Ohne Jamaika kann sich das Land endlich von Lebenslügen befreien

„Besser nicht zu regieren als falsch zu regieren“. Der Satz von Christian Lindner hat Kraft - er hat damit in einem Satz vier Wochen immer wiederholte Lebenslügen als solche enttarnt.

© Sean Gallup/Getty Images

Das Nette, was man über die versuchten Jamaika-Koalitionäre sagen kann: Sie haben es sich nicht ausgesucht, dieses Wahlergebnis und seine Folgen. Aber das ist auch das einzig Gute, was sich sagen lässt.

Jamaika der Lebenslügen

Vier Wochen lang wurde eine Show vorgeführt, die die Deutschen auf eine Regierung der Lebenslügen vorbereiten sollte:

Lebenslüge Nr. 1: Der Familiennachzug. Es ging um 270.000 sogenannte „subsidiär Geschützte“, also Zuwanderer mit einem nur auf 1 Jahr begrenzten Aufenthaltsstatus. Dass die Grünen dafür den unbedingten Nachzug fordern, zeigt, worum es ihnen geht und der Bevölkerung nicht gehen kann: unbegrenzte, mit allen Mitteln erzwungene Zuwanderung.

Denn die Union hatte nie thematisiert, dass sie annähernd einer Million Zuwanderern der vergangenen zwei Jahre, das Recht auf Familiennachzug nicht in Frage stellen will. Damit steht Deutschland vor der Tatsache, dass wir nach dem Massenzuzug seit 2014 einen weiteren bewältigen müssen. Die Debatte um den Nachzug für „Subsidiär Geschützte“ hatte nur den Zweck, den tatsächlichen Massennachzug zu verschleiern. Das klappt nicht mehr.

Lebenslüge Nr. 2.: Die Energiepolitik. Wieviel Kohlekraftwerke man abschalten soll – das war das Spiel von Amateuren, die Politik als Brettspiel betrachten. Denn klar ist: Es gibt in absehbarer Zeit keinen Weg, die grüne Energielücke anders zu schließen. In den Verhandlungen wurde nach Erklärungen des grünen Aktivisten und Staatssekretärs Backe klar, dass diese Lücke nur durch Energieimporte zu schließen ist: Braunkohlestrom und Atomstrom aus Tschechien, Polen und Frankreich. Frankreichs Präsident ließ sich auf den letzten Tagen des Bonner Klimagipfels für seinen Ausstieg aus seinem bisschen Kohle feiern – keine Kunst, weil er sehr viel Atomstrom hat. Und die Klimakanzlerin Angela Merkel mußte faktisch die Braunkohle verteidigen, weil Deutschland halt unter ihr auf den Weg getrieben worden war, Atom durch Kohle zu ersetzen – solange die Nacht sich weigert, Solarstrom zu produzieren und Windstille Windräder nicht antreibt. Auto-Verbot, Arbeitsplatzverluste, Abwanderung von Industrien – all dieses wurde nicht wahrgenommen. Diese deutsche Lebenslüge ist eine der teuersten der Wirtschaftsgeschichte, nur überholt durch die blinde Zuwanderungspolitik der Regierung Merkel und deren Folge.

Lebenslüge Nr. 3: Die Steuermaximierung. Trotz ungeheurer Geldschwemme in der Staatskasse waren Grüne und Union nicht bereit, die Steuerzahler zu entlasten. Die Abgabenquote liegt mit 51,6 Prozent auf Rekordhöhe, auch im Vergleich mit anderen Ländern. Der Soli ist nur ein Symbol, aber ein bewertbares. Wer den nicht abschafft in einer Zeit, in der das Vielfache seines Entlastungsvolumens in der Kasse klingelt, will die Bürger als Zahlvieh behandeln, die für den Staat bluten sollen – sinnlos, zwecklos, übertrieben. Glaubt man wirklich, die Bürger wollten sich dafür hergeben?

Lebenslüge Nr. 4: Angela Merkel muss Kanzlerin bleiben. Warum eigentlich? Sie hat Deutschland in eine tiefe Krise geführt: Einwanderung, Energie und Abgabenpolitik sind die Fehler. Aber die Spaltung des Landes, die sie betrieben hat um Kritik daran zu ersticken, diese Spaltung in hell und schwarz, Demokraten und Nazis ist ihr eigentlicher, schwerwiegendster Fehler. Sie hat immer weitere Teile der Bevölkerung ausgegrenzt und nicht begriffen, dass auch die FDP längst ein Hebel für Deutsche ist, die sich dies nicht länger bieten lassen wollen.

