Familienministerin Spiegel versucht, die Flut-Affäre auszusitzen

Die Grünen-Politikerin Anne Spiegel hofft offenbar, dass ihr Versagen bei der Ahrtal-Flut bald wieder von der Agenda verschwindet. Auch zu einer Entschuldigung bei den Opfern reicht es bei ihr nicht.

IMAGO / Political-Moments
Bundesfamilienministerin Anne Spiegel versucht offenbar, die Affäre um ihr Versagen bei der Ahrtal-Flut 2021 an sich abtropfen zu lassen. Am heutigen Freitag soll sie vor dem Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags aussagen, der die gravierenden politischen Fehler untersucht, die im Juli des vergangenen Jahres zu 134 Hochwasser-Toten und fast 800 Verletzten führten. Spiegel, damals als Umweltministerin des Landes federführend für die ausgebliebenen Warnungen verantwortlich, war sich internen Kommunikationsprotokollen zufolge damals vor allem um ihr politisches Image besorgt. Wichtig war ihr auch, dass im Text einer Pressemitteilung gegendert wurde.

TE bat die Grünen-Politikerin über das Bundesfamilienministerium um Stellungnahme zu den Vorwürfen – und fragte gleichzeitig, ob sie sich für ihr Fehlverhalten unmittelbar vor und während der Flut entschuldigen wolle. Eine Sprecherin aus Spiegels Pressestelle antwortete telefonisch, das Bundesministerium sei nicht der richtige Ansprechpartner – und verwies auf ihre frühere Wirkungsstätte, das Umweltministerium in Mainz. Auch dort ging der Sprecher des Ressorts nicht auf die Fragen von TE ein, sondern schickte lediglich eine Mitteilung, die noch einmal Spiegels Wirken während der Flut herausstreicht. Allerdings gibt es in der Erklärung eine entscheidende Lücke.

Flutkatastrophe verschlafen
Ministerin Anne Spiegel war während der Flut vor allem um ihr Image besorgt
Am 14. Juli, als die Pegel der Ahr schon stiegen, und die europäische Hochwasserzentrale vor einer akuten Überflutungsgefahr warnte, gab Spiegels Ministerium zwar um 16.43 Uhr eine Pressemitteilung mit einer allgemeinen Warnung heraus – allerdings mit der fatalen Formulierung, es drohe „kein Extremhochwasser“. Spiegel selbst redigierte ein Detail in der Pressemitteilung, das ihr wichtig erschien. Ihre Anweisung lautete: „Bitte noch gendern“. Es müsse „CampingplatzbetreiberInnen“ heißen.

Als die Flut im Verlauf des 14. Juli anstieg, fragte die Pressestelle des Ministeriums bei Spiegels grünem Staatssekretär Erwin Manz per SMS nach, ob die vage Warnung vom Nachmittag tatsächlich genüge: „Müssen wir jetzt was machen?“ Manz antwortete: „Heute nicht.“

In den folgenden Tagen, als das Deaster an der Ahr offensichtlich wurde, sorgte sich Spiegels Pressesprecher vor allem um das Medienbild der Ministerin: „Die Starkregen-Katastrophe wird das beherrschende Thema dieser und nächster Woche sein. Anne braucht eine glaubwürdige Rolle.“ Und schlug vor, entsprechende Pressebilder zu produzieren: „Anne bei Reparaturarbeiten, bei Hochwasserschutzprojekten, dort wo neue Gefahren drohen, Besuch mit Journalisten bei Hochwassermeldezentren“.

Spiegel selbst begriff offenbar schnell, dass sie und ihr Mitarbeiterstab am 14. Juli gravierend versagt hatten. Ihre Überlegungen kreisten deshalb um das „Wording“, wie sie in einer SMS an ihren Sprecher Dietmar Brück schrieb, also die passenden Formulierungen, um sich aus der Verantwortung zu winden: „Lieber Dietmar, das deckt sich mit meinen Überlegungen, plus: das Blame-Game könnte sofort losgehen, wir brauchen ein Wording, dass wir rechtzeitig gewarnt haben, ich im Kabinett.“

Zu diesen Vorgängen schickte das Umweltministerium von Rheinland-Pfalz am Donnerstag auf Anfrage von TE folgende Erklärung:

„Am Vormittag des 15.7. fand auf Einladung der damaligen Ministerin Anne Spiegel eine Krisensitzung des Hauses mit den nachgeordneten Behörden zur Hochwasserlage und den anstehenden Aufgaben statt. Dabei ging es insbesondere um die Bewertung der Lage der Hochwassersituation inkl. Prognosen Niederschlagsgeschehen und um mögliche Hilfen für Bürgerinnen und Bürger sowie für Kommunen. Im Vordergrund der Arbeit des Ministeriums stand die Hilfe für die Menschen vor Ort bei der Wiederherstellung der Trinkwasserversorgung, der Abwasserentsorgung, der Energieversorgung und der Entsorgung der von der Flut herangespülten Müll- und Sperrmüllberge.

Frau Spiegel nahm an diesem Vormittag zudem an einer Sondersitzung des Ministerrates mit ihren Kabinettskolleginnen und -kollegen teil, in der sich über die aktuelle Lage ausgetauscht und die Handlungsoptionen der Landesregierung für nächste Schritte ausgelotet wurden.“

Auffälligerweise fehlt in dieser Aufzählung der entscheidende 14. Juli völlig. Außerdem teilte der Sprecher mit:

„Im Übrigen bitten wir um Verständnis dafür, dass wir bezüglich nichtöffentlicher Akten aus dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht Stellung nehmen.“

TE fragte deshalb noch einmal nach, ob Spiegel sich bei den Opfern der Hochwasserkatastrophe entschuldigen wolle. Die Anfrage ließ das Ministerium in Mainz unbeantwortet.

