen 14 Tagen machbar sein.
Und selbstredend wäre alles nichtig, was illegal zwischenzeitlich beschlossen wurde, zurück auf Los, gewissermaßen. Ihre Bezüge mögen Abgeordnete ja gern behalten, aber ansonsten muß ein Neustart her, um der politischen Hygiene willen.

Und im Nachgang müssen dann Köpfe zur Verantwortung gezogen werden, sonst kann man die schwerbeschädigte Demokratie hierzulande endgültig in die Tonne treten.

F. Hoffmann
1 Jahr her

Tja, fliegt nur einer der drei direkt gewählten Linken-Abgeordneten raus, fliegt die ganze Linke Fraktion raus. Das gibt bei den anderen Parteien möglicherweise weniger Überhang- und Ausgleichsmandate = Versorgungsposten sind weg. SPD und FDP haben in den jüngsten Umfragen in Berlin deutlich an Zustimmung verloren, es könnte da weitere Mandate = Versorgungsposten kosten. Und da soll man eine komplette Neuwahl riskieren? Also bitte! Man kann die Wahlbezirke doch so auswählen, daß sich an der Zusammensetzung des Bundestages nichts ändern wird und gut ist. Gelenkte Demokratie ist doch auch Demokratie, nur zielgenauer. Ironie aus.

Last edited 1 Jahr her by F. Hoffmann
Lore
1 Jahr her

Ich hatte es schon mehrfach gesagt: Wahl vollständig wiederholen für den Berliner Senat, ALLE Stimmen für den Bundestag als „ungültig“ zählen (da gibt es auch kein Geschmäckle, dass U18 mit gewählt hat)

ktgund
1 Jahr her

Ein struktureller Fehler des Systems. Bei echten Checks and Balances dürften die Betroffenen nicht selbst über ihr Schicksal entscheiden können. Statt einfach nur eine Wahlwiederholung zu fordern, müsste die Anordnung hierfür direkt von einem Gericht erfolgen und ein Termin und Modus verbindlich festgelegt werden.

Mausi
1 Jahr her

Das Bundesland Berlin war nicht in der Lage, die Bundestagswahl sauber abzuwickeln. Das ist ein Skandal, weil es um die Basis der Demokratie geht. Die Wahlberechtigten Berlins sind mit Kunden eines Unternehmens zu vergleichen. 16% Fehlerquote sollte zum Rückruf der gesamten Palette namens Berlin führen und nicht zum Streit, welche Dosen betroffen sind. Jedes Unternehmen würde zur Schadensbegrenzung sehr schnell und radikal tätig werden. Im Bundestag geschieht genau das Gegenteil. Herr Harbarth redet über Delegitimierung, aber nicht über Delegitimierung durch die staatlichen Institutionen selbst. Thüringen war bereits ein Skandal. Erst über den Ministerpräsidenten, dann über die Zusage, die Wahl neu… Mehr

zweisteinke
1 Jahr her
Antworten an  Mausi

Nein, der „Wähler“ hat kein kurzes Gedächtnis. Der ist einfach nicht mehr in der Lage ob der Dauerverblödung der „Qualitätsmedien“ wegen, das Resthirn einzuschalten und die Konsequenzen seiner „Wahl“ zu bedenken. So glaubt er denen wie einst im Mai, denen die am lautesten brüllen. Der Wahlpleps begreift die Zusammenhänge nicht und die sog. Politik wirft Nebelkerzen um Nebelkerzen, damit das ganau so bleibt. Jemand, der sich um eine warme Bude sorgen muss, hat gar keine Zeit hinter die Masken der Politgespenster zu blicken, die in De und in der sog. EU seit Jahrzehnten ihr Unwesen treiben.

Last edited 1 Jahr her by zweisteinke
santacroce
1 Jahr her

Man kann das Ding so lange schieben bis turnusmäßig eine Neuwahl ansteht, am Ende der Legislaturperiode ist es dann so weit.
Nach Ansicht des Senats und anderer relevanter Entscheidungsträger in dieser Causa stimmt das Ergebnis doch mit den Wünschen überein, weshalb dann das Risiko einer Neuwahl eingehen?! Zumal die AfD momentan im Aufwind ist.
Deshalb gibt es in Ramelow-Land auch keine Wiederholung der Landtagswahl!
Berlin spart also einen Haufen Geld, die jetzt schon arg gebeutelte Berliner Verwaltung unnötige, zusätzliche Arbeit.
Ob Kalkutta an der Spree überhaupt noch eine Wahl nach demokratischen Grundsätzen gebacken kriegt, ist allerdings eine ganz andere Frage.

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Niemand sollte in eigenen Angelegenheiten entscheiden dürfen, vor allem, wenn er befürchten muss, den eigenen Job zu verlieren. Das letzte Wort sollte das Bundesverfassungsgericht haben, analog dem Landesverfassungsgericht bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin.

Andreas aus E.
1 Jahr her
Antworten an  Wilhelm Roepke

Prinzipiell Zustimmung – aber leider ist das Bundesverfassungsgericht so ziemlich die letzte Instanz, in die ich noch Restvertrauen hätte.

Dorn
1 Jahr her

Jeder der die Künste der Schönrederei, der Verklärung und die Verweigerung von Realität ablehnt, der hat auch nichts anderes erwartet. Leider muss man konstatieren dass es sich hierbei um eine kleine Minderheit in der Bevölkerung handelt, welche keine besonderen Minderheitsprivilegien genießt. Da dies den Politikern bewusst ist, wird es, wie in Thüringen, zu keiner Nachwahl kommen. Ohne jeglicher Form von Konsequenzen. Daher gibt es für besagte Minderheit nur zwei Möglichkeiten: Möglichkeit 1 besteht darin sich mit dem System zu arrangieren und stillschweigend dieses System zu unterstützen bzw. zu tolerieren um seinen Platz zu finden, wie es einst in der DDR… Mehr

bani
1 Jahr her

Es geht im Ergbnis um eine Verlleinerung des Bundestages um 100 Abgeordnete wenn die Linksfraktion rausfliegt für die anderen Parteien. Nur darum geht es.

Hummi
1 Jahr her

Wie schon mal schrieb , da wird gar keine Wahl wiederholt und die aktuelle Regierung bleibt im Amt … Wem kann man in diesem kaputten Land überhaupt noch trauen , alles lauter Verbrecher