CDU, CSU und SPD täuschen eine Einigung vor – Armee-Lotterie nicht vom Tisch

Die schwarz-rote Koalition hat eine Einigung zur Wehrpflicht inszeniert. Doch beschlossen haben sie nur, dass alle 350.000 Männer des Jahrgangs 2008 gemustert werden. Die Frage, wer davon zur Armee muss, lassen sie offen. Obendrein hat ihnen der Sozialdemokrat im Schloss Bellevue ein stinkendes Ei ins Nest gelegt.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Alexander Hoffmann (CSU), Matthias Miersch (SPD), Jens Spahn (CDU) und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, Berlin, 13.11.2025

Vier Mann gehen in die Pressekonferenz. Als letzter spricht der zuständige Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Sogar CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann darf vor ihm reden. Damit verpassen die Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn (CDU) und Matthias Miersch (SPD) dem Minister eine symbolische Niederlage – als Revanchefoul für eine tatsächliche Niederlage, die er ihnen im Oktober verpasst hat. Sie hatten beschlossen, dass künftig das Los darüber entscheiden soll, wer gemustert und wer zur Armee eingezogen wird. Sie hatten eine Pressekonferenz einberufen, um diese Lösung vorzustellen. Miersch sprach schon mit Journalisten darüber. Dann pfiff Pistorius die beiden glücklosen Fraktionsvorsitzenden zurück und deren befreundete Journalisten mussten ihre Exklusiv-Geschichten als Falschmeldungen zurücknehmen.

Nun inszenieren die Vier den Kompromiss – inklusive des symbolischen Siegs der Verlierer. In der Frage der Musterung hat sich Pistorius durchgesetzt: Im nächsten Jahr mustert die Bundeswehr grundsätzlich alle rund 350.000 Männer des Jahrgangs 2008. Also die Männer, die nächstes Jahr 18 werden. Die Entscheidung zur Frage, wer von diesen 350.000 tatsächlich in Wehr- oder Ersatzdienst muss, haben CDU, CSU und SPD auf die lange Bank geschoben. Zur Zeit hoffen sie, dass genug Freiwillige sich melden. Bisher war das nicht der Fall. Bleibt es dabei, kann es doch noch zur Armee-Lotterie kommen. Selbst wann das passiert, lassen die Regisseure der großen Einigung offen.

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Die Pressekonferenz ist von der Tendenz der Fraktionsvorsitzenden geprägt, Lösungskompetenz durch sprachliches Talent zu ersetzen. Und von der Unfähigkeit, sich deutlich ausdrücken zu können. Jens Spahn schafft es immerhin noch, gut klingende Sprachblasen wie „Bedarfswehrpflicht“ oder „mehr Verbindlichkeit in der Freiwilligkeit“ in die Luft zu hauchen. Matthias Miersch scheitert schon an dem Versuch, auch nur einen Satz geradeaus zu Ende zu bringen.

Wenn der Sozialdemokrat gesprochen hat, bleiben mehr offene Fragen als nach einem Spruch des Orakels von Delphi. So sagt Miersch allen Ernstes: Bisher sei es nicht möglich gewesen, „alle Freiwilligen in der Bundeswehr“ unterzubringen. Aha. Die Bundeswehr hat eine Sollstärke von 203.000 Mann, findet dafür aber momentan nur 180.000 Männer. Aber sie kann nicht alle Freiwilligen unterbringen? Spannend. Gebe es künftig nicht genug Freiwillige, müsse der Bundestag die Wehrpflicht neu beraten, sagt Miersch. Das passt nicht zu dem vorher Erwähnten. Aber das passt bei Miersch nie.

Anders als der Schönprediger Miersch gibt Pistorius zu, dass sich die Koalition in der bisherigen Debatte um die Wehrpflicht „die ein oder andere Zerrung“ zugezogen hat. Nun gelte: „Wir haben ein neues Konstrukt.“ Mit neuem Konstrukt ist die Lösung von CDU, CSU und SPD hübsch umschrieben: Nächstes Jahr geht ein Fragebogen an die 700.000 Menschen des Jahrgangs 2008. Männer müssen ihn beantworten. Frauen nicht. Transfrauen auch nicht. Es sei denn, der Kriegsfall bricht aus, dann sind sie wieder Männer. Die 350.000 bekennenden Männer müssen zur Musterung. Vorausgesetzt, Pistorius schafft es, genug Prüfer und genug Prüfstellen bis dahin zu organisieren. Insgesamt soll die Bundeswehr im nächsten Jahrzehnt von den aktuell 180.000 auf 260.000 Mann wachsen. Über 2000 Euro Nettogehalt und ein gratis Führerschein sollen genug Freiwillige anlocken.

