Ein Volksentscheid mit magerer Beteiligung zwingt Hamburg zu einem Klimakurs, den weder Senat noch Initiatoren durchgerechnet hatten, aber moralisch für unantastbar erklären. Schon kurz danach kam die dicke Katerstimmung - nun will die CDU die Notbremse ziehen und den Klimaentscheid kippen.
picture alliance/dpa | Marcus Brandt
Hamburg erlebt gerade einen politischen Realitätscheck. Der Klima-Volksentscheid vom Oktober – von kaum der Hälfte der Hamburger überhaupt angenommen, aber für die gesamte Stadt bindend – entfaltet nun seine ersten Folgewirkungen. Die CDU will das Votum rückgängig machen.
CDU-Fraktionschef Dennis Thering spricht aus, was vielen Unternehmern unter den Nägeln brennt (es wird vermutet, dass diese Sturm gelaufen sind): Die irrwitzige Vorverlegung der Klimaneutralität auf 2040 bedrohe Wirtschaft, soziale Balance und Arbeitsplätze. Das Leben, Mieten und die Mobilität werden teurer, Arbeitsplätze gehen für immer verloren. Gute Nacht, Hamburg. Wer das für Panikmache hält, sollte sich ansehen, was der rot-grüne Senat selbst einräumt: Es gibt keinen Maßnahmenplan, keine Kostenrechnung, keine realistische Vorstellung, wie das Ziel erreicht werden soll.
Die CDU will die Hamburger Verfassung nutzen, um das Klimagesetz am 10. Dezember zurückzudrehen. Eine einfache Mehrheit reicht. Die SPD aber tut nun so, als sei der Volksentscheid eine unantastbare sakrale Handlung. Bürgermeister Peter Tschentscher verkündet, man müsse „entschieden respektieren“, was die Bürger entschieden hätten – dieselben Bürger, deren tatsächliche Mehrheit gar nicht abgestimmt hat. Ein demokratisches Vakuum wird zum moralischen Imperativ umgedeutet.
Die Grünen wiederum nutzen die Gelegenheit, um ihren bekannten Reflex abzuspulen: Kritik an Klimapolitik sei „Polarisierung“. Fraktionsvize Domm erklärt, die CDU müsse den Klimaschutz lieber „konstruktiv mitgestalten“. Ein Satz, der nur im Politikdeutsch bedeutet: Mitmachen oder schweigen. Linken-Politiker Stephan Jersch setzt noch einen drauf: Wer den Volksentscheid infrage stelle, lege „die Lunte an unser demokratisches Gemeinwesen“. Meine Güte, kleiner geht es nicht mehr. Eine bemerkenswerte Form von Demokratieverständnis: Volksentscheide nur, wenn sie genehm entscheiden.
Bereits unmittelbar nach dem Volksentscheid entstand eine sehr schwere Katerstimmung. Der „Zukunftsentscheid“ verpflichtete Hamburg nicht nur zu einem neuen Ziel, sondern zu jährlichen Zwischenprüfungen, Sofortmaßnahmen, Eingriffen und Evaluationsroutinen. Ein bürokratisches Ungetüm, dessen Umsetzung weder geplant noch bezahlt ist.
Tschentscher sprach schon hier von einer „gemeinsamen Kraftanstrengung“. Doch das vorgeschobene „Wir“ bricht an der Realität: Politiker beschließen, Bürger zahlen. Und niemand konnte erklären, wie Hamburg fünf Jahre früher klimaneutral werden soll, wenn nicht einmal feststeht, wie man das ursprüngliche Ziel 2045 erreichen wollte. Die Unbestimmtheit wurde zur Tugend verklärt – Hektik, Aktionismus und Symbolpolitik folgten auf dem Fuß.
Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Fegebank machte die Hilflosigkeit unfreiwillig transparent. Man lebe in einer „Zeit des klimapolitischen Rollbacks“, darum müsse man vorangehen und dann solle der Bund und die EU bitte zahlen. Ein perfektes Bild grüner Politik: moralischer Aufbruch auf Pump, finanziert von anderen. Förderprogramme als Nebelmaschine.
