Im größten Bundesland haben die Menschen in der Stichwahl Bürgermeister und Landräte bestimmt. Das „blaue Wunder“ ist ausgeblieben. CDU, SPD und Grüne haben trotzdem nur wenig Grund zum Jubeln.
IMAGO / Rüdiger Wölk
Die „Herzkammer der Sozialdemokratie“ hat SPD-Legende Herbert Wehner einst Dortmund genannt. Deshalb ist das Ergebnis dort für die Partei auch besonders schmerzlich:
Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg stellt die SPD nicht mehr den Oberbürgermeister der Stadt. Der sozialdemokratische Amtsinhaber Andreas Westphal verliert klar gegen seinen Herausforderer Alexander Kalouti von der CDU.
AfD verliert in Duisburg, Gelsenkirchen und Hagen
In Duisburg, Gelsenkirchen und Hagen hatte es jeweils der AfD-Kandidat in die Stichwahl geschafft. Überall bildete sich sofort die bekannte Querfront von CDU, SPD, Grünen und „Linken“ und rief ihre Anhänger zur Wahl des jeweiligen Gegenkandidaten auf. Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU mit der Linkspartei gilt wohl nicht, wenn man gemeinsam zur Wahl eines Politikers aufruft.
Das hat gewirkt. In Duisburg und Gelsenkirchen gewinnen die SPD-Kandidaten, in Hagen zieht ein CDU-Mann ins Rathaus.
SPD holt sich Köln zurück
Die 800.000 Wahlberechtigten der Domstadt haben Torsten Burmester (SPD) klar den Vorzug vor der grünen Kandidatin Berivan Aymaz gegeben. Die bisherige parteilose und chronisch umstrittene Oberbürgermeisterin Henriette Reker war nicht wieder angetreten.
Im Wahlkampf spielte unter anderem der Ausbau des Vereinsgeländes des 1. FC Köln eine große Rolle. Aymaz war aus Umweltschutzgründen dagegen. Das ist in der fußballverrückten Stadt offenbar weniger gut angekommen als erwartet. Wer hätte das ahnen können?
In Köln kam es zu Hausdurchsuchungen gegen einen möglichen Wahlfälscherring im Zusammenhang mit der Integrationsratswahl. Tichys Einblick berichtete:
Grüne: viel Schatten, ein Lichtblick
Von den Regierungsqualitäten der Grünen waren die Bürger wenig angetan. Überall dort, wo die Partei den Rathauschef stellte, wurde jetzt jeweils der Gegenkandidat gewählt.
Aachen
Hier holt Michael Ziemons für die Union das Rathaus zurück. Amtsinhaberin
Sybille Keupen (Parteilos, unterstützt von B90/Die Grünen) ist abgewählt.
Bonn
Im ehemaligen Bundeshauptdorf dasselbe Bild: Guido Déus (CDU) ersetzt die bisherige grüne Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne).
Düsseldorf
In der Landeshauptstadt bleibt Stephan Keller (CDU) Oberbürgermeister. Er gewinnt klar gegen Clara Gerlach (Grüne).
Münster
Nur in der notorisch linken Studentenstadt können die Grünen einen Erfolg einfahren. Hier zieht ihr Kandidat Tilman Fuchs ins Rathaus ein. Gegenkandidat Georg Lunemann (CDU) geht leer aus.
Schwarz-roter Ämtertausch
Die Sozialdemokraten verlieren Leverkusen an die Union. Die CDU verliert unter anderem die Rathäuser in Bocholt, Mühlheim an der Ruhr und in Oberhausen an die SPD. Besonders bitter ist die Niederlage für den bisherigen Bürgermeister von Siegen, Steffen Mues (CDU): Sein SPD-Herausforderer Tristan Vitt hat am Ende ganze zehn (in Zahlen: 10) Stimmen mehr.
In Bielefeld wechseln sich seit 1975 die Amtsinhaber zwischen CDU und SPD ab. Bei dieser Abfolge bleibt es. Dieses Mal gewinnt Unionskandidatin Christina Bauer.
Die CDU hält Essen knapp und Paderborn (gegen einen grünen Herausforderer) sicher. Die SPD verteidigt die Rathäuser in Krefeld und Mönchengladbach und gewinnt Wuppertal zurück. Das ist Balsam für die rote Seele, denn es ist die Heimatstadt der sozialdemokratischen NRW-Größe Johannes Rau.