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Kommentare ( 64 )

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Ralph
2 Jahre her

Ist so ein Versagen nicht Empfehlung für höhere Weihen? Dies zeigt sich immer wieder.
Die Frau hat alles richtig gemacht!

Deutscher
2 Jahre her

Ihre Anweisung lautete: „Bitte noch gendern“. Es müsse „CampingplatzbetreiberInnen“ heißen.

Das erinnert an die Leute von Golgafrincham in Douglas Adams´ „Per Anhalter durch die Galaxis“: Sie scheitern an der Wiedererfindung des ihnen bereits bekannten Rades, weil sie sich nicht einigen können, welche Farbe das Ding haben soll.

Gjergj Kastrioti
2 Jahre her

Unglaublich, diese Frau sorgt sich bei einem wichtigen und sehr eiligen Text um diesen Gender-Quatsch! Was wurden doch für unfähige Leute von den grünen Wogen noch ganz oben gespült. Die sind verantwortlich für die vielen Todesopfer! Die Barrieren an der Ahr, die es früher mal gab, wurden durch Grüne beseitigt, damit Fische leichter die Ahr hinauf- und hinunterschwimmen können. Dass da auch ein Hochwasser viel leichter hinunter rast, soweit denken diese Leute nicht!

F.Peter
2 Jahre her

Gab es jemals etwas positives über Grüne Politiker zu berichten da, wo sie in der Verantwortung stehen oder standen?

Kassandra
2 Jahre her

TE könnte doch mal bei den Katastrophenhelfern vor Ort nachfragen, wie das, was Spiegel und die anderen im Ministerium bei der „Krisensitzung“ in Mainz, Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt, auskungelten – und wie das am grünen Tisch ausbaldowerte zur tatsächlichen Katastrophenlage an der Ahr passte? So viel ich weiß, hat man die Ersthelfer vor Ort so gut wie alleine gelassen, manche, die eine Hilfsinfrastruktur aufbauten, sofort diffamiert und sogar verjagt – und bei denen, die Tag und Nacht Berge von Schutt räumten und danach um die Bezahlung bangen mussten – da hat man mit der Presse übel nachgetreten: https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/katastrophen/id_91503620/aerger-im-ahrtal-fluthelden-auf-besatzerkurs.html… Mehr

Contra Merkl
2 Jahre her

Das die Leute die im Verwandten und Familienkreis Opfer zu beklagen haben keine Strafanzeige stellen, kann ich nicht verstehen. Unterlassung, Unfähigkeit oder gar Vorsatz, hier mit zahlreicher Todesfolge, da muss die Staatsanwaltschaft ermitteln. Normal muss die bei sowas selbstständig tätig werden. So einen Untersuchungsausschuss da wissen wir alle, da wird nix passieren. Die gehen um 22.30 Uhr alle zusammen Essen.

Helmut Inzinger
2 Jahre her

Bei den GEZ-Medien erregt man sich bereits lautstark darüber, wie es denn überhaupt sein konnte, dass die SMS-Protokolle überhaupt öffentlich gemacht worden sind. Dies könnten nun „Demokratiefeinde“ für ihre Zwecke instrumentalisieren….
Wieder mal prügelt man nicht auf den ein, der den Mist verursachte sondern auf den, der auf den Mist hingewiesen hat.

F.Peter
2 Jahre her
Antworten an  Helmut Inzinger

Alter Spruch: Man liebt den Verrat aber nicht den Verräter!

Biskaborn
2 Jahre her

Solange die Menschen im Ahrtal dieser Dame nicht klar und deutlich,vor allem öffentlich, zur Kenntnis geben was sie von ihr halten wird sie unbeschadet das Thema aussitzen. Da dort aber lieber Merkel gehuldigt und die Vertreter der Versagerparteien trotz allen Elends gewählt wurden, kann sich diese Dame entspannt zurücklehnen.

Kristallo
2 Jahre her

Warum fragt TE diese Versagerin wiederholt nach ihrer Entschuldigungsbereitschaft? Abgesehen davon, dass man sich nicht selbst entschulden kann: Bei politischem Versagen ist in einer Demokratie Rücktritt oder Entlassung angezeigt, und nicht Entschuldigung!

Roger W.
2 Jahre her

Was bei der ethisch und moralisch bereits schwer verwerflichen und tödlichen Causa der Frau Anne Spiegel im Falle der Ahrtalüberschwemmung an dem im Artikel bezeichneten relativ kurzen Zeitraum nach dem 14. Juni immer wieder vergessen wird: Frau Spiegel war als Umweltministerin durch die von ihr bewirkten sogenannten „Renaturierungsmaßnahmen“ im Ahrtal in den Jahren vor der Katastrophe maßgeblich verantwortlich für die verantwortungslose Rückbaugestaltung der Ahr in ein nicht mehr mit Überschwemmungsschutz zu kontrollierendes Gewässer. Dessen Überschwemmungsgefährlichkeit war aus vergangenen Jahrhunderten wohlbekannt und ist vorsätzlich dummgrünem Wunschdenken geopfert worden in Form von 134 Toten und 800 Verletzten und einem Milliardenschaden. Und diese… Mehr