Dabei wiederholt sich nur das übliche Muster: Die Belastung wird nicht verringert, sondern umverteilt. Bürger, Unternehmer und Vermieter sollen umstellen, investieren, umbauen, während die Politik ihre eigene Verantwortung als „gesellschaftliche Aufgabe“ umformuliert. Aus dem Entscheid wird ein pädagogisches Projekt.
Hamburg wird zum klimapolitischen Versuchslabor einer Regierung, die ihren eigenen Widerspruch zwischen Ziel und Realität nicht mehr erkennt. Das Ergebnis ist ein Perpetuum mobile aus Auflagen, Sofortmaßnahmen, Zwischenzielen und Kurskorrekturen, das mehr Energie verschlingt, als es spart. Der Senat produziert Programme, die Programme kontrollieren, die Programme ersetzen sollen. Ein Verwaltungsmaschinenraum ohne Ausgang.
Und jetzt, da die CDU das Ganze stoppen will, tut die SPD überrascht, die Grünen empört und die Linken alarmistisch. Dabei liegt das Problem nicht in der CDU, sondern im Volksentscheid selbst. Eine Minderheit hat eine Stadt auf einen Kurs gezwungen, der weder durchgerechnet noch irgendwie wirtschaftlich durchhaltbar ist.
Dass die Wirtschaft den CDU-Vorstoß begrüßt, ist wenig überraschend. Die Realität ist unbestechlich: Wettbewerbsfähigkeit lässt sich nicht per Stimmzettel erzwingen. Aber genau dieser Gedanke ist in einem politisch moralisierten Hamburg inzwischen schon verdächtig.
Die eigentliche Pointe ist jedoch eine andere: Dieselben Akteure, die jetzt lautstark Demokratie verteidigen, haben sie vor einem Monat durch eine moralisch aufgeheizte Abstimmung selbst ausgehöhlt. Und genau deshalb wirkt die Empörung so hohl. In Hamburg verteidigt man mittlerweile weniger die Demokratie – als die eigene Inszenierung. Und wie das endet, sieht man ja gerade regelmäßig bei den Weimers.


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Die CDU will die Hamburger Verfassung nutzen, um das Klimagesetz am 10. Dezember zurückzudrehen. Eine einfache Mehrheit reicht.
Moment mal! Wie kann es sein, dass das Parlament einen Volksentscheid rückgängig machen kann? Wozu dann überhaupt einen Volksentscheid?
Eine Minderheit hat eine Stadt auf einen Kurs gezwungen, der weder durchgerechnet noch irgendwie wirtschaftlich durchhaltbar ist.
Jeder Bürger hätte gegen den Volksentscheid stimmen können. Eine Vielzahl von Hamburgern war schlicht weg zu faul um abzustimmen. Folglich sollen sie damit leben, schließlich müssen diejenigen die sich an der BT-Wahl nicht beteiligen auch mit dem Ergebnis leben.
Da ist niemand gezwungen worden. Das ist direkte Demokratie. Wir haben hier das Ergebnis, das durch faule Bürger, die direkte Demokratie nicht begreifen, entstanden ist. Sollen sie doch ausbaden was sie nicht verhindert haben. Dumm für uns alle hier, dass wir gegen diese Zwangsalimentierung durch die Hamburger nicht auch per Volksentscheid angehen können.
Als Schleswig Holsteiner kann ich seit Jahren nur mit dem Kopf schütteln über das, was sich bei unseren südlichen Nachbarn so tut. Ob im Kleinen und Persönlichen, eine fast fanatische Angst vor der AfD, oder im Großen eine unfaßbare Dummheit bei fast allen anstehenden Fragen, ob Moorburg; A7-Ausbau; westliche Elbquerung; ÖPNV mit populistischen E-Bussen, die mit Dieselgeneratoren geladen werden müssen, weil es einfach nicht genügend Strom in der Stadt gibt oder jetzt mit diesem Klimagedöns, was der Stadt wohl endgültig den Hals umdreht. Aber es geschieht ihnen recht! Die Arroganz der Hamburger ihren Nachbarn (in Nah und Fern) gegenüber braucht… Mehr
In Bad Salzuflen wurde eine Wahl durch die Politik „korrigiert“, wieso soll das in der Hansestadt Hamburg nicht auch gehen ?