Eine Wahl ganz ohne Parteien
In Heek im westlichen Münsterland standen sich zwei parteilose Einzelbewerber in der Stichwahl gegenüber. Gewonnen hat Michael Averbeck mit 51,6 Prozent der Stimmen gegen Jürgen Lammers.
Stichwahlen im größten Bundesland
In insgesamt 148 Städten und Landkreisen hatte in der ersten Runde der Kommunalwahlen vor zwei Wochen kein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht. Dort sind nun die beiden jeweils Bestplatzierten in die Stichwahl gegangen.
In der Stichwahl reichte eine einfache Mehrheit zum Sieg. Die Wahllokale hatten von 08.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.
Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte sind hauptberufliche Wahlbeamte. Gewählt werden sie für fünf Jahre. Bei den Kommunalwahlen 2020 gab es in ganz NRW nur 128 Stichwahlen. Grund für die wachsende Zahl von Stichwahlen ist auch die Stärke der AfD, die damit das erreichen einer absoluten Mehrheit im ersten Wahlgang schwieriger machen.
In 21 der 23 kreisfreien Städte des bevölkerungsreichsten Bundeslands hatte es in der ersten Runde keinen Sieger gegeben. Lediglich in Hamm und in Herne konnten sich die Amtsinhaber – beide von der SPD – auf Anhieb wieder durchsetzen.
WDR verzählt sich
Übrigens hatte der Westdeutsche Rundfunk WDR zwei Wochen lang und sogar noch bis kurz nach Schließung der Wahllokale berichtet, dass in 147 Städten und Landkreisen eine Stichwahl stattfindet. Tatsächlich waren es 148.
Zerknirscht korrigierte die mit Abstand größte ARD-Anstalt den Fehler auf ihrer Internetseite. Kann ja mal passieren bei der wichtigsten Regionalwahl im Berichtsgebiet.
Man hat ja sonst so viel zu tun, gell.



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Das blaue Wunder ist ausgeblieben? Was hätten sie geschrieben, wenn die FDP bei 10% erfolgreich gewesen wäre? Wunder oder sagenhaft oder….was?
Eine Verdreifachung des Blauen Wahlergebnisses gegen alle Systemparteien und auch gegen alle die unter Sonstige firmieren ist doch echt wunderbar – oder nicht?
Stellen sie sich doch mal eine solche Ergebnisvermehrung in den kommenden Landtagswahlen und der Bundestagswahl vor. Unglaublich? Ja, es reicht aber eine einfache Verdoppelung der Stimmen. Es geht sogar mit deutlich weniger, um hier von einem Wunder zu sprechen. Übrigens Wunder sind nicht vorhersagbar. Alles was erwartet werden kann ist kein Wunder sondern schlicht erwartbares Ergebnis.
Wie ich schon am Wahlabend der ersten Wahlrunden hier schrieb, so ist es jetzt auch gekommen. Wenn die AfD im ersten Wahlgang zweiter wird, bedeutet dies einfach Pariser Verhältnisse: Mit dem 2. Platz der AfD wird Angst geschürt, so dass die (Bisher-)Nicht AfD-Wähler sich genötigt sehen, in 2. Wahlgang „die Demokratie zu retten“. In Frankreich „retten sie die Demokratie“ so schon seit mehreren Jahrzehnten, kriegen eine unbeliebtere Regierung nach der anderen, jedes mal noch schlechtere Verhältnisse. Die Guten ™️ feiern sich jedes Mal als Retter, sie framen die „Niederlage“ der Opposition als Watschen durch das Volk – aber es wird… Mehr
Wir – hier – wissen fast alle, dass D. einfach verstiegen und versifft ist. Die Leute haben sich an die Zustände, s. Gelsenkirchen, Berlin etc., mit all dem Dreck, den Abzockern, Betrügern, Kriminellen einfach gewöhnt, denn man will ja nicht sein Umfeld nach sinnvollen, bewährten Strukturen gestalten, man nimmt die unseligen Dinge von Massenkriminalität bis Deindustrialisierung in Kauf, weil man aus Angst vor Unbilden an seinem Narrativ des schönen und reichen Deutschlands festhalten will. Die Gestaltung überlässt man den aggressiven Schreiern. Insb. in NRW ist das, vielleicht durch die „rheinische Frohnatur“, besonders ausgeprägt. Berlin ist längst kaputt. Wer dort gutes… Mehr
Traurig, aber wahr!