Lebenslüge Nr. 5: Das Lügen-Mäntelchen der Grünen. Man muss sich Cem Özdemir nur anhören und seine Spezli, die neuerdings von Heimat, Patriotismus, liberalem Rechtsstaat und Modernität reden, pathetisch und angeberisch, um mit Lautstärke zu verdecken, dass ihre Politik das Gegenteil bewirkt. Deutschland braucht diese Grünen nicht, und die Union muss sich entscheiden, ob sie diese Gruppe und ihre Lebenslügen nun weiter politisch fördert.

Und so fehlte in den Sondierungen Gemeinsamkeit. Die bisherigen Papiere beginnen mit Leerformeln: „Uns eint die Verantwortung für die Menschen und Zukunft unseres Landes“, beginnt es, aber die Verantwortungslosigkeit in der Einwanderungspolitik ist mit Händen zu greifen. Man habe „um Antworten gerungen. wir wollen aus unterschiedlichen Auffassungen neue und überzeugende Antworten gewinnen.“ Genau die findet man nicht auf den 2.172 Zeilen. Es ist eine Aneinanderreihung von Einzelmaßnahmen quer durch die Politik, die keiner Idee folgt. Nicht einmal die Grünen würden offen bestreiten, dass sie die „Leistungsfähigkeit der Wirtschaft stärken wollen“ – das Gegenteil wäre die Nachricht.

In vielen Fällen widerspricht das Einzelergebnis den Sprüchen vom Eingang: Da ist von Entlastung der „Menschen“ (Tiere kommen in der Abteilung Landwirtschaft getrennt vor) bei Steuern, Abgaben und Bürokratie die Rede. Aber dann kommt genau das: Eine immer noch kleinteiligere, kleinlichere, kleinmaschigere Bürokratie.

Es ist das Verdienst von Christian Lindner und seiner FDP, dass er den unsinnigen Versuch namens Jamaika beendet hat.

Noch in der Nacht formulierte Angela Merkel erneut ihren maßlosen Anspruch auf eine weitere Kanzlerschaft. Dass jetzt ihre Anhänger und viele Medien neue Dochstoßlegenden schmieden und von Inszenierung und Verantwortungslosigkeit faseln zeigt, wes`Geistes Kinder da schreiben und senden. Es gibt keine Recht auf eine „Merkel-Koalition“ im Grundgesetz; die Wähler haben Parteien gewählt, nicht irgendwelche Koalitionen und es gibt keinen Zwang, falsch regieren zu müssen.

Sie trägt jetzt die Verantwortung für den Versuch der Fortsetzung ihrer gescheiterten Politik. Und irgendwer in der Union muss sich ein Stück Mut von Christian Lindner abschneiden, wenn sie zeigen will, dass sie sich erneuern statt den Wurmfortsatz der Grünen abgeben will. Was wir seit Wochen erleben, ist der langsame, für die Betroffene auch schmerzhafte, für das Land unumgängliche Abschied von der Macht und ein Generationswechsel in der CDU.

Ohne Jamaika hat das Land die Chance, sich endlich von Lebenslügen der Regierung Merkel zu befreien.

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Kommentare ( 139 )

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Ulrich
6 Jahre her

FDP-Fan bin ich sicher nicht! Aber ich versuche, die Gründe für das Handeln anderer zu verstehen. Und hier hat sich Lindner in eine Position begeben, die ihm so (Opposition) oder so (Minderheitsregierung mit der CDU/CSU) seine bisherigen Stimmen hält und womöglich noch weitere einbringt.

Rapsack
6 Jahre her

Jo

Schwabenwilli
6 Jahre her

„Özdemir nur anhören und seine Spezli, die neuerdings von Heimat, Patriotismus, liberalem Rechtsstaat und Modernität reden, pathetisch und angeberisch, um mit Lautstärke zu verdecken, dass ihre Politik das Gegenteil bewirkt.“

Mich hat es auch fast von Stuhl gehauen, als ich noch in der Nacht diese Worte von Özdemir hörte. Hätte er Worte wie Patriot noch vor zwei Monaten in den Mund genommen, seine eigenen Parteikollegen oder wenigstens die Antifa hätten ihm in der Nacht sein Auto angezündet.

Besten Dank für den Artikel.