Es kommt die Frage auf, ob der Aufwand für Wahlen nur aus kosmetischen Gründen betrieben wird ?
Den Stimmbürger*innen in Hamburg wünsche ich ganz von Herzen: „Fuck around and find out“. Mal sehen woher sie bis in 15 Jahren die Kleinigkeit von 74.4 Milliarden kWh Energie pro Jahr beziehen werden, von welchen selbst beim Strom noch 75% aus fossilen Kraftwerken stammen. Rund 98% des Primärenergieverbrauches in Hamburg stammen bisher aus fossilen Quellen, wenn die Deppen also bis in 15 Jahren mit der Energiewende durch sein wollen, würde ich morgen mal die Bagger auffahren lassen. Ihr habt Erneuerbare Energie im Umfang von 71.9 TWh pro Jahr zu erzeugen und wenn ihr die Kähne im Hafen dazu zwingt den… Mehr
Die Blöden, die das in HH überleben, sollten wir barmherzig aufnehmen. Ich weiß, dass im Neandertal kaum Menschen leben. Dort sollen sie bleiben und wir treiben ihnen täglich einige Viecher in dieses Tal. Dort dürfen sie dann leben wie Neandertaler. Mal schauen wie viele es schaffen ins Tal der Düssel zu gelangen. Dort können sie dann zu Düsseltaler mutieren und vielleicht mal en Dorf an der Düssel bauen.
Ich bin Kölner.
Das Problem mit diesen Leuten ist: sie sind wie Angehörige einer Sekte. Die sind erleuchtet, beratungsresistent. Ihre guten Worte kommen da einfach nicht an -bis, ja bis entweder mal Blackout ist, Massenarbeitslosigkeit wächst oder die Blauen regieren können. Also sie sehen, es muß Weihnachten und Ostern zusammenfallen…
Den Beschluss zu kippen ist dumm. Aber eine neue Abstimmung mit entsprechend korrekter (objektiver) medialer Begleitung (der Wähler ist mehrheitlich auf Denkhilfen jeder Art angewiesen) ist der korrekte Weg. Aber das traue ich der CDU nicht zu. Bedenke, die Parteien sind eine Agglomeration von jahrzehntelanger Negativauslese.
Warum dumm? Dumm war das Volksbegehren
Der sogenannte Volksentscheid in Hamburg war auch ein Testlauf für die Entwicklung von “ Bürgerräten“. Kleine Aktivistengruppen sollen, gegebenenfalls mit geringer Wahlbeteiligung im Verhältnis zur Gesamtzahl von Wahlberechtigten, möglichst verbindliche “ Bürgerentscheide“ herbeiführen, die Gesetzeskraft erlangen. Auf kommunaler Ebene funktioniert dies schon länger, weil die Wahlbeteiligung bei Kommunal- und Bürgermeisterwahlen anämisch ist. HH als Bundesland hat eine neue Qualität von Demokratiesimulation.
Nicht ganz richtig am Ende. In Berlin gibts das schon lange, diese aktivistischen Begehren…
Sorry, aber ich gönne den Hamburgern das Ergebnis dieses Bürgerentscheides von ganzem Herzen. Die Ideologen wählten und der Rest war zu faul, den Hintern von der Couch zu heben.
Ich glaube, die Rotterdamer konnten ihr Glück kaum fassen. Naja, wenn es dazu führt, daß die grünlinken Träumer in der HH jetzt endlich aufwachen, weil sie merken, daß es jetzt ernst wird, weil es an die Substanz geht, hatte die Abstimmung doch was Gutes.
Das grundsätzliche Problem mit den Grün-Linken ist, daß deren Entscheidungen nie sie selber treffen!
Die leben immer nur von der Substanz rechtschaffener Leute.
Rotterdam ist sowieso größer als Hamburg
Es ist super, dass die Hamburger das machen. Da kann dann die ganze Republik zusehen wie man selbstgewählt in den Untergang marschiert. Überlegt mal man hätte diesen Volksentscheid in ganz Deutschland gemacht. Es wäre wahrscheinlich ähnlich ausgegangen, weil die Bevölkerung gar nicht weiß was dies bedeutet. Die sind betäubt von den ganzen Subventionen.
