Bundesregierung nimmt neuen Anlauf bei Vorratsdatenspeicherung

Nachdem EU-Pläne zur Chatkontrolle einstweilen gescheitert sind, will die Bundesregierung die Vorratsdatenspeicherung vorantreiben. Immer geht es unter vorgeschobenen Schutzbehauptungen um die anlasslose Überwachung aller Bürger, während die realen Taten am Ende kaum verfolgt werden, wie zahlreiche Beispiele belegen

picture alliance/dpa | Jennifer Brückner

Gerade ist die EU-Chatkontrolle gescheitert, auch weil die Deutschen sich am Ende nicht entscheiden mochten. CSU-Innenminister Dobrindt war aus unklaren Gründen dafür, SPD-Justizministerin Hubig aus unklaren Gründen dagegen. Da die Bundesregierung sich enthielt, musste die dänische Ratspräsidentschaft das Vorhaben vorerst streichen. Der Druck war wohl auch zu groß geworden nach der Rückzugsdrohung der Signal-Chefin Meredith Whittaker und vielen weiteren Protesten aus Forschung und Digitalwirtschaft.

Stattdessen will die Bundesregierung nun ihre eigene Überwachungsagenda vorantreiben, und das machen Union und SPD gerne gemeinsam – weil sie es können. Die Wählerstimmen haben sie ja eingesackt. Innenminister Alexander Dobrindt hat für die nächsten Wochen einen Gesetzentwurf über die Vorratsdatenspeicherung angekündigt. Das Vorhaben stand auch schon im Koalitionsvertrag vom vergangenen Mai. Dort heißt es: „Wir führen eine verhältnismäßige und europa- und verfassungsrechtskonforme dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen und Portnummern ein, um diese einem Anschlussinhaber zuordnen zu können.“ Das klingt sehr maßvoll, bedeutet aber tatsächlich eine anlasslose, verdachtsunabhängige und flächendeckende Speicherung der besagten Nutzerdaten. Es ist nicht der erste Anlauf der deutschen Regierung zu solchen Maßnahmen.

Die Speicherung von IP-Adressen und Portnummern würde die Internetzugriffe aller Nutzer jederzeit durchsichtig machen. Und es bräuchte keinen Online-Durchsuchungsbeschluss eines Richters dazu, die Daten wären jederzeit verfügbar. Das führt von der polizeilichen Arbeit weg, hin zu etwas anderem. Es ist ein Schritt näher an die allumfassende Bürgerüberwachung und hat insofern nicht mehr viel mit Kriminalitätsbekämpfung zu tun.

Nötig zum Kampf gegen Terroraffine?

Der Innenminister machte seine Ankündigung bei der Vorstellung des neuen „Bundeslagebilds Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen 2024“ – und klärte damit die Frage, wie er die neue Bürgerüberwachung framen will: So wie die EU-Chatkontrolle soll sie als Kampf gegen CSAM (Child Sexual Abuse Material) verstanden und eingeordnet werden.

2024 ging die Zahl der betroffenen Kinder jedoch leicht zurück, während die Zahl der Straftaten etwa gleich blieb. Angesichts der Explosion an Straftaten in anderen Bereichen geben die Zahlen das Signal, dass hier ein Bereich halbwegs kontrollierbar ist, zumal klar ist, dass sich die eigentlichen Taten „offline“ ereignen und auch dort verfolgt werden müssen. Will man einen Verdächtigen überführen, dann helfen sicher Gerichtsbeschlüsse weiter. Die digitalen Darstellungen gehen daneben zu einem Großteil auf Jugendliche zurück, die sich selbst filmen.

Daneben sagte BKA-Chef Holger Münch, die Vorratsdatenspeicherung würde der Polizei auch beim Anti-Terror-Kampf helfen. Wieder so ein Problem, das es ohne die Politik gar nicht gäbe – und das sie nun angeblich lösen will. Nun sollen also alle Bürger unter Verdacht gestellt werden, weil ein paar Mächtige Terroraffine in größeren Mengen ins Land eingeladen haben.

Digitalwirtschaft: Keine empirischen Belege für den Nutzen

Allerdings ist bisher noch jede Form der anlasslosen und flächendeckenden Datenspeicherung vor Gericht gescheitert, wie der Eco-Verband der Internetwirtschaft laut dem Magazin Digital Business bemerkt. Daneben würde die Speicherpflicht zu erheblichen Kosten für die Anbieter führen. Diese müssten am Ende wieder die Kunden zahlen, in klingender Münze oder durch das Ertragen von Werbung. Auf der anderen Seite könnten so auch kleine Anbieter aus dem Markt gedrängt werden. Die Speicherpflicht für drei Monate käme zu anderen bürokratischen Vorgaben dazu.

