Urteil zu Rundfunkgebühren – wie geht es jetzt weiter?

Das Bundesverwaltungsgericht zieht den Öffentlich-Rechtlichen erstmals Grenzen. Daten, die eine Schiefläge der Anstalten nachweisen, gibt es längst. Sie kommen jetzt ins Spiel.

Am 10. Oktober entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig formal nur über eine Revisionsklage in Sachen Rundfunkbeitrag. Und damit nicht über die ursprüngliche Klage einer Bürgerin aus Bayern. Mit dieser Frage – nämlich, ob Bürger ihren Rundfunkbeitrag kürzen dürfen, wenn die Öffentlich-Rechtlichen ihren Programmauftrag nicht erfüllen – muss sich jetzt der Bayerische Verwaltungerichtshof noch einmal befassen. Allerdings eben unter einer neuen Maßgabe des Leipziger Gerichts: Das Verwaltungsgericht in Bayern hat jetzt zu prüfen, ob das ÖRR-Programm tatsächlich den Ausgewogenheitsvorgaben von Staatsverträgen entspricht – oder eben nicht.

Genau diese Prüfung hatten Verwaltungsgerichte bisher verweigert. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies die Klage der Bürgerin als zweite Instanz mit der Begründung ab, dass die Erhebung des Rundfunkbeitrags schon wegen der Möglichkeit gerechtfertigt sei, das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu verfolgen. Das Münchner Gericht vertrat also die Auffassung, die Öffentlich-Rechtlichen würden ihren staatsvertraglichen Programmauftrag schon dadurch erfüllen, dass sie etwas senden. Genau so argumentieren bisher auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Auf die Frage, ob strukturelle Defizite bei der Erfüllung des Funktionsauftrags vorlägen, meinten die Richter in München, käme es daher nicht an. Schließlich gäbe es ja die Möglichkeit der Programmbeschwerde.

Der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts sah das grundlegend anders: In der Verhandlung machte der Senatsvorsitzende Ingo Kraft auch deutlich, dass es ausdrücklich um Meinungsvielfalt geht, nicht nur um vieles vom Gleichen. Außerdem, dass es sich bei der Programmbeschwerde um kein echtes Überprüfungsinstrument handelt, sondern um ein Art Petition, die dem Beschwerdeführer keinerlei Rechte einräumt. Bisher schmettern die Rundfunkräte fast alle Beschwerden mit Standardformulierungen ab – eben deshalb, weil sie keine gerichtliche Überprüfung fürchten müssen.

Der 6. Senat zog die Grenzen für die Sender zwar weit – aber er zog eben Grenzen, wo es vorher keine gab. „Die Erhebung des Rundfunkbeitrags“, heißt es in dem Urteil, „steht erst dann mit Verfassungsrecht nicht mehr in Einklang, wenn das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt.“ Über eine Spanne von „nicht unter zwei Jahren“ müsste also jemand vor einem Verwaltungsgericht den Nachweis einer konstanten politischen Schieflage führen, und zwar bezogen auf das Gesamtangebot. In letzter Instanz liegt die Entscheidung über eine Ungültigkeit des Rundfunkbeitrags beim Bundesverfassungsgericht. Käme auch das zu dem Schluss, dass ARD, ZDF und Deutschlandfunk ihren Auftrag systematisch Verfehlen, dann würden die Sender also ihr Recht auf die Pflichtabgabe der Bürger verlieren. Es sei denn, die Anstalten ändern ihren Kurs deutlich.

