Extinction Rebellion: Die apokalyptische Spaß-Sekte greift Berlin an

Extinction Rebellion macht keinen Aufstand, sondern eine große Party in Berlin. Wenn man sich die Akteure und ihre Texte näher ansieht, wird klar: Sie wollen nicht nur die Welt retten, sondern vor allem Spaß und Emotionen. Eine neue Religion offenbart sich.

© Abdulhamid Hosbas/Anadolu Agency via Getty Images

Die PR-Strategen von Fridays for Future müssen sich langsam etwas einfallen lassen. Schließlich stiehlt ihnen mittlerweile eine andere Klima-Protest-Bewegung die Schau: Extinction Rebellion (XR) ist nun der letzte Schrei des internationalen und deutschen Klimarettungsaktivistengewerbes. Entstanden in England im vergangenen Jahr, startet die Organisation nun in Berlin eine Art Großoffensive, die die ganze Woche über andauern soll. Am Montagmorgen blockierten zunächst einmal einige Hundert „Rebellen“ alle Straßen rund um den Großen Stern an der Siegessäule im Tiergarten. 

Rebellion oder Aufstand – ein martialisches Wort. Bei Betrachtung der Szenen in Berlin aber, die über soziale Medien reichlich verteilt werden, fällt auf: Die Teilnehmer amüsieren sich prächtig. Man singt und tanzt, präsentiert sich in bizarren roten Kostümen und weißen Masken. 

— Extinction Rebellion Heidelberg (@XR_Heidelberg) October 7, 2019

Eine Mischung aus Woodstock-Romantik, Loveparade und Karneval. Vielleicht ist das demonstrative Party-Machen auch das Erfolgsgeheimnis und Unterscheidungsmerkmal gegenüber Gretas Thunbergs Sauertöpfigkeit. Die Extinction Rebellen jedenfalls scheinen bester Laune zu sein. Party-Politics statt Partei-Politik. 

Eigentlich seltsam, könnte man meinen, diese Party-Stimmung. Wo es doch laut deutscher Website der XR um nicht weniger geht als: „das Risiko der Auslöschung der Menschheit und des Kollapses unserer Ökosysteme verkleinern“. Die Welt zu retten soll eben wohl in Form einer großen Gaudi gelingen.

Was auffällig ist: Die Teilnehmer sind zwar bunt angezogen und manche tragen Dreadlocks auf dem Kopf, aber identitätsmäßig sind sie ziemlich, nun ja, weiß. An der eigenen Diversity muss XR noch arbeiten. Die migrantische Jugend – zumindest in Deutschland – scheint das ganze Bohei von XR und FFF kaum zu interessieren.

Eine Taz-Reporterin hat mit einer Laura Metz gesprochen, Studentin aus Köln: „Für die Blockade verpasst sie ihre erste Semesterwoche. Die Klimakrise sei ihr wichtiger, sagt sie.“ Vermutlich ist das ziemlich repräsentativ. Extinction Rebellion ist offensichtlich für die älteren Geschwister der FFF-Schulschwänzer gedacht: Hier können die Twens hingehen, wenn es ihnen peinlich ist, mit 11-Jährigen gesehen zu werden. 

Sollte man ein soziologisches Fazit ziehen: Junge Menschen der dritten bis vierten Wohlstandsgeneration des alten Westens, vermutlich größtenteils Studenten mit offensichtlich viel Freizeit, genug Taschengeld und leichtem Hang zur kollektiven Selbstdarstellung. Dazu kommt wohl einfach: das uralte, allzumenschlich-altersgemäße Bedürfnis, Teil von etwas Wichtigem zu sein – und sich dabei auch noch zu amüsieren. 