Das gewichtigste Argument des Eco-Verbands scheint aber dies zu sein: „Empirisch gibt es keine Belege, dass die Vorratsdatenspeicherung die Aufklärungsquote signifikant verbessert. Professionelle Täter:innen umgehen solche Maßnahmen leicht. Statt massenhafter Datensammlung braucht es gezielte Ermittlungsinstrumente und eine bessere internationale Zusammenarbeit.“ Das wäre es dann also mal wieder für einen Gesetzentwurf der Schwarzroten – zumindest aus inhaltlicher Sicht.

In der Sache haben Gerichte bisher jede Vorratsdatenspeicherung in Deutschland verhindert: 2010 urteilte das Bundesverfassungsgericht dagegen, 2022 auch der Europäische Gerichtshof (EuGH). Eine flächendeckende, anlasslose Speicherung von Verbindungsdaten wäre demnach nur in wenigen Ausnahmefällen möglich: bei einer konkreten Gefahr für die nationale Sicherheit oder beschränkt auf bestimmte Kriminalitätsschwerpunkte. Das alles steht dann aber wohl nicht im Gesetz, sondern eben wiederum die flächendeckende Speicherung aller Internetzugänge.

Die EU bleibt dabei

Derweil schläft auch die EU nicht. Für Anfang 2026 wird ein neuer Gesetzentwurf der Kommission zur EU-weiten Vorratsdatenspeicherung erwartet, wie Netzpolitik.org berichtet. Die EU-Kommission könnte noch etwas mehr als die deutsche Bundesregierung planen. In einem von der dänischen Ratspräsidentschaft verschickten Fragebogen geht es darum, auch Over-the-top-Dienste – das wären wieder einmal Messenger, aber auch Video-Plattformen und Spiele-Anbieter – zum Speichern zu verpflichten. Außerdem schlagen die Dänen vor, Verkehrs- und Standortdaten miteinzubeziehen. Man nähert sich so wirklich der vollständigen Durchleuchtung an. Jede Bewegung des Bürgers würde durch sein Handy an den Speicher weitergegeben.

Das Vorhaben gleicht einer Neuvorlage der gescheiterten Chatkontrolle durch die Hintertür, wenn die Dänen die Überwachung von „Messaging-Apps wie WhatsApp, Facebook Messenger und WeChat“ verlangen und dabei erneut die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung durchbrechen wollen. Die Katze lässt also das Mausen nicht. Die Daten der Bürger scheinen für Bundesbürokraten wie Eurokraten das Köstlichste auf der Welt zu sein.

Und auch bei der eigentlichen Chatkontrolle bleibt der dänische Justizminister Peter Hummelgaard laut Cybernews https://cybernews.com/news/denmark-european-union-chat-control dabei, man dürfe dieses „Instrument“ nicht verlieren: „Deswegen müssen wir auf jeden Fall handeln.“ Die bestehende EU-Gesetzgebung ermöglicht weiterhin die freiwillige Durchsuchung von Inhalten durch die Plattformbetreiber (Meta, Microsoft, Google usw.). Die Durchsuchung ist nur nicht zur Pflicht erhoben worden und betrifft insofern keine Ende-zu-Ende-verschlüsselten Messenger-Apps. Die Diskussion wird aber schon deshalb nicht enden, weil auch die freiwillige Chatkontrolle durch die Betreiber auf einer zeitweiligen Ausnahme von der EU-Grundrechtecharta beruht, die eines Tages auslaufen wird. Das soll angeblich im April 2026 der Fall sein, wenn nicht eine Verlängerung kommt. Bis dahin sind hektische Diskussionen zu erwarten.

Aber ein Verurteilter darf gerne noch eine Polizeigala präsentieren

Und da fragt man sich allerdings, warum die Berliner Polizei nicht vorsichtiger ist, wen sie sich auf ihre Galas einlädt. Ein rechtskräftig verurteilter Nutzer von Kinderpornographie wie die Dragqueen Jurassica Parka, alias Mario Olszinski, müsste es eigentlich nicht sein. Dafür hatte auch die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) keine Erklärung. Ebensowenig die Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) für die Verleihung eines Preises an Olszinski, nachdem seine Verurteilung öffentlich geworden war.

Insbesondere Sprangers Antwort ist durch ihre atemlose Ratlosigkeit fast schon historisch zu nennen. Spranger fand, dass jemand, der wegen CSAM vorbestraft ist, selbst darauf kommen müsse, „so was“ – gemeint: Auftritte auf Polizeigalas – „weiter zu machen“. Aber Bilder der Veranstaltung (auch hier) deuten eher darauf hin, dass die gemeinten Straftaten ohnehin – bei Belieben – gesellschaftlich straffrei gestellt werden sollen. Und was schützte Jurassica Parka konkret vor einer Engagement-Kündigung? Der Datenschutz, den man für den Normalbürger gerade von allen Seiten wegfräst. Anstatt sich auf die Vermittlung von Familienwerten und einer gewissen Normalität zu konzentrieren, muss das Dogma von der Divergenz als Lebensstil, von LGBTQ+ um jeden Preis aufrechterhalten und noch in die am wenigsten passenden Lebensbereiche gepumpt werden.