Erst einmal muss also, siehe oben, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ein zweites Mal entscheiden – und das wird wohl erst 2026 passieren. Der Prozessweg von Bürgern gegen das Acht-Milliarden-Imperium ÖRR gestaltet sich also langwierig und mühsam. Wie es am Ende ausgeht, ist offen. Allerdings: Der Nachweis einer systematischen Linksneigung des ÖRR, also das, was viele Beobachter für schwierig halten, funktioniert relativ einfach. Denn die geforderte flächendeckende Auswertung der öffentlich-rechtlichen Programme liegen schon vor – und zwar aus der Hand des privaten Schweizer Analyseinstitut MediaTenor. Das Unternehmen führt seit Jahren im eigenen Auftrag eine Langzeitanalyse von ARD, ZDF und Deutschlandfunk durch. Seine Daten zeigen eindeutig eine Überrepräsentanz von grünen und sozialdemokratischen Politikern, kombiniert mit einer eher guten Bewertung, eine Unterrepräsentanz der Unionsparteien und eine krasse Benachteiligung der AfD, die fast durchweg in negativer Einfärbung auf den Bildschirm kommt. Über diese Untersuchung berichtete TE schon 2023

Außerdem lautet der Befund des Züricher Unternehmens, dass sich kaum inhaltliche Unterschiede zwischen ARD und ZDF ausmachen lassen. Mit einer angeblichen Binnenvielfalt begründen beide Senderfamilien die weltweit einmalige acht Milliarden teure Doppelstruktur.

Gegen die Analyse aus der Schweiz brachte der Deutschlandfunk 2023 den angeblich neutralen Medienexperten Johannes Hillje in Stellung, der im DLF-Studio erklärte, die Langzeitauswertung von MediaTenor sei im Auftrag der CDU entstanden, und sie genüge keinen wissenschaftlichen Anforderungen. Bei der ersten Behauptung handelte es sich um eine Falschaussage, für die zweite brachte Hillje keine Belege. Dass Hillje in der Vergangenheit als Wahlkampfmanager für die Grünen arbeitete, verschwieg der DLF seinen Hörern. Bisher konnte nicht nur der Grünennahe die Schweizer Daten nicht widerlegen, sondern auch niemand sonst. Vor allem legten die Öffentlich-Rechtlichen bis heute keine Daten vor, die ihre pauschale Behauptung untermauern würden, sie seien politisch ausgewogen und würden eine breite Meinungsvielfalt bieten.

Was folgt praktisch aus dem Etappensieg beim Bundesverwaltungsgericht? Die Klägerin in dem Verfahren, das nun wieder vor dem Gericht in München landete, kann beispielsweise die Langzeitanalyse aus Zürich vorlegen, und damit die Gegenseite zur Argumentation zwingen. Zweitens können auch andere Bürger nach gleichem Muster vor Verwaltungsgerichten gegen die Gebührenbescheide klagen, und sich zusätzlich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts beziehen. Drittens können Bürger mit dem Verweis auf die offenen Verfahren den eigenen Beitrag bis zur Klärung vorläufig kürzen.

Sie verfügen noch über einen zweiten Hebel: den Hinweis, dass es sich bei der Rundfunkbeschwerde um kein rechtsbewehrtes Instrument handelt, und zweitens, dass in den Rundfunkräten gerade diejenigen nicht sitzen, die dort sitzen müssten: Vertreter der Rundfunkgebührenzahler, also Anwälte der Bürger. Es würde sich also das Argument anbieten, die Zahlung zurückzuhalten, bis die Öffentlich-Rechtlichen ein echtes Kontrollgremium erhalten, und selbst Daten dazu vorlegen, wie sie die Rundfunkstaatsverträge einhalten.

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ab sofort ein anderer“, kommentierte der Klägerinnen-Anwalt Carlos A. Gebauer das Urteil in Leipzig. Das heißt: nicht schon ab morgen. Aber wer für seine 18,36 Euro einen Rundfunk möchte, der den Staatsverträgen entspricht, verfügt jetzt über andere Instrumente. Die Anstalten wissen, dass sie sich jetzt nicht mehr auf die Gebührenzahlungspflicht verlassen können, egal, was sie senden. Und die Abgeordneten der Landesparlamente können ab sofort leichter gegen die nächste Gebührenerhöhung argumentieren – und erst einmal Reformen fordern, noch bevor das Bundesverfassungsgericht in dieser Angelegenheit irgendwann spricht.