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Mit anderen dezidiert politischen Bewegungen der Gegenwart, die um existentielle eigene Interessen kämpfen, wie den französischen Gelbwesten, der Hongkonger Demokratiebewegung, geschweige denn Demonstranten in Ecuador, Venezuela oder gar den Ländern Nordafrikas und Vorderasiens haben die XR-Rebellen wohl so gut wie nichts gemein. Der Unterschied ist vor allem, dass völlig unklar ist, gegen wen Extinciton Rebellion überhaupt rebelliert. Rebellionen richten sich eigentlich gegen eine unterdrückende Macht. Aber ein „Aufstand gegen das Aussterben“? Ist das Aussterben etwa ein unterdrückerisches Regime? 

Diejenigen, die die Macht hierzulande haben, scheinen vor diesen selbst erklärten Aufständischen jedenfalls keine besondere Angst zu haben. Selbst illegale Aktionen wie die Blockade von Straßen trifft auf viel Verständnis. Erst ab 16 Uhr rückte die Berliner Polizei an der Siegessäule zur Räumung an. 

Von Politikern kommt allenfalls sanfte Kritik. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer beispielsweise schreibt: 

Dieser Aufstand ist eben kein wirklicher. Tatsächlich rennen die bunten Rebellendarsteller nicht nur offene Türen ein, sondern werden von den Mächtigen sogar noch willkommen geheißen. Einen Konflikt, den man angesichts des martialischen Begriffs „Rebellion“ erwarten könnte, gibt es gar nicht. 

Aber möglicherweise geht es dieser Bewegung auch gar nicht nur um ihre klimapolitischen Forderungen (vor allem: Regierungen sollen den „Klima- und Umweltnotstand ausrufen“), sondern sie stillt offenbar ebenso emotionale Bedürfnisse ihrer Anhänger, vielleicht sogar religiöse. Vermutlich kann oder muss man Extinction Rebellion eigentlich als eine Rebellion gegen zwei Empfindungen begreifen, die das Leben junger Wohlstandsmenschen in westlichen Gesellschaften nun einmal prägen: „Kalte“ Rationalität und säkulare Sinnlosigkeit.

Einer der Mitgründer, ein gewisser Stu Basden, tritt fast wie ein Guru auf. In einem Video ist er mit regenbogenbunt gefärbtem Bart, lilafarbenem Frauenunterhemd und psychedelischem Muster auf der Hose zu sehen, während er über „Reframing Conflict“ doziert und behauptet, es gäbe keine „schlechten Menschen“, sondern nur „traumatisierte Menschen“. „Wir alle tragen Traumata von Dingen, die uns in der Vergangenheit verletzt haben“.  

Auf der Website des deutschen Ablegers von XR, erfährt man auf die Frage „wer wir sind“ nicht nur die Antwort, dass die Rebellen „das Risiko der Auslöschung der Menschheit und des Kollapses unserer Ökosysteme verkleinern“ wollen. Sie handeln, so steht da, „aus Liebe zum Leben und für eine lebenswerte Zukunft aller Lebewesen auf diesem Planeten“. Wem dabei der Verdacht kommt, dass diese Organisation möglicherweise ein wenig durchgedreht sei, könnte sich ein paar Zeilen später bestätigt sehen. Da steht: „Wir spüren unsere Verbundenheit, wir akzeptieren uns mit unserer Liebe, unserer Trauer, unserer Verzweiflung und unserer Wut. Alle unsere Gefühle gehören zu uns und fließen ein in unser gemeinschaftliches Handeln. Gerade aus diesem Grund wächst die Rebellion: weil unsere Gefühle in ihr Platz finden und die Rebellion ihnen Ausdruck verleiht. Unsere Bereitschaft, unsere Emotionen angesichts der drohenden Katastrophe wahrzunehmen und anzuerkennen, ist ein entscheidender Aspekt von Extinction Rebellion.“

Vielleicht kann man sogar – ausnahmsweise – einmal der berüchtigten Jutta Dittfurth zustimmen, wenn sie feststellt: „XR ist keine »gewaltfreie Klimabewegung« sondern eine religiöse-gewaltfreie esoterische Sekte“

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