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Kommentare ( 25 )

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fluffy_bird
1 Monat her

Nur Menschen, die nicht die geringste technische Ahnung haben, können ernsthaft der Regierung glauben, dass diese Vorratsdatenspeicherung dem Schutz gegen Kinderpornographie dienen würde. Wer mit Kinderpornographie handeln möchte, kann sich durch einfachste Möglichkeiten gegen diese Überwachung schützen. Die offizielle Begründung ist also genauso „stichhaltig“, wie anonyme Tafelgeschäfte auf 2000 Euro zu begrenzen um angeblich der organisierten Kriminalität und Geldwäsche Einhalt zu gebieten. Als ob echte Verbrecher zum seriösen Goldhändler am Ort gehen um ihr Geld zu waschen. Als ob echte Verbrecher zum seriösen Goldhändler am Ort gehen um ihr Geld zu waschen. Aber schon lange und nicht erst wenn dieser… Mehr

Manfred_Hbg
1 Monat her

Zitat: „BMJV @bmjv_bund – Dafür dürfen keine elementaren Bürgerrechte geopfert werden, sie müssen auch im digitalen Raum gewahrt bleiben. In D werden wir mit der Einführung einer verpflichtenden IP-Adressenspeicherung den Kampf gegen Kinderpornographie voranbringen.“ > Es ist schon bemerkenswert, wie sie auch beim BMJV (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz) in EINEM Atemzug von „elementaren Bürgerrechte“ zu der Beschuldigung und Anklage des grundsätzlich immer Kinderpornographie konsumierenden Bürgern kommen und deshalb von ALLEN die „verpflichtende IP-Adressenspeicherung“ zu fordern. – – – – DAS wäre im Grunde auch nix anderes, als wenn der Staat einserseits die „elementaren Rechte & Freiheiten“ des Bürgers… Mehr

what be must must be
1 Monat her

„Allerdings ist bisher noch jede Form der anlasslosen und flächendeckenden Datenspeicherung vor Gericht gescheitert, wie der Eco-Verband der Internetwirtschaft laut dem Magazin Digital Business bemerkt.“ – Es sind ja auch noch nicht alle Richter ausgetauscht. Geduld – gut Ding will Weile haben!

H.Arno
1 Monat her

Die betonierte bohrende Gesichts-Starre dieser Daten-Speicherungs-Vertreterin – sagt alles, zu der Überwachungs-wütigen Führungs-Clique!

LF
1 Monat her

Kaum ist ein Antrag, ein Gesetzentwurf gescheitert, schon wird ein neuer Anlauf gestartet, um es durch die Hintertür nochmals zu versuchen. Bloß nicht aufgeben, solange immer nachbohren, bis der eigene Wille durchgedrückt wird. Dieses verhalten wird auch noch, als Demokratie verkauft.  

Mr.Bolp
1 Monat her

Kurz zu Frau Hubig: Sie machte ihr zweites juristisches Staatsexamen, und arbeitete danach vier Jahre lang: Angeblich als Richterin, UNS als Staatsanwältin. Was ist das denn für eine Vita? Oder ist das normal? Vor allem muss man nicht so und soviel Jahre gearbeitet haben, um Richter oder Staatsanwalt zu werden? Nach vier Jahren Arbeit war dann Schluss und die Karriere in der Politik wurde angebahnt, in dem sie in ein Referat des Bundesministerium der Justiz wechselte. Komische Karriere, kann das einer erklären?

Schwabenwilli
1 Monat her

Was ist denn das für ein gestemmel der Berliner innensenatorin? Das sind Politiker der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland?

gast
1 Monat her

Was sind das nur für Leute, deren Vorstellung von Repression und Drangsal hier überhand genommen hat. Wo kommen die her?

Last edited 1 Monat her by gast
Schmidtrotluff
1 Monat her

STASI in die Produktion ! Dieses niederträchtige und unproduktive Gesindel soll seine Chance auf Wiedereingliederung bekommen. Wer sich verweigert, kommt in den Steinbruch. Die Fehler von 1990 dürfen nicht wiederholt werden.

Homer J. Simpson
1 Monat her

Natürlich können die Stasi 2.0-Akteure der DDR 4.0 es nicht gut sein lassen! Schließlich hat die „ewige Kanzlerin“ noch immer das Sagen und wenn Brüssel mangels Ideologie-Erfolg und ausreichend platzierter Marionetten noch nicht mitzieht, dann muss es hier eben auf anderem Wege gehen. Das hat alles mit Rechtsstaat und Demokratie sowie Freiheit nicht mehr das Geringste zu tun. Die Politik der Einheitspartei von CDSUGrüneSPDFDPFWBSWLinke will die totale Kontrolle und die „kollektiven Idioten“ unter unseren Mitbürgern ermächtigen sie dazu, weil sie nicht mehr selbst denken und hinterfragen sondern an den ganzen Klamauk von Klima, Migration & Co. glauben und kräftig dazu… Mehr