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Kommentare ( 43 )

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Dundee
1 Monat her

Bla bla blaa – bla blaa – blababablaa … usw derweil monatlich 18,36 kassieren von JEDEM – für nix derweil kassieren die Anwälte ebenfalls noch obendrein … … und die Richter/Gerichte ebenso…. und liefern Blabla.. bis eine Entscheidung fällt – die nie fällt! Die ganze Story ist reine Zeitverschwendung für die Zahler und Zeitschinderei für die GEZ Empfänger. Aufhören zu zahlen und fertig! Erzwingungshaft aushalten und in Kauf nehmen. Die können einzelne einsperren. Doch mit hunderten einzusperren sind die schon überfordert. Daran scheitert das System. Wenn viele den Schwachsinn einfach nicht mehr bezahlen, dann wird auch kein Schwachsinn mehr gesendet.… Mehr

Don Didi
1 Monat her
Antworten an  Dundee

So recht Du auch hast, aber das hat in D noch nie funktioniert. Maulen am Stammtisch? Ja, (Fast) jeder. Etwas selbst tun? Never! Zusammenschließen, koordiniert handeln, irgendetwas boykottieren? Nur mit dem Maul, in der Realität nie. Du hast ein theoretisches Konzept, welches funktionieren würde, Du hast aber kein „Personal“, mit welchem sich dieser Plan auch nur annähernd realisieren ließe.

AlNamrood
1 Monat her

Der Wunsch bleibt der Vater des Gedanken. Der ÖR ist ein substanzieller Teil des politischen Unterbauchs und wird von jenen die ihn für ihre Zwecke missbrauchen mit Klauen und Zähnen verteidigt werden. Kein anderes Land hat das „Glück“ sich einen so großen Versorgungsapparat für Propagandisten leisten zu können, zusätzlich noch erhaben über jede Kritik und außerhalb jeglicher demokratischer Kontrolle.

horrex
1 Monat her

Danke – wie so oft schon – für die „weiter reichenden Hintergrundinfos“.

Regina Lange
1 Monat her

Gar nichts wird sich änderen! Zu groß sind die Verflechtungen zwischen einem großen Teil der Politiker mit dem ÖRR und der Justiz. Die sind sich so nah, da passt kein Blatt dazwischen. Unabhängige Justiz….dass ich nicht lache!

joe limburger
1 Monat her

Was fehlt sind mutige Bürger, die diesem Zwangssystem die die politisch protegierte Erpressung und Repression mit letztendlich durch Inhaftierungsandrohung erzwungenen Raub verweigend juristisch entgegen treten. Unterstützung gibt es hier. https://infos7.org/abc/. Nur durch entschiedenen Widerstand und einer anschwellende Woge aus der Mitte der Gesellschaft gegen dieses Zwangskonstrukt mit einseitig linker politischer Schlagseite als propagandistisches Sprachrohr, welches sich immer deutlicher als entschiedener Feind einer meinungsfreiheitlich agierenden pluralen Gesellschaft zu erkennen gibt, lässt sich dieses System zu Fall bringen. Hannemann, geh du voran, ich schaus mir aus der Ferne an. Dieses Duckmäusertum, das sollten diejenigen, die zwar gerne motzen und maulen, jedoch sobald… Mehr

Last edited 1 Monat her by joe limburger
Dellson
1 Monat her

Das lachende und doch mehr weinende Auge in mir sagt wegen der Zustände: ich freue mich darauf es noch miterleben zu dürfen, wenn der ÖRR und sein Beitragsservice schätzungsweise zur Hälfte diesen Jahrhunderts amtlich von dem zuständigen Friedensrichter es bestätigt bekommt: der ÖRR ist nicht halal und wird mit Mann und Maus verboten! Maschallah!

Supersilent
1 Monat her

Wie geht es jetzt weiter? Es geht gar nicht weiter, alles bleibt wie es ist und jeder wird auch weiterhin gezwungen eine Hose bei C&A zu kaufen, auch wenn Farbe und Schnitt nicht gefallen, nur aus dem Grund weil man sich diese im Laden ansehen kann.