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CDU, CSU und SPD schaffen es nicht einmal, sich in den naheliegenden Fragen vollständig zu einigen. Da schweifen die Gedanken schon in die Ferne und sie brechen zu neuen Zielen von gesellschaftlichen Verpflichtungen auf. Eingebrockt hat ihnen das der Sozialdemokrat in Schloss Bellevue. Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat zum 70. Geburtstag der Bundeswehr einen Pflichtdienst für alle gefordert. Das ist eine Wolke, auf der sich der Bundespräsident wohlfühlt, weil er sich als der Überwinder der „gesellschaftlichen Spaltung“ wähnen kann – und die so gar nichts mit der tatsächlichen Realität zu tun hat.

In der tatsächlichen Realität müssen CDU, CSU und SPD für diesen allgemeinen Pflichtdienst die Verfassung ändern. Dafür brauchen sie die Stimmen der Grünen im Bundestag. Die gibt es geschenkt. Aber sie brauchen ebenfalls die Stimmen der Linken oder der AfD. Die der AfD werden sie nicht wollen, weil dann die „Brandmauer“ fällt, das rechte Armageddon unmittelbar ausbricht und die Eiscreme im Kühlschrank schmilzt. Die Linke müsste dafür die Wehrpflicht mittragen und Heidi Reichinneks sorglose Kindergartenpolitik aufgeben.

Schon an der Reaktivierung der Wehrpflicht scheitern Spahn und Miersch wiederholt und weiterhin. Nun wollen sie auch die Wolke des Bundesmaoisten ins Ziel eines Pflichtdienstes für alle reiten? Viel Spaß. Vorläufig folgen sie weiterhin der alten sozialdemokratischen Straße: Wenn eine Regierung sich nicht auf vernünftige Lösungen einigen kann, pflastert sie ihre Löcher mit dem sinnlosen Ausgeben von Steuergeld zu. Deswegen darf Miersch verkünden, dass CDU, CSU und SPD die Zahl der Stellen in Bundesfreiwilligendiensten um 15.000 auf über 100.000 Stellen aufbläht. Damit Miersch etwas hat, womit er die Ralf Stegners und Rolf Mützenichs in den eigenen Reihen mit dem Minimal-Kompromiss befrieden kann.

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Kommentare ( 96 )

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Innere Unruhe
22 Tage her

2029 soll DE angeblich kein Geld mehr haben.
Wäre es da nicht gut, sich gleich zu ergeben? (Provokant gefragt)

BugsBunny
22 Tage her

Für dieses Land, das die Hälfte meiner Vorfahren beklaut, beraubt und im KZ Auschwitz umgebracht hat, mache ich keinen Finger krumm…never ever…..Basta…..

Anglesachse
21 Tage her
Antworten an  BugsBunny

Ein Teil meiner Vorfahren ist nach Kanada emigriert und kämpfte für die Allierten.
Ich dachte, dies D-Land hätte aus seiner Geschichte gelernt und diese Generation wäre anders…geirrt, geirrt…

Wuehlmaus
22 Tage her

Wenn es zu einer Lotterie kommt, dann wird diese „Wehrpflicht“ sofort vom BVerfG gekippt werden.

Yani
22 Tage her

Werden auch die westdeutschen Grünensprösslinge mit einem Los bedacht, oder muss die kartoffelige Unterschicht alleine an die Ostfront? Was machen eigentlich dann die ganzen gleichaltrigen „Schutzsuchenden“? Passen die derweil mit Argusaugen auf die holde kartoffelige Jungweiblichkeit auf?