Ich sehe eine Zwangsabgabe auf alle Nichthamburger zukommen; so etwas wie ein Solidaritätsabgabe oder Soli2.0
Wäre interessant zu wissen, wie der Volksentscheid kommuniziert/medial begleitet wurde. Ich nehme ja eher an: An die große Glocke hat man es nicht gehängt. Die linksgrüne Presse sieht schon zu, dass mehrheitlich die „Richtigen“ motiviert werden, wählen zugehen. Wurden alle Aspekte, Pro & Contra, finanzielle Seite usw. ausführlich vor dem Wähler ausgebreitet? Überregional wurde extrem nüchtern und schmallippig berichtet, man wusste gerade mal, dass der Entscheid stattfindet. Das könnte die niedrige Wahlbeteiligung erklären. Dass Grüne, Linke, Spd mit einem ggf. manipulierten Volksentscheid der Demokratie schaden, ist eine Seite. Dass die CDU den jetzt kippen will, beschädigt die Demokratie ein zweites… Mehr
Wenn eine Ministerpräsidentenwahl in Thüringen und eine Bürgermeisterwahl in Bad Salzuflen von der „Unsere Demokratie“ rückgängig gemacht werden können, dann kann auch ein Volksentscheid rückgängig gemacht werden.
Genau das ist das Problem. Nichts gehört rückgängig gemacht. Was gewählt ist ist gewählt. Alles andere ist Unfreiheit und Diktatur.
Das mit dieser „Abstimmung“ war wie mit Weihnachten!
Plötzlich war sie da!
Und wie Sie bereits schreiben, kam es mir persönlich so vor, als hätte man mir sehr unfair in den Rücken geschossen!
Ganz abgesehen davon, daß auch ich natürlich weiß, daß das ganze Klimagedöns ein schlichter Betrug von Leuten ist, die sich -ganz wie die Leute in der Flüchtlingsindustrie- daran eine goldene Nase verdienen!
Naja, wer den Schaden hat, muß für den Spott nicht sorgen.
Das Problem ist, dass dem Bürger nicht gesagt wird was es kostet. Es ist immer das selbe. Die Grünen und Roten erklären einem was technisch machbar ist, erzählen aber nicht was es kostet. Bei so einem Volksentscheid gehörte dann gesagt, dass die Umsetzung je Einwohner vom Säugling bis zum Kreis ca. 2000 € im Monat kostet für die nächsten 40 Jahre. Vielleicht kapieren dann die letzten Deppen, dass dies nicht geht ohne in den Untergang zu marschieren.
Was es in Hamburg wirklich dringend braucht, ist gesunder Menschenverstand.
Wenn eine Kleinstminderheit die ganze Stadt erpressen kann, etwas fürchterlich dummes, nicht durchführbares und für alle Bürger besonders schädliches tun zu müssen, dann ist diese „Demokratie“ nicht gefährdet, sondern solch eine „Demokratie“ ist einen Dreck wert.
Wenn man weiß, dass Hamburg eine Kaufmannsstadt war, dann ist es erstaunlich, wie sehr den Hamburgern der gesunde Menschenverstand abhanden gekommen ist. Aber gut, es ist das Buddenbrook-Prinzip.
Und trotz der Motzerei gegen die Reichen: Hamburg war immer rot.
Moment – Rot wurden die erst als es ihnen zu gut ging. Und die wissen genau, dass sie von allen Ländern in Deutschland ihren Schwachsinn subventioniert bekommen. Das was die da treiben, kennt man in Stuttgart unter dem Begriff Stuttgart 21 – aber im Vergleich ganz ganz klein.
Nicht trotz, sondern wegen!
Das ist die darwinistische Auslese. Die Dummen bleiben dabei auf der Strecke. Warum sollte es nicht Hamburg sein, wenn dieses Wahlvolk dort zu faul ist sich gegen ihren Untergang zu stimmen, dann zeigt es sehr viel Dummheit.
Niemand wurde erpresst nicht gegen diesen Volksentscheid zu stimmen. Die Mehrheit war schlicht weg zu faul um in die Wahlkabine zu gehen und ihr Kreuz an der richtigen Stelle zu setzen. Wer bei der BT-Wahl nicht hin geht, darf sich auch nicht beschweren wenn eine Mehrheit zusammen kommt die ihm nicht passt.