Nico Laus
6 Jahre her
Antworten an  Schwabenwilli

Grüner „Patriotismus“ – war da nicht eine Claudia Roth, die bei einer Anti -AfD-Demo hinter Plakaten marschierte „Deutschland verrecke, Deutschland, du mieses Stück Sch….“?
Und jetzt sind wir alle Patrioten?

Michael
6 Jahre her

Und die Mainstream-Medien werden nicht müde zu betonen, dass nach ihren Umfragen die meisten Bürger gegen Neuwahlen sind und sich doch eine Jamaika-Regierung gewünscht hätten. Man versucht wieder die Denkweise der Zuhörer/Zuschauer dadurch zu beeinflussen, dass es da doch eine Mehrheit gibt, die das alles so gar nicht gut heißen kann. Und Neuwahlen wären ja mit viel zu hohen Kosten verbunden. Das Geld braucht man wohl mehr, um die Flüchtlingswelle am laufen zu halten. Fakt ist wohl, dass die FDP bei Neuwahlen nun einen gewaltigen Anteil an Neuwählern bekommen würde. Hoffentlich mehr als die SPD. Meine Stimme hat der Lindner… Mehr

SBgB
6 Jahre her

Sehe ich auch so.
In Chile wär bestimmt noch ein Plätzchen frei… wenn Sie verstehen, was ich meine.

Helmut Kogelberger
6 Jahre her

Wer Merkels Hohlphrasen 11 Minuten lang beklatscht, der putscht nicht. Der wartet bestenfalls darauf, daß einer vorprescht und genügend folgen. Und wenn keiner vorprescht, dann putscht auch nix. Selbst in der JU alles nur Hofschranzen – ja, bis auf einen, der ausgebuht wurde.

Und wenn bei evtl. Neuwahlen sich eine rechnerische Mehrheit für CDU/CSU und FDP ergeben sollte, dann steht Lindner auf der Matte mit seiner FDP, um politische Verantwortung bei Merkel IV. zu übernehmen.

Axel Graalfs
6 Jahre her

Hoffen wir, lieber Herr Tichy, dass das Land diese Chance nutzt und nun endlich einmal eine kritische Aufarbeitung der unberechenbaren und beliebigen merkelschen Kehrtwenden stattfindet, die diesem Land nicht nur keine Kontinuität und Berechenbarkeit verschaffen, sondern ihm auch noch massiv geschadet haben und noch schaden werden. Allein mir fehlt der Glaube, dass Ihre Journalistenkollegen endlich vom Baum der Erkenntnis naschen und ihre unkritische Nibelungentreue gegenüber Merkel und dem grünen Zeitgeist überdenken und eventuell sogar aufgeben. Zu eng scheinen grün-linke Politik und die vierte Gewalt im Staat verzahnt zu sein. Wirklich kritische Berichte und Analysen sind immer noch selten – von… Mehr

Andrea Dickerson
6 Jahre her

Wo kein Richter, da kein Henker!
Unwahrscheinlich, daß die gemerkelte Judikative gegen Rechtsbrüche vorgeht.
Und was weiß ein Gesetzgeber wie C. Roth eigentlich von Gesetzgebung und Rechtstaat? Aber sie wurde wiedergewählt.

Andreas Donath
6 Jahre her

Danke! Nicht zuletzt in diesem Forum wird jemand hochgejubelt der eine – ich wiederhole: EINE! – gute und clevere, wahltaktisch motivierte Entscheidung getroffen hat, der aber trotzdem dem System Merkel nahesteht. Die, die seit vier Jahren den ganzen Wahnsinn immer wieder anprangern und dafür teilweise Pressionen wie in einer Diktatur ausgesetzt sind, werden dagegen gerade von unseren ach so liberalen Schöngeistern nach wie vor inkriminiert, zumindest aber mit dünkelhafter Arroganz abgekanzelt. Neben jenen Unberührbaren möchte ein Herr Lindner ja nicht einmal im Bundestag sitzen, dann schon lieber neben den SED-Nachfolgern, im Volksmund auch Mauermörder-Partei genannt.

Andreas Donath
6 Jahre her

Das möchte ich noch sehen. Die Forderung nach dem Untersuchungsausschuss Merkel ist im Übrigen eine kopierte Uraltforderung der AfD, von Beatrix von Storch schon 2016 formuliert. Die AfD wird diesen Ausschuss mit Sicherheit in Kürze beantragen – schließlich ist er Teil ihrer politischen Agenda. Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich Lindner und Co. aus der Affäre ziehen werden.