Wolfgang Richter
22 Tage her

„Schön“, daß sie erst mal nur die Jüngsten zur Musterung bitten, denn von denen ist dank Indoktrinierung durch das sog. Bildungswesen der geringste Widerstand zu erwarten. „Die“ werden vermutlich auch nicht groß hinterfragen, wes und welche „Werte“ sie sodann mit Leben und Gesundheit unter welcher „Fahne“ verteidigen sollen. Und da „Migration“ zu ihrem Leben gehört wie zB „McDoof“, werden sich auch nicht nachrechnen, wer ggf. in welcher Mannstärke im Land „die Stellung hält“, mangels deutschem Paß nicht einzuziehen, während sie selbst mit mindestens 30 % Ausfallquote plus Invalide „für das ihnen erklärte Gemeinwohl…..“. Und wie sich sodann dank ihres Einsatzes… Mehr

gernot69gernot
22 Tage her

Ich denke bei einer Angemessenen Bezahlung mit einem Risikoaufschlag ist das Problem durchaus lösbar ,2700 Euro pro Monat zahlt selbst Russland seinen Soldaten + Premien bei Tod.Deutschland sollte mindestens 10 000 Euro pro Monat seine Solaten und Wehrpflichtige wert sein . Mit Geizhälsen läßt sich kein Krieg gewinnen.
Und das ist meine Meinung

woderm
22 Tage her

Hat denn auch mal einer die Jungen gefragt, ob sie bereit wären,
Deutschland gegen einen potenziellen Besatzer unter Einsatz ihres Lebens zu verteidigen, (warum tun sie es nicht bereits jetzt?),
für die Ziele dieser Regierung, die Erhaltung dieses Staates im aktuellen Zustand in einen Krieg zu ziehen?

Innere Unruhe
22 Tage her
Antworten an  woderm

Hat man die Deutschen befragt, ob sie bereit wären, die im Krieg knappen Ressourcen zu teilen?
Hat man für die Deutschen einen Asylweg geschaffen? Wohin sollen die Deutschen im Fall der Fälle fliehen?
Wie ist sichergestellt, dass die Doppelpässler treue deutsche Bürger bleiben und Deutschland nicht sabotieren?

Mausi
22 Tage her

Männer? Welche Männer? Die firmieren bis dahin alle als Frau. Oder will die SPD etwa zum biologischen Geschlecht zurückkehren? Weil biologisches Geschlecht hier plötzlich so gut passt, dass alle Grundsätze über 80.000 Geschlechter über Bord geworfen werden? Echt Regenbogen Fähnchen im Wind. Bei Politikern ok, bei Bürgern strafbewehrt, wenn sie den biologischen „Mann“ Mann nennen und sie so behandeln.

Wolfgang Richter
22 Tage her
Antworten an  Mausi

Das mit dem „Frausein“ versucht aktuell in NRW offenbar ein Polizeibeamter, um von bei Beförderungen etc. „zuschlagender“ Frauenförderung und Quotengedöns zu profitieren, Ergebnis offenbar eine Strafanzeige der Vertreter seines Arbeitgebers wegen Verdachts des Betruges. Nicht jedem steht offenbar jeder Weg offen, und für die Belange des Militärs ist ja die „Selbstbestimmung“ im Gesetz ausdrücklich ausgenommen. Da zählt dann trotz allem immer noch nur der „Schniedel“ oder halt sein Nichtvorhandensein.

Franz Schroeder
22 Tage her

Ach ja, ich habe ganz vergessen zu fragen:

Schießt das G36 jetzt eigentlich schon gerade aus und ist HK rehabilitiert worden von den Grünen, den Linken und den restlichen roten Kriegsgegnersocken ?
Habe ich was verpasst?

Franz Schroeder
22 Tage her

Ganz vorweg, es gibt immer einen Weg um nicht teilzunehmen. Allein der Wille zählt. 1976, also mitten im heißesten kalten Krieg ever, habe ich den Einberufungsbescheid nach dem ich ihn gelesen habe, zurück in den Umschlag gesteckt und zu meiner Entlastung an das KWEA zurück gesendet. Was dann folgte wissen nur diejenigen die so alt sind wie ich. Fazit. ICH war nicht dabei. Punkt. Was ich damals noch nicht wusste ist folgendes. Es werden nur deutsche Staatsangehörige gemustert. Der Personalausweis alleine, mit dem Vermerk „deutsch“ reicht nicht aus um als Deutscher anerkannt zu sein. Also jeder, außer die Doppelpass Besitzer,… Mehr

Innere Unruhe
22 Tage her
Antworten an  Franz Schroeder

„Es werden nur deutsche Staatsangehörige gemustert. Der Personalausweis alleine, mit dem Vermerk „deutsch“ reicht nicht aus um als Deutscher anerkannt zu sein.
Also jeder, außer die Doppelpass Besitzer, können sich darauf berufen, gar kein nachgewiesener Deutscher zu sein.“
Das ist interessant, wo kann ich mehr darüber nachlesen?