Die beste BRD aller Zeiten ist zu einem reinen Irrenhaus verkommen.

Aegnor
1 Monat her

„as Verwaltungsgericht in Bayern hat jetzt zu prüfen, ob das ÖRR-Programm tatsächlich den Ausgewogenheitsvorgaben von Staatsverträgen entspricht“
Abwarten. Die werden einfach behaupten, dass der BR ja bereit war Julia Ruhs weiterzusenden und das damit qualitative Vielfalt gewährleistet sei. Und quantitative Vielfalt im Sinne von exakter Ausgewogenheit sei halt nicht zu leisten, da dies der Pressefreiheit entgegenstünde. Irgend so nen Quatsch werden die sich ausdenken. Entscheidend ist der politische Wille der Regierenden. Wenn der da ist, geht alles – egal was Gesetze oder Gerichte sagen. Ist er nicht da, vice versa. Da kann man’s vergessen.

JoergJ.
1 Monat her

2026 kommt die AfD in Sachsen-Anhalt mit absoluter Mehrheit an die Macht, erste Amtshandlung der Rundfunkstaatsvertrag wird gekündigt.

Supersilent
1 Monat her
Antworten an  JoergJ.

Ich drücke beide Daumen das es so kommt aber ich befürchte sie werden schon jetzt daran arbeiten dieses mit allen Mitteln zu verhindern. Dann kommen SPD und Grüne mal gerade so mit 5,1% doch in den Landtag oder jemand in der Ahnenreihe von Ulrich Siegmund war bei der SS. Irgendetwas werden die schon finden.

Last edited 1 Monat her by Supersilent
Endlich Frei
1 Monat her

„Das Münchner Gericht vertrat also die Auffassung, die Öffentlich-Rechtlichen würden ihren staatsvertraglichen Programmauftrag schon dadurch erfüllen, dass sie etwas senden. Genau so argumentieren bisher auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Auf die Frage, ob strukturelle Defizite bei der Erfüllung des Funktionsauftrags vorlägen, meinten die Richter in München, käme es daher nicht an.“ Das ist die exakte Definition von „Staatsfunk“ – einem 8-Milliarden-Euro schwerem, durch die Bürger zwangsfinanziertem – und das schließt den politischen Gegner mit ein – Propagandamonopol. Wer die Spitze dieses Monopols kapert, hat Hand zur freien Entfaltung seiner Ideologie. Als Trittstufenhalter dient dabei die jeweilige politische Regierung, die ihrerseits Parteienpropaganda… Mehr

just_64
1 Monat her
Antworten an  Endlich Frei

„Eine Umfrage unter Volontären des Ersten ergab: Satte 92 Prozent wählen grün-rot-rot.“
Sie glauben nicht,wie schnell die Anstalten der ÖRR ihren Hang zur kritischen Berichterstattung entdecken würden, wenn die AfD in Regierungsbeteiligung wäre, oder eine CDU Minderheitsregierung mittragen würde!

Thors Hammer
1 Monat her
Antworten an  Endlich Frei

Das sehe ich schon lange so.
Das Monopol muß zerschlagen werden, um echter Vielfalt zum Durchbruch zu verhelfen.

horrex
1 Monat her
Antworten an  Endlich Frei

So ist es! Warum wohl wurde – dieser Faden zieht sich durch die gesamte (neuere) Weltgeschichte – wird bei Revolutionen ZUERST der Radiosender (bzw. dessen Pendant) besetzt??? Um auf „das Volk“ entsprechend wirkmächtig einwirken zu können!!! Bei der seit vielen Jahren schon „schleichenden Revolution von Links“ die wir erleben ist es prinzipiell nicht anders!!! Es geschah nur – quasi – in Zeitlupe. Und damit vielfach weniger von den Menschen bemerkt und somit etwas rafinierter als bei den anderen Revolutionen, denen mit der Kalaschnikov im Anschlag. Man kaperte a) durch das Verdummen der Menschen und b) das einschleichen lassen von jungen… Mehr