Dennoch endlich mal jemand, der die Dinge nüchtern und sachlich formuliert, ohne dabei zu versuchen, „Ost und West“ auseinander zu dividieren. Ganz abgesehen davon, daß es dadurch ganz bestimmt niemanden besser geht. Weder im „Osten“, oder „Westen“, noch irgendwo in Deutschland!
Vielleicht wollen deutsche Frauen es so, weil kein deutscher Mann sie mehr anfassen will, ohne gleich verklagt zu werden? Vorsicht Satire mit einem Schuss Realität. Zumindest, was mich betrifft.
Es macht für die AFD derzeit strategisch überhaupt keinen Sinn, unter den gegenwärtigen Machtverhältnissen in Bund und Ländern Bürgermeister- Posten übernehmen zu wollen. Es bestünde keinerlei realer Gestaltungsrahmen, sodass die entsprechenden Politiker nichts bewirken könnten.
Viel wichtiger wäre es, eine Landesregierung zu stellen, hier könnte tatsächlich etwas bewirkt werden.
Kurz gesagt: Es bleibt alles beim Alten! Das dumme deutsche Wahlvolk hat noch immer nicht begriffen, dass dieses Land in den Untergang rast!
Abi 1985. Am Wochenende 40-jähriges Abi-Treffen, eine Stadt in NRW. Es treffen sich eine Realschulschulrektorin, ein Prof. für Wirtschaftsinformatik, ein Eigentümer einer Unternehmensberatung, ein Arzt bei der Bundeswehr, ein Orthopäde, ein Ehepaar beide bei Siemens, eine Partnerin einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft usw., die meisten kurz vor der Rente, die Kinder gut ausgebildet aus dem Haus. „Krise in der Industrie? Ja, hab davon gehört. Ganz schlimm. … Aber der Höcke. Und außerdem können wir ja nicht alle ausweisen, dann kollabiert die Pflege. Im Herbst fahren wir jetzt noch eine Woche weg, zum wandern. …“
Ja, das ist das Leiden der Deutschen, und sie werden sich dessen nie bewusst. Wenn sie wieder am Boden liegen, dann haben sie wieder nichts gewusst!
Unglaublich , da kann die Stadt verdrecken und äusserlich wie innerlich zerfallen , aber Fussball,, 1.FC Köln, gaaaanz wichtig, versetzt Berge.
Aber letztlich ist es egal.
Mit dem Westen ist kein Wandel zu gewinnen. Die Masse der Bürger ist einfach ideologisch gebranntmarkt und läuft in der Schafherde mit. Mäh … Mäh … Mäh. Ich hoffe, in den nächsten zwei Jahren kommt es richtig böse. Fraglich bleibt, ob sie immer noch nicht aufwachen, weil die Hirne inzwischen auf Walnussgröße geschrumpft sind. Die reichen noch, um die Atmung und die Verdauung zu steuern. Mehr ist da nicht mehr drin.
Darf ich daran erinnern, dass die Linke, ehedem SED, bis auf Hamburg und Bremen ausschließlich im Osten in den Landesparlamenten sitzt und z.T. mitregiert?
Das ist leider wirklich so und zeigt das Dilemma des Deutschen. Er, oder besser Sie, ist einfach zu, tja anders klug.
Ach, und wie nennt man diese Situation im Westen? „Unsere Demokratie schützen, durch Brandmauern“!!! Wer hats erfunden? Richtig, die Altparteien im Westen. Ohne diese Erfindung würden die ewig Gestrigen von der Ex-SED im Osten nirgendwo mitregieren. Richtig oder falsch?
Atmung und Verdauung werden vom vegetativen Nervensystem gesteuert.
Zumindest bei den Wessis 😉
Frau Aymaz war nicht aus Umweltschutzgründen gegen den Ausbau des FC-Vereinsgeländes. Hätte man dort geplant, einen Solar- bzw. Windpark oder eine Asylbewerber-Residenz zu errichten, hätte sie „Hallelujah“ gerufen.Es ging, wie immer bei den Grünen, vor allem darum, den Plebs („alles Nazis“) zu schikanieren.
Wenn mir jetzt noch jemand erklären kann, wo der realpolitische Unterschied zwischen Union, SPD und Grünen liegen soll, wird mir das Wahlverhalten deutscher Mehrheitsmichel vielleicht plausibel.
Aber das liegt doch auf der Hand. Es